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annA

Fortsetzung zu: "Anna"
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"annA"
 

Eine Hoellenhund-Fortsetzung
 

Von Mark Soul
 


 

Disclaimer:

Anna gehört nicht mir sondern Hoellenhund. Die andere Anna auch, ebenso wie

die ganze Welt (beide Welten, um genau zu sein) in der diese Geschichte

spielt. Und die Idee gehört ihr sowieso.
 


 


 


 

Bislang war ich ein ganz gewöhnliches Mädchen. Familie, Freunde, Schule, das

Normale eben. Nie habe ich mir was zuschulden kommen lassen, wenn man mal von

so Kleinigkeiten absieht wie den Mitschülern den Kleidersaum mit einem

Feuerball anzukokeln, oder den Kaffee der Lehrer mit einem Eiszauber

einzufrieren. Aber eigentlich gab es nichts, was mich aus der breiten Masse

hervorstehen ließ.
 

Mein Name ist Anna. Und ich lebe in der falschen Welt. Ich weiß nicht, wie

ich es beschreiben soll, alles hier ist ähnlich und doch ... anders. Es ist,

als würde ich die Welt durch einen Spiegel sehen - einen Zerrspiegel. Die

Orte sind immer noch dieselben, die Menschen haben die gleiche

Persönlichkeit, und ich bin immer noch Anna. Und doch ist es so, als würde

ich plötzlich in einem Traum leben.
 

In dieser Welt gibt es keine Magie, nicht das kleinste Bisschen. Alles

funktioniert auf eine andere, mir fremde Art und Weise. Es ist wie in einem

dieser billigen Fantasy-Romane, die ich früher immer so gerne gelesen habe,

in denen hochtechnisierte Elfen herumlaufen und irgendwelche dunklen

Herrscher die Erde mit Lasersatelliten bedrohen...
 

Ich glaube, daß die Träume etwas damit zu tun haben. Ich hatte schon immer

sehr lebhafte Träume, aber seit kurzer Zeit waren sie intensiver, fast schon

real. Eines Morgens hatte ich wieder einen, zwar konnte ich mich nicht mehr

an den Inhalt erinnern, aber ich war derart aufgeregt, daß ich nicht wieder

einschlafen konnte. Kurzerhand beschloß ich, einen kurzen Spaziergang zur

Beruhigung zu machen, und dann direkt zur Schule zu gehen.
 

Auf dem Weg dorthin passierte es wieder: Mir wurde schwindelig und es war,

als würde ich mir selbst gegenüber stehen. "Verschwinde", rief ich dem

unscharfen Spiegelbild zu und versuchte, es mit der Hand fortzuwischen.

Natürlich funktionierte es nicht, also ging ich - wohl aus Trotz - einfach

durch es hindurch.
 

Es wäre besser gewesen, ich hätte es nicht getan. Denn seit diesem Augenblick

war ich in meinem Traum gefangen.
 

Anfangs bemerkte ich es gar nicht. Natürlich wunderte ich mich schon, wo mein

Kleid geblieben war und warum ich so geschmacklose Klamotten trug. Aber es

war nicht das erste Mal, daß mir meine Wahrnehmung einen Streich spielte.

Gerade erst am Tag zuvor hatte ich zum Beispiel unsere abgebrannte Kirche

unversehrt an ihrem Platz stehen sehen. Bislang waren diese seltsamen Phasen

immer schnell vorbei gewesen, und so erwartete ich auch dieses Mal, daß der

Spuk rasch vorüber sein würde.
 

Es ging nicht vorbei. Im Gegenteil, es wurde schlimmer. Kurz vor der Schule

lief ich Iak über den Weg - nur, daß er es nicht war, sondern ein Zwilling,

der genauso aussah wie Iak, so redete, sich so bewegte und sich 'Kai' nannte.

Iak rückwärts. Ausgerechnet er, wo doch gerade Iak so fest an diesem

Aberglauben festhielt, daß es Unglück brachte, den Namen verkehrt herum

auszusprechen.
 

