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Höllenqualen

Rasia Reloaded - Fortsetzung zu "Pakt mit der Hölle"
von

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Lästige Spielverderber, glitzernde Verstärkung, durchtriebene Bengel und ekelerregende Seile

„Du Mistkerl wirst es noch bitter bereuen, dich mit mir angelegt zu haben.“
 

Inuyasha hatte, wie nicht anders zu erwarten, seine Großspurigkeit wiederentdeckt. Mit geschwellter Brust und einem äußerst unpassenden arroganten Gesichtsausdruck stand er fest auf seinen zwei Beinen, sehr darum bemüht, sich die Schmerzen von den Verbrennungen nicht anmerken zu lassen.
 

Ich konnte bei dieser Zurschaustellung geballten Testosterons nur den Kopf schütteln. Irgendwie waren mir diese Erdenmännchen – ob nun Hanyou, Menschen oder Youkai, es kam eigentlich immer auf dasselbe hinaus – ein absolutes Rätsel! Inuyasha hätte sich im Grunde ohne größere Anstrengung wegschleichen können, während wir die Ehre gehabt hätten, uns mit Krytio zu prügeln. Er hätte das Ganze (zumindest theoretisch) ohne weitere Verletzungen überstehen können.
 

Aber nein – wieso sollte man sich auch in Sicherheit bringen, wenn man doch gleich einen völlig unnützen Tod sterben konnte?
 

Im Grunde konnte es mir ja wirklich egal sein, aber diese furchtbare Beschränkheit tat dennoch irgendwie immer wieder aufs Neue in der Seele weh. Automatisch musste man sich fragen, wie solche Wesen es überhaupt schafften, das Erwachsenenalter zu erreichen, ohne sich vorher nicht selbst umzubringen.
 

Laut brüllend wie ein gereizter Ochse wuchtete Inuyasha sein gigantisches Schwert in die Luft und machte sich auf zu einem erneuten Angriff auf Krytio. Seinen verwundeten Füßen schenkte er keinerlei Beachtung.
 

Ich konnte bei seiner unbedachten Tat nur stöhnen. Hatte dieser Kerl denn noch nie etwas von Strategie und einem ausgefeilten Plan gehört?
 

Offenbar nicht … was auch nicht weiter verwunderlich war.
 

Doch Inuyasha bekam unerwartet Hilfe. Auch Hisa hatte sich nun spontan dazu entschlossen, ihren ganzen Zorn und Hass auf Krytio abzuladen. Inuyashas spontane Eingebung, sich mal eben so in den Tod zu stürzen, nutzend, zog auch sie ein Schwert hervor und preschte in Richtung des Teufels los. Nun wurde Krytio von zwei gegenüberliegenden Seiten attackiert.
 

Kagura, die noch immer neben dem Teufel stand, hüpfte hastig zur Seite, wohlwissend oder zumindest hoffend, dass sie nicht das Ziel des Angriffs war. Krytio warf beiden Dämonen innerhalb eines Sekundenbruchteils rasch ein Lächeln zu, ehe er sich vom Boden abstieß und hoch in die Luft sprang.
 

Während Inuyasha und Hisa damit beschäftigt waren, nicht gegeneinander zu krachen und sich somit der größten Peinlichkeit schlechthin hinzugeben, formte ich in meiner Hand schnell einen Energieball und schleuderte ihn dem abgelenkten Krytio entgegen.
 

Im ersten Moment sah es tatsächlich so aus, als würde meine kleine, unfaire Finte wirklich Erfolg haben, aber Krytio bemerkte es im allerletzten Augenblick und startete in der Luft ein Ausweichmanöver nach hinten. Meine süße Energiekugel zischte haarscharf an ihm vorbei und brutzelte nur ein wenig seinen Ärmel an.
 

Was für ein Spielverderber!
 

„Du bist so hinterhältig und durchtrieben wie eh und je“, meinte Krytio, als er wieder Boden unter den Füßen hatte. Er klang jedoch nicht besonders verärgert, sondern vielmehr begeistert. Ihm schien es tatsächlich zu entzücken, dass ich ihm so in den Rücken gefallen war.
 

Bevor wir die Chance erhielten, unser kleines Geplänkel ungestört weiter fortzuführen, bemerkte ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Ich wandte mich um und entdeckte zwei Figuren, die aus dem Inneren des etwas angedötschten Bannkreises auftauchten und sich ganz offensichtlich ebenfalls ins Geschehen einmischen wollten.
 

