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Mein Herz, meine Liebe, mein Leben...mein Stern

von

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Sterne sehen...

Wir lagen unter dem Dach, sahen aus dem großen Fenster in den schwarzen Nachthimmel, der mit Sternen besetzt war bis zum Rand. Sie schienen über zu laufen und vielleicht schon bald die Erde zu berühren. Wir lagen hier wie wir es immer taten. Kopf an Kopf. Die schwache alte Lampe flackerte wie eine Kerze im Wind. Und es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sie erlosch. Aber noch strahlte sie, leuchtete für uns in der Dunkelheit und verbreitete ihre sachte Wärme über das alte Pakett auf dem die Fleckchendecke lag.
 

Er lag neben mir und schwieg. Sagte einfach nichts. Und das war auch nicht nötig. Ich kannte diese Situation. Seid wir klein waren war es so gewesen. Hier auf dem Dachboden in seinem Elternhaus lagen wir oft Stunden lang, redeten über alles was uns bewegte oder schwiegen gemeinsam. Zu zweit schwieg es sich viel schöner.

Er war immer der gewesen, dem ich alles anvertraute. Mein Herz ausschüttete. Kleine und große Peinlichkeiten verriet. Bei ihm waren sie sicher. Ich wusste er würde sie bewahren.
 

Wir haben immer zusammen gehalten. Uns durch nichts nieder machen lassen. Hatte ich etwas angestellt, die Lieblingsvase meiner Mutter beim Spiel aus versehen zerbrochen, so hatte nicht ich es angestellt. Das waren wir. Und wenn er die Zeit vergessen hatte, zu spät nach Hause kam, dann hatte nicht er die Zeit vergessen. Wir hatten sie vergessen.

Ich hatte nie einen besseren Freund. Einen besseren Komplizen. Geheimnisträger. Spielkumpanen. Partner. Wie auch immer man es nennen wollte. Er war mein bester Freund. Und wir verbrachten jeden Tag zusammen. So weit es uns möglich war.
 

Wie hatten die Welt gemeinsam entdeckt. Nebeneinander die Schulbank gedrückt. Er war bei mir gewesen, als ich das erste Mal verliebt war. Ich war bei ihm gewesen, als er seine Liebe zum Basketball entdeckte. Vom Fangerles spielen auf der Kuhweide, über den ersten Pickel und den beginn der Highschool in einem heißen Spätsommer, hatten wir alles zusammen erlebt. Und mir war als würde es ewig so weiter gehen. Nichts würde sich verändern. Nichts sollte sich verändern. Ich wollte ewig hier liegen, die Sterne betrachten als wären sie heute völlig anders als sie es noch gestern waren. Und gleichzeitig gab mir diese stete Gleichheit ein Gefühl der Sicherheit, wie ich es im hektischen Wandel meines Zeitalters nirgends sonst spürte.
 

Ich weiß nicht ob er es genau so erlebte wie ich. Ich dachte es damals. Aber wenn ich heute darüber nachdenke ist es mir nicht mehr so klar. Eigentlich verschwimmt es in einer trüben Suppe von Gesprächsfetzen und Gesichtsausdrücken. Dinge die ich nicht einordnen konnte und es bis jetzt nicht kann. Dazu ist es zu lange her. Und ich war damals vielleicht zu gleichgültig oder zu sehr mit mir beschäftigt. Ich kreierte meine eigene kleine Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit in der ich mich sicher fühlen konnte, die mir Halt gab und die niemals verblassen sollte. Und ich brauchte diese Wirklichkeit so sehr, dass ich es nicht zu ließ, dass er etwas anderes denken oder fühlen konnte, als das was ich von ihm erwartete.
 

Es klingt egoistisch. Vermutlich war es das auch. Aber das wollte ich damals nicht sehen.

Wie hieß es noch.....Am meisten fühlt man sich von der Wahrheit getroffen, die man sich selbst verheimlichen wollte. Wer hat das gesagt? Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß auch nicht wo ich diesen Satz her habe. Nur, dass es der Ideale Satz wäre um diese Geschichte zu beginnen. Doch wie immer kommt mir dieser Gedanke zu spät. Bin ich zu langsam für mein Glück?
 

Ich war immer der Meinung er erkannte es sofort. Er war klug. Viel klüger als ich es je sein konnte. Darum hatte er auch wenig Freunde. Zumindest dachte ich immer es läge daran. Sie verstanden ihn einfach nicht. Mit so viel Intelligenz konnten die wenigsten umgehen. Mich störte es hingegen überhaupt nicht, dass er mir geistig überlegen war. Im Gegenteil. Ich fand es klasse. Er konnte mir bei den Hausaufgaben helfen, mir die Welt erklären die sich mir meist völlig entzog. Gott, ohne ihn wäre ich niemals durch all die Prüfungen gekommen. Nicht dass ich dumm wäre. Ich war nur manchmal etwas langsam. Dafür lag mir der Sport ebenso wie ihm. Da waren wir auf einer Wellenlänge. Immer schon gewesen. Nur früher bestand unsere Art von Sport aus wildem Rumtoben oder Fußball im Hof. Später war ich im Basketballteam.
 

