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The Resurrection of Hyperion

Final Fantasy Ⅷ –
von

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Returning

„WUUUUHUUUUUUU~!“

Gerade sauste Xell Dincht auf seinem T-Bike über einen Hügel hinweg, flog Meter durch die Luft, bis er staubaufwirbelnd auf dem Boden landete.

Quistis hatte mehrere Versuche unternommen, den Leistungssportler zu ermahnen. Obzwar sie alle vergeblich waren, gab sie doch nicht auf, ihm über das Knurren und Tosen der Motoren hinweg zuzurufen, was Xell entweder nicht hörte oder nicht hören wollte. In von scharfen Kurven gezeichneten Schlangenlinien raste er über das Grasland, als würde die Erde ihm ein einziger, gigantischer Spielplatz sein, auf dem er sich nach Lust und Laune austoben, das Kind aus sich lassen konnte.

Natürlich ließ sich das Schicksal diese gedankenlose Chance nicht entgehen.

„Xell! Vorsicht!“, warnte seine frühere Ausbilderin ihn noch, obwohl der Schock sie selbst bereits eisig ergriffen hatte. Augenblicklich wurde Xell sich der Realität gewahr und erkannte, worauf Quistis ihn aufmerksam machen wollte. Es schien ihm schon zu spät. Die Panik entriss ihm die Kontrolle über das Gefährt; kreischend und hilflos klammerte er sich an seinen wild herumwirbelnden Untersatz.

Squall und Quistis bremsten scharf.

„Was sollen wir tun?“, fragte sie ihren Anführer mit höchster Anspannung. Angst und Ärger teilten sich ihren Verstand. Sie hatte geahnt, dass so etwas passieren würde.

Squall Leonhart fackelte nicht lange: Er presste die Fingerkuppen gegen seine sich in Falten legende Stirn, schloss die Augen und sammelte sich. „Protes!“

Ein magisches Schild materialisierte sich vor den beiden Personen, die drohten, von dem durchdrehenden T-Bike überfahren zu werden – in letzter Sekunde! Ein schallender Klang ertönte, Xells Motorrad prallte ab, stürzte und überschlug sich mehrmals, ehe es mit einem Zischen zum Liegen kam.

Quistis warf den Kopf herum. „Wo ist Xell?“

Just tauchte Besagter hinter der blonden SEED auf und warf sich um ihren Hals. „Das war haarscharf!“, lachte er, deutlich erleichtert.

Sie konnte seine merkwürdige Freude nicht so recht teilen. „Allerdings! Du hättest jetzt genauso gut tot sein können, Xell, ist dir das klar?“

Sein Lachen versiegte, und er rückte von ihr ab. „Ist doch alles gut gegangen…“

„Hört auf“, mischte sich Squall konsequent zwischen sie. „Lasst uns schauen, ob die beiden Leute in Ordnung sind.“

„Du hast Recht“, lenkte Quistis pflichtbewusst ein.

Sie beeilten sich, zu den zwei vom Protes Beschützten zu gelangen. Die lagen auf dem nach Feuer und Rauch riechenden Boden, versuchten aber gerade, sich aufzurichten. Offenbar war ihnen noch gar nicht richtig bewusst, was soeben geschehen war. Squall, Quistis und Xell erlebten eine Überraschung.

Ihr?“, stieß Letzterer erstaunt aus.
 

Sie wanderten den ganzen Tag lang durch die Wüste und schließlich über die weiten, grünbewachsenen Ebenen. Die Monster waren nicht mehr als Desserts für Cifers hungrige Hyperion, sodass der dauernde Fußmarsch im Grunde beschwerlicher war als die Kämpfe. Hin und wieder bestand Ellione auf Pausen, obwohl sich Cifer sicher war, dass sie gar keine brauchte. Dann setzte sie sich nieder und betrachtete ihn, als würde sie darauf warten, dass er etwas sagte. Er sagte aber nichts. Ihr Mund formte ein kaum sichtbares Lächeln, sie stand auf, und sie setzten die Reise fort. Erst am Abend, da sich die Sonne nach der langen Wanderung in ihr rot strahlendes Bett am Rand des Horizonts legte, erblickten sie Deling City. Cifer setzte sich in Bewegung.