Oh nein, nicht auch noch das!
 

Allein schon an ihrer leicht fluoreszierend strahlenden Haut erkannte man auf Anhieb, dass es sich um Engel handelte. Durch das ganze Glitzern und Gefunkel waren sie auch kaum zu übersehen. Für die Menschen haftete der Anblick von Engeln immer etwas Faszinierendes und Erhabenes an, aber wir Teufel waren da weitaus pragmatischer – auf uns erweckte es eher den Eindruck, als wäre die komplette Engelsschar radioaktiv verseucht.
 

So unwahrscheinlich war das Ganze auch gar nicht. Schon viele Forscher der Hölle hatten Theorien darüber aufgestellt, dass unter Umständen dort oben im Himmel in der Luft, im Wasser oder wo auch immer ein Giftstoff rumdümpelte, der schon seit unzähligen Generationen die Gehirne der Engel aufgeweicht hatte und als tollen Nebeneffekt die Haut so klasse strahlen ließ, dass man abends im Bett wahrscheinlich nicht mal eine Kerze oder Lampe brauchte, um noch was lesen zu können.
 

„Sieh an, sieh an“, sagte eines der Engelchen mit einem merkwürdig nasalen Akzent. „Was für ehrenwerten Besuch wir doch bekommen haben.“
 

Dank dieser kreischend grellen Haut vermochte ich nicht wirklich auszumachen, welches Geschlecht mein Gegenüber nun genau hatte. Allerdings deutete die weiblich anmutende Stimme und der ausladende Hüftschwung auf ein Weibchen hin.
 

Außer natürlich es war doch ein Mann, der ein extrem schwules Gebaren an den Tag legte.
 

„Ich nehme mal an, du bist Lanyva?“, vermutete ich. Ich hatte den anderen Engel anhand seines charakteristisch dummen Grinsens bereits als Saphiel identifiziert, da lag es nur nahe, dass er seine Schwester im Schlepptau hatte.
 

Saphiel selbst war größer, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Auf dem Bankett war er ja schließlich genau wie ich in einer veränderten Gestalt aufgetaucht, um nicht weiter aufzufallen (und dieses nervige Geglitzer wäre auf alle Fälle dem ein oder anderen sicherlich aufgefallen), aber anhand seiner Stimme hatte ich ihn als ziemlich jung und unbedarft eingestuft und irgendwie einen kleinwüchsigen Kerl im Kopf gehabt. Aber er war dann doch wohl in Wirklichkeit ein bisschen größer als ein Zwerg.
 

Na ja, so bot er mehr Angriffsfläche.
 

„Und du musst Rasia sein.“ Lanyva trat einen Schritt vor, ihr bis zum Boden reichendes Gewand quer durch den Dreck ziehend. „Dir haben wir es also zu verdanken, dass Lucifer jetzt an der Macht ist? Der Kerl ist noch schlimmer als all die vorherigen Oberteufel zusammengenommen!“
 

Amen.
 

Oder wie auch immer das bei den religiösen Fanatikern hieß, um seine Zustimmung kundzutun.
 

„Das brauchst du mir nicht zu sagen, kleines Flattermäuschen“, meinte ich seufzend. „Ihr habt wenigstens nur ab und zu mit ihm zu tun, wir Teufel müssen mit dem Hirni leben.“
 

Lanyva verzog ihr Gesicht, von ihrem süßen Spitznamen offenbar nicht allzu angetan. „Du solltest nicht so herablassend sein, Teufel. Offenbar hast du keine Ahnung, mit wem du es zu tun hast.“
 

Nein, das hatte ich wirklich nicht. Aber es interessierte mich auch nicht die Bohne.
 

Saphiel kicherte bei der hochtrabenden Ansage seiner Schwester wie jemand, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte, während Krytio bloß aufstöhnte und genervt den Kopf schüttelte.
 

Armer Kerl. Bereits einen Engel aus der Entfernung zu sehen, war schon schrecklich genug, aber über Wochen mit gleich zweien zusammenzuarbeiten, musste wirklich der Himmel auf Erden sein.
 