Und mit meinen anderen Mitschülern war es dasselbe. Wer weiß, wie sie mich

genannt hätten, wenn mein Name nicht Anna wäre?
 

Die ersten beiden Schulstunden waren dann erfrischend normal, Mathe und

Englisch. Auch wenn Englisch nicht unbedingt zu meinen Lieblingsfächern

gehörte. Aber danach stand anstatt der Magik ein unbekanntes Fach namens

'Chemie' auf dem Plan. Und erst hier wurde mir der Unterschied zwischen den

Welten wirklich bewußt: Auf dieser Erde gab es Technik!
 

Der Lehrer wollte irgendein Experiment mit uns durchführen und gab uns dazu

seltsame zylindrische Gegenstände aus Metall und kleine Quadrate aus Plastik.

Ich hatte keine Ahnung was ich damit tun sollte, aber meine Mitschüler

offenbar schon. Also ahmte ich sie nach und schloß einen Schlauch am

Metallzylinder und einer Buchse am Pult an. Das Plastikkästchen war offenbar

dazu da eine kleine Flamme zu erzeugen, die dann am Zylinder zu einer

größeren heranwuchs. Allerdings wollte es bei mir nicht funktionieren, egal

wie oft ich an dem kleinen Rädchen auch drehte, und mir war sowieso

unverständlich, warum wir nicht einfach ein Feuer beschwören konnten.
 

"Na, Anna? Bist du mal wieder unfähig?" sagte eine Stimme hinter mir. Ich

drehte mich herum und blickte Assenev ins Gesicht, die mich zuckersüß von

oben herab anlächelte. "Aber wundert mich nicht, schließlich bist du sonst

auch nicht die Kompetenz in Person", fügte sie hinzu und nahm mir den

Gegenstand aus der Hand.
 

Seltsamerweise fand ich es in dem Augenblick ungeheuer beruhigend, daß

Assenev mir in dieser Welt genauso unsympathisch war wie in meiner. Und als

sie dann selbst vergeblich versuchte eine Flamme zu erzeugen, steigerte sich

meine Laune noch mehr.
 

"Das dumme Feuerzeug ist kaputt," sagte sie schließlich und nahm ihr eigenes.

Problemlos entstand eine Flamme - die allerdings nicht wachsen wollte, als

Assenav sie über den Metallgegenstand hielt. "Ach, sieh' doch selber zu wie

du klar kommst!" fauchte sie und wandte sich von mir ab.
 

Ratlos stand ich da. Schließlich beschloß ich, es auf meine Art zu machen.

Das Feuer war nicht das Problem, die bläuliche Färbung stellte sich aber als

nicht ganz so leicht heraus. Aber ich schaffte es und ließ die Flamme so über

dem Metallzylinder schweben, wie ich es bei meinen Mitschülern beobachten

konnte.
 

Der Lehrer kam an meinen Tisch. "Ist alles in Ordnung, Anna?"
 

"Kein Problem", versicherte ich ihm. "Ein paar Anlaufschwierigkeiten, aber

jetzt klappt es."
 

Der Lehrer nickte und schaute auf eine kleine Anzeigeskala an meinem Tisch.

Ich folgte seinem Blick. Der Zeiger der Skala stand auf der Null. Der Lehrer

klopfte stirnrunzelnd dagegen. "Kein Wunder, daß du Schwierigkeiten hast",

brummte er, "der Gasbehälter ist leer." Er sah auf mein Feuer und runzelte

noch mehr die Stirn. "Oder fast leer," verbesserte er sich. "Kann sein, daß

dir der Bunsenbrenner gleich ausgeht. Ich hole mal eine neue Flasche."
 

Ich nickte nur stumm. "Gas?" wunderte ich mich. Wieso sollte ein Gas brennen?

Dann würde ja auch die Luft brennen können. Jeder wußte, daß Gas nicht

brannte - zumindest tat es das nicht in meiner Welt.
 