„Warte.“

Er blieb stehen.

Ellione trat an seine Seite und schaute mit dem Interesse einer ehrgeizigen Studentin auf den angeschwärzten Ärmel seines grauen Mantels. „Lass mich das ansehen.“

Sanft hieß sie ihn an, sich niederzusetzen. Ohne ein sträubendes Wort sank er auf das Gras. Sie kniete sich neben ihn und machte sich daran, seinen Arm von dem durchaus schweren Mantel zu befreien. Der Stoff klebte an der Haut, wo das heiße Öl des Tunnelmonsters ihn erwischt hatte, doch sie ging sehr behutsam vor. Ein resignierendes Seufzen war in ihren Augen zu lesen, da sie die beachtliche Brandwunde, welche sich unter dem grauen Material vor ihrem vorwurfsvollen Blick verborgen hatte, nun entdeckte.

„Und damit bist du die ganze Zeit herumgelaufen.“

Er antwortete nicht. Über Verletzungen zu klagen, die diese Bezeichnungen kaum verdienen, wenn man SEED werden will, war eher Xell-Style.

Ellione führte eine Hand unmittelbar über die lädierte Schulter und sprach einen leichten Eis-Zauber aus. Cifer wollte ihr nicht die Genugtuung bereiten, vor Entspannung zu seufzen, doch er schloss die Augen und genoss die Wirkung der Kühle in der Annahme, sie würde es nicht zur Kenntnis nehmen.

Im nächsten Moment zischte er unüberhörbar auf, als Ellione ohne jede Vorwarnung ihre kleine Faust auf die Blessur fahren ließ. Seine Augen schlugen auf und visierten sie mit leidenschaftlicher Wut. „Verdammtes Miststück!“

Ihr Blick hatte etwas ungewohnt Triumphierendes, während er dem seinen unerschrocken standhielt. „Es tut also doch weh. Warum müsst ihr Kämpfer immer auf stark und unantastbar machen?“

Sie zog sich das frühlingsgrüne Tuch von den Armen und hielt es ihm auffordernd entgegen. Mit der Hand des anderen Arms zog er die Hyperion einen Spalt weit aus der Scheide. Sacht ließ Ellione den Schleier über die fast schwarze Klinge gleiten; der Stoff umhüllte sie für wenige Sekunden, ehe sie ihn sauber in zwei Teile trennte. Cifer löste den Griff um die Pistole, und die Gun-Blade rutschte zurück in ihre Hülle.

„Es reicht ja, wenn ihr Mädchen rumflennt“, konterte er lustlos.

„Manchmal seid ihr aber auch einfach nur zum Heulen“, gab seine Gefährtin mit einem leisen Glucksen zurück.

Sie verband die Verletzung. Er beobachtete, wie sie den schimmernden Stoff rasch und fest um seinen Oberarm wickelte. Eine Böe streifte knapp über die Gräser hinweg, als fahre ein Vater seinem Spross lobend durch das Haar.

„Was ist eigentlich passiert“, setzte Cifer an, „als wir uns auf Balamb verloren haben?“

Sie hielt inne. Da wusste er, dass sie ihm etwas verschwieg, worauf zu erfahren er ein Recht hatte.

„Antworte“, forderte er sie mit erwachender Spannung auf. „Du weißt etwas über dieses Monstermassaker, hab’ ich Recht?“

Ihre Augen blieben auf die Wunde geheftet.

Antworte!“

Noch konnte er nicht ahnen, dass sie nicht deswegen nachgab, weil sein militärischer Ton sie erschreckte. Manchmal – das sollte er lernen – sei es besser, etwas nicht dem Schutz des Vergessenen entreißen zu wollen.

