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Brüder

das letzte Kapitel ist da
von

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Zukunft

Sooooo - das letzte Kapitel. Zugegebenermaßen etwas komisch für mich - darum wollte ich mich hier kurz noch mal zu Wort melden :) Als ich die Fortsetzung angefangen habe, hab ich nicht damit gerechnet, dass ich so lange daran schreiben werde. Ich habe weder damit gerechnet, dass es bei mir privat so turbulent wird und ich jahrelang eine Schreibblockade bekomme, noch dass die Geschichte so wächst. Ich weiß im Moment nicht, ob ich noch einmal eine FanFiction hier veröffentlichen werde, darum wollte ich auf jeden Fall mal Danke sage an alle, die über die Jahre hinweg treu geblieben und mit gelesen habe, an alle, die erst die letzte Zeit dazu gestoßen sind, an alle die kommentiert haben und an alle die einfach im Hintergrund gelesen haben - und ganz wichtig auch an Dragonohzora, die mich immer mal wieder ermutigt hat und auch immer als Testleserin zur Verfügung stand :) Also danke danke danke ^^ Und ich hoffe, ihr hattet mit der Geschichte viel Spaß! Hier ist jetzt wie versprochen das letzte Kapitel :-)
 


 

Als Tsubasa das Klinikgelände erreichte, war es bereits später Nachmittag, zwei Stunden später als eigentlich vorgesehen. Dummerweise war sein Flugzeug bereits mit einer guten Stunde Verspätung gestartet, eine weitere Stunde hatte ihn dann eine Verzögerung beim Landeanflug gekostet. Immerhin hatte er nur Handgepäck, so dass ihm das Warten an der Ausgabe erspart blieb. Manchmal hatten diese Kurztrips durchaus etwas Gutes. Den Weg durch den großen Klinikkomplex kannte er mittlerweile auswendig. Das meiste Personal, dem er begegnete, kannte ihn schon, auch das sparte Zeit. Er erfuhr ohne Nachfragen, dass Sanae sich auf der großen Sonnenterrasse aufhielt, die zum Gelände gehörte, und lenkte seine Schritte in die entsprechende Richtung. Sein Bein protestierte bei jeder Bewegung mit einem dumpfen Pochen. Das Spiel war letzten Endes doch anstrengender geworden als gedacht – immerhin die erste lange, intensive Belastung nach gut mehreren Monaten, dazu ein unfreiwilliger Sturz, als er mit einem gegnerischen Spieler zusammengeprallt war. Unmittelbar nach dem Schlusspfiff hatte er kaum auftreten können, so dass Roberto sich kurzerhand geweigert hatte, ihn ohne gründliche Untersuchung durch den Sportarzt zum Flughafen zu lassen. Der Befund war jedoch zum Glück den Umständen entsprechend unauffällig – keine neuen bzw. alten Verletzungen. Mit der strengen Auflage, sich die nächsten Tage wieder mehr zu schonen und das Bein im Idealfall die nächsten Stunden hochzulegen, war Tsubasa wieder in Gnaden entlassen worden. Auch wenn der lange Flug von der Körperhaltung her nicht die idealste Lösung gewesen war, hatte die Ruhephase her doch insoweit gut getan, dass er wieder halbwegs normal auftreten konnte und lediglich ein leichtes Humpeln zurück geblieben war. Im Moment war ihm das herzlich egal. Es gab zu viel zu tun…

Trotz des schönen Wetters waren nicht mehr viele Leute auf der Terrasse, er fand Sanae sofort. Sie lag in einem der Liegestühle, in eine warme Decke eingehüllt und ein Buch auf den Knien, ohne zu lesen. Offensichtlich hatte sie auf ihn gewartet, sie entdeckte ihn ebenfalls fast augenblicklich und begann zu strahlen. Als er näher kam, schlich sich jedoch auch Sorge in ihren Blick.

„Du humpelst.“, meinte sie statt einer Begrüßung, und Tsubasa unterdrückte ein Lächeln.

„Ich weiß. Nicht schlimm, keine Sorge. Das Spiel war nur heftiger als gedacht. Gibt sich wieder….“

„Hast du….“

„Ja, habe ich. Roberto hat mich höchstpersönlich zum Sportarzt geschleift, alles gut.“

Sanae atmete auf, während Tsubasa sich einen der freien Besucherstühle heranzog und sich dicht neben sie setzte. Sie legte ihm ohne ein weiteres Wort die Arme um den Hals, und Tsubasa erwiderte die Umarmung ohne zu zögern.

„Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.“, meinte Sanae leise und schmiegte das Gesicht an seinen Hals. „Was war los?“

„Verspätung am Flughafen. Tut mir leid….“

Sanae schüttelte nur leicht den Kopf und schmiegte sich noch stärker an ihn. „Hauptsache du bist da.“

Tsubasa sagte nichts mehr, er hielt sie einfach nur fest, und ein paar Minuten blieben sie so sitzen. Auch das war ein Ritual geworden in den letzten Wochen.

„Wie lange kannst du bleiben?“, wollte Sanae schließlich wissen, als sie sich wieder von ihm löste.

„Leider nicht lange. Ich muss nach Nankatsu weiter, heute werden die letzten Umzugskisten und Möbel abgeholt.“

„Heute schon? Ich dachte erst nächste Woche?“

„Das war der ursprüngliche Plan. Es hat sich alles ein bisschen beschleunigt – das Haus in Sao Paolo ist früher fertig geworden, der Käufer in Nankatsu will noch einiges umbauen und renovieren, von daher ist es für alle Beteiligten besser so. Vor allem für Daichi. Mein Vater wollte sogar eventuell noch Flüge für dieselbe Maschine buchen, mit der ich zurück fliege – ob das geklappt hat, weiß ich aber noch nicht.“

Sanae nickte, wirkte aber mit einem Mal leicht niedergeschlagen. „So viel zu tun, und ich sitze hier herum….“

„Du musst wieder gesund werden, das ist das wichtigste.“

Sanae schnaubte. „Das ist eigentlich mein Text. Das ist dir schon klar, oder?“

Tsubasa lächelte leicht und strich ihr ein paar widerspenstige Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Na ja. Wenn du es so sehen willst – willkommen in meiner Welt.“

Sanae musste ebenfalls lachen und schmiegte sich erneut an ihn. „Können wir heute trotzdem gehen, oder ist die Zeit zu kurz?“

„Nein, das reicht auf jeden Fall. Bist du fit genug?“

Sanae schnaubte wieder. „Hey, ich bin nicht derjenige, der humpelt. Und so aussieht, als würde er im Stehen einschlafen.“

Tsubasa sagte nichts dazu. Er war müde, das war nicht zu leugnen – der Jetlag war in der Tat mörderisch, Carlos hatte in diesem Punkt Recht behalten. Das ständige Hin- und Her hatte seinen Biorhythmus komplett durcheinander gebracht, und der große Organisationsaufwand im Zusammenhang mit dem Umzug tat sein Übriges. Vom Fußballtraining ganz zu schweigen.... Aber auch das war fürs erste egal. Falls er zum Schlafen kam, war er immerhin so müde, dass er wie ein Stein ins Bett fiel und sich am nächsten Morgen an keinen einzigen Traum erinnern konnte. Das war gut. Träumen war nach wie vor meistens nicht gut.

Ohne auf Sanaes letzten Kommentar einzugehen, gab er ihr einen kurzen Kuss und stand auf. „Ich melde uns auf der Station ab, anschließend können wir los. Der Weg durch den Garten ist kürzer als vorne herum.“

„Okay.“

Als Tsubasa zurück kam, stand Sanae bereits neben der Liege. Obwohl sie sich mit beiden Händen an der Lehne festhalten musste und sie noch recht wackelig auf den Beinen wirkte, strahlte sie ihn stolz an.

„Ich hab die ganze Woche trainiert.“, verkündete sie, noch bevor Tsubasa auch nur ein Wort sagen konnte. „Heute schaffe ich die Strecke ohne Rollstuhl, du wirst sehen! Wir lassen ihn gleich hier.“

„Bist du sicher, dass….“

„Ja, bin ich. Wir lassen ihn hier.“

Sanae ließ die Lehne los und machte zwei recht unsicher wirkende Schritte in seine Richtung. Tsubasa widerstand dem Impuls, ihr entgegen zu gehen, er wusste, dass jeder noch so kleine Erfolg für sie unglaublich wichtig war. Noch vor zwei Wochen hatte sie kaum alleine aufstehen können. Also beließ er es dabei, ihr die Hände entgegen zu strecken, und in der Tat schaffte Sanae die kurze Strecke, ohne zu stolpern oder zu stürzen. Als sie seine Hände ergreifen und sich haltsuchend an ihm festklammern konnte, strahlte sie erneut, war aber gleichzeitig schon völlig außer Atem.