Und scheinbar brannte es auch nicht, wenn ich es anzünden wollte. Und dann

begriff ich: Ich konnte die Technik dieser Welt genauso wenig beherrschen,

wie die Menschen hier in der Lage waren Magie zu wirken. Verzweifelt sackte

ich auf meinem Stuhl zusammen. Was sollte ich nur tun?
 

Irgendwie schaffte ich es dann doch, den Schultag unbeschadet zu überstehen.

Auch wenn ich das Gefühl hatte, daß er mindestens achtundvierzig Stunden lang

gewesen war.
 

Vor dem Gebäude begegnete ich dann Iak. "Hey Anna", grüßte er, "wie geht's

dir?"
 

"Es geht so", antwortete ich müde. "Warum fragst du ... Kai?" Es war

ungewohnt, ihn so zu nennen.
 

"Nur so", winkte er ab und ging weiter neben mir her. "Du warst heute

irgendwie - ich weiß nicht - nicht ganz du selbst."
 

Ich lachte unsicher und wünschte mich weit weg.
 

Iak lachte pflichtschuldig mit, dann räusperte er sich verlegen. "Sag mal,

was hältst du davon wenn ich dir heute Nachmittag bei den Hausaufgaben

helfe?" Rasch fügte er hinzu: "Natürlich nur, weil du dich nicht so ganz fit

fühlst. Zu zweit ist's für jeden nur die halbe Arbeit, dann kannst du dich

etwas ausruhen..."
 

"Das ist nett von dir", bedankte ich mich und war froh, daß dieser Iak mit

meinem so viel gemeinsam hatte. Einen guten Freund würde ich in dieser Welt

nötig haben. Wenn ich ihm nur vertrauen könnte... "Wenn du willst, kannst du

gleich mitkommen."
 

Erst als ich die Haustür aufschloß fiel mir ein, daß ich genauso gut ganz

woanders hätte wohnen können. Glücklicherweise war dem nicht so. Eigentlich

was dieses Haus fast identisch mit meinem, von einigen Kleinigkeiten mal

abgesehen. An der Gestaltung meines Zimmers würde ich allerdings etwas ändern

müssen.
 

Die Zeit verging wie im Flug. Ich hatte mein Problem schon fast vergessen, so

gut kam ich mit Iak zurecht. Erst als der Abend dämmerte, wurde ich auf

schmerzhafte Weise auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
 

Es begann damit, daß Iak sagte: "Machst du mal das Licht an?" und aus dem

Fenster deutete. "Wird allmählich dunkel draußen."
 

Ich nickte und ging zum Lichtschalter - doch nichts passierte, als ich ihn

drückte. Ich fluchte innerlich, weil ich vergessen hatte, daß es in einer

magielosen Welt natürlich auch keine Leuchtzauber gab, die man einschalten

konnte. Glücklicherweise hatte ich in Magik immer gut aufgepaßt und wußte,

wie diese Magie funktionierte. Es sollte kein Problem sein sie selbst zu

beschwören.
 

Leider war wie so oft die Theorie einfacher als die Praxis. Mein Versuch

endete in einem grellen Lichtblitz, der Iak erschrocken aufschreien ließ.

Panisch reduzierte ich die Leuchtkraft, bis man wieder normal sehen konnte.
 

"Was war denn das?" fragte Iak, sich die Tränen aus den Augen blinzelnd.
 

"Keine Ahnung", log ich. "Ist einfach so passiert."
 

"Hmm. Vermutlich nur eine Spannungsspitze im Stromnetz, oder so. Zum Glück

ist die Birne heil geblieben."
 

Ich nickte und betete, daß er nicht nach oben schaute. Es würde schwer

werden, die Leuchtkugel zu erklären, die neben dem Glaskörper im Lampenschirm

schwebte.
 