„Hey, Kopplungsmaschine! Antworte mir gefälligst!“

„Moment“, sagte sie endlich. Ihre Stimme gab sich besonnen, doch sie merkte sich selbst an, dass es nur eine Rolle war, die zu spielen sie nicht lange befähigt sein würde. „Lass es mich dir zeigen.“

Cifer begriff schnell. „Wieder eine deiner Traumreisen? Vergiss es, Mädchen! Ich will das nicht!“

Aber Ellione achtete nicht darauf, was er jetzt wollte und was nicht. Eben noch hatte er darauf bestanden, die Wahrheit zu erfahren, und das sollte er nun. Bevor er das nächste Mal zwinkerte, hatten sich ihre Gedanken bereits von ihren Körpern gelöst und reisten durch Raum und Zeit.
 

„Andererseits machte ich hin und wieder von der Möglichkeit Gebrauch, den Menschen diese unverfälschte, selbst zu erlebende Wahrheit vor Augen zu führen, damit sie verstehen. Oft sind es Missverständnisse, die zu Auseinandersetzungen führen. Wenn ich versuche, ihnen diese zu verdeutlichen, indem ich nichts anderes unternehme als es ihnen zu zeigen, und auf diese Weise große oder kleine Kriege verhindern kann, ist es dann falsch?“

Er vermied es, sie anzuschauen. „Fragst du mich, was falsch ist? In euren Augen bin ich doch der bedauernswerte Idiot, der sich von der Hexe hat über den Tisch ziehen lassen. Quistis lässt sicher keine Gelegenheit aus, jedem feierlich zu verkünden, wie furchtbar schlecht ich bin.“

Sie lächelte. „Es gibt vieles, das du missverstanden hast. Du lässt nicht los. Das ist der Grund, aus dem du noch hier bist. Wann wirst du aufwachen, Cifer? Wann?“
 

„Wach auf!“
 

„Was redest du da?“ Er schwang herum, doch gerade, als er sich ihr zugewandt hatte, verloren seine Füße den Halt. Er fiel auf die Knie. Ellione warf sich an seine Seite, besorgt. Rief nach ihm.
 

„Ich bitte dich! Bitte! Wach endlich auf!“
 

Diese Stimme schon wieder.

Er schleuderte sie von sich. Kämpfte sich in den Stand und fasste nach seinem Kopf. Schier aus heiterem Himmel stürzten Scharen von Monstern auf sie ein. Irgendetwas – unvorstellbar in diesem Frieden auf der Alclad-Ebene – hatte sie aus der Fassung gebracht. Vollkommen durchgedreht, mit der Brutalität eines Archeodinos, gingen sie auf ihn los. Ellione schrie, schrie seinen Namen.
 

„Ich will dich… nicht verlieren…“
 

Unfähig zu begreifen, wurde Cifer Zeuge seinerselbst, wie er mit unerklärlichem Vergnügen an diesem verwirrenden Spektakel die Gun-Blade umherschwang, ein Monster nach dem anderen mit ihr zersägend. Sterbende Körper zerbrachen auf dem Grund, und bald schien der Boden selbst zu bluten. Ein Tanz mit den schon todgeweihten Monstern, ein Spiel mit ihrem wahnsinnigen Hass auf ihn. Und ein Gefühl, das so abstoßend und so anziehend zugleich ihm alles andere als neu war. Der rote Lebenssaft seiner Opfer spritzte an die Stämme der umliegenden Bäume, benetzte die Grashalme. Auch an seiner Gun-Blade, seinem Mantel hatte er gehaftet – daran erinnerte er sich. Wohin er blickte: Überall Blut, Blut, Blut und Monster. Tote Monster. Tot. Aufgeschlitzt. Aufgerissen. Entweidet.