„Es…. Es sind 500 Meter. Die schaffe ich.“, meinte sie entschlossen. „Du wirst sehen! Ich hab mir das vorgenommen für heute! Du hast deine Prüfung, und ich meine.“

Tsubasa dachte an die letzten 100 Meter der Strecke, die von weichem Sand bedeckt und mit dem Rollstuhl schon immer schwierig gewesen waren. Aber er sagte nichts. Das letzte was er wollte, war Sanae zu entmutigen.

„Halt dich aber an mir fest, hörst du?“, meinte er ernst. „Wenn du hinfällst, bekomme ich von der Stationsschwester vermutlich eine Tracht Prügel.“

Sanae kicherte. „Der Drachen soll sich nicht so haben.“

Trotzdem wehrte sie sich nicht, als Tsubasa ihr den Arm um die Taille legte und sie auf diese Art so gut es ging stützte. Sie hielt zusätzlich an ihm fest, dann setzten sie sich langsam in Bewegung. Sehr langsam. Sie sprachen nicht – Sanae brauchte ihre ganze Konzentration, um einen Fuß vor den anderen zu setzen, und nach ein paar Metern war sie bereits schweiß gebadet. Aber sie ging verbissen weiter, machte nur zwei kurze Pausen, in denen sie Luft holen musste, bevor sie sich wieder in der Lage sah, den nächsten Schritt zu machen. Tsubasas stützender Griff um ihre Taille veränderte sich die ganze Zeit über nicht, und das gab ihr zusätzliches Selbstvertrauen. Als sie den weichen Sand erreichten, war es jedoch vorbei. Bereits der erste Schritt in dem nachgiebigen Untergrund brachte sie aus dem Gleichgewicht, so dass sie beinahe gestürzt wäre, wenn Tsubasa sie nicht festgehalten hätte. Beim zweiten Schritt war endgültig klar, dass sie keine Chance hatte. Der Sand war zu weich, gab zu viel nach, und verlangte ihrer strapazierten Beinmuskulatur zu viel ab. Sie schaffte es nicht. Weder von der Motorik her, noch von der Kraft. Als ihr das bewusst wurde, sackte sie ihn Tsubasa Griff leicht zusammen.

„Ich… tut mir leid…“

Tsubasa sagte gar nichts. Sanae quietschte überrascht und leicht erschrocken auf, als er kurzerhand den Arm unter ihre Kniekehlen schob und sie hoch hob. Der Schmerz in seinem angeschlagenen Beinmuskel flackerte unter der Belastung kurz und heftig auf, wurde aber unter den nächsten Schritten wieder zu dem beinahe vertrauten, dumpfen Pochen. Sanae hatte ihm reflexartig die Arme um den Hals geschlungen und starrte ihn perplex an, während er sie die letzten paar Meter zu ihrem Stammplatz trug. Mit eine Besonderheit der Klinik war, dass ein Strand zum Gelände gehörte und bei gutem Wetter sogar Sand und Wellengang zu physiotherapeutischen Übungen benutzt wurden – natürlich nur bei Patienten, die körperlich schon wieder einigermaßen zu Kräften gekommen und gesund genug waren. Tsubasa und Sanae kamen an jedem Wochenende hierher, wenn das Wetter es zuließ, und saßen eine gute Stunde auf einer Liege in der Nähe des Wassers. Heute war außer ihnen niemand da, und Sanae war froh darüber. Tsubasa setzte sie behutsam auf der Liege ab und ging anschließend kurz zu dem kleinen Häuschen hinüber, in denen Decken, Kissen und Sonnenschirme aufbewahrt wurden. Es war während der Besuchszeit nie abgeschlossen, außer Patienten und deren Familienangehörigen kam niemand hierher. Sanae ließ ihn nicht aus den Augen. Sein Humpeln war natürlich nicht besser geworden, aber zum Glück auch nicht schlimmer. Wenn ihretwegen seine Verletzung wieder aufgebrochen wäre….. Unwillkürlich musste sie lachen, und Tsubasa, der mit einer Decke in der Hand wieder zurückkam, runzelte leicht verwirrt die Stirn.