Plötzlich spürte ich ein Prickeln, welches offenbar von meinem Siegel ausging. Merkwürdigerweise war es aber nicht schmerzhaft, sondern erinnerte vielmehr an das Gefühl, wenn ein Insekt über die Haut krabbelte. Nicht unangenehm, aber es blieb auch nicht unbemerkt.
 

Mir fiel auf, dass auch meine anderen Teammitglieder dasselbe fühlten. Inuyasha und Shimo starrten verdutzt ihre Siegel an, während Hisa bloß genervt aufseufzte.
 

„Was hat das zu bedeuten?“, fragte ich die Youkai, da sie ganz offensichtlich wusste, was hier gerade vorging. Zumindest schien sie nicht allzu verwirrt zu sein.
 

„Das Siegel hat eigenmächtig Griffins Befehl rückgängig gemacht“, erklärte sie. Ihr Blick richtete sich auf die beiden funkelnden Engel. „Offenbar schätzt es die momentane Situation als zu gefährlich ein.“
 

Tja, was sollte man dazu sagen?
 

Auf der einen Seite war es natürlich klasse, dass wir uns Griffins dämlichen Befehl, das bescheuerte Juwel zu besorgen, nun nicht mehr beugen mussten, aber auf der anderen Seite war es schon ein wenig diskriminierend, dass das Siegel so wenig auf uns hielt. Traute uns das Ding wirklich nichts zu? Konnte das Teil überhaupt denken?
 

Zugegeben, sich gegen einen Teufel und zwei Engel zu verteidigen, war keine einfache Sache. Vielleicht sogar tatsächlich unmöglich. Aber dennoch hätte das Siegel es uns wirklich wenigstens mal versuchen lassen können, ehe es uns als Schwächlinge abgestempelt hätte.
 

Ach, was beschwerte ich mich eigentlich? Griffin würde sich fürchterlich darüber aufregen und nur das zählte.
 

„So, meine Freunde, wie’s aussieht, ist unser kleines Spielchen hier und jetzt zu Ende, bevor es überhaupt angefangen hat“, meinte ich lächelnd. „Der Befehl unseres Mini-Meisters ist aufgehoben und somit haben wir auch keinen Grund mehr, uns das Juwel zu schnappen.“
 

Inuyasha machte den Eindruck, als wollte er widersprechen, aber nachdem ich ihm einen giftigen Blick zugeworfen hatte, schluckte er seinen Protest mit grimmiger Miene hinunter.
 

„Ich für meinen Teil habe zumindest keinen Bock, mir die Hände schmutzig zu machen, wenn nicht gerade mein Leben davon abhängt“, sagte ich schulterzuckend. „Also machen wir uns einfach vom Acker und verfluchen die verdammten Menschen, die uns gegen unseren Willen hier festhalten und uns mit ihren wahnsinnigen Welteroberungsplänen nerven. Was haltet ihr davon?“
 

Lanyva trat noch einen Schritt vor, nahm mich mit ihren übernatürlich leuchtenden Augen scharf ins Visier und meinte mit kühler Stimme: „Dem kann ich nicht zustimmen.“
 

Ich stöhnte auf. „Ja okay, ihr Engelchen dürft nichts und niemanden verfluchen, ich weiß.“ Manchmal fragte ich mich, ob denen ihre eigene Ethik nicht ab und an selbst auf den Keks ging. „Dann macht euch vom Acker und flucht eben einfach nicht rum, wenn euch das so in ein moralisches Dilemma stürzt.“
 

Lanyva gab ein Geräusch von sich, das ich nicht ganz zu deuten vermochte. Entweder sollte das eine Art Schnauben darstellen oder aber ihr war einfach eine Fliege in die Nase gekrabbelt.
 

„Das meine ich nicht“, sagte sie zischelnd. „Wir können euch nicht gehen lassen. Emmerett hat befohlen, euch gefangen zu nehmen.“
 

Höh?
 

„Wirklich?“, fragte ich überrascht.
 

„Natürlich“, meinte die Engelsdame. An ihrem Tonfall war eindeutig festzustellen, dass sie sehr von mir genervt war, was ich wiederum ausgesprochen begrüßte. „Um Japan zu erobern und somit diese – doch etwas befremdlich anmutende – Wette zu gewinnen, ist es sicherlich von Vorteil, den größten Gegner auszuschalten. Ohne euch wird Griffin keine Chance haben, noch irgendetwas auszurichten, und dieses ganze Spektakel wäre innerhalb weniger Tage schon vorbei.“
 

Zugegeben, Unrecht hatte die Strahle-Tante nicht. Griffin wäre ohne uns aufgeschmissen, Emmerett hätte mal eben schnell Japan erobern können und die dämliche Wette wäre Geschichte gewesen.
 