Aber an diesem Abend an dem wir wie immer auf dem Dachboden lagen, unter uns quitschende Dielen und über uns die Sterne, war das nicht wichtig. Wichtig waren andere Dinge. Dinge von so banaler Wichtigkeit, dass mir nicht klar ist, wie wir überhaupt über sie reden konnten. Wo es doch so viel anderes gab, das wir hätten bereden sollen. Das wir kontinuierlich ignorierten. Unserer Freundschaft wegen. Zumindest glaube ich, dass wir uns das einredeten. Ich tat es wohl. Oder war ich wirklich so blind?
 

„Glaubst du, dass wenn man sie greifen könnte, auf ihnen spazieren gehen wann immer man will.....die Sterne ihre besondere Einzigartigkeit und Faszination verloren hätten?“, fragte er mich und stierte dabei nachdenklich in die gesprenkelte Dunkelheit. Ich erinnere mich noch genau an diese Frage, weil ich da zum ersten Mal begann über das nach zu denken was ich Nacht für Nacht als selbstverständlich gesehen hatte. Die Sterne. Vergänglicher Zauber? Irgendwann wäre es so weit, dachte ich nur. Ich malte mir aus wie die Forschung, die Wissenschaft immer größere Fortschritte machte und man bald auf jedem Gestirn spazieren ging, oder Golf spielte.
 

„Vermutlich.....“, hatte ich ihm geantwortet und er hatte den Kopf gedreht und mich angesehn. Mit diesem leeren, nachdenklichen Blick gemustert, den er immer dann hatte, wenn er im Gedanken ganz weit fort war. Wo war er? Bei den Sternen? So weit weg von mir?

Ich habe nie verstanden was in solchen Momenten in ihm vorging. Ich muss ihn nur angesehen haben wie eine Schwalbe wenn es blitzt. Und er hat leise gelacht. Ich höre es noch immer deutlich im Ohr. Dieses befreite, zutrauliche, innige Lachen.
 

„Welcher Stern ist deiner?“, wollte er mal wieder wissen. Er hatte mich das schon so oft gefragt. Nie wusste ich eine Antwort. Aber er gab nicht auf, schien die Hoffnung zu haben ich würde mir irgendwann einen aussuchen. Warum auch immer.

„Ich denke ich habe keinen.“, gab ich zurück um dieses Spiel endlich zu beenden. Er sah wieder zu den Sternen hinauf. „Jeder hat einen.“, flüsterte er verträumt.
 

„Ich nicht.“, war, was ich dazu zu sagen hatte. Ich weiß wirklich nicht mehr warum ich ihm nicht einfach den Gefallen tun konnte und mir einen aussuchen.

Aber er war mir nicht böse. Er schloss die Augen, diese dunklen grünen Katzenaugen, und lächelte.

„Dann teilen wir uns eben meinen.“

Und damit war es Ok. Es war in Ordnung. Wir hatten schließlich immer alles geteilt. Warum nicht auch einen Stern?
 

Ich weiß auch nicht mehr warum ich nicht wissen wollte welcher das war. Vielleicht waren Sterne doch nicht so wichtig für mich wie für ihn. Wobei......er war mir doch wichtig genug um schon alleine seinetwillen zu fragen.

1. Kapitel: Zwei

Die Momente am Morgen, wenn alle durch die Flure streiften und an Spinden hingen, liefen im Grunde immer gleich ab. Man redete mit den gleichen Leuten, meist über die gleichen Themen, legte seinen Kram ab, und dann wenn man allmählich keine Zeit mehr zu vertrödeln hatte, begab man sich widerwillig in die Klassenzimmer. Füllte sein müdes Hirn mit unnützem Wissen, dass der Gesellschaft schon immer so wichtig war. Ich erlebte diese Morgen immer etwas anders. Ich stand an meinem Spind und wartete, bis Nathaniel seinen Kram verstaut hatte, beobachtete dabei wie er geschickt immer wieder neu stapelte, und wenn er schließlich so weit war, rollte er neben mir her und regte sich über irgendetwas auf.
 

Ich weiß noch, dass ihm damals nichts zu passen schien. Irgendetwas gab es immer zu bemängeln. Und wenn es Jemandem auffiel dann ihm. Er dachte einfach zu viel. Und er erzählte mir immer was er dachte. Daher fiel es mir zwangsläufig auch auf. Auf viele wirkte ich intelligenter als ich vermutlich war, nur weil ich wiedergeben konnte was er mir erzählte. Das hatte zwar was, aber ich wusste ja was wahr war und was nicht. Und im Grunde war es ernüchternd. Die Menschen hätten mich weniger gemocht ohne ihn und ihn konnten sie nicht leiden. War das nicht eigenartig?
 