„Was?“

„Es ist absurd.“, kicherte Sanae. Sie konnte einfach nicht aufhören zu lachen. „Wir sind nur noch damit beschäftigt, uns Sorgen um den anderen zu machen.“ Eigentlich war ihr im Moment nicht zum Lachen zu Mute, aber sie kicherte immer noch. „Ich will alleine zum Strand laufen, du machst dir Sorgen um mich, dann behältst du recht, musst mich deshalb die letzten Meter tragen, und darum mache ich mir wieder Sorgen um dich….“ Erst zu spät bemerkte sie, dass ihr Tränen in den Augen standen und die ersten bereits ihre Wangen hinunter rannen.

Tsubasa sagte nichts, stattdessen legte er ihr die Decke um, setzte sich anschließend hinter sie und zog sie dicht an sich. Sanae kuschelte sich sofort in seine Arme. Ihr Lachen ging endgültig in Weinen über.

„Tut mir leid. Ich dachte wirklich, ich schaffe das….“

„Sanae, so wie die Dinge stehen, bin ich unendlich dankbar, dass ich mir Sorgen um dich machen kann. Und das ich dich tragen kann.“ Tsubasas Stimme war sehr leise. „Du hast alle Zeit der Welt. Ich bin da.“

Mehr sagte er nicht, und auch Sanae schwieg, schmiegte sich nur noch mehr an ihn, so fest sie konnte. Unwillkürlich erinnerte sie sich wieder an die Dinge, die sie während ihrer Zeit im Koma gesehen und gehört hatte – besser gesagt, zu sehen und zu hören geglaubt hatte. Das Gefühl, dass Tsubasa ganz in ihrer Nähe war, dass er nach ihr rief, sie ihn aber weder sehen noch ihm antworten konnte, dann auf einmal die Gewissheit, dass er von ihr weggerissen worden war und ihre Hilfe brauchte….. Dass sie ihn suchen musste und auch gefunden hatte.... Seitdem ertrug sie es kaum mehr, nicht in seiner Nähe zu sein, und die paar Stunden, die er jedes Wochenende mit ihr verbrachte und für die er extra jedes Mal aus Brasilien anreiste, waren in manchen Wochen das einzige, was ihr in den schlechten Momenten ein bisschen Antrieb gab. Sie atmete seinen Geruch tief ein und versuchte nicht daran zu denken, dass er schon bald wieder aufbrechen musste.

„Wie….wie lief das Spiel?“, fragte sie nach ein paar Minuten schließlich leise, als sie glaubte, sich wieder einigermaßen ohne Kontrolle zu haben - ohne sich aus seinem Griff zu lösen.

Tsubasa antwortete nicht sofort. „Der Vertrag ist schon unterschrieben.“

„Ernsthaft?“ Sanae löste sich jetzt doch von ihm und drehte sich halb um, so dass sie ihn ansehen konnte. „Es hat geklappt?“

„Ja. Das Spiel lief nicht ganz so optimal insgesamt, nur unentschieden, aber der Vorstand hatte trotzdem keine Bedenken, mir einen Vertrag für die nächsten drei Jahre anzubieten, und ich habe ihn auch sofort angenommen. Ab dem nächsten Monat bin ich ein vollwertiger Stammspieler.“

Sanae begann augenblicklich zu strahlen. „Wahnsinn. Wissen deine Eltern schon Bescheid? Und die Anderen?“

„Nein, ich bin direkt vom Spiel zum Flughafen und vom Flughafen hierher. Ich erzähle es ihnen nachher.“ Tsubasa lächelte leicht. „Zumindest in dem Punkt kannst du dir jetzt also aufhören, Sorgen zu machen.“

Sanae lächelte ebenfalls, kuschelte sich erneut an ihn und richtete den Blick wieder aufs Meer.

„Erzähl mir noch mal von dem Haus.“

„Schon wieder? Was willst du denn wissen?“

„Alles.“, meinte Sanae kurzerhand, und Tsubasa seufzte, konnte sich ein erneutes Lächeln aber nicht verkneifen. Auch das war ein Ritual. Er musste ihr das Haus jedes Wochenende beschreiben, wieder und wieder, in allen Details. Also begann er von vorn. Sanae hörte ihm schweigend zu, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen und ohne den Blick vom Meer abzuwenden. Irgendwann hörte er auf zu reden, und auch Sanae schwieg weiter. Als sie sich nach ein paar Minuten der Stille wieder halb zu ihm umwandte, stellte sie fest, dass er eingeschlafen war. Kein Wunder….. Sie lächelte leicht, immer noch ohne ein Wort zu sagen, und schmiegte sich erneut fest in seine Umarmung, bevor sie ebenfalls die Augen schloss.
 