Und so ging es die nächsten Tage weiter. Ich lernte mehr über die mysteriöse

Kraft der Technologie, die ich sonst nur aus den Mittelerde-Büchern oder

Yrrah Rettop kannte. So gut es ging mogelte ich mich durch mein neues Leben.

Die ständige Übung ließ meine Magie bislang ungeahnte Höhen erreichen,

während ich immer wieder die Technik ersetzte, die ich nicht benutzen, ja

sogar unbrauchbar machen konnte. Keiner der es nicht schon mal selbst

ausprobiert hat, kann sich vorstellen, wie schwer es ist, eines dieser

'Autos' mit Telekinese zu bewegen, dabei gleichzeitig ein passendes

Motorgeräusch zu erzeugen und auch noch darauf zu achten, die Befehle des

Fahrers richtig umzusetzen. Es hatte einige Versuche gekostet, bis es ich

richtig konnte, während mein Vater den armen Menschen in der Kfz-Werkstatt

halb in den Wahnsinn trieb.
 

Es war schon über einen Monat her, seitdem ich in dieser Phantasiewelt

gelandet war. Noch immer wußte ich weder, wie es überhaupt dazu gekommen war,

noch hatte ich eine Möglichkeit gefunden zurück nach Hause zu kommen. Dafür

war es mir gelungen, mich in dieser Welt einigermaßen einzuleben. Meine

Familie zu akzeptieren war kein Problem, es war praktisch dieselbe. Schule

ging ebenso gut, wenn ich mal von der Chemie und - noch schlimmer - Physik

absah, alles andere waren fast die gleichen Fächer. Nur Geschichte mußte ich

leider komplett von vorne lernen.
 

Ein erheblicher Lichtblick war Kai. Wir waren sehr oft zusammen, und auch

wenn ich ihm noch immer nichts von meinem wahren Ich erzählt hatte, so

akzeptierte er mich trotzdem einfach so wie ich war.
 

Auch an diesem Tag war ich wieder auf dem Weg zu ihm. Kai war seit seinem

achtzehnten Geburtstag bei seinem Eltern ausgezogen und lebte jetzt in einer

eigenen Wohnung. Ein kleines Apartment im siebten Stock eines Wohnblocks,

aber das störte mich nicht.
 

Wegen meiner Inkompatibilität zur Technik lief ich normalerweise die Treppe

zu seiner Wohnung rauf, aber dieses Mal hatte ich Glück: Ein älterer Mann

hatte gerade den Fahrstuhl betreten und hielt einladend die Schiebetüren für

mich auf.
 

Mit einem dankbaren Lächeln nahm ich das Angebot an. Die Türen stockten kurz

beim Schließen, bis ich mich in die hintere Ecke der Kabine stellte. "Würden

Sie bitte die Sieben für mich drücken?" bat ich den Mann.
 

Er tat es, sah mich dabei aber komisch an. Ich machte mir nichts daraus,

sollte er doch denken was er wollte.
 

Als wir an meinem Stockwerk angekommen waren, tat der Kerl dann etwas

Unvorhergesehenes: Gerade als sich die Fahrstuhltüren öffneten, drückte er

den Knopf zum Schließen.
 

Ich funkelte ihn genervt an. "Was soll das? Mach' die Tür wieder auf!"

verlangte ich.
 

Er lehnte sich nur lässig gegen die Kabinenwand. "Drück' doch einfach auf den

Knopf", schlug er vor.
 

Innerlich ballte ich wütend die Fäuste. Alleine würde ich den Fahrstuhl nicht

aufbekommen. Jedenfalls nicht ohne Magie, und das würde man bemerken. Eine

unauffällige Methode würde ich mir erst ausdenken müssen, aber so etwas

brauchte Zeit - Zeit, die ich mit diesem Fremden würde verbringen müssen.

Welcher mich inzwischen ganz unverfroren angrinste.
 

Ich hob angriffslustig die Hände und bereitete einen Blitzzauber vor. "Wenn

Sie mir was tun, werden Sie Ihr blaues Wunder erleben", drohte ich ihm.
 