„Weißt du was man alles auf sich nehmen muss, wenn man an dieser Schule einen Club eröffnen will?“, wollte er mit wutentbrannter Stimme wissen. Es war mir egal. Ja ich weiß, das klingt gleichgültig und vielleicht etwas egozentrisch, aber ich hatte nicht vor einen auf zu machen, also was interessierte es mich? Natürlich sagte ich ihm das nicht. Ich tat einfach entrüstet und schlenderte weiter neben ihm her. Ihm zuliebe. Und das schien auch das zu sein, was er von mir erwartete. Wobei man das bei ihm eigentlich nie so genau wusste. Er war eben anders. Schwer zu durchschauen.
 

Ich dagegen war wie jeder andere. Null acht fünfzehn. So zu sagen. Und im Grunde störte mich das nicht. Ich war zufrieden. Beliebt bei den Mädchen. Immerhin war ich Sportler. Und unsere Mannschaft war nicht schlecht. Auch mit den Jungs kam ich gut klar. Sie schätzten mich als Kameraden. Dachten immer ich sei wie sie und gehöre dazu. Ein weiterer Fisch der im Strom mit schwamm. Und bis zu einem gewissen Moment war ich das auch. Ich war, was sie erwarteten, tat was man von mir erwartete und fühlte mich gut dabei. Was mir bis heute das größte Rätsel ist.
 

„Hey Josh! Sehn wir uns heute Nachmittag zum Training?“, rief es von irgendwo hinter uns. Es war Kyle, ein Teamkollege. Das Basketballteam trainierte zur Zeit besonders hart, da ein großes Spiel anstand.

„Klar. Ich komme sicher.“, rief ich zurück und schenkte ihm ein breites Grinsen. Ich freute mich immerhin schon den ganzen Tag auf das Training. Ja, ich war wirklich wie man es von mir erwartete. Nathaniel hingegen sah mich nicht mal an, rollte einfach weiter, und schien etwas ganz anderes von mir erwartet zu haben. Und dieses Verhalten machte mir immer so ein grässlich schlechtes Gewissen.
 

Es war immer sein Traum gewesen Basketballspieler zu werden. Und er war ja auch schon auf dem besten Weg dahin gewesen. Doch dann kam der Unfall, der sein Leben für immer verändert hatte. Das Atmen fällt mir heute noch schwer wenn ich daran denke, wie ich es erfahren habe.

Seid diesem Unfall, dem Moment der Unachtsamkeit, war alles etwas anders. Er konnte nicht mehr laufen, brauchte diesen hässlichen Rollstuhl. Und manchmal sah er so traurig aus. Dann ließ er den Blick aus dem Fenster schweifen, betrachtete melancholisch die Menschen da draußen, die lachten, spielten, liefen. Das was er nicht mehr konnte. Und ich wünschte ich könnte ihm nur für ein paar Stunden meine Beine leihen.
 

Ich würde ihn so gerne wieder laufen sehen. Spielen. Mit mir auf dem Feld ein paar Körbe werfen. Aber das konnte ich nicht. Und das rührte so in meinem Magen, dass mir ganz schlecht wurde.
 

Im Grunde war ich in meinem Denken wohl recht beschränkt, das wird mir heute bewusst. Wenn ich so zurück denke an all die Nachmittage, an denen ich trainierte und er nicht bei mir war... Ich fragte ihn nie was er tat. Ich kann mir bis heute nicht vorstellen, dass es mir einfach egal war, nur....ich glaube ich nahm gar nicht war, dass es etwas anderes als Basketball gab in diesen Momenten. Und wenn nichts um mich mehr existierte, als das Spiel, wie konnte ich dann darüber grübeln, was Nathaniel wohl gerade tat.
 

Das kam mir erst in den Sinn, als ich aus meiner kleinen Welt, in der offenbar nur ich existierte erwachte, abrupt aufgeschreckt wurde, auch wenn das vielleicht etwas zu sehr dramatisiert wurde. Das Training war ausgefallen aus welchen Gründen auch immer. Und sobald es nicht mehr „da“ war, kam er mir in den Sinn. Ich wollte meine nun neu erworbene Freizeit mit dem verbringen, mit dem ich sie immer verbrachte. Und so machte ich mich auf zu Nathaniel. Seine Mum begrüßte mich schon im Hof, lächelte wie immer überfreundlich und bot mir ein Stück Kuchen an, das ich dankend ablehnte. Wie immer. Es war alles wie immer. Aber immer war eben etwas subjektives, wie mir heute scheint.
 

Nate wäre im Garten, meinte sie zu mir und ich tappte gut gelaunt neben dem Haus her, in besagten Garten, von dem mir vor diesem Tag nie aufgefallen war, dass der alte Basketballkorb noch immer stand. Niemand hatte ihn nach dem Unfall entfernt. Und wie ich mit....nun was war es? Entsetzen? Erstaunen? Vielleicht eher......sah, erfüllte er noch immer seine Funktion. Nate hatte nie aufgehört zu spielen, so wie ich es vermutet hatte. Er spielte weiter. Im Rollstuhl. Warf einen Korb nach dem anderen. Trippelte den Ball gekonnte und war dabei in dem rädernen Vehikel so verdammt flink, dass mir die Spuke weg blieb. Ich stand da und gaffte ihn an wie einen Geist. Schwieg und machte mich vermutlich so sehr lächerlich, dass ich ohne Zweifel im Boden versinken hätte sollen.
 