***
 

Gute drei Stunden später erreichte Tsubasa sein ehemaliges Zuhause. Der Umzug war bereits in vollem Gange. Ein großer LKW parkte unmittelbar vor dem Haus, drei Umzugsarbeiter waren damit beschäftigt, Kisten und Möbelteile heraus zu tragen und im Laderaum zu verstauen. Seine Mutter stand mit Daichi auf dem Arm im Vorgarten und beobachtete schweigend, wie nach und nach die Einrichtung in den Tiefen des LKWs verschwand. Sein Vater war damit beschäftigt, zwei Koffer und mehrere kleine Taschen im Kofferraum seines Autos zu verstauen. Daichi bemerkte Tsubasa zuerst. Er begann augenblicklich zu schreien und sich gegen den Griff seiner Mutter zu wehren. Als sie sich umwandte und Tsubasa ebenfalls entdeckte, lächelte sie nur und stellte ihren Jüngsten auf den Boden. Daichi rannte so schnell ihn seine kleinen Beine trugen zu Tsubasa hinüber. Tsubasa rollte leicht mit den Augen, ging aber trotzdem in die Knie, so dass Daichi ihm ohne Schwierigkeiten um den Hals fallen und sich an ihm fest klammern konnte. Wie üblich war die Begrüßung so stürmisch, dass ihm kurz die Luft weg blieb und er beinahe das Gleichgewicht verlor. Auch das war ein Ritual.

„Gute Güte.“, meinte er leicht atemlos, während er sich wieder aufrichtete und Daichi dabei auf den Arm hob. „Ich freu mich ja auch, dich zu sehen, aber irgendwann musst du dir mal angewöhnen, mich nicht jedes Mal halb zu erwürgen.“

Daichi antwortete nicht und kuschelte sich nur fest in seine Umarmung. Er war in den letzten Monaten ein gutes Stück gewachsen, war aber immer noch relativ klein für sein Alter und auch etwas zu dünn. Außerdem sprach er nur wenig. Alle hofften, dass das in Sao Paolo besser werden würde.

Mittlerweile hatte Tsubasa seine Eltern erreicht, seine Mutter umarmte ihn mitsamt Daichi etwas fester, als sie es früher getan hatte, und lächelte ihn glücklich an.

„Du bist spät dran, wir dachten schon, du kommst nicht mehr.“

„Und du humpelst.“, ergänzte sein Vater, während er ihn ernst musterte. „Alles in Ordnung mit deinem Bein?“

„Ja, alles bestens.“ Tsubasa sparte sich dieses Mal weitere Erklärungen und blickte zu den Umzugshelfen hinüber, ohne seinen Griff um Daichi zu lockern. Sein kleiner Bruder klammerte sich immer noch an ihm fest wie ein Ertrinkender. Auch das war trauriger Weise nichts Neues. „Klappt alles?“

Herr Ozora nickte. „Ja. Wir sind dem Zeitplan sogar ein gutes Stück voraus, in einer guten halben Stunde müssten wir fertig sein. Anschließend könnten wir noch in Ruhe essen. Welchen Flug hast du noch mal gebucht?“

„Morgen früh, 9.30 Uhr. Kommt ihr schon mit?“

Dieses Mal nickte seine Mutter. „Wir haben noch drei Plätze bekommen, waren uns aber nicht sicher, ob es wirklich die gleiche Maschine ist.“