Unmöglich…

Ellione, mit vor höllischem Entsetzen starr geweiteten Augen, trat vorsichtig zurück – vibrierend, als würde der Boden unter ihr beben. Als sie sich weit genug von ihm entfernt hoffte, wirbelte sie herum und rannte davon.

Wie von dem Blitz eines angsteinflößenden Gewitters für die Dauer einer Sekunde erhellt, tauchte das Bild der zahllosen toten Soldaten auf, welche die Hexe Edea ihm vorgeführt hatte – damals im Galbadia-Garden.
 

„NEIN! DU LÜGST!“

Ohne Elliones Reaktion zu beachten, rammte er die Fäuste in die unerträglich friedvolle Wiese des schlafseligen Abends.

„So ist es gewesen“, sprach sie ruhig. „So… und nicht anders.“

Da seine Augen den ihren begegneten, strahlten die zornigen Flammen in seinem Blick eine intensivere Hitze aus als die untergehende Sonne. Das Angelegentliche an der Sache war nicht die Erkenntnis, dass er die ganzen Viecher abgeschlachtet hatte – sondern dass er sich überhaupt nicht daran erinnern konnte!

Ellione wollte eine Hand auf seine Schulter platzieren, doch ehe es dazu kam, schlug er sie rasend aus. „Lass mich!“

„Lass es nicht wieder so weit kommen“, ermahnte sie ihn. Ihr musste bewusst sein, dass es – was immer genau es war – jederzeit wieder passieren konnte. Nur würden dieses Mal keine Monster in der Nähe sein, die seine Aggression abfangen würden.

„Wieso weiß ich das nicht mehr? Was geht hier ab?“

„Das werden wir herausfinden“, versuchte sie ihn zu ermuntern. „Wir gehen der Sache…“

„ICH BIN NICHT VERRÜCKT!“, fuhr er sie an, dass selbst die gefasste Ellione sichtbar zusammenzuckte und einen Laut des Schreckens nicht vermeiden konnte.

„Das vermutet auch niemand“, hielt sie ihm entgegen, obwohl ihre Fassade wankte.

„Ich weiß, woran es liegt!“ Wutentbrannt sprang er auf. „Das liegt an den Scheißbildern, die du mich immer wieder sehen lässt, seit wir uns getroffen haben!“

Elliones Pupillen zitterten. Nicht aus Angst. Eher aus… Empörung. „Wovon sprichst du? Ich habe dein Bewusstsein nicht versendet! Bevor du darauf bestanden hast, zu erfahren, was in Balamb vorgefallen ist, habe ich keinen Gebrauch mehr von meiner Fähigkeit gemacht!“

„Vielleicht hast du’s selbst gar nicht mitgekriegt!“

„Ich bitte dich, Cifer! Sei vernünftig!“

Schwungvoll hob er den Arm und richtete ihn gegen sie, als wollte er den König der G.F. auf sie beschwören. „Mach mir nichts vor, du Schlampe! Du bist die Einzige, die dazu in der Lage ist!“

Seine Worte trafen sie tief, was Lagunas Adoptivtochter jedoch nicht davor zurückschrecken ließ, dem Rasenden Paroli zu bieten! „Du weißt, dass es mein Ziel ist, ein Leben ohne Verwendung dieser Fähigkeit zu führen! Warum sollte ich mir selbst Steine in den Weg legen? Und warum ausgerechnet für dich?“

„Weiß ich’s?!“, schmetterte er zurück. „Vielleicht willst du mich genauso manipulieren wie damals deinen Ziehpapa!“

Dir wäre selbst dadurch nicht mehr zu helfen, Cifer!“

„Was willst du damit andeuten?! Sprich dich aus! Los!“

„Dass du dir nur noch selbst helfen könntest! Wenn du das endlich einmal einsehen würdest! Aber du wartest immer noch darauf, dass dir jemand all deine Probleme nimmt – dass jemand sie einfach wegzaubert!“

„Alle Probleme, die sich mir in den Weg stellen, werden Opfer meiner Gun-Blade!“

Sie keuchte erbost. „Das redest du dir gerne ein! Doch tatsächlich schiebst du die Schuld für deine Probleme immer auf andere!“

„Nein!“, bellte er. „Ich stelle mich meinen Problemen immer selbst!“

„Das ist nicht wahr!“, rief sie ihm entgegen.

