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Graf Hans Axel von Fersen

Paris , 12.Oktober 1793

Graf Hans Axel von Fersen erfuhr erst bei seinem letzten geheimen Treffen mit Marie Antoinette im Concièrgerie Gefängnis, von Oscars Tod. Natürlich hatte er sich in den vergangenen Jahren gefragt, wo die einstige Freundin sich aufgehalten habe, jedoch war er selber viel zu beschäftigt gewesen, um die Königin zu unterstützen, dass er nicht die Chance erhalten hatte, Nachforschungen über Oscars Verbleib betreiben zu können. Dennoch traf es ihn hart zu hören, dass Oscar nicht mehr unter ihnen weilte. Genauso, wenn nicht sogar noch mehr, setzte es ihm zu, dass Marie Antoinette sehr unter diesem Verlust zu leiden schien, auch wenn sie sich nach Außen hin stärker gab.

//Oscar… das letzte Mal, dass ich sie sah, ist so viele Jahre her. Aber ich habe dennoch das Gefühl, als wären erst ein paar Stunden vergangen, seit ich sie in die Seitengasse zog und sie auf einmal von ’ihrem’ André sprach. Ich habe mich wirklich für sie gefreut, dass sie nun scheinbar endlich ihren Weg gefunden hatte. Aber das dies so für die beiden Enden würde, hätte ich niemals für möglich gehalten. Jedoch hätte es wirklich anders ablaufen können? Oscar hatte immer einen sehr starken Charakter, aber hinter dieser harten Schale befand sich immer ein sehr feinfühliger, wunderschöner und weicher Kern. Den sie niemandem zeigt. Nur für mich zeigte sie diesen, als sie auf einem Ball in einem wunderschönen Kleid erschien. Niemand erkannte sie. Auch ich zuerst nicht. Dafür schäme ich mich. Wenn ich nur vor so vielen Jahren sie als das gesehen hätte, was sie wirklich war... Vielleicht wäre einiges anderes gelaufen. Aber dies werde ich niemals erfahren.//

Seufzend ließ von Fersen sich auf einem Sofa in seiner Unterkunft nieder.

//Aber dies alles hätte nicht geschehen müssen. Nicht nur, dass mit Oscar und André. Auch mit meiner geliebten Königin… Wenn ich nur etwas ändern hätte können? Vielleicht hätte ich damals wirklich heiraten sollen, als man mir diese Bitte zutrug…//

Wieder seufzte er und lehnte sich dann zurück.

//Es ist hart, aber es ist geschehen. Und somit ist es unabänderbar. Ich werde gewiss Lady Oscar und auch André niemals vergessen. Beide werde ich in meinem Herzen tragen, so wie sie immer waren. Oscar, so stolz und anmutig und André, als ihr stetiger und treuer Begleiter.//

Hans Axel griff nach seinem Glas und goss sich etwas Wein ein.

//Langsam wird mir auch immer klarer, warum André sich damals so verhalten hat. Als ich erfuhr, dass Oscar eine Frau war und kein Mann. Wieso er mich mit so einem merkwürdigen Blick angesehen hatte, so streng sprach und anschließend rasch im Stall verschwunden war. Wie er reagierte, als ich aus Amerika wiederkam und mich bei Oscar zurückmeldete. Ich hätte es damals schon an seinen Worten und Gesten merken müssen. Aber ich habe ja schon nicht geahnt, dass Oscar eine Frau war. Wie hätte ich es mir auffallen sollen? Vielleicht war ich einfach zu blind, zu voreingenommen von der Schönheit Marie Antoinettes? Ich werde es wohl nie herausfinden und kann es daher nur vermuten.//

Er führte das Glas zu seinem Mund und trank einen guten Schluck des Weines, als wäre es Wasser.

