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Out of Place

Eine Frage des Vertrauens
von

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EINUNDZWANZIG

So, zunächst einmal wieder vielen Dank an alle Kommentraschreiber, denen ich auf Grund von Klausuren nicht antworten konnte. Die letzte Prüfung hab ich am Samstag geschrieben, dass heißt, ab jetzt sollten die Kapitel wieder schneller und regelmäßiger kommen.
 

EINUNDZWANZIG|
 

„Ich weiß, was Boris vorhat.“ sagte Tala plötzlich, als hätte er Kais Gedanken gelesen. Kai sah überrascht auf. Tala wusste es? Tala hatte es die ganze Zeit gewusst? Fragen drängten sich in seinen Kopf, eine Menge Fragen und nicht alle besonders freundlich, doch er wartete, wartete darauf, dass Tala weiter sprach.
 

„Woher?“ fragte er schließlich, als ihm klar wurde, dass Tala nicht vorhatte etwas zu sagen. ‚Woher’ war nicht unbedingt die erste Frage, die ihm auf der Zunge gelegen hatte. ‚Was’ und ‚Wehalb hast du mir das nicht eher gesagt’ wären bei weitem interessanter gewesen, doch auf sie hätte Tala womöglich nicht geantwortet.
 

„Er hat es mir gesagt.“ antwortete Tala und seine Stimme klang plötzlich stumpf und seltsam leer. „Du hättest es mir sagen können. Anstatt zu warten bis Boris mir höhnisch ins Gesicht lacht.“ Kai starrte ihn fragend an. Was sagen? Worauf wollte Tala hinaus?
 

„Warum bist du zurückgekommen, Kai?“ Talas Stimme klang nun ein wenig verzerrt, beinahe verbittert. „Warum bist du in die Abtei zurückgekommen?“ Kai erstarrte. Wie kam Tala… Woher wusste Tala…
 

~~~~~

Kai sah dem rothaarigen Jungen nach, der eben in der Dunkelheit der Gasse verschwunden war. Er starre einen Augenblick lang in die Finsternis, dann wandte er sich achselzuckend um und ging weiter die Straße hinunter, den unsichtbaren Pfad entlang, den seine Beine für ihn ausgewählt hatten. Er beschleunigte seine Schritte etwas, denn er hatte keine Lust noch an Ort und Stelle zu sein, wenn der Kerl es sich anders überlegte und wieder zurückkam um weiter auf ihn einzureden.

Die nächste Straße in die er einbog, kam ihm plötzlich tatsächlich bekannt vor. Es war nicht weiter nur dieses bloße Gefühl der entfernten Vertrautheit, im Gegenteil, er konnte sich ganz genau daran erinnern, wann er das letzte Mal hier gewesen war. Es war die Straße in der sich die Abtei befand, in die sie am gestrigen Mittag zum Essen eingeladen worden waren. Kai blieb unweigerlich stehen, als er die Mauern der Anlage und das große Tor entdeckte. Weiter hinten thronten das Haupthaus und die Türme mit den türkisfarbenen Zwiebeldächern. Mit einem Mal überkam ihn wieder dieses ungute Gefühl, das er schon am Vortag gehabt hatte. Alles in ihm sträubte sich dagegen diesem Gebäude ach nur noch einen Schritt näher zu kommen. Er konnte das Unheil beinahe riechen, dass ihn dort erwartete. Bilder drängten sich in seinen Kopf, Bilder von Dingen, die er niemals gesehen hatte, Gedanken, die er niemals gedacht hatte, Worte, die er niemals gesprochen hatte, Stimmen, die er niemals gehört hatte. Er konnte keines dieser Dinge fassen, denn sobald er nach ihnen griff, verschwanden sie in der Dunkelheit und ließen eine Leere zurück, die sich Kai nicht erklären konnte. Es ging vorbei und hatte nicht lange gedauert, vielleicht gerade einmal den Bruchteil einer Sekunde. Es ging vorbei und ließ nichts zurück außer der Leere und dem unguten Gefühl.
 

Kai schüttelte verdrossen den Kopf, was für ein seltsamer Tag. Er erinnerte sich voller Unbehagen an den Traum, den er gehabt hatte. Er wusste nicht mehr genau, um was es gegangen und wa geschehen war, ein Traum eben, doch er erinnerte deutlich, dass er mit dieser Abtei zu tun gehabt hatte. Irgendetwas war hier geschehen, doch er konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern.

Diese Anlage war ihm nicht geheuer und eben deshalb musste er dort hinein. Er wollte wissen wieso diese Gebäude so bedrohlich auf ihn wirkten und er konnte die Antworten nur finden, wenn er sie dort suchte, wohin es ihm widerstrebte zu gehen. Er musst nur einen Weg finden…