„Wann?“, verlangte er daraufhin zu wissen. „Wann habe ich sie jemals auf andere abgewälzt?!“

„Vor wenigen Minuten, Cifer!“

Sie schnauften sich gegenseitig an und registrierten jetzt, wie nahe sie dem anderen gekommen waren, als hätte ihr Streiten nicht bereits die schläfrigsten Cockatrices aus ihren Büschen gescheucht. Als der gegenwärtige Umstand und das, was diesem vorausgegangen war, gänzlich in ihr Bewusstsein gedrungen war, ließen sich beide zurückfallen und versuchten, sich in angespanntes Schweigen zu hüllen. Allmählich entspannten sich auch ihre Haltungen aus reiner Erschöpfung. Cifer wurde klar, dass er seine gerade erst genesende Würde wieder großer Gefahr ausgesetzt hatte, und dass sie in der Tat nicht ohne Schaden davongekommen war: Schon wieder hatte er sich verhalten wie ein ungezogenes Kind, das seinen Willen nicht durchsetzen kann.

Er sah Ellione innerlich mit ihren Gefühlen ringen, aber sie trösten oder sich entschuldigen wollte er nicht. Er hatte nie gelernt, wie man so etwas tut, von daher war er überzeugt, dass es – würde er es versuchen – nur affektiert und lächerlich wirken würde. Er winkelte die Beine an und legte die Arme lässig darauf ab.

„Kannst du das fertig machen?“, fragte er dann und nickte dem grünen Stoff zu, der ihm teils noch lose vom Arm hinabhing.

Selbst jetzt noch bemerkenswert elegant, glitt sie, ohne ihn einmal anzusehen, an seine Seite und wickelte den Verband fest, band eine Schlaufe hinein. So beschäftigt nahm sie nicht zur Notiz, dass Cifer sie eingehend musterte. Ihr so nahe, konnte er sich dem Duft ihres brünetten Haars, ihrer hellen Haut nicht entziehen. Ihre Haut war makellos – er entdeckte keinen einzigen Pigmentfleck, keine Unebenheit; wie eine Puppe; als wäre sie gar nicht real. Sanft wie Seide schimmerte ihr Gesicht in den goldenen Strahlen der späten Sonne. Unter dem Vorhang ihrer sich in der Erregung gelösten Frisur suchten sich zwei große, braune Augen vor ihm zu verbergen. Trotz ihrer seiner Wunde geltenden Aufmerksamkeit fuhren die Pupillen unsicher hin und her – doch darauf, dass sie aufschauten, wartete er erfolglos. Kaum merklich hob sich ihre Nase aus dem runden Antlitz, und ihre Lippen glänzten, als habe jemand Honig auf sie gestrichen. Sie war irgendwie…

Irgendwie…

Nicht schön – das war nicht das Wort, nach dem er suchte. Halt, Korrektur: Natürlich war sie schön, aber es war nicht das, was ihm gerade an ihr auffiel. Ungeachtet ihrer zweiundzwanzig Jahre war sie… wirkte sie…

[Schutzbedürftig]. Das war es. Sie wirkte schutzbedürftig. Einsam, ohne Heimat und fragil. Wie ein Schmetterling im Winter, der nicht weiß, wie er ihn überstehen soll. Ein Schmetterling, den man vor der drohenden Kälte bewahren muss, ohne ihm die Freiheit zu rauben; den man halten muss, bis der Winter vorbei ist und der erste Apfelbaum seine Blüten öffnet.

