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Wie die Motte und das Licht

Kurzgeschichte über eine DSA-Junghexe
von

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Feuer. Seit Stunden blickte sie jetzt schon in die züngelnden Flammen, betrachtete die tanzenden Funken, die kurz aufblitzten, um sofort wieder zu verglühen, das Spiel von Licht und Schatten, sah und spürte die goldene Wärme, die alles verzehrende Hitze. Ihre Augen tränten schon längst. Aber sie merkte es nicht einmal. Der Tränenschleier machte das Flammenspiel nur noch schöner und unwirklicher.

Aber sie konnte nicht anders, als nun auch das Rütteln an ihren Schultern zu bemerken. „Mai…? Hey, Mai, was machst du da?” Als sie sich notgedrungen von den Flammen abwandte, sah sie geradewegs in das grinsende Gesicht ihres Bruders Xandro. „Ich glaube du verwechselst da was. Das Fenster ist dort drüben. Das hier ist der Kamin.“ Seit diesem Winter hatten sie tatsächlich Glasfenster in ihrem Haus, zumindest im Erdgeschoss. Eine echte Attraktion. Zu Beginn war die Neuerrungenschaft ausgiebig bestaunt worden und besonders die Kinder hatten sich um das Fenster gedrängt, um endlich einen Blick nach draußen werfen zu können. Nur um festzustellen, dass die Welt durch das Glas auch nicht viel anders aussah. Schon bald gehörte das Glasfenster zum Alltag. Aber Xandro konnte es dennoch nicht lassen, die anderen mit ihrem anfänglichen Interesse aufzuziehen. Überhaupt liebte er es die anderen aufzuziehen. Aber kaum einer nahm es ihm wirklich übel, solange er es nicht übertrieb, außer manchmal Sav und Dajin vielleicht. Immerhin sorgte er für Abwechslung und er hatte einfach ein Talent dafür andere zum Lachen zu bringen.

„Das weiß ich,“ sagte Mai grummelnd und wandte sich sofort wieder den Flammen zu. Was sie darin sah, würde er nie verstehen gnausowenig wie Magie. „Keine Widerworte heute? Ich glaube wir sollten dich öfter vor den Kamin setzen. Gut für unsere Ohren und Nerven.“ Doch wieder ignorierte ihn seine Schwester. So gerne Nimai sonst auch mit ihrem Bruder stritt, heute war ihr einfach nicht danach. Er lenkte sie bloß von den Flammen ab. Ob wohl etwas dahinter lag? Tief verborgen hinter ihrem Licht? Ein Geheimnis vielleicht? „Ich seh schon. Das wird heut nichts…“ „Lass sie doch einfach, wenn sie lieber einer ihrer Grillen nachhängen will… Wenn der Kamin so viel interessanter ist. Lass uns endlich rausgehen,“ hörte sie aus dem Hintergrund die Stimme ihres Bruders Dajin. Dieser… Am liebsten hätte sie ihm eine geklebt einfach, weil er sie nervte. „Aber nein. Je eher würden sie weg sein,“ dachte sie sich immer noch den Blick dem beruhigenden Tanz der Flammen zugewandt. Sie merkte gar nicht, wie ihre Brüder die Eingangshalle verließen und blieb weiterhin mit dem Kopf auf den Händen abgestützt vor dem Kamin liegen.

Es war wirklich ein Tanz, seltsam und irgendwie unberechenbar. Aber dennoch bewegten sie sich im Takt einer lautlosen unbekannten Melodie. Sie sind so schön, so schön, dass man fast darin verbrennen will. Minuten, Stunden, Ewigkeiten starrte sie jetzt schon in ihr Licht…

„Ja, das Feuer ist schön, nicht wahr?“ Nimai blickte wieder auf, diesmal jedoch überrascht. Sie hatte vertieft in den Zauber der Flammen gar nicht bemerkt, wie ihre Mutter den Raum betreten hatte. Nun saß Meriban neben ihrer Tochter auf dem antiken tulamidischen Teppich, der schon ihr altes Haus in Amhallah geziert hatte. Mit einem Blick, der dem ihrer Tochter nicht unähnlich war, jedoch zugleich eine gewisse Ruhe und Weisheit verriet, die man erst mit den Jahren erhält, blickte sie ebenfalls in das Feuer. Überhaupt erinnerte die 12-jährige Nimai in diesem Moment vor dem Kamin stark an ein jüngeres Spiegelbild ihrer Mutter, als der Feuerschein sich in ihren blauschwarzen Haaren reflektierte und für einen Moment dunkelbraune Augen in dunkelbraune Augen blickten.

Nimai nickte kurz, schaute dann aber, als ihre Mutter dem nichts hinzusetze, weiter in die Flammen. „Sie sind unberechenbar, chaotisch und doch zugleich so wunderschön. Du hörst es auch, das verlockende Flüstern der Flammen,“ sagte Meriban mehr im Ton einer Feststellung als dem einer Frage. „Doch hörst du auch das Ächzen des Holzes, das sie nährt? Weißt du, Tochter, sie sind das Zentrum unseres Kreises. Alles dreht sich um sie in den Nächten, wenn die Feuer hell lodern und dennoch sind sie auch unser Verderben. Die Praioten“, sie sprach dieses Wort verächtlich aus wie ein Schimpfwort, „sehen das Feuer als reinigend an. Aber ich frage dich: Was ist daran reinigend, wenn jemand unter Qualen verbrennt? Das Feuer ist also tückisch, zwiespältig. Es kann uns verraten im unerwartetsten Moment und dennoch werden wir zu ihm hingezogen wie die Motte zum Licht."

Nimai schauderte bei diesen Worten. Doch gleichzeitig gingen ihr die Augen auf und sie glaubte (fast) im Feuer zu erkennen, was ihre Mutter ihr beschrieb. Plötzlich, unerwartet, schnellte Meribans Hand hervor, packte die ihrer überraschten Tochter und hielt sie mit erstaunlich festem Griff in die Mitte der Flammen. Nimai stieß einen leisen Schrei aus, als die Flammen nach ihrer Hand leckten. Doch kaum war der erste Schock überwunden, begann der Schmerz zu verblassen. Ihre Hand badete im Feuer und dennoch verbrannte sie nicht. Erstaunt und fasziniert betrachtete sie dieses Wunder, diese Magie. Doch wiederum riss sie Meribans Hand aus ihren Träumen. „Jetzt ist es genug. Beim ersten mal sollte man es nicht übertreiben.“ Ein zufriedenes, mildes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.

Nimai, die das ganze immer noch kaum glauben konnte, strahlte abwechselnd ihre Mutter und ihre Hand an. Doch im selben Moment, als die Faszination des Feuers nachließ, kehrte auch der Schmerz in ihre Hand zurück. Nimai verzog den Tränen nahe das Gesicht. „Nicht weinen,“ tröstete sie ihre Mutter, „ das ist der Preis. Aber lass uns sehen, ob wir nicht etwas Salbe für deine Hand finden können.“ Tapfer versuchte ihre Tochter ihr Lächeln zu erwidern. Und es gelang ihr fast. Beim nächsten mal würde es schon besser gehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Rowanna
2011-10-08T21:25:22+00:00 08.10.2011 23:25
Noch eine wirklich schöne Geschichte von dir. Die Flammen hast du richtig toll eingefangen. Die ganze Geschichte strahlt eine angenehme, gemütliche Wärme aus. Und dennoch kommt die Zweischneidigkeit der Flammen, wie du sie auf die Hexen bezogen hast, sehr gut rüber. Toll!


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