~~~~~
 

„Was hat er dir gesagt?“ wollte Kai wissen, doch Tala schüttelte nur den Kopf und ging nicht auf seine Frage ein.
 

„Warum bist du zurück in die Abtei gekommen? Wegen Black Dranzer?“
 

„Ich kann mich nicht erinnern.“ antwortete Kai schließlich. Er wusste nicht, worauf Tala hinaus wollte. Er wusste nicht, wie viel Boris ihm erzählt hatte. Er wusste nicht einmal, was Boris eigentlich wusste. „Ich hatte keine Ahnung wo ich war, ehe ich plötzlich vor der Abtei stand.“ fügte er hinzu, als ihm klar wurde, dass Tala sich mit einem ‚Ich weiß nicht’ nicht zufrieden geben würde. „Boris hat mir Black Dranzer gegeben, damit ich bleibe.“
 

„Lass mich die Frage anders stellen.“ erwiderte Tala. „Warum bist du geblieben?“
 

Schweigen. Kai schwieg. Auf diese Frage hatte er keine Antwort, zumindest keine, die er laut aussprechen konnte. Tala hätte es nicht wissen sollen. Er hätte es niemals wissen sollen.
 

~~~~~

Kai stand vor einem kreisrunden Loch in einer Wand, von dem aus ein Tunnel nach unten führte. Der Tunnel war gerade einmal so breit, dass Kai bequem hindurchpassen würde. Er konnte nur hoffen, dass der Tunnel nach unten hin nicht schmäler werden würde. Doch bisher hatte er Glück gehabt, warum sollte er nicht weiter darauf vertrauen? Gut, Kai war alles andere als ein geborener Optimist, aber es gab keinen anderen Weg, zumindest keinen, den er nehme konnte ohne erwischt zu werden und hier hatte er wenigstens eine Chance. Mit einer List hatte er es geschafft während der Wachablösung in den Innenhof der Abtei zu gelangen, doch der einzige sichtbare Zugang zum Hauptgebäude war deutlich strenger bewacht worden. Welche Geheimnisse barg diese Abtei, dass sie eine so gründliche Überwachung verlangten? Er würde es hoffentlich bald herausfinden. Er schwang sich in den Tunnel und rutschte hinunter in die völlige Dunkelheit. Es dauerte nicht lange, da tauchte das Ende in Form eines kreisrunden, grünlichen Lichts auf. Kai landete auf steinernem Boden. Er hörte Stimmen und verhielt sich so leise wie möglich. Er befand sich in einem Gang, der auf der einen Seite plötzlich einfach aufhörte und in Leere führte. Auf der anderen Seite verschwand er in der Dunkelheit.
 

Kai schlich leise zu jener Seite, die bei genauerem Hinsehen in einen größeren Raum mündete. Kai lehnte sich an die Wand an der Kante und spähte hinunter. Etwa fünf Meter unter ihm standen einige bizarre Gerätschaften, die sich bei genauerem Hinsehen als Laufbänder entpuppten. Kinder waren an diese Geräte angeschlossen und schienen zu trainieren. Um sie herum standen einige der Uniformierten Abteiwächter und einige in weiße Kittel gekleidete Männer und Frauen. Wissenschaftler vielleicht? oder Ärzte? An den Wänden standen eine Reihe von Computern auf denen Diagramme und Zahlenreihen liefen, die Kai nicht genauer erkannte und wahrscheinlich selbst dann hätte er nichts damit anfangen können.

Kai wandte sich um und folgte dem Gang in die entgegen gesetzte Richtung. Er war ehrlich neugierig, was er hier unten noch alles finden würde. Auf jeden Fall handelte es sich bei der Balkov Abtei nicht lediglich um eine Schule, die Beyblade ausbildete. Er kam an eine große, hölzerne Türe, die einen Spalt breit offen stand. Kai spähte durch den Spalt in den Raum, ging jedoch nicht hinein denn auch hier standen Leute in weißen Kitteln zusammen mit zwei Wächtern. An den Wänden der Räume reihten sich zylinderförmige, gläserne Tanks, die mit einer grünlichen Flüssigkeit gefüllt waren. In den Tanks konnte er undeutlich Schemen erkennen, die nur allmählich und bei genauem Hinschauen Gestalt annahmen. Es waren Tiere. Ein Wolf, dort eine Katze, ein Adler. Kai wandte sich ab. Er wollte gar nicht wissen was dort drinnen vor sich ging und was eine Schule mit solchen Experimenten anfangen wollte, doch er konnte es sich denken und diese Gedanken gefielen ihm nicht. Allerdings, zu seiner eigenen Verwunderung, kümmerte es ihn nicht wirklich du es überraschte ihn auch nicht. Beinahe als hätte er es schon gewusst.
 