//Die Zeiten haben sich sehr verändert, genauso wie Oscar sich verändert hat. Aber ich schimpfte sie als Kameradin… Doch wenn ich wirklich ein guter Kamerad gewesen wäre, hätte ich an ihrer Seite gestanden und mit ihr gekämpft. Gewiss hätten wir nicht ganz dieselben Ziele verfolgt, aber wir hätten uns unterstützt. Lady Oscar war immer eine Kämpfernatur. Allein wenn ich mich an die Situation erinnere, als das Pferd Marie Antoinettes durchging und man André die Schuld gab. Oscar setzte sich für ihn ein, ohne an ihr eigenes Wohl zu denken. Sie bot dem Ludwig XV. die Stirn. Ich kenne niemanden, der dies für einen so gesehenen Diener nur im Ansatz getan hätte. Dies war wirklich zu bewundern. Sie setzte sich für ihn ein, weil sie dagegen war, dass ein Unschuldiger schwer bestraft werden sollte. Und als die damalige Dauphine sich ebenfalls für André aussprach, war die Wut des Königs verschwunden.//

Von Fersen stellte sein geleertes Glas zurück.

//Wer hätte damals nur erahnen können, was so viele Jahre später geschehen würde? Hätte jemand dies überhaupt aufhalten können? Ich weiß es nicht. Vielleicht wäre es möglich gewesen, vielleicht auch nicht. Nur Gott weiß, was hätte sein können. Vielleicht war es auch unser aller Schicksal. Ein Schicksal, welches uns alle zusammenführte und uns nun nach und nach trennt. Wenn ich könnte, würde ich dies verhindern. Aber mir sind die Hände gebunden. Niemand kann sich gegen das Schicksal erheben und es ändern, so wie er es gern hätte. Nur Gott, dem Allmächtigen, ist dies alles möglich. Daher müssen wir alle mit unserem Laster auf ewig leben.//

Wieder seufzte der Graf. Dann erhob er sich und trat zum Fenster hin, um hinaus in das dunkle Paris zu blicken. Das er seine geliebte Marie Antoinette das letzte Mal in seinem Leben gesehen hatte, erahnte er in dem Moment noch nicht. Ihm war bewusst, dass ihr Prozess in Bälde stattfinden würde, aber er hoffte innerlich, dass sie nicht dem verstorbenen König, auf das Schafott folgen würde. Dafür betete er jeden Tag. Und dies nun auch nicht mehr zu Gott allein, sondern auch zu Lady Oscar. Jedoch wurde ihm bei Urteilsverkündung deutlich vor Augen geführt, dass seine Gebete unnütz gewesen waren. Marie Antoinette sollte am 16.Oktober 1793 durch die Guillotine ihr Leben verlieren. Diese Erkenntnis traf ihn mehr als schwer. Von Fersen versuchte noch mal Marie Antoinette zu sehen und mit ihr zu reden, aber egal was er auch tat, es verließ alles im Sande. So konnte er nur ‚zusehen’, wie sie am 16. Oktober, mit kurzen Haaren, auf einem Karren zum Schafott gebracht wurde. Aber länger verweilen konnte er nicht. Er konnte nicht mit ansehen, wie man seine Geliebte, direkt vor seinen Augen das Leben nahm. So trat er nach ihrem Tode seinen direkten Heimweg nach Schweden an. Niemals würde er die Königin vergessen. Genauso wenig wie Oscar und André. Innig hoffte er, dass er seine Marie Antoinette eines Tages wieder sehen würde. In einer besseren Zeit, an einem besseren Ort.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2008-09-30T21:48:53+00:00 30.09.2008 23:48
Wow, das ist ein mehr alles hammer geniales Kappi! Hier hast du auch ein paar konkrete Erinnerungen von von Fersen mit eingebracht und seine Gedanken und Gefühlswelt wunderbar beschrieben!!

Super!!!!
Von: abgemeldet
2008-04-04T15:03:45+00:00 04.04.2008 17:03
Echt der Hammer!
Wird immer spannender!
Mach weiter so!
Keysuke


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