Klang ganz plausibel.
 

Allerdings bezweifelte ich irgendwie, dass Griffin das als rechtmäßigen Sieg anerkennen würde. Er würde wahrscheinlich ein großes Trara veranstaltet, rumzicken wie eine Ziege auf Grünzeugentzug und Revanche fordern.
 

Und dann würde es immer und immer und immer so weiter gehen, bis Griffin und Emmerett dann endlich das Zeitliche segneten oder auch Gott das Jüngste Gericht eben mal in Gang setzte.
 

Abgesehen davon gefiel mir der Gedanke nicht, mich von Engeln gefangen nehmen zu lassen. Griffin war immerhin auf uns angewiesen und behandelte uns einigermaßen menschlich, aber Emmerett traute ich ohne weiteres zu, uns in ein stinkendes Kellerloch werfen und uns dort verhungern zu lassen oder uns gar gleich umzubringen.
 

Griffin hatte sich trotz seiner Ignoranz und Hochnäsigkeit doch wenigstens noch einen kleinen Funken Moral bewahrt, aber Emmerett hatte den Blick eines potenziellen Massenmörders. Zumindest war ich mir ziemlich sicher, dass er schon für banalere Gründe als eine Wette – obwohl es kaum etwas Banaleres geben konnte – über Leichen gehen würde.
 

Er war die Art Mensch, die nach ihrem Tod einen Direktexpress in die Hölle erhielten.
 

„Denkt ihr wirklich, wir lassen uns gefangen nehmen?“ Inuyasha wedelte provozierend mit seinem Monsterschwert hin und her und verschreckte dabei doch gleich einige gerade vorbeifliegenden Insekten. „Ich glaube, ihr hattet euren Kopf zu lange über den Wolken, sodass eure Gehirne schon ganz aufgebläht sind.“
 

Oh, der Spruch war gut. Den musste ich mir merken.
 

„Wir sollen sie wirklich einsperren?“, mischte sich nun auch Krytio ein. Er sah alles andere als begeistert aus, während er mir einen kurzen Blick zuwarf. „Das ist doch nicht –“
 

„Es ist ein direkter Befehl!“, unterbrach Lanyva ihn unwirsch. „Und du hast ihn zu befolgen!“
 

Bei diesen Worten, so bemerkte ich, leuchtete das Siegel auf Krytios Arm kurz auf. Er seufzte daraufhin frustriert und stieß einen Fluch aus, der sich an Emmeretts Mutter und ihre ausgesprochen schlechten Erziehungsmethoden richtete.
 

Ich währenddessen betrachtete Krytios Siegel eingehender. Also war es tatsächlich möglich, auch den Befehl durch einen Mittelsmann überbracht zu bekommen? In dem Fall musste Emmerett ja nicht mal aus seinem bequemen Sessel aufstehen, um alles zu dirigieren.
 

Alle so furchtbare Faulpelze, diese Engländer!
 

„Du hast zu gehorchen, ansonsten schmorst du für ewig in der Hölle“, drohte Lanyva Krytio, nur um dann festzustellen, dass diese Worte bei Teufeln eher Glücksgefühle auslösten. Somit verbesserte sie sich rasch: „Ansonsten musst du für immer und ewig im Paradies verweilen, umgeben von Kaninchen, singenden Vögeln, Liebe, Frieden und Harmonie.“
 

Bäh.
 

Das Mädel verstand es wirklich, einem Teufel das Mittagsessen wieder hochkommen zu lassen.
 

Lanyva schaute noch ein letztes Mal böse in die Runde, dann aber bildete sich auf ihren Lippen ein geradezu groteskes Lächeln und sie gluckste vergnügt wie ein kleines Kind.
 

Sie ergriff die Hand Saphiels und fragte: „Wollen wir sie fertigmachen, Bruder?“
 

Saphiel grinste zurück. „Selbstverständlich, Schwester.“
 

Ich konnte nur ungläubig die Stirn runzeln. Also entweder litt Lanyva unter furchtbaren Gemütsschwankungen oder aber unter einer gespaltenen Persönlichkeit.
 