Er ging weiter. Der dunkle Gang führte immer weiter und immer tiefer in das unterirdische Labyrinth der Balkov Abtei. Ab und zu zweigte ein Gang nach links oder rechts ab, aber Kai beschloss immer geradeaus zu gehen, für den Fall, dass er später den Weg zurück finden musste. Er öffnete auch keine der Türen, die unregelmäßig aufeinander folgten. Er hatte keine Lust entdeckt zu werden und erklären zu müssen, was er hier unten trieb. Er kam an einem anderen Raum vorbei. In diesem Raum nun stand eine Gruppe Kinder, angeordnet in Reih und Glied, die den Start eine Beyblades übten und hierbei synchron immer dieselben Bewegungen und dieselben Worte wiederholten.
 

„Wir vernichten unsren Feind, nur der Sieg ist unser Leben.“
 

Kai wich zurück. Sein Gesicht war plötzlich bleich, beinahe weiß. Wieder schossen ihm Bilder in den Kopf, doch dieses Mal blieben sie und er konnte er sie genau erkennen.

Kai fuhr herum und rannte den Gang hinunter. Er wollte weg, weg von diesem Ort, auf den er plötzlich einen unsagbaren Hass verspürte. Die Bilder in seinem Kopf formten sich zu Szenen, die Worte bekamen Stimmen, die er erkannte, die Personen bekamen Gesichter und er erinnerte sich mit einem Mal an ihre Namen. Er sah sich selbst als kleinen Jungen, wie er selber in einer dieser Reihen stand, wie er selber diese Worte sagte. Er sah sich auf einem der Laufbänder. Er erinnerte sich an die Schlafsäle. Und er erkannte plötzlich wer… Er spürte den Schmerz, wenn man ihn für irgendetwas bestraft hatte, er erinnerte sich an die Regeln, doch alles fiel durcheinander und so war es ihm unmöglich einen klaren Gedanken zu fassen oder irgendeine dieser Erinnerungen festzuhalten. Er war hier, in dieser Abtei, aufgewachsen, das wusste er, und er hatte diesen Ort gehasst, aber es war der einzige Ort, den er gekannt hatte. Es war sein Zuhause gewesen und da war noch etwas, da war so viel mehr. Gefühle verschiedenster Arten stürzten auf ihn ein, Gefühle, die er einmal verspürt hatte Angst, Hass, Einsamkeit, aber auch andere Dinge, da war eine gewisse Wärme, doch er konnte nicht ausmachen woher sie kam oder doch und er wollte es nur nicht. Es war ein Chaos, er wusste nichts mehr und doch so viel und so vieles wurde ihm klar und im nächsten Augenblick hatte er es wieder vergessen. Sein Kopf schmerzte und er hätte am liebsten schreien mögen.
 

Kai blieb mit einem Mal stehen, als er plötzlich merkte, dass er noch immer rannte. Seine Gedanken klärten sich allmählich, doch wo sonst nur Leere zurückblieb, war mit einem Mal alles … voll. Wo er auch suchte, überall waren mit einem Mal Erinnerungen. Plötzlich wusste er genau, wo er sich befand und er konnte sagen, wo jeder einzelne Gang und jede einzelne Tür hinführte.
 

Dann traf ihn eine weitere Erinnerung. Die letzte Erinnerung und die Erkenntnis. Tala. Tala lebte. Für einen Augenblick war es, als erfüllte ihn so etwas wie Wärme, im nächsten erinnerte er sich an die Begegnung früher am Tag. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Seine Augen weiteten sich und er wich zurück, beinahe als fürchtete er vor sich selbst. Er stieß gegen etwas oder eher gegen jemanden. Kai fuhr herum und starrte seinen Gegenüber an. Wieder wich er einen Schritt zurück.
 

„Boris…“ sagte er leise. Bilder drängten sich in seinen Kopf, Worte. Er erinnerte sich mit einem Mal an alles, was dieser Mann jemals zu ihm gesagt und getan hatte. Und alle diese Dinge gaben ihm Anlass diesen Mann, der ihm ohnehin schon zuwider gewesen war, zu hassen. Der Hass zeigte sich deutlich in seinem Blick, der sich von verwirrt und vielleicht erschrocken in feindselig und kalt wandelte.

Boris schien diese Veränderung zu bemerken, denn ein Grinsen schlich sich auf seine dünnen Lippen.
 

„Ah, Kai“, sagte er auf Russisch und seine Stimme hätte freundlich geklungen, hätten Kais Erinnerungen sie nicht Lüge gestraft. „Du erinnerst dich also? An alles?“
 

