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Brüder

das letzte Kapitel ist da
von

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Rache

Ryo verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte zum wiederholten Male ungläubig den Kopf.

„Also ehrlich, ich fasse es immer noch nicht. Das mit Kojiro das Temperament durchgeht, kann ich ja noch verstehen, aber…“ Er unterbrach sich und blickte kurz zu Kojiro hinüber. „Nichts für ungut.“

Kojiro bedachte ihn nur mit einem vernichtenden Blick, enthielt sich aber jeden Kommentars und presste sich weiter den Eisbeutel gegen die Schläfe. Wieder einmal waren sie in der kleinen Küche der Misakis versammelt. Taro hatte auf die Schnelle nur Ryo und Izawa erreicht, aber Kojiro war das eigentlich auch ganz recht. So sahen wenigstens nicht alle das weiße Pflaster an seiner Schläfe und den blau schillernden Bluterguss, der sich bereits gebildet hatte. Insgesamt hatte er noch Glück gehabt, die Wunde hat nicht einmal genäht werden müssen. Die Ärzte im Krankenhaus hatten ihm geraten, über Nacht zu bleiben, weil eine leichte Gehirnerschütterung nicht ganz ausgeschlossen werden konnte, aber davon hatte er nichts wissen wollen. Also war er mit Kopfschmerz-Tabletten ausgerüstet wieder gegangen. Auch Taro hatte Glück und war mit einer Überdehnung der Sehnen davon gekommen, mit dem Tape-Verband, der ihm angelegt worden war, konnte er sogar fast normal laufen.

„Ryo hat aber ausnahmsweise recht.“, meinte Izawa. „Ihr hättet nicht alleine dahin fahren sollen.“

„Wer rechnet denn damit, dass wir auf den Typen treffen?“, entgegnete Kojiro finster. „Ich wollte den Grabstein sehen, mehr nicht. Nicht, das ich was dagegen gehabt hätte, mir den Mistkerl persönlich vorzuknöpfen, aber…“

„Ja, das Ergebnis davon können wir ja ausgiebig bewundern.“ Ryo zog beide Augenbrauen hoch. „Und was hat es gebracht?“

„Eine ganze Menge.“, setzte Kojiro an, brach aber ab, als Taro zurückkam, der die letzten zehn Minuten am Telefon verbracht hatte.

„Und?“, wollte Izawa wissen, während Taro sich zu ihnen an den Tisch setzte.

„Wir sollen nachher direkt zur Polizei kommen, wir haben einen Termin in einer guten Stunde.“

„Und Tsubasa? Hast du ihn auch erreicht?“

„Ja, aber nur kurz. Er wusste genauso wenig davon wie wir. Bei der Gerichtsverhandlung war der Typ auf jeden Fall nicht.“

„Geht’s ihm besser?“

Taro zuckte mit den Schultern. „Er sagt ja. Anscheinend ist er halt extrem müde, er klang zumindest so. Liegt an den Medikamenten, schätze ich, die haben ihn ja gestern schon geschlaucht, und die Antibiotika machen das ganze sicher nicht besser. Aber das Fieber und die Entzündung haben die Ärzte anscheinend im Griff, behauptet er zumindest. Wir sollen uns keine Sorgen machen.“

„Den Spruch kennen wir ja.“, brummelte Ryo. „Hoffentlich ist er ehrlich!“

„Soweit ich das über das Telefon jetzt beurteilen konnte, denke ich schon. Ausnahmsweise hat er ja mal keine Wahl, als sich an das zu halten, was die Ärzte sagen, und sich auch wirklich auszuruhen und viel zu schlafen. Aufstehen und weglaufen kann er schließlich nicht.“

So zynisch das auch klang, Taro hatte Recht. Und dieses Argument war ironischerweise tatsächlich beruhigend.

„Hast du auch was von Sanae gehört?“, wollte Izawa wissen.

„Ja, ich hab auf der Intensivstation auch angerufen. Alles unverändert. Sanae ist weiter stabil, atmet auch selbstständig, ist aber nicht wach.“

Kurze Zeit schwiegen alle vier, dann gab sich Kojiro einen Ruck und nahm den vorherigen Gesprächsfaden wieder auf.

„Wie gesagt, es hat viel gebracht.“ Er schob den Papierausdruck von dem Grabstein-Foto, das er auf dem Friedhof mit der Handykamera noch geschossen hatte, bevor sie wieder gefahren waren, in die Mitte des Tisches.
 

Kenji Kobayashi. Geliebter Sohn, Bruder und Freund. Du wirst uns fehlen
 

„Bruder.“, murmelte Izawa. „Ich kann mir das immer noch nicht so ganz erklären. Ich meine, Kenji war doch auf deiner Schule, Kojiro – hast du nie irgendwas von einem Bruder mitbekommen?“

„Wie oft denn noch, nein. Ich hab auch nie großartig mit ihm gesprochen, von daher ist das keine große Überraschung. Hallo und Tschüss auf dem Gang, und ab und zu hat er mal beim Fußballtraining zugeschaut, das war’s dann.“

„Aber wenn wir davon ausgehen, dass Kenjis Bruder hier Amok läuft…“, mischte sich Ryo ein. „Und du ihn verwechselt hast….dann müssten sie doch ungefähr gleich alt gewesen sein, oder? Und du müsstest mal was mitbekommen haben. Irgendwas.“

„Nein, wieso denn? Erstens kann er auf einer ganz anderen Schule gewesen sein, meine Geschwister sind auch nicht auf derselben wie ich damals. Außerdem – wie gerade schon erwähnt - bis er vor fünf Jahren plötzlich zum Irren geworden ist, hatte ich nichts mit ihm zu tun! Und keiner von uns hat sein Gesicht gesehen, nebenbei, wir wissen nicht, wie alt der Typ vom Friedhof und vom Strand ist.“

„Von der Statur her nicht so viel älter oder jünger wie wir, und von der Kleidung her auch nicht, würde ich sagen.“, meinte Taro nachdenklich. „Aber muss es denn sein Bruder sein? Vielleicht war es auch ein Freund…“

„Oder doch Kenji selbst. Das Grab beweist gar nichts.“

„Fängst du schon wieder damit an?“, stöhnte Izawa, aber Kojiro ließ sich nicht beirren.