Sie blickte zu dem Haus zurück, und Tsubasa konnte ihr genau ansehen, was sie dachte. Für sie war die Entscheidung, das alles hier zu verkaufen, am schwersten gewesen. Trotzdem bereute sie es nicht, das wusste er. Wieder und wieder hatten sie in den letzten Monaten alles durchgesprochen. Genau genommen war es die Idee seiner Eltern gewesen, sie hatten ihn noch im Krankenhaus mit dem Vorschlag überrascht, alles in Nankatsu hinter sich zu lassen und ebenfalls nach Sao Paolo zu ziehen. Nach allem, was passiert war, wollten Tsubasa im Augenblick nicht länger als nötig aus den Augen lassen, und davon abgesehen hatten sie in dem Haus selbst auch keine ruhige Minute mehr. Den Keller hatte niemand mehr seitdem betreten. Mit der Hauptgrund für die Entscheidung war allerdings Daichi. Der Kleine hatte die Vorfälle zwar relativ gut verkraftet und an manchen Tagen merkte man ihm kaum etwas an, allerdings war er sehr stark auf Tsubasa fixiert und konnte regelrecht ausrasten, wenn er seinen großen Bruder zumindest nicht mehrfach am Tag per Telefon hörte. Das Geld aus dem Verkauf des Hauses und des Grundstücks hatte zusammen mit ihren Ersparnissen gereicht, um ein kleines Mehrfamilienhaus in Sao Paolo zu kaufen, mit zwei separaten Wohnungen, von denen eine im Erdgeschoss lag und behindertengerecht war. Sanae würde erst in einigen Monaten gesund genug sein, um die Reise nach Brasilien zu schaffen, und auch dann würde es noch einige Zeit dauern, bis sie ohne Hilfe im Alltag zurechtkam. Frau Ozora hatte sofort angeboten, sich solange um sie zu kümmern und sie zu unterstützen, gleichzeitig war Daichi in Tsubasas Nähe, und so war allen am besten geholfen. Herr Ozoras Bitte um die Versetzung in den Innendienst war abgelehnt worden, also hatte er kurzerhand gekündigt und sich mittlerweile in Sao Paolo bereits um einen neuen Job gekümmert. Seine vielen Auslandskontakte, die sich während seiner vielen Reisen angesammelt hatten, waren ihm hier zu Gute gekommen. In manchen Augenblicken drehte sich Tsubasa ob der vielen Veränderungen der Kopf, aber meistens blieb ihm keine Zeit zum Nachdenken. Er hatte sich in Brasilien weitestgehend allein um die Renovierung des Hauses gekümmert, nur zwei Mal war sein Vater ebenfalls hingeflogen, um ihm zu helfen, dazu die regelmäßigen Besuche mit Sanae und die Unterstützung, die er Taro versprochen hatte. Anscheinend hatte ihn Hideos Amoklauf ebenfalls insofern beeinflusst, dass er kein großes Interesse mehr hatte, länger als nötig in Japan zu bleiben. Dass Marie ihr Auslandsstudium vorzog und ebenfalls die nächsten zwei Jahre in Sao Paolo verbringen würde, spielte wohl zusätzlich eine Rolle. Tsubasa half ihm bei der Organisation mit Portugiesisch, soweit es ging, und hatte bereits mit Roberto gemeinsam in die Wege leiten können, dass er zumindest bei den nächsten Auswahlspielen antreten konnte. Um eine Wohnung kümmerte sich Marie. Alles ging so rasant schnell….

„Triffst du dich nachher noch mal mit den anderen?“, riss ihn sein Vater aus seinen Gedanken. „Wann musst du wieder los?“

„In einer guten Stunde.“ Tsubasa bemühte sich nun doch, denn schraubstockähnlichen Griff seines kleinen Bruders um seinen Hals zu lockern. „Wir sind bei Taro verabredet, er will sich auch von allen noch verabschieden, das passt dann ganz gut.“

„Kommt Kojiro auch?“

„Ich denke ja.“

„Aber ihr spielt hoffentlich kein Fußball, oder? Du….“

„Nein, ich denke nicht, keine Sorge….. Daichi, lass los! Ich würde gerne atmen!“

Frau Ozora schmunzelte, während sie Tsubasa half. Daichi protestierte halbherzig und streckte gleich wieder die Arme nach seinem großen Bruder aus, aber dieses Mal ignorierte er es und massierte sich leicht den Hals.

„Wir müssen uns auf jeden Fall um einen Familientherapeuten kümmern, sobald wir uns einigermaßen eingelebt haben.“, meinte Herr Ozora mit einem Seitenblick auf seinen Jüngsten, der langsam wieder ruhiger wurde, am Daumen lutschte und sich an seine Mutter kuschelte. „Ich glaube, das tut uns allen gut.“

Tsubasa schwieg dazu. Er wusste, dass sein Vater Recht hatte, aber das war eine Veränderung, auf die er sich nicht unbedingt freute. Wobei, wenn es ihm half, endlich mal wieder eine Nacht durchzuschlafen, ohne sich vorher völlig auf dem Fußballplatz verausgabt zu haben…

„Hey, Tsubasa.“

Tsubasa wandte überrascht den Kopf und bemerkte Ryo, Izawa und Kojiro in einiger Entfernung auf dem Gehweg stehen. Nach einem kurzen Blick zu seinen Eltern, um sich zu vergewissern, dass es für sie in Ordnung war, ging er zu seinen Freunden hinüber. Ryo hatte die Stirn gerunzelt.