„Was willst du?“ knurrte Kai ebenfalls auf Russisch. Er war der einzig Schüler, vielleicht sogar der einzige in der ganzen Abtei, der Boris per Du angesprochen hatte. Und er war mehr als einmal dafür bestraft worden. So lange, bis Boris bemerkt hatte, dass es keinen Sinn hatte und es hatte ihn jedes Mal beinahe zur Weißglut getrieben. Nun jedoch blieb er völlig ruhig und schien es einfach zu überhören.
 

„Aber, aber, Kai“, meinte er und fuhr mit seiner scheinfreundlichen, fast tadelnden Stimme fort. „Du bist derjenige, der zu mir gekommen bist. Die Frage lautet also: Was willst du?“
 

Kai biss sich auf die Lippe und antwortete nicht. Er fühlte sich, als wäre er von einem Laster überfahren worden. Nun, da die große Flut vorüber war, konnte er sich an kleine Dinge erinnern, an Einzelheiten. Er erinnerte sich auch an die Begegnung am Abend und er wusste nun wem er gegenübergestanden hatte. Er wusste, von was er gesprochen hatte.

Kai schüttelte die Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf Boris. Die übliche Kälte kehrte zu ihm zurück, als er endlich seine Ruhe wieder gefunden hatte.
 

„Na ja“, antwortete er mit einem Mal wieder in dem gewohnten, gelangweilten, kalten Ton. „Macht man das nicht so, wenn man nach einer Weile wieder Mal in der Nähe ist? Der alten Heimat einen Besuch abstatten?“
 

Boris schien ein wenig irritiert, denn das Grinsen verblasste etwas und er zögerte mit einer Antwort, er fing sich jedoch recht schnell wieder.

„Und?“ erwiderte er schließlich „Hast du vor länger zu bleiben?“
 

Kai zögerte. Am liebsten hätte er laut ‚Nein’ gesagt, sich auf dem Absatz herumgedreht und die Abtei auf schnellstem Wege verlassen. Aber so leicht war es nicht. Zum einen würde Boris in nun, da er ihn einmal so weit hatte, nicht so schnell wieder gehen lassen und zum anderen…

Er konnte nicht einfach wieder gehen und so tun als wäre niemals etwas geschehen. Dies war sein wirkliches Leben. Die Jahre, die er in Japan gewohnt hatte, waren nichts. Hier hatte er sein ganzes Leben verbracht. Dies war der Ort, den er seine Heimat nannte, sosehr es ihm auch widerstrebte.

„Weißt du“, meinte er endlich an Boris gewandt. „Das letzte Mal, als ich hier war, war das Essen ziemlich schlecht und die Unterkunft alles andere als gemütlich. Das macht dein Angebot nicht gerade verlockend.“
 

„Aber ich habe dir überhaupt kein Angebot gemacht, Kai.“ erwiderte Boris amüsiert, was Kai ehrlich ärgerte, denn er hatte nicht vorgehabt diesen Mann zu unterhalten.
 

„Das wirst du aber gleicht tun.“
 

Boris wurde mit einem Mal ernst.

„Du bleibst hier, du trainierst hier, verlässt die Abtei nur mit meiner persönlichen Erlaubnis, hältst dich an die Regeln, wenn nicht wirst du wie jeder andere bestraft und du bladest für mein Team.“ erklärte er, dann kehrte das falsche Lächeln zurück auf eine Lippen. „Alles wird so sein wie Früher.“
 

Kai musste unwillkürlich schlucken, ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken und alles in ihm schrie danach sofort davonzulaufen, doch er brachte die Stimmen in seinem Kopf zum schweigen.

„Und was springt für mich dabei heraus?“
 

„Nun ja“, Boris schien zu überlegen. „Eine bessere Unterkunft, die besten Trainingseinrichtungen der Welt und, sobald du dich wieder eingewöhnt und das von uns geforderte Pensum erreicht hast,… Black Dranzer.“ Triumph blitzte in Boris Augen, als er die Überraschung in Kais sonst ausdruckslosen Zügen erkannte, die der blauhaarige Russe nicht zu verbergen vermochte. Der Abteivorsteher hatte es sich nicht im Entferntesten träumen lassen, dass es so einfach sein würde. Er hatte Kai verflucht und zum Teufel gewünscht, als Voltaire ihm von seinem glorreichen Plan mitteilte, seinen Enkel wieder in die Abtei zu schicken. Der Junge konnte eine Plage sein, er hatte immer Ärger gemacht und sich ihm gegenüber absolut respektlos verhalten.
 

Black Dranzer. Kai hatte nicht damit gerechnet, dass man ihm den Beyblade einfach aushändigen würde. Nicht nach dem, was geschehen war.
 

„Also gut.“ willigte er schließlich ein. „Ich bleibe hier.“