„Wenn wir nachher bei der Polizei sind, sollten wir unbedingt darauf bestehen, dass sie überprüfen, ob der Typ in dem Auto damals wirklich Kenji war!“

„Auf die Idee werden sie schon selber kommen. Genauso wie die Kennzeichen überprüfen….“

Kojiro rollte mit den Augen. „Sicher.“

Taro verkniff sich einen weiteren Kommentar und blickte wieder das Foto an.

„Und was machen wir jetzt?“

„Dasselbe wie die letzten Tage auch.“, meinte Kojiro finster. „Wir beobachten und passen auf. Tsubasa wird ja vermutlich noch einige Zeit länger im Krankenhaus bleiben müssen, das macht die Sache für uns etwas einfacher. So können wir ihn und Sanae gleichzeitig im Auge behalten. Ich für meinen Teil werde weiter dafür sorgen, dass niemand ins Gebäude rein kommt, der nicht rein soll. Und umgekehrt. Ihr könnt mir helfen, wenn ihr wollt, oder weiter der Polizei alles überlassen.“

Sein Tonfall machte deutlich, was er von der letzten Möglichkeit hielt, und seine Freunde tauschten einen leicht resignierten Blick.

„Ich hoffe, das die Polizei zumindest rausfindet, wo Kenjis Familie heute wohnt.“, meinte Taro nach einigen Sekunden Schweigen und blickte erneut auf die Fotografie. „Vielleicht hilft uns das ja auch weiter.“

Die Anderen nickten zustimmend, sogar Kojiro, bevor er entschlossen nach dem Foto griff und den Eisbeutel zur Seite legte.

„In Ordnung. Dann machen wir am besten einen Zeitplan für die nächsten Tage. Taro, wir brauchen Stift und Papier.“

Taro unterdrückte ein erneutes Seufzen, dann stand er auf. „Aber lass mich weitgehend da raus. Ich fühle mich wohler, wenn ich bei den Beiden auf der jeweiligen Station bin. Vielleicht kann ich ihren Familien ja auch bei der einen oder anderen Sache helfen.“

Ryo verschränkte die Arme vor der Brust. „Irgendwie hab ich ein mieses Gefühl bei der ganzen Sache. Ein ganz mieses….“, meinte er leise mehr zu sich selbst, und Izawa blickte ihn kurz von der Seite an, ohne etwas zu sagen. Kojiro hatte die Bemerkung nicht mitbekommen, und Izawa war irgendwie fast dankbar dafür. Die Sache war noch lange nicht ausgestanden, das sagte ihm auch sein eigenes Bauchgefühl, und er wollte Kojiros Eifer nicht noch unnötig anstacheln. Die Sache auf dem Friedhof hatte ja schon bewiesen, dass es auch für sie nicht ganz ungefährlich war, dem Fremden in die Quere zu kommen, und das letzte, was Izawa wollte, war das noch jemand von seinen Freunden im Krankenhaus landete. Trotzdem, da gab er Kojiro recht, nichts tun kam nicht in Frage.

„Wir müssen auf jeden Fall verdammt vorsichtig sein.“, meinte Izawa schließlich doch nach kurzem Zögern an alle gewandt, als Taro mit einem Spiralblock und einem Stift bewaffnet zurück an den Tisch gekommen war.

„Keine Sorge, wir sind vorsichtig.“, bestätigte Kojiro grimmig. „Noch mal passiert mir so was wie auf dem Friedhof nicht! Der Kerl ist fällig!“

Das war absolut nicht das, was Izawa damit hatte aussagen wollen, aber er beließ es dabei und war nachplötzlich froh, dass Tsubasa nicht hier war. Er dachte an Kojiros und Taros - zum Glück nur leichte - Verletzungen und erinnerte sich nur zu gut an Tsubasas Gegenwehr vor fünf Jahren, als er unbedingt hatte verhindern wollen, dass seine Freunde noch tiefer in das alles verstrickt wurden. Dieses Mal war es dafür definitiv zu spät.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dragonohzora
2016-10-16T02:06:01+00:00 16.10.2016 04:06
Hallöchen und hier bin ich:)

Puh, es bleibt nach wie vor spannend. Könnte es eventuell ein Zwillingsbruder sein?

Oh man, zum Glück ist Kojiro nur leicht verletzt. Tsubasa hat wirklich aufopfernye tolle Freunde:)

Nach wie vor bleibt es ein Rätsel.

Das Saneas Zustand immer noch unverändert ist, ist wirklich besorgnis erregend. Jeyer Tag schädict ihr Gehirn mehr und mehr. Tsubasa mzss innerlich durchdrehen und wie es ausschaut spielt ihm Eine Psyche schon streiche. Vielleicht ist es da besser, wenn Kojiro und co ihm noch etwas Ruhe geben, nicht das er wieder zusammenbricht.

Du machst es aber auch spannend..schreib schnell weiter bitte:)

Glg

Dragonohzora


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