Langsam hob er seinen freien Arm, führte die Hand zu ihrem Kinn und hob es an. Endlich fixierten ihre Augen ihn, spiegelten den verwunderten Ausdruck der seinen. Er wollte, dass die Welt anhielt, und die Welt hielt an. Die Brise rührte sich nicht mehr, und die ersten Sterne hörten auf zu blinken. Das Gras schien in seinem jähen Schweigen zu sterben. Die Sonne versank nicht hinter dem Horizont. Einfach die ganze Welt hielt den Atem an, während er entschied, dass ihr Unrecht widerfahren und dass es an der Zeit war, ihre stille Geduld zu entlohnen, es zumindest zu versuchen, denn mehr als sich selbst konnte er ihr nicht hingeben, als er sie mit ungeahnter Achtung zu sich zog. Ihr Blick wechselte von Überraschung zu Erstaunen, schließlich zu Einverständnis, bevor sie die Augen in vollstem Vertrauen schloss. Zentimeter vor dem Erlebnis tat er es ihr gleich.
 

„Wo ist er?“

Acht Augen richteten sich auf den strohblonden Faustkämpfer.

„Wenn ihr hier seid, dann ist er nicht weit! Also: Wo versteckt er sich? Wo ist Cifer?“

„Mal nicht in der Nähe“, antwortete Rai-Jin nüchtern. „Wir suchen ihn mal auch.“

„Grund?“, fragte Fu-Jin mechanisch, und wie immer übersetzte ihr Bruder sie jenen, die sie nicht verstehen konnten: „Yo. Aus welchem Grund sucht ihr ihn mal?“

„Das können wir euch jetzt nicht sagen“, wies Squall ihn in höflicher Tonlage ab. Grundsätzlich hatte er nichts gegen die zwei. „Ihr werdet es später erfahren. Habt ihr eine Ahnung, wo er sein könnte?“

„Positiv“, antwortete Fu-Jin.

„Ja, allerdings!“, bestätigte sie der braune Hüne und fletschte die Zähne zu einem überheblichen Grinsen, bei welchem sich Squall sicher war, zu wissen, von wem er es hatte. „Aber wir werden euch mal nichts sagen.“

„Warum nicht?!“, wollte Xell wissen, der schon wieder auf 180 war, sodass der Truppenführer nach seiner Schulter griff, um ihn vor einer eventuellen, voreiligen Aktion zu bewahren.

„Weil wir mal nicht eure Informanten sind. Das ist mal ’ne Sache, die geht nur Cifer und uns was an. Mal nix mit SEED und so.“

„Falsch“, korrigierte Squall ihn. „Es geht uns sehr wohl was an. Er steht unter Verdacht, die Tochter des Präsidenten von Esthar entführt zu haben. Und er…“

Rai-Jin unterbrach ihn mit seinem schallenden Gelächter. „Das glaube ich mal nicht!“, brachte er zwischen den einzelnen Schüben hervor. „Wenn Cifer mal keinen Grund für so was hat, dann macht er das mal nicht!“

„Was macht euch dessen so sicher?“, hakte Quistis skeptisch nach. „Kennt ihr Cifer denn wirklich? Ich glaube, niemand kennt ihn gut genug, um zu wissen, was in seinem Kopf vorgeht.“

Der große Mann klopfte sich auf seinen stahlharten Oberkörper. „Eure eigenen Freunde nicht zu kennen, weil ihr einander nicht vertraut, das gibt es mal nur unter euch, die ihr keine Ahnung von echter Freundschaft habt. Cifer, Fu-Jin und ich, wir drei haben mal so viel zusammen erlebt, dass wir manchmal schon glauben, eine Einheit zu sein. Wir sind mal ein Team!“

„Ein Team?“, echote Xell.

„Team [Tombery]!“, posaunte Rai-Jin stolz.