~~~~~
 

„Ab wann konntest du dich wieder erinnern?“ Talas Stimme riss Kai aus seinen Erinnerungen. Erinnern? Erinnern hatte er sich können seit er Boris begegnet war. An alles. Alles.
 

~~~~~

Als Kai von einem jüngeren Schüler durch die Gänge der Abtei zu seiner neuen Unterkunft geführt wurde, fragte er sich zum ersten Mal, ob er wohl wieder in seinem alten Quartier untergebracht werden würde, doch Schüler bog nicht in einen der Gänge ein, die Kai kannte, sondern wählte einen anderen in dem Räume lagen, die Kai niemals zuvor von Innen gesehen hatte und von denen er nicht sagen konnte, was sich in ihnen befand. Er würde es jedoch sogleich herausfinden, der Junge blieb nämlich vor einer Türe stehen und wandte sich zu Kai um.

„Hier.“ sagte er schlicht, dann ging er an ihm vorbei und verschwand hinter einer Biegung. Kai blieb zurück und sah dem Jungen nachdenklich nach. Er hatte beinahe vergessen wie die Schüler hier im Allgemeinen auf Andere und vor Allem auf Fremde reagierten. In der Abtei war ohnehin jeder fremd. Zumindest meistens.
 

Kai schüttelte die Gedanken ab und öffnete Türe anstatt sie weiter nachdenklich zu betrachten. Es war ein kleiner Raum. Er hatte aber auch nichts anderes erwartet. Die Wände waren nackt und kahl bis auf eine runde Uhr. Die Türe befand sich in der Mitte dieser Wand. Rechts und links befanden sich jeweils ein Bett und ein Spind. Von der Decke herab hing eine einzige Glühbirne.

Ja, so kannte er die Abtei, so war er aufgewachsen. Keine Stühle, keine Tisch, keine zusätzlichen Ablagen, keine Bilder an den Wänden oder ähnlich unsinnige Dekorationsgegenstände. Kai sah sich genauer um. Eine der beiden Seiten war bereits in Anspruch genommen worden, denn die Decke lag unordentlich auf dem Bett zusammengeknüllt. Die andere Seite hingegen war beinahe schon ein wenig eingestaubt. Er warf einen kurzen Blick in den Spind auf jener ungenutzten Seite und fand ihn leer vor. Er hatte auch nichts, was er dort hineinlegen könnte. Er besaß nur, was er am Körper trug. Seine Reisetasche stand noch immer halb ausgepackt in dem Zimmer, das er im Hotel mit Ray bezogen hatte. Bei sich hatte er nur seinen Geldbeutel und Dranzer, was rein theoretisch auch das Nötigste war, denn er wusste, dass es eine Kleiderordnung in der Abtei gab und er wohl früher oder später Kleider bekommen würde. Für den Moment jedoch kam er gut mit dem aus, was er besaß.
 

Kai warf einen Blick auf die Uhr. 19.00 Uhr. Er wandte sich um und verließ das Zimmer wieder. Wenn ihn seine Erinnerungen nicht täuschten und der Tagesplan nicht geändert worden war, standen jetzt Eins gegen Eins Kämpfe in einer der größten Hallen der Abtei an. Kai wusste, wo sich dieser Raum befand und was sollte er sonst tun? Niemand hatte ihm gesagt, dass er in seinem Zimmer bleiben sollte. Boris hatte lediglich gesagt, dass er sich an die Regel halten sollte und die Regeln verbaten nicht am Training teilzunehmen. Im Gegenteil.
 