Ich hab keine Ahnung wie lange ich da so stand, aber irgendwann drehte er sich zu mir um. Er schien nicht überrascht zu sein mich zu sehen. Vielleicht....nein wahrscheinlich hatte er mich längst bemerkt. Und meinen verdutzten Gesichtsausdruck natürlich auch.

„Warum siehst du mich so an? Dachtest du ich könnte nicht mehr spielen weil ich im Rollstuhl sitze?“

Was hätte ich sagen sollen? Ja? So dachte ich? Selbst mir war klar, dass das nicht die passende Antwort war. Ich stotterte irgendeinen Müll hin, den ich selbst nicht verstand. War immer noch nicht ganz bei mir.
 

Nate sah traurig aus, drehte sich von mir weg. Und ich stand immer noch da. Wie angewurzelt.

„Manchmal glaube ich du denkst nur an dich selbst, Josh.“

Wie ein Schlag ins Gesicht. Dieser Satz rüttelte mich unsanft wach.

„Das ist nicht wahr.“, versuchte ich verzweifelt mich zu verteidigen. Sah ihn ungläubig an. Mir war nicht klar wie er sowas denken konnte. Er hätte doch wissen müssen, dass ich es niemals böse meinte.

„Doch ist es. Du siehst nur was du sehen willst. Du verstehst mich überhaupt nicht mehr seid dem Unfall.“, flüsterte er schon fast.
 

In dem Moment stiegen mir die Tränen in die Augen. Es war als platzte es jetzt aus ihm heraus. Jetzt wo ich es gesehen hatte. Wo ich ihn spielen gesehen hatte.

„Aber....das stimmt nicht....“, nuschelte ich. Ich wollte mich wohl eher selbst davon überzeugen als ihn. Doch er hob den Kopf, sah in den Himmel und schwieg eine Weile. Vielleicht dachte er nach. Vielleicht sah er den vorbei ziehenden Wolken hinterher. Ich starrte auf seinen Rücken. Sprachlos und starr. Mein Herz raste. So schnell dass es weh tat.
 

„Ich spiele in einer Mannschaft. Am nächsten Samstag haben wir ein Spiel.“ und er schwieg weiter. Ich wusste genau was er mir damit sagen wollte. Er wollte dass ich ihm beweise, dass er mir was bedeutet. Er wollte dass ich zu dem Spiel komme. Ich lauschte noch eine Weile seinem Schweigen, schlich dann wie hypnotisiert davon. Und ich kam erst zwei Stunden später zu Hause an. Was ich in der Zwischenzeit getan habe weiß ich nicht mehr. Im Gedanken spielte ich immer und immer wieder die selbe Szene ab. Ein Spiel. Am Samstag. Das war der Tag an dem meine Mannschaft spielen wollte. Das Spiel auf dass ich schon seid Wochen hin trainierte. Zwei Spiele. Ein Tag. Eine Entscheidung.
 

Und ich dachte endlich nach. Ich dachte viel mehr in dieser Nacht als ich das wohl die letzten Wochen zusammen getan hatte. Machte kein Auge zu. Als am Morgen die Sonne aufging lag ich immer noch stumm da. Starrte an die Decke. Ich sehe nur was ich sehen will? Das ging mir durch den Kopf. Ich verstehe ihn nicht? Wann war das passiert? Seufzend rollte ich mich aus der Sonne. Sah auf den Wecker. Sechs Uhr. Es war mir egal. Die Schule war mir egal. Ich konnte ihn nicht sehn. Eigentlich konnte ich niemanden sehn. Alles war mir zu viel. Es war als wäre etwas zusammengebrochen auf das ich mich all die Jahre so vertrauensvoll gestützt hatte.
 

Und ich lag einfach nur da und tat nichts. Ich konnte es selbst nicht fassen. Warum tat ich nichts? Warum hab ich nicht mit ihm darüber geredet? Warum hatten diese wenigen Minuten alles verändert? Es kam mir vor wie ein schlechter Teenie-Film. Oder irgend so ein Kitschroman.

Die Stunden flogen vorbei wie die Wolken am Himmel denen Nate so sehnsüchtig nach sah. Ich beachtete sie nicht. Wir waren eben verschieden. Schon immer gewesen. Und doch waren wir uns sehr ähnlich. Wir liebten Basketball. Wir kümmerten uns nicht darum was andere über uns dachten. Immer gegen den Strom. So viele Jahre lang. Immer zusammen.
 