Bei der radioaktiven Verseuchung dort oben im Himmel tippte ich eher auf das Zweite.
 

Meine Güte, jetzt bekam ich es auch noch mit zwei Engels-Psychos zu tun! Im Grunde konnte es jetzt kaum noch schlimmer werden.
 

„Es tut mir aufrichtig leid, kleiner Teufel“, sagte Lanyva in einem heuchlerischen Tonfall, der mir die Nackenhärchen aufstellte. „Ich fürchte, unser Meister hat so einiges mit euch vor. Und vielleicht wird der ein oder andere von euch das bedauerlicherweise nicht unbeschadet überstehen.“
 

Besonders traurig klang das Engelchen aber nicht. Scheinheiliges Pack!
 

Wenn es um Schadenszufügungen bei Menschen ging, rissen sie immer entsetzt die Augen auf, plapperten irgendetwas von Moral, Wertvorstellungen und dem ganzen Quatsch und beharrten darauf, wie böse, falsch und niederträchtig Gewaltanwendung doch sei, aber im Hinblick auf Dämonen und Teufel war das plötzlich erstaunlicherweise gar nicht mehr so schlimm.
 

Gab es etwas Furchtbareres als doppelzüngige Pseudo-Moralapostel?
 

Ich spürte, wie Shimo kurz an meinem Ärmel zupfte. „Ich glaube, wir sollten lieber verschwinden“, schlug er in einem ungewöhnlich ernsten Ton vor. „Gegen zwei Engel und Krytio stehen die Chancen nicht allzu gut.“
 

Ich schnaubte. „Du hältst wohl keine großen Stücke auf uns, was?“
 

„Du bist so stark wie deine Mutter, das will ich gar nicht bezweifeln“, meinte er mit einem schiefen Lächeln. „Aber es gibt da einen wichtigen Punkt, den du übersiehst, mein kleiner Pestkäfer.“
 

„Und der wäre?“, fragte ich bissig. Eigentlich stimmte ich ihm – oh Wunder – ausnahmsweise mal zu, dass ein schneller Rückzug die beste Lösung wäre, aber alles in meinem Inneren sperrte sich dagegen, meinem Trottel von Vater Recht zu geben. Das war ein angeborener Instinkt, der mich seit je her davor beschützt hatte, von Shimos Wahnsinn befallen zu werden.
 

„Du übersiehst DAS!“ Mein alter Herr deutete ins Innere des Bannkreises, wo noch immer dieses schlossähnliche Gebilde dumm und tatenlos rumstand. „Dort drin ist das Juwel. Und darüber hinaus auch noch mehrere starke Auras. Ich schätze mal, weitere Diener Emmeretts.“
 

Also darauf hatte ich nun wirklich keinen Bock. Dann war’s wohl echt an der Zeit, eine Fliege zu machen.
 

Allerdings sahen die Engel das ein bisschen anders. Immer noch Händchen haltend hatten sie ein schadenfrohes Lächeln aufgesetzt und ganz offensichtlich ihre Kräfte vereint, wenn ich die Tatsache, dass die beiden plötzlich zu strahlen begannen wie Glühwürmchen auf Drogen, richtig deutete.
 

Sie streckten ihre jeweils noch freien Hände in unsere Richtung und lachten hämisch. Im nächsten Augenblick schlängelte sich etwas Fadenähnliches aus ihren Fingerspitzen, das sich, erstmal an der frischen Luft, verknotete und damit so etwas wie ein Seil bildete.
 

Ein langes, leuchtendes, merkwürdiges Seil, das ekelerregenderweise aus dem Inneren zweier Engel gekrochen war.
 

Pfui!
 

Ich wollte gar nicht wissen, woraus das genau gemacht war. Ich vermutete – oder besser gesagt: hoffte – zwar, dass es aus Energie bestand, aber völlig sicher war ich mir nicht.
 

Das komische Seil-Dingsbums wand sich einen Moment in der Luft wie ein Aal im Wasser und schien nicht so recht zu wissen, wo es eigentlich hinsollte. Allerdings dauerte dieser Zustand gerade mal eine Millisekunde an. Dann drehte es sich plötzlich in meine Richtung und raste mit einem Affenzahn direkt auf mich zu.
 