Die Halle war nicht weit entfernt und sie besaß eine große zweiflügelige Türe. Kai zögerte für den Bruchteil eines Augenblicks, dann stieß er einen der Flügel auf und trat über die Schwelle. Sämtliche Blicke in der Halle, sowohl die der Schüler, als auch die der beistehenden Wächter wandten sich mit einem Mal ihm zu. Schweigen breitet sich aus, das beinahe Totenstille glich. Die Kämpfe wurden abrupt fallen gelassen und gut sechzig Augenpaare starrten ihn teilweise erschrocken, teilweise überrascht an. Die Wächter bemerkten nicht einmal, dass das Training nicht fortgesetzt wurde. Niemand rührte sich. Leises Gemurmel breitete sich aus, bis plötzlich auf der gegenüber liegenden Seite eine weitere, jedoch kleinere Türe aufgestoßen wurde und ein hochgewachsener Mann mittleren Alters hervortrat. Kai kannte den Mann. Es war der Leiter dieser Trainingseinheit, doch seinen Namen hatte er niemals einem Schüler genannt.
 

„Kai Hiwatari“, sagte er mit ernster, tiefer Stimme und bestätigte die Vermutungen der Schüler und Wächter. „Balkov hat mich bereits informiert, dass du ab heute wieder am Training teilnimmst. Ich hoffe für dich du hast inzwischen gelernt dich an Regeln zu halten. Komm mit!“ In seiner Stimme lag beinahe offenen Feindseligkeit. Er wandte sich um und während er wieder auf die Türe zuging blieb er noch einmal stehen.
 

„Und wer hat euch erlaubt eine Pause zu machen?“ rief er laut. „Setzt das Training auf der Stelle fort!“
 

Sofort wandten sich die Schüler wieder ihren Aufgaben zu, jedoch nicht ohne Kai verstohlene Blicke aus dem Augenwinkel zuzuwerfen, während dieser die Halle durchquerte um dem Mann zu folgen. Er trat hinter ihm durch die kleine Türe und schloss sie, als er hindurchgegangen war. Der Raum war klein und quadratisch. Es gab einen Schreibtisch und zwei Bänke an der Wand. Vier Personen saßen auf diesen Bänken, während der Mann um den Tisch herum ging und sich auf dem Stuhl dahinter niederließ.

Kai erkannte die vier Jungen, die ungefähr in seinem Alter waren, auf Anhieb. Er fühlte sich äußerst unwohl unter den Blicken, die nun auf ihm ruhten. Seine neuen Teamkollegen sahen alles andere als begeistert aus und es fiel ihm äußerst schwer es ihnen zu verübeln.
 

Spencer musterte ihn misstrauisch und nicht unbedingt freundlich, jedoch auch nicht feindselig, vielleicht sogar beinahe ein Bisschen überrascht.

Ian und Bryan hingegen zeigten ihre Abneigung um einiges deutlicher. Ian zischte leise einen russischen Fluch, als Kai eintrat und Bryan zeigte zwar keine Regung, doch ein Blick in die Augen des Silberhaarigen genügte vollends.

Tala hatte nach einem kurzen, nichts sagendem Blick beschlossen ihn schlichtweg zu ignorieren. Kai erinnerte sich mit schalem Geschmack an ihre Begegnung früher am Tag. Tala musste nun glauben, dass Kai tatsächlich jedwede Erinnerung an ihre Kindheit verloren hatte und vielleicht. Ja, vielleicht war es auch besser so.