Ich sah Bilder, Szenen.....ganze Tage....den Sternenhimmel, den Dachboden. Ihn. Ich sah ihn vor mir. Immer und immer wieder. Sein Lächeln. Und dann dieses traurige Gesicht von Gestern. Ich wollte ihn nicht verlieren. Ich konnte es nicht. Aber auf der anderen Seite.....in mir tobte ein Kampf, den ich alleine vermutlich nicht bis Samstag schlagen konnte.

Gegen Mittag setzte ich mich schließlich auf. Starrte aus dem Fenster. Es war ein schöner Tag. Schwül und sonnig. Ideal um ihn draußen zu verbringen. Aber ich wollte eigentlich nur schlafen. Ich war so träge wie noch nie in meinem Leben.
 

Normalerweise strotzte ich nur so vor Energie. Ich war immer auf den Beinen. Selbst mit Fieber. Und immer mit Ball unterwegs. Der lag nun in der Ecke meines Zimmers und starrte mich bedrohlich an. Ich wollte ihn nicht sehen. Gab ich ihm die Schuld?

Es klopfte. Ich sah auf die Uhr. Schon drei. Die Zeit lief gegen mich. Aber im Grunde war es mir egal. Wie das Klopfen. Ich antwortete nicht. Sah weiter aus dem Fenster. Draußen lief eine Katze vorbei. Sie war rot. Ich sah ihr kurz nach. Die Türe knarzte. Jemand stand vor mir. Am Bett. Ich schwieg. Sah ihn nicht an.
 

„Wo warst du heute?“, wollte ein Junge wissen. Ein Junge aus dem Team. Ich hatte das Training verpasst. Es war mir egal.

„Hier.“, gab ich knapp zurück. Er nahm auf der Bettkante platz.

„Was ist los?“ Seine Stimme klang besorgt. Warum sorgte er sich um mich? Es ging mir gut. Ich lag unter den Trümmern meiner Säulen und grinste in die strahlende Sonne. Die Welt drehte sich doch noch. Oder?

Ich sagte nichts. Keine Antwort. Was hätte ich auch sagen sollen? Er hätte ja doch nicht locker gelassen. Ich weiß nicht mehr was ich mir gedacht hatte. Dass er verschwand wenn ich ihn anschwieg?
 

„Josh?“ Vermutlich dachte er ich nahm ihn gar nicht wahr. Wirklich drang er nur schwach durch das Gedankendickicht in meinem Kopf.

„Es geht mir gut.“

Ich drehte mich zu ihm und versuchte ein Lächeln. Ich wollte nur alleine sein. Aber ich konnte ihn nicht überzeugen. Ich hätte mich ja selbst nicht überzeugt.

„So siehst du nicht aus.“, meinte er und beäugte mich skeptisch.

Danke. Da wäre ich auch von alleine drauf gekommen.
 

„Was ist los, Josh?“ Da war er. Dieser Blick. Der Mir-Kannst-Du-Es-Doch-Sagen-Blick. Wir waren schon lange Freunde gewesen. Aber was mich wirklich bewegte hatte ich immer nur Nate anvertraut. Ich seufzte.

„Du würdest es sicher nicht verstehn.“

„Versuchs mir zu erklären.“

Er nahm neben mir platz. Lehnte sich an das Kopfende des Bettes und starrte eine Weile an die Wand. Ein unerträgliches Schweigen. Vielleicht sollte ich es ihm erzählen. Ja ich hatte mit mir gerungen. Aber es war fast unmöglich es länger zu verschweigen. Ich konnte es nicht mehr für mich behalten. Ich brauchte Hilfe.
 

„Es geht um Nate.“

Er sah mich nicht an.

„Ich habe nie verstanden was euch verbindet. Ich meine....ihr seid so unterschiedlich.....“

„Vermutlich. Aber auch nicht.....ich weiß auch nicht.“

Wieder schweigen. Das Reden war auch schon mal einfacher.

„Er spielt in einem Basketballteam.“

„Aber er kann nicht laufen...“, meinte er skeptisch und sah mich fragend an.

„Es ist wohl ein Rollstuhlteam..oder....was weiß ich.“
 

Ich sah nach Draußen. Wo eben noch die Katze war, war nun alles ruhig. Kein Leben. Noch ruhiger als hier drin. Das war irgendwie unheimlich. Aber nicht so unheimlich wie dieses Gespräch.

„Sie haben ein Spiel am Samstag.“

„Du weißt dass am Samstag das große Spiel ist?“

Ich seufzte und rieb mir die Schläfen. Von dem ganzen Denken tat mir schon gewaltig der Schädel weh.

„Du wirst doch nicht dein Team im Stich lassen, oder?“ Er sah mich entsetzt an.
 

Was hätte ich ihm sagen sollen....

„Ich..ähm....“

„Was bist du? Sein Schoßhündchen?“, er war richtig wütend. Ganz plötzlich bluffte er mich an. Ich war so durcheinander, dass ich ihn nur entsetzt anstarrte.

„Weißt du was ich glaube?“, wollte er dann wissen und stand auf.