Mir blieb nicht mal Zeit, angemessen zu reagieren, so schnell war dieses seltsame Ding. In einem Anfall von völlig geistiger Umnachtung (wahrscheinlich waren die radioaktiven Schwingungen der Engel dran Schuld) schaffte ich es gerade noch, Shimo von mir wegzustoßen, ehe sich das Seil meiner bemächtigte und meinen ganzen Körper einwickelte.
 

Ich unterdrückte einen Schmerzensschrei, als das Ding meine Haut berührte. Nicht nur, dass das Seil mich fester verschnürte als alle Pakete der Welt zusammengenommen und mir geradezu die Luft abdrehte, darüber hinaus war es aus der reinen Energie zweier Engel geflochten und somit wie Gift für mich. Es fühlte sich an wie brennende Säure, die mir die Haut wegätzte.
 

Meine Versuche, mich von dem Ding zu befreien, waren selbstverständlich zum Scheitern verurteilt. Es war, als würde eine Maus versuchen, einen Elefanten hochzustemmen – einfach nicht besonders vielversprechend. Und das Seil war mit der Kraft von zweien geladen und somit eindeutig im Vorteil.
 

Offenbar wussten auch Engel, wie man unfair spielte.
 

Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie Saphiel und Lanyva sich bereits ihren weiteren Opfern zuwandten. Ich hörte Inuyasha große Töne spucken und Hisa laut fluchen. Shimo war im Moment zwar aus meinem Blickfeld verschwunden, aber auch er war sicher nicht weit. Schließlich hatte er nicht seine Freiheit geopfert, um seine Tochter zu retten, nur um mich jetzt wieder zu verlieren.
 

Entweder würde er kämpfen oder – was weitaus wahrscheinlicher war – die beiden Engel zu einer Tasse Tee einladen und sie dann dabei dermaßen mit dem größten Unsinn diesseits und jenseits der Welten zulabern, dass sie vor lauter Selbsterhaltungstrieb den Freitod wählen würden.
 

Keine besonders elegante Methode, um einen Feind auszuschalten, aber durchaus effektiv, wie Shimo es schon oft unter Beweis gestellt hatte. Und darüber hinaus war es auch besonders qualvoll für die Opfer.
 

Bei meinen kläglichen und eigentlich ziemlich hoffnungslosen Versuchen, den Griff des Seils wenigstens ein bisschen zu lockern, verlor ich schließlich auch noch das letzte, was mir zurzeit geblieben war: Mein Gleichgewicht.
 

Ich konnte nur einen überraschten Schrei loslassen, ehe ich wenig graziös nach hinten kippte.
 

Doch zu einem unangenehmen Kontakt mit dem Boden kam es nicht. Ich spürte, wie mich jemand noch rechtzeitig von hinten auffing, bevor ich Bekanntschaft mit dem Dreck machen konnte. Rasch hob er mich hoch, als wäre ich bloß eine gewichtslose Stoffpuppe, und nahm mich in seinen Arm.
 

„Befehl ist Befehl“, meinte er entschuldigend. Er starrte mich mit seinen beinahe schon hypnotisierend grünen Augen durchdringend an. „Ich hab einfach noch keine Lust zu sterben.“
 

Ich wand mich in seinem Griff und zischte: „Lass mich runter, Krytio!“
 

Doch stattdessen presste er mich nur enger an seine Brust. „Gleich“, versprach er mir in einem seltsamen Tonfall. „Aber nicht hier.“
 

Er wandte sich in Richtung des Bannkreises, die tobenden Engel einfach hinter sich lassend. Ich versuchte noch, über seine Schulter einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen, aber es war mir nicht vergönnt. Das einzige, was ich mitbekam, waren Inuyashas wenig jugendfreie Verwünschungen.
 

Also irgendwie war das Ganze nicht wirklich so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt hatten.
 

Anstatt nun eine blöde Glitzerkugel in den Händen zu halten und Emmerett schadenfroh ins Gesicht zu lachen, hatte uns der verfluchte Kerl mit seinen zwei Engeln und seinem Bestreben, alle Diener Griffins in seine Gewalt zu bringen, doch ein wenig überrumpelt.
 