~~~~~
 

„Verdammt Kai, warum muss erst Boris mir sagen, dass du nur geblieben bist um mir zu helfen?“ Etwas in Talas Stimme war zerbrochen, Kai wusste nicht, was es war, doch er hatte das Knacken gehört und dann das feine Klirren der Scherben. Etwas war zerbrochen und vielleicht, nur vielleicht, war es die Wand, die zwischen ihnen beiden gestanden hatte. Dieses letzte Geheimnis.
 

„Ich wusste nicht, dass er es weiß.“ begann Kai langsam, während ihm klar wurde, dass diese Worte überhaupt keinen Wert hatten. Er konnte sehen, wie Tala im Dunkeln aufstand und einen Schritt in seine Richtung machte, dann jedoch inne hielt.
 

„Du hast uns belogen, du hast mich belogen. Du hast deine Freunde verraten, hast ihre Bitbeasts geopfert nur um ich da raus zu holen?“ Tala war wütend, wütend und er verstand nicht. Seine Stimme klang hilflos und zornig zugleich.
 

„Das Versprechen.“ erwiderte Kai schließlich. Welchen Sinn hatte es weiter zu schweigen? Welchen Sinn hatte es weiter zu lügen? Lügen und Schweigen hatte ihn niemals irgendwohin gebracht. Nur in Situationen wie diese. Man sollte meinen, dass er aus seinen Fehlern lernte, doch er machte immer dieselben. Immer dieselben dummen Fehler.
 

„Was?“
 

„Ich habe es dir versprochen.“ Kai lehnte sich zurück, schloss die Augen. „Ich habe dir versprochen alles zu tun.“
 

„Ich“, Kai konnte Talas Blick auf sich spüren. Seine Stimme war nun Nachdenklich und ein wenig überrascht. „Ich kann mich nicht daran erinnern.“
 

