Zum Inhalt der Seite

Winterwanderung

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Winterwanderung

Es knirschte leise, als Sie einige leichte Schritte über die hohe Schneedecke machte und die kühle und klare Luft in Ihre Lunge strömen ließ. Das helle Weiß blendete Sie ein wenig, doch es störte Sie nicht, als Sie durch den verschneiten Wald wanderte. Auf den Ästen der Tannen lagen große Haufen von eisigem Schnee und manchmal, wenn ein Vogel sich auf einem der Tannenzweige niederließ, rieselte ein wenig davon hinunter auf den übrigen Schnee. Bis auf diese Tiere war der Wald vollkommen still und keine Lebewesen ließen sich blicken. Doch es war schön und Sie liebte diese Stille, jenseits von Ihrem anderen Leben.
 

Wenn die Sonne durch die Bäume schien, dann glitzerte der Schnee und die Eiszapfen die von Ästen und Nadeln herunterhingen spiegelten das Licht und brachen es in unterschiedliche Muster und Formen. Sie strich sanft mit den Fingern darüber und spürte die Kälte, aber auch wie das Eis schnell in Ihrer Hand taute – nur durch die Wärme Ihrer Hände. Sie lächelte darüber, wenn Sie daran dachte, wie lange es gedauert hatte, bis das Wasser zu Eis erstarrt war und wie schnell Sie diese schönen, spitzen Formen wieder in ihren Ursprungszustand versetzen konnte. Doch Sie tat es nicht, denn Sie liebte das Eis und das helle und reine Weiß des Schnees, wenn er wie eine wärmende Decke über der Landschaft lag und die Pflanzen zur Ruhe bettete. Die Welt wirkte dann unnahbar und wunderschön, eisig und erstarrt und dennoch lebendig, wenn sich Rehe und Füchse durch ihr Fell von der Schneeschicht abzeichneten und durchs Gelände „schnürten“. Gerade jetzt konnte Sie wieder so eine Spur von einem „schnürenden Fuchs“ vor sich auf dem Weg ausmachen. Ja, wenn der Fuchs seinen Schwanz hinter sich herschleifte, entstand eine solche Fährte. Sie lachte leise, denn Sie wollte keine anderen Tiere aus ihrem Schlaf wecken und freute sich, denn Sie hatte lange keine Spur von Ihrem Lieblingstier mehr entdeckt.
 

Nach einer Weile begannen kleine, weiche Flocken vom Himmel herunter zu rieseln und Sie konnte ihr Sternenmuster erkennen, wenn Sie sie mit Ihrem Mantel auffing und sie sich besah. Es sah wunderschön aus und wieder staunte Sie über das Wunder der Natur solche filigranen Muster zu schaffen – jede keine Schneeflocke sah anders aus. Jede Schneeflocke war ein Wunder für sich. Es fielen nicht mehr viele Flocken, es war nur eine kleine Wolke gewesen aus der sie herab gesegelt waren und die nun weiter über das Land und die Felder zog.
 

Die Bäume wurden lichter und kurz darauf erreichte Sie den Platz, an dem die Futterkrippe stand. Sie war noch nicht ganz leer gefressen, aber es war nicht mehr viel Heu da. Mit vorsichtigen Schritten näherte Sie sich der Krippe und entdeckte die Spuren der Rehe und Hirsche, die sich erst vor kurzem hier aufgehalten und gefressen hatten, im Schnee. Nachdem Sie sich über die Abdrücke gefreut hatte, packte sie aus ihrem Beutel ein wenig Heu und saftige Rinde in die Krippe und richtete es für die hungrigen Tiere ordentlich und gut erreichbar an. Dabei roch Sie den hölzernen Duft der Rinde und den der klaren Waldluft, dass sie sich ganz glücklich fühlte. Im Winter, so schien es Ihr manchmal, war der Wald sauberer und frischer, als in den anderen Jahreszeiten. Er war frei von Schmutz und Staub und wurde rein gewaschen, durch den Schnee. Sicher bildete Sie es sich nur ein, aber dennoch liebte Sie diesen Winterduft. Er ließ Ihr Herz ein wenig rasen und machte Sie einfach nur beglückt und zufrieden. Langsam entfernte Sie sich von der Lichtung und stampfte durch den Schnee weiter durch die verzauberte Waldlandschaft. Es war wie ein Traum und er sollte nie enden. Der Wald sollte sich über das ganze Land erstrecken, damit Sie immer weiter wandern konnte, solang Sie Ihre Füße trugen. In diesem Moment fühlte auch Sie sich rein und klar, als hätte Sie mit dem Ein- und Ausatmen der Luft einmal Ihren Körper von innen gesäubert.
 

Manchmal warf Sie sich mit Ihren warmen Winterkleidern einfach in den weichen Schnee und machte einen Engel oder baute für sich einen kleinen Schneemann mit Ästen, als Arme und Nase. Dann hüpfte Sie ein wenig herum und hinterließ Ihre Spuren im Schnee, wie ein aufgeregtes Rehkitz, welches zum ersten Mal gefrorenes Wasser sah. Etwas später lief Sie wieder ruhig und schaute sich die Umgebung genau an – ließ die Atmosphäre des Waldes auf sich wirken. Sie fühlte sich wie ein kleiner dunkler Punkt, ein Schmutzfleck auf dieser weißen Fläche und wurde ein wenig traurig. Doch dann wanderten Ihre Gedanken zu den Rehen, Füchsen und Vögeln, die genauso wenig weiß und rein waren, wie Sie. Es beruhigte Sie und Sie lächelte wieder vor sich hin, als könne nichts sie erschüttern.
 

Die Wanderung entspannte Sie, ließ Sie die Welt da draußen vergessen. Die Hektik, den Stress, die Arbeit und die Verpflichtungen. Hier gab es das alles nicht. Hier zählten andere Dinge und in diesem Moment war es die Stille, die Ihr innere Ruhe brachte. Es würde die Zeit kommen, in der Sie wieder zurück musste, in Ihre Welt – doch Sie war nicht jetzt. Und das war das einzig Wichtige. Jetzt war Sie hier, im weißen und kühlen Wald und ließ Ihre Seele frei werden von allen Zwängen. Sie atmete wieder tief ein und aus und genoss das Gefühl, frei zu sein.
 

Als es langsam dunkel wurde bewegte Sie sich in Richtung Hütte, die sich zwischen den Bäumen auf einer Lichtung mitten im Wald befand. Dort brannte schon das warme Licht des Weihnachtssterns im Fenster. Sie lächelte glücklich. Er wartete also schon auf Sie.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yuri-Li-Tsai
2008-04-13T19:02:16+00:00 13.04.2008 21:02
schön... die geschichte wirkt traurig, aber trotzdem immer noch leicht fröhlich, als ob jemand mit einem traurigen lächeln vor dir hast... Bei vielen von deinen Geschichten, weiß ich nicht was ich schreiben soll... sie gefallen mir, aber ich kann meine Gefühle beim lesen, keinen Wörter zu ordnen... ich hoffe du verstehst mich, wenn ich also sage, dass sie mir total gefallen hat ^^

*knuff*
Yuri *mauz*


Zurück