Zugegeben, über die Engel hatten wir schon zuvor Bescheid gewusst, aber nicht über ihre supertolle und auch supernervige Fähigkeit, ihre Kräfte auf diese Art und Weise zu verbinden, dass nicht mal ein Teufel dagegen eine Chance hatte. Die Stärke eines anderen zu nutzen, war keine große Kunst, aber was Lanyva und Saphiel da abgezogen hatten, war doch etwas völlig anderes. Ihr Zauber war mächtig, von ihrem tiefsten Innersten erfüllt – kurz gesagt: er war einfach ein Ganzes!
 

Normalerweise, wenn sich zwei Kräfte verbanden, waren es doch immer noch irgendwie zwei Pole von verschiedenen Personen. Nur wenigen Kreaturen gelang es, solch eine Machtbasis aufzubauen, dass aus zwei unterschiedlichen Dingen etwas völlig Neues und Eigenständiges entstand. Und meistens zeigte sich dieses seltene Phänomen bei Zwillingen!
 

Somit hatte sich Emmerett nicht nur irgendwelche Engel gekrallt, sondern ein mächtiges Zwillingspaar, das im Himmel sicherlich eine hohe Stellung einnahm.
 

Mannomann, das hätte jemand auch ruhig mal früher erwähnen können.
 

Und da niemand eine arme Teufelin wie mich aufgeklärt hatte, saßen wir nun in der Patsche. Meine Mitleidensgenossen mussten sich gegen zwei verflixte Engel verteidigen (na gut, um Inuyasha und Shimo tat’s mir nicht sonderlich leid, aber wenigstens Hisa war in meinen Augen halbwegs passabel genug, um an sie ein oder zwei Gedanken zu verschwenden) und ich war fest verschnürt wie ein Geburtstaggeschenk und lag in den Armen eines Kerls, der der Stellvertreter eines größenwahnsinniges Teufels und darüber hinaus auch noch mühselig um meine Gunst bemüht war. Vielleicht würde es ihm einfallen, den ein oder anderen Gefallen einzufordern, um meine jetzt schon ätzende Gefangenschaft nicht noch schlimmer werden zu lassen.
 

Gefallen, an die ich gar nicht mal denken wollte.
 

Was würde wohl noch alles auf mich zukommen?
 

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Erstmal sorry, dass es was länger gedauert habt. Ihr könnt euch dafür gerne bei meinen Professoren beschweren, die mich mit ihren Hausaufgaben und Referaten genervt haben ;p
 

Dafür ist dieses Kapitel auch ein bisschen länger geraten. Ihr könnt euch auch schon mal auf Rasias Gefangenschaft freuen, da wartet vielleicht noch die ein oder andere Überraschung ;)



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  chaska
2009-12-13T20:39:18+00:00 13.12.2009 21:39
"Glühwürmchen auf Drogen"?!? Mein Gott, wie kommst Du immer wieder auf solche Sätze?
Rasia hat es schlimm erwischt. Sie wird buchstäblich in den Bannkreis des Gegners getragen. Zurück bleiben ein schmipfender Inu Yasha, eine entäuschte Dämonin und ein besorgter Vater.
Was Rasia wohl noch alles widerfahren wird?
Liebe Grüße
chaska
Von:  SamAzo
2008-12-09T20:18:36+00:00 09.12.2008 21:18
>Außer natürlich es war doch ein Mann, der ein extrem schwules Gebaren an den Tag legte.<
Ich glaube bei Engeln kann man da nie so sicher sein xD

Ohoh.. sieht ja garnicht gut aus für die unfreiwillige kleine Gruppe.
Mal sehen was Rasia dort so alles durchmachen muss...

So, nu hat mein Kommi etwa solange gedauert wie dein letztes Kapitel xD
Oder auch nicht.. hehe
(Aber wenigstens bin ich endlich zum lesen gekommen - auch wenn ich noch nen anderes Kapitel als Erinnerung brauchte ^^")
Von:  Hotepneith
2008-11-29T22:23:06+00:00 29.11.2008 23:23
Schön, dass es weiter geht.

aber Rasia hat echt eine....nicht so gute Karte gezogen.Platzverweis wäre für sie wohl im Moment noch das Beste. Und da scheint ein Engländer einem anderen gegenüber die Geschichte studiert zu haben..


arme Opfer...oder Rasia?

bye
hotep



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