„Ich glaube er ist ne Schwuchtel.“

Ich starrte ihn an als würden ihm plötzlich Fühler wachsen. Was redete er da? Ich war völlig neben der Spur. Schüttelte nur abwesend den Kopf.
 

„Du spielst doch am Samstag, oder? Du bist nicht wie er...stimmts?“

Er sah mich erwartungsvoll an. Und ich konnte nichts anderes tun als zu nicken.

„Ja, ich....spiele....“

Und er verabschiedete sich und verschwand. Nate....eine Schwuchtel...hatte er gesagt. Ich verstehe ihn nicht mehr, hatte Nate gemeint. Was ging hier nur vor? Nate war doch nicht schwul. Und ich erst recht nicht. Ich liebte ihn nicht. Und er liebte mich nicht. Wir waren Freunde. Einfach nur Freunde. Wie konnte Jemand was anderes behaupten? Wie kam der darauf?
 

Ich war wütend. Und verwirrt. Aber hauptsächlich wütend. Ich sprang vom Bett auf und lief einige Male durchs Zimmer. Raufte mir die Haare. Das kann nicht sein. Das ist nicht möglich. So ein Schwachsinn. Meine Gedanken drehten sich im Kreis.

„Nein, nein, nein....“, murmelte ich vor mich hin. „Nein!“, schrie ich und schlug mit beiden Fäusten auf die Schranktüre ein. „Er lügt....das ist nicht war.....“ Ich prügelte immer weiter auf den Schrank ein. Bis meine Fäuste wund wurden. Und mir die Tränen über beide Wangen kullerten. Ich brach völlig zusammen.

Kapitel zwei: eins

Verehrte zugegebenermaßen noch kleine Leserschar, es geht weiter. XD
 


 

Am nächsten Tag schleppte ich mich wie in Trance in die Schule. Wir hatten wieder Training. Ich konnte es mir nicht leisten noch mal zu fehlen. Nate beachtete ich nicht. Auch wenn es mir schwer fiel. Ich konnte ihn nicht ansehn. Nicht mit ihm reden. Aber wenn er weg sah, konnte ich aus den Augenwinkeln betrachten dass er traurig war. Ich konnte es sehen und fühlen. Und wollte nur noch weg. Ich dachte ich könnte das nicht aushalten. Nicht mehr lange ertragen. Und dann war Training. Ich warf keinen einzigen Korb. Bekam kaum etwas mit vom Spiel. Ich dachte nur an ihn. Und es dauerte nicht lange da war die Wut verraucht. Ich vermisste ihn nur noch. Wollte ihn bei mir haben.
 

Den ganzen Nachmittag lief ich herum wie ein seelenloser Zombie. So konnte es doch nicht weiter gehen. Ich musste etwas tun. Die anderen im Team redeten schon über mich. Ich konnte sie leise tuscheln hören. Sie redeten über mich. Redeten über ihn. Und sagten Dinge die mir den Magen umdrehten. Ich konnte das nicht mehr länger ertragen. Ich drehte mich zu ihnen um und warf den Ball weg mit dem ich mich gerade beschäftigt hatte. Dann begann ich es endlich raus zu lassen. Ich schrie sie an. Sie sollten das lassen. Er wäre nicht schwul. Und ich auch nicht. Niemals. Wir wären nur Freunde. Und ich würde am Samstag spielen. Es quoll nur so aus mir heraus. Ich musste schon nach Luft schnappen um überhaupt weiter reden zu können.
 

Als ich fertig war sahen sie mich an wie einen Geist. Weit aufgerissene Münder. Sie waren wahrscheinlich das erste mal in ihrem Leben sprachlos. Aber ich konnte diesen Moment nicht genießen. Irgendwie tat es mir in der Seele weh das alles zu sagen. Mir war nur noch nicht klar warum. Es war doch die Wahrheit, oder?

Völlig neben mir drehte ich ihnen den Rücken zu, ließ sie einfach stehn, der Blick abschweifend. Und da sah ich ihn. Er sah mich direkt an. Alles um mich schien wie in Zeitlupe ab zu laufen. Ich sah ihn, mein Herz sprang wie wild. Hinter mir die gaffenden Affen.
 

Ihr Schweigen lachte mich aus. Ich fühlte mich wie der größte Idiot auf Erden. Stand dabei mitten auf der Bühne. Im Scheinwerferlicht. Und er sah mich immer noch einfach nur. Er sagte nichts. Keine Regung im Gesicht. Aber trotz allem konnte ich seine Enttäuschung förmlich spüren. Er musste gar nichts sagen. Kein Wort. Ich wusste genau, was ich bis jetzt immer verdrängt hatte. Ich hatte gerade, vor nur wenigen Sekunden dem gesamten Team erklärt, dass etwas nicht war, was doch zu sein schien. Das Gefühl war unbeschreiblich. Ein taubes, dumpfes Stechen mitten ins Herz.

Und dann rollte er davon.
 