Xells Kinnlade fiel hinunter wie eine Schale voller Steine. Niedergeschlagen drehte er sich zu seiner Kameradin um. „Woah! WOAH! Team Tombery…“

Die verschränkte die Arme und schloss die Augen vor diesem beschämenden Anblick. „Xell, ist ein Mogry wirklich so ein Problem für dich…?“

Squall quittierte das kleine Drama zwischen seinen Freunden mit einem nuanciert genervten Seufzen, ehe er sich wieder dem halben Ordnungsdienst hinwandte. „Ihr müsst uns unbedingt sagen, was ihr wisst. Es geht um Elliones Sicherheit.“

„Wir sagen mal Nein“, gab Rai-Jin leichtfertig zurück. „Uns ist Ellione mal egal. Wegen ihr werden wir mal nicht unseren Freund verraten.“

Da schreckte Xell auf und zeigte mit schwungvoller Geste auf sie, als hätte er soeben erst festgestellt, dass sie da waren. „Die wissen was, Squall!“

„Kampf?“, fragte Fu-Jin mit stürmischem Blick. Sie schien zu ahnen, dass Squall sich die Informationen, die er haben wollte, um jeden Preis holen würde.

„Wenn es sein muss?“, antwortete der SEED-Chef und zog das Löwenherz. „Stellt euch darauf ein, dass wir keine Gnade zeigen werden.“

Seine Mitstreiter pflichteten ihm durch das Demonstrieren ihrer Waffen bei. Doch auch von der anderen Seite war kein Rückzieher zu erwarten.
 

Mit ausgestreckten Gliedern lag Ellione im Gras und sah in den tintenblauen Himmel, aus dem die Nacht ihren Blick mit ihren abertausenden winzigen Augen erwiderte, welche sich in der Zwischenzeit geöffnet hatten. Sie empfand solche Entspannung, dass nicht einmal einem Lächeln die Möglichkeit gewährt wurde, ihre Lippen anzustrengen, wie zufrieden sie nun auch war. Kein Monster wagte es, das stumme Lied der Nacht zu stören, als hätten selbst die in dem Kampf ihren einzigen Lebensinhalt findenden Mondgeborenen sich einmal zur Ruhe gelegt. Heute – so war ihr – hatte das Schicksal – das unbestechliche, das niemals mit sich reden lässt – ausnahmsweise die Fenster in seinem unvorstellbar großen Labyrinth, in dem sich jeder Mensch, jedes Tier, jedes Monster zeit seines Daseins zurechtfinden muss, geöffnet, sodass von den streng determinierten Wegen abzuweichen war, und Ellione meinte, diese Chance genutzt zu haben. Ausgefüllt, mit sich selbst im völligen Einklang, dem Leben freudig entgegensehend, drehte sie ihr Haupt müde zur Seite.

Cifer stand auf einer kleinen Anhöhe, nicht weit von ihr, und wandte ihr gerade den Rücken zu. Der erquickende Wind trug sogar seinen schweren, grauen Mantel, fuhr durch sein platinblondes Haar. Sie wusste, dass er auf Deling City schaute. Sie wusste auch, dass er in diesem Augenblick eine Menge Erinnerungen durch sich ziehen ließ. Es war bestimmt nicht einfach. Aber es musste sein, wenn er sein Ziel erreichen, wieder zu sich zurückkehren wollte. Dieses Mal war es an ihm, aufrichtige Stärke und wahren Mut zu beweisen – an ihm allein. Ellione glaubte fest daran, dass es ihm gelingen würde. Sie wünschte es ihm, dem verlorenen Sohn, dem ewigen Anwärter. Dem Rebellen, dem Begleiter, dem Beschützer.
 

Dem [Hexen-Ritter].



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-09-07T09:29:50+00:00 07.09.2008 11:29
mm, eigentlich weiß ich nicht ob ich ellione und cifer zusammmen mag...
aber das ist nicht wichtig,
raijin und fujin sind echt loyal, ein team, und echte freunde
da stossen squalll und co mal auf gegener nicht?


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