„Du humpelst….“

Tsubasa ignorierte ihn. „Was macht ihr hier, ich dachte, wir treffen uns in einer Stunde erst….“

„Wir waren in der Gegend und dachten, wir schauen, ob du schon da bist…“, meinte Kojiro ungerührt und log offensichtlich. Tsubasa zog leicht die Brauen hoch.

„Aha?“

„Wir wollten noch mal in Ruhe mit dir reden, ohne den Trubel später.“, meinte Izawa schließlich. „Wer weiß, wann wir uns das nächste Mal sehen. Dieses Mal brichst du ja wirklich alle Zelte hier ab….“

Tsubasa schwieg ein paar Sekunden leicht überrascht, dann lächelte er schließlich. „Strand?“

Seine Freunde lächelten ebenfalls und nickten. Tsubasa ging kurz zu seinen Eltern zurück, um ihnen Bescheid zu sagen dass das Abendessen ausfiel oder sich zumindest verschob, dann machten sie sich ohne Worte auf den Weg. Das war vermutlich Hideos größte Leistung. Worte waren nicht mehr wichtig.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kittykate
2019-06-18T21:42:57+00:00 18.06.2019 23:42
hey hey. es ist vollbracht! bin dir in den letzten Jahren etwas treulos gewesen.

vielen Dank für die Geschichten. Auch wenn es nicht ganz happy end ist so läuft alles in die richtige Richtung.

wie schön!

Hast du gut gemacht :-)

lg
Von:  Hallostern2014
2018-01-16T10:10:38+00:00 16.01.2018 11:10
Huhu, schaffe es endlich ein Kommi da zulassen.❤

😢😢😢😭😭

Schade, dass es schon zu Ende ist hätte gerne noch viele Viele Kaps gelesen.

Ich freue mich für Tsubasa, dass er es in der Stammmannschaft aufgenommen wurde.
Auch wenn das Spiel nicht ohne war. Der Arme.

Ich finde es volll süß wie er sich um deine große Liebe kümmert und wirklich alles versucht es ihr alles so angenehm zu machen wie möglich.
Dass sie aber erst später nach Brasilien gehen kann ist für beide nicht leicht. Aber Gesundheit geht halt vor.
Wie groß die Liebe zwischen den beiden ist merkt man, dass Sanae als sie in Kummer lag, merkte das Tsubasa sie braucht um nicht aufzugeben.

So. Er fährt mit seiner ganzen Familien. Ich kann sehr gut nach vollziehen. Auch für.Daichi ist es am besten..er kann endlich zur ruhe kommen. Und muss keine Angst mehr haben. Irgendwie hat die Sache die beide Brüdern.zusammen geschweißt. Dass er Tsubasa nicht mehr los lassen will und Theater macht, dass er ihn jeden Tag Hören will zeigt. Hier auch die Brüder Liebe. Und Tsubasa geht es wohl auch nicht anderes.

Ich finde es gut, dass sein Vater es wahr gemacht hat und gekündigt hat. Als sein Antrag abgelehnt wurde. Und das Taro jetzt auch früher fährt voll kommen verständlich.

Die Beschreibung vom Haus hört sich richtig gut an. Ich konnte es mir Bildlich vorstellen.

Als die Jungs Tsubasa abgeholt. Und der Letzte satz war sehr traurig. 😢 es war das Ende der FF.

Ich hätte schon gerne gewußt wie es mit Sanae und Tsubasa im Brasilien weiter geht. Wie Sanae sich dort wieder eingelebt hat. Und vorallem. Wie Daichi sich dort macht.

Vielleicht schreibst ja dazu auch ne Fortsetzung oder vielleicht sogar eine ganz neue..Ich würde mich auf jedenfall freuen und es fleißig Lesen😍😍

Gannnz liebe grüße und vielleicht bis zum nächsten mal ❤


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