Die anderen hatten ihn nicht gesehn. Sie begannen leise wieder zu reden. Ich verstand nicht was. Aber sie ließen mich gehen. Ich rannte los. Wenn ich mich beeilte würde ich ihn vielleicht noch einholen. Ich wusste zwar nicht was ich sagen wollte. Oder tun. Aber ich musste ihm einfach nach laufen. Ich wollte......was wollte ich? Ich denke ich wollte ihn nicht verlieren.

Ich rannte den leeren Gang entlang. Kurz vor dem Ausgang entdeckte ich ihn schließlich.

„Nate!“

Er blieb stehen. Den Rücken zu mir. Den Kopf in den Nacken geworfen. Ich stand ebenfalls. Wenige Meter hinter ihm. Traute mich nicht näher heran.
 

Er schwieg. Aber ich hörte seinen Atem schnell rasseln.

„Es...tut mir Leid, wenn....“

„Wenn was, Josh?“

Ich rang nach Worten. Aber ich konnte nicht denken. Mein Blut pochte zu laut. Ich war so nervös, dass ich zitterte.

„Ist es war was sie sagten?“, fragte ich nachdem ich meinen Atem einigermaßen reguliert hatte. Meine Stimme musste heißer geklungen haben. Ich glaube ich hatte einfach Angst. Angt er könnte mir sagen, dass sie recht hatten.
 

„Ich liebe dich, Josh.“ flüsterte Nate schon fast. Mein Herz blieb stehen. Ich fühlte wie meine Augen feucht wurden. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Stand da wie versteinert.

„Ich dachte du merkst es vielleicht....irgendwann. Aber du hast es nicht gesehn. Und ich halte es so nicht länger aus.“

Ich verstand kaum was er sagte. Was hier passierte schien an mir vorbei zu ziehen wie eine Horrorvision. Und sie war noch nicht zu ende.

„Ich bin nur ein Freund für dich. Das hast du eben selbst gesagt. Du bist nicht schwul. Ich verstehe das.“

„Nate.....“

„Nein. Sag nichts. Ich versteh schon......aber.....wenn ich mich irren sollte....dann sehen wir uns Samstag.“, meinte er und rollte davon. Ließ mich einfach stehen. Ich sah ihm nach. Seine Worte drangen langsam zu mir vor. Ich riss mich los, schlenderte zu meinem Spind und holte meinen Kram. Dann lief ich los. Nach Hause. Hielt nicht an bis ich da war. Und stellte mich unter die kalte Dusche. Ich wollte die Wirklichkeit zurück holen. Ich denke ich wollte mich aufwecken. Minutenlang stand ich unter dem eiskalten Wasser und spürte nichts. Als die Kälte meinen ganzen Körper durchzogen hatte stütze ich mich an der Duschwand ab und weinte. Sank zu Boden und ließ das Wasser laufen.
 

****
 

Samstag kam schneller als ich dachte. Meine Eltern waren ganz nervös, wegen dem Spiel. Mein Team schon in Angriffsstimmung. Ich hatte kaum geschlafen. Aber ich war bereit. Die letzten Tage waren vergessen. Zumindest dachte ich das. Ich dachte ich hätte alles verdrängt um spielen zu können. Genau wie ich dachte, dass ich nicht mit Nathaniel zusammen sein konnte.

Ich gab mir alle Mühe nicht an ihn zu denken. Ich konnte all die Menschen um mich nicht enttäuschen. Konnte meinen Traum und mein geordnetes Leben nicht aufgeben für etwas das sowieso bald wieder vorbei sein könnte. Das war vermutlich nur pubertäres Gerede. Es würde sich alles wieder einrenken nach dem Spiel.
 

Wir wärmten uns auf. Mein Herz schlug bis zum Hals und das Publikum jubelte jetzt schon. Das Team war gut drauf. Das Wetter strahlte uns an. Es war der Ideale Tag. Darum spielten wir draußen. Meine Mum stand noch an der Bande und sah zu mir rüber. Ich lief zu ihr. Sie wollte mir wahrscheinlich Glück wünschen. Wie vor jedem Spiel.

Ich setzte mein strahlendstes Lächeln auf. Sie sah mich liebevoll an und strich mir durchs Haar.

„Mum.“, grummelte ich und sah mich nach dem Team um. Ich mochte es nicht, wenn sie uns so sahen.

„Ich wünsch dir viel Glück. Zeig was du drauf hast.“
 

„Klar. Ich geb mein Bestes.“

Sie kicherte leise. Diese Gespräche war sie schon gewohnt.

„Sag mal wo ist denn Nate? Ich hab ihn gar nicht gesehn.“ Und jetzt wurde ihr Gesichtsausdruck ernster. Mein Verhalten in den letzten Tagen war ihr wohl doch aufgefallen und sie schien sich Sorgen zu machen. Ich zuckte nur mit den Schultern.

„Mum ich muss zum Team.“

Sie sah mich skeptisch an, ließ mich aber gehen.

„Ist gut. Hab Spaß. Und sei mit Liebe dabei. Das ist das Wichtigste.“, meinte sie noch grinsend und verschwand.
 