„Du warst tot.“ erklärte er dumpf. „Als ich dich schreien hörte, habe ich versprochen alles zu tun.“
 

~~~

Viel Flashback und wenig Aktuelles, aber keine Sorge, im nächsten Kapitel wird sich das wenden. ^__^

Ich wünsche euch alle frohe Weihnachten!

Liebe Grüße,

Nordwind



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  CrazyRose
2008-12-25T13:25:48+00:00 25.12.2008 14:25
Hey-Ho und frohe Weihnachten erst einmal!

Ich fand das Kapitel heute gerade wegen der vielen Flashbacks richtig gut! ... Steh ja sonst net unbedingt darauf ^^ Aber diesmal hat es vieles erklärt und der Schluss vom Kappi war ja mal total hamma! Trotzdem freue ich mich schon aufs nächste Kapitel, wenns denn dann mal wieder im hier und jetzt weitergeht =) Bin mal gespannt wie Tala auf Kais Aussage reagiert ....

So ... muss denn auch mal wieder los - Puh, Weihnachte ist so stressig! =P Wünsche dir noch zwei schöne Feiertage und komm gut ins neue Jahr!

LG
CrazyRose
Von: abgemeldet
2008-12-25T09:50:09+00:00 25.12.2008 10:50
Schönes Kapitel. Ich mag Flashbacks, und gerade in Kombination mit der Gegenwart und dem Gespräch zwischen den beiden gefiel mir das ganze sehr gut. Besonders schön fand ich übrigens das mit der Wand aus Glas...
Ein hübsches Weihnachtsgeschenk, DANKE! ^___^
Von: abgemeldet
2008-12-24T22:06:13+00:00 24.12.2008 23:06
ein geniales kapitel wie imma, hab aba uach nichts anderes erwartet ;)
mir haben die flashbacks wirklich gut gefallen, viele einblicke die die situation klarer werden lässt
hmm hätte auch nicht gedacht das boris das wusste Oo war der typ wirklich mal echt scharfsinnig -.-
lol nur eins, wenn ich richtig gelsesn ahbe ist die grammatik und die rechtschreibung nicht imaer in ordnung, also rechtschreibfehler und nen paar flasche formen der wörter ^^
freu mich wenns weiter geht xD
bis zum nächsten kapitel dann
lg unico^^
Von:  ShadowBlaze
2008-12-24T15:06:35+00:00 24.12.2008 16:06
Das war wieder mal ein super kapitel^^
Hat mir richtig gut gefallen als die Wand zwischen ihnen zerbrach.
Ich hoffe es geht bald weiter, ich freu mich schon drauf ;)
Von: abgemeldet
2008-12-24T14:12:51+00:00 24.12.2008 15:12
Ein ganz simples: "Ich hab's doch gewusst!!!" XD
Also, das mit den Versprechen meine ich ^^

Das Kapitel gefällt mir! *knuddel*
Besonders die Stelle wo "die Wand" zwischen ihnen zerbricht. Das hast du so toll geschrieben!

Moaboa

P.S Frohe Weihnachten wünsche ich dir ^^

Von:  friehkie
2008-12-24T14:08:22+00:00 24.12.2008 15:08
Ein geiles Kapitel *___*
Von Anfang bis Ende.
Endlich erfährt man, was Kai in die Abtei getrieben hat und was ihn dort bindet.
Und der Schluss war so schön <3
Wahre Freundschaft.
Kai is so süß
Und Tala tut mir Leid, dass er das von Boris erfahren hat ><
Der hat sich sicherlich mehr als nur drüber lustig gemacht
Von:  zintia
2008-12-24T13:40:29+00:00 24.12.2008 14:40
hay !
das war mal wider ein tolles kappi
wenn ich ehrlich bin ich mag die flashbacks nicht so sehr ich mag eher die gegenwart
vorallem wenn kai und tala miteinander reden
ich find es immer so tiefgründig
vorallen die stelle mit kai wo er etwas hat zersplittern hören da war irgendwie so viel gefühl in diesen wenigen worten
ich fand das richtig schön
ich hätt echt heulen können du schaffst es wirklich immer wieder mich zu berühren
ich hoffe es geht bald weiter
und frohe weihnachten und nen guten rutsch ind neue jahr

deine zintia ^-^
bin erste


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