Der Mann grinste nur noch breiter und sagte: "Das glaube ich dir sogar. Du

kommst nicht aus dieser Welt, nicht wahr?"
 

Der Kommentar brachte mich gehörig aus der Fassung. "Was-? Woher wissen Sie?"
 

"Weil mir mal dasselbe passiert ist", antwortete er und hielt mir begrüßend

die Hand hin. "Mein Name ist Otto."
 

Otto wußte genau, was mit mir geschehen war. Das Geheimnis lag in meinem

Namen. Offenbar konnte ein Mensch zwischen den Welten wechseln, wenn er den

Namen seines Gegenstücks kannte. Und da meiner sowohl vorwärts als auch

rückwärts gleich lautete, war mir genau das unabsichtlich passiert.
 

Was bedeutete, daß eine andere Anna jetzt an meiner Stelle stand und

dieselben Probleme hatte wie ich.
 

"Gibt es eine Möglichkeit, wieder in meine Welt zu kommen?" Otto und ich

hatten uns gleich am nächsten Tag getroffen, um mich über meinen Zustand

genauer aufzuklären.
 

"Natürlich", nickte der ältere Mann, "schließlich bin ich ja auch wieder

hier."
 

Es dauerte etwas, bis ich begriff. "Dann sind Sie nicht...?"
 

"Ich konnte den Fahrstuhl benutzen, oder?" antwortete Otto. "Es hat ein paar

Jahre gedauert, aber ich habe einen Weg gefunden."
 

"Ein paar JAHRE?" schrie ich. Ich hatte keine Lust hier so lange mein Leben

zu fristen.
 

"Na, na, beruhige dich. Die größte Schwierigkeit war, daß ich nicht wußte wie

es geht. Aber das kann ich dir ja jetzt beibringen."
 

"Worauf waren Sie?" sagte ich enthusiastisch. "Ich bin bereit."
 

"Der Haken an der Sache ist allerdings", fuhr Otto ungerührt fort, "daß die

andere Anna das gleiche machen muß. Es geht nur mit beiden zusammen."
 

Enttäuscht ließ ich die Schultern hängen. Wie sollte ich mein Gegenstück dazu

bringen, wenn ich keinen Kontakt mit ihr aufnehmen konnte.
 

"Jetzt verlier doch nicht gleich die Hoffnung." Tröstend klopfte mir Otto auf

den Rücken. "Natürlich werde ich der anderen Anna den Trick auch beibringen."
 

"Und wie wollen Sie das machen?" fragte ich mißmutig. "Sie sind hier, nicht

drüben."
 

"Ich weiß," lächelte Otto nur. "Am besten, ich zeige es dir. Gib mir nur ein

paar Minuten Zeit."
 

Er setzte sich auf den Stuhl, der in der Ecke meines Zimmers stand, und

schloß mit einem Seufzen die Augen. So blieb er eine ganze Weile sitzen, bis

ich vermutete, daß der alte Kerl eingeschlafen war. Frechheit!
 

"Hey! Ihr Mittagsschläfchen könne Sie auch zu Hause machen!" rüttelte ich ihn

an der Schulter.
 

"Was-?" Endlich schlug er wieder die Augen auf. Einen Moment irrte sein Blick

orientierungslos herum, dann sah er mich an. "Anna?"
 

"Wer sonst?" schnaubte ich. "Was ist jetzt?"
 

"Jetzt warten wir, bis dein Gegenstück gefunden wurde", meinte Otto schlicht.

"Vorher lohnt sich das Anfangen nicht."
 

Allmählich wurde ich ungeduldig. "Ja, das sagten Sie schon. Aber nicht, wie

zur Hölle wir das anstellen wollen. Die andere Anna ist drüben."
 

"Das ist mir klar. Deswegen sucht er sie ja jetzt auch." Er legte seine Hände

auf die hölzernen Armlehnen und ich beobachtete überrascht, wie plötzlich

Blumen daraus hervorwuchsen. Der alte Mann lächelte. "Hätte ich fast

vergessen dir es zu sagen: Ich bin der andere Otto."
 

Das Geheimnis des Wechselns zwischen den Welten war offenbar, daß beide

Personen nicht nur den Namen des Anderen sagten, beziehungsweise dachten,

sondern auch AN den jeweils anderen. Anders gesagt mußte ich mich in meine

Welt zurückträumen, während Anna dasselbe tat. Laut Otto war es am

Einfachsten, wenn wir dazu in einem schläfrigen Dämmerzustand waren und uns

auf unser Ziel konzentrierten.
 

Kein Wunder also, daß ich bislang keinen Weg gefunden hatte. Mein Gegenstück

hatte nie im richtigen Augenblick mitgespielt.
 

Otto und ich hatten dem anderen Otto zwei Tage Zeit gelassen, mich zu finden.

In der Zeit hatte Otto versucht, mir so gut es ging zu erklären worauf ich zu

achten hatte. Meine ausgeprägte Phantasie würde mir offenbar dabei nützlich

sein.
 

"Und du glaubst wirklich, daß es klappt?" Inzwischen war ich zum persönlichen

Du übergewechselt.
 

Otto nickte zuversichtlich. "Ich bin der lebende Beweis, oder?"
 

Ich schloß die Augen und tat so, als würde ich einschlafen wollen. Natürlich

klappte so etwas nie, wenn man wirklich darauf wartete. Aber nach einer Weile

fingen meine Gedanken doch wie gewohnt an abzuschweifen, weit fort zu anderen

Welten...
 

Behutsam versuchte ich, meine Gedanken zu lenken, so wie Otto es mir erklärt

hatte. Ich dachte intensiv an meine Welt, in der jeder Mensch Magie wirken

konnte und in der Technik nichts als ein Mythos war.
 

Es geschah ganz abrupt. Die Welt in meiner Vorstellung zerplatzte, und zurück

blieb nichts als endlose Weite. Sand bis zum Horizont in drei Richtungen,

ohne jede Spur von Leben. Und in der vierten Richtung eine Küste, das Meer

ebenso endlos wie der Sand.
 

"Hallo Anna", sagte eine Stimme.
 

Erschrocken fuhr ich herum und sah mich mir selbst gegenüber. "Hallo Anna",

grüßte ich zurück.
 

Eine Zeit lang standen wir uns stumm gegenüber, keiner von uns wußte was er

sagen sollte, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.
 

Schließlich sagte ich: "Also? Wollen wir?"
 

Anna nickte. "Zurück nach Hause", stimmte sie mir zu.
 

Wir gingen aufeinander zu und streckten die Hände aus. Keiner konnte den

anderen berühren, aber das war auch nicht nötig. Kurz bevor wir durch

einander hindurchschritten, blieben wir noch mal stehen.
 

"Eins muß ich dir noch sagen", meinte Anna zu mir. "Falls du Iak siehst -

viel Glück mit ihm." Sie zwinkerte mir zu.
 

"Dir auch viel Glück mit Kai", lächelte ich, dann tat ich einen Schritt

vorwärts.
 

ENDE
 


 


 


 

Anmerkungen des Autors:
 

Die Idee traf mich spontan, als ich Höllis Story gelesen hatte. Sie schrieb

nur über eine Anna, und ich fragte mich, was denn aus der anderen geworden

ist. Dann fiel mir ein, warum dieser Wechsel nur Anna passiert ist,

schließlich gibt es genug andere Menschen mit spiegelgleichen Namen. Und so

entstand diese Geschichte.
 

Ich gebe zu, es hat nicht mehr viel mit Höllis ursprünglicher Idee zu tun,

und gar nichts mehr mit der Wochenaufgabe. Aber deswegen habe ich es auch

nicht geschrieben. Sondern weil ich die Idee interessant fand, und mir bei

der ersten Anna irgendwie ein Schluß gefehlt hatte.



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