Ich stand auf dem Feld. Sah mich um. So viele Leute. Lachten und schrien. Die Sonne blendete. Das Team war voller Energie. Ich fühlte mich wie erschlagen. Sei mit Liebe dabei, hatte sie gesagt. Liebe.....ich war immer mit Liebe beim Spielen. Ich könnte es unmöglich aufgeben. Ob Nate genauso fühlte? Natürlich. Das war immer unser Spiel gewesen. Wie konnte ich glauben er würde es einfach so aufgeben? Er hatte recht. Mit allem was er gesagt hatte. Ich sah nur was ich sehen wollte. Und das wurde mir in diesem Moment klar. Während ich hier stand. Alle starrten auf mich. Mich und die anderen. Erwarteten so viel von uns. Ich konnte die Spannung spüren, als das Spiel begann. Meine Füße waren wie aus Blei. Wollten sich nur schwerfällig bewegen.
 

Der Ball. Ich musste dem Ball hinterher. Wie betäubt trabte ich durch das Spiel. Achtete kaum auf die wilden, hetzenden Menschen um mich. Schwitzende, schreiende Monster, die alles ums sich herum umrannten. Völlig respektlos. Wie Tiere. Mit Liebe dabei.....ich war doch immer mit Liebe dabei gewesen.

Das Spiel zog vorüber. Halbzeit. Pause. Ich stand auf dem Platz und sah aufs Publikum. Die jubelten alle. Warum jubelten sie? Wie stand es überhaupt? Ich wusste es nicht. Jemand rief mich. Wer? Der Trainer. Ich schlenderte zu den anderen. Er schrie irgendwas. Ich hörte ihn kaum.

„Was ist denn los mit dir? Josh!“
 

„Mit Liebe dabei.....Liebe....“, sagte ich wie auswendig vor mich hin. Er sah mich seltsam an. Schien überhaupt nichts zu verstehen. Aber ich begriff langsam. Nate war immer mit Liebe dabei. Er war immer mit Liebe dabei gewesen, wenn ich gespielt hatte. Hatte mir Kraft gegeben. Ohne ihn konnte ich nicht spielen. Aber ich hatte ihn immer alleine gelassen. Es war Zeit für eine Entscheidung. Was war wichtiger? Ein Ball? Oder der wichtigste Mensch in meinem Leben, der immer für mich da gewesen war? Der mich liebte, obwohl ich so ein verdammter Idiot war? Mein Blut pochte laut, schoss durch meine Adern. Rasend. Ich sah sein Gesicht. Und den Vorhang der vor meinem Inneren Augen fiel. Ich konnte endlich wieder klar sehen.
 

Ich sah mein Team, die Menschen....all die verdammten Menschen, wie sie lachten und jubelten. Und ich ging los. Es dauerte eine Weile bis meine Füße wieder taten was ich von ihnen verlangte. Aber ich ging los. Weg vom Feld. Jemand packte mich am Arm.

„Wo willst du hin? Wir sind mitten im Spiel.“

Ich drehte mich um, funkelte ihn wütend an. „Lass mich los!“, schrie ich, riss mich los und ging weiter.

„Du willst zu ihm, oder? Warum? Bist du genau so eine verdammte Schwuchtel wie er?“

Ich blieb stehn. Warf den Blick zum Himmel und sah die Wolken vorbei ziehen. Dann rannte ich los. Ich könnte es noch schaffen. Ich könnte noch die Hälfte des Spiels sehen wenn ich mich beeilte.
 

Ich rannte so schnell, dass ich kaum Luft kriegte. Atemlos kam ich am Platz an. Es waren weniger Menschen da, als bei unserem Spiel. Aber es waren Zuschauer da. Und das Spiel war in vollem Gange. Ich sah ihn sofort. Und er war verdammt gut. Einige Minuten stand ich neben den Zuschauertribünen und sah ihm einfach nur zu. Er sah so glücklich aus, wenn er spielte. Die Rollstühle beachtete ich gar nicht.

„Josh?“

Ich sah mich um. Seine Mum. Sie stand direkt neben mir und sah mich fragend an.

„Hast du nicht ein Spiel? Nate meinte....“

„Das ist nicht so wichtig. Ich möchte ihn gerne spielen sehen.“
 

Sie lächelte mich an.

„Setz dich doch zu mir. Nates Dad ist leider verhindert. Ich bin alleine hier.“

Ich nickte. Folgte ihr. Und sah ihm zu. Seine Mannschaft lag vorne. Sie waren verdammt gut. Bei dem Anblick ging mir das Herz auf. Ich war genau da, wo ich sein sollte. Und dann sah er mich an. Es war als blieb die Zeit stehen. Er sah mich und lächelte. Ich lächelte zurück. Und neben mir winkte seine Mum wie verrückt und schrie irgendetwas um ihn an zu feuern, dass wir vermutlich beide nicht verstanden. Aber das war nicht wichtig. Wichtig war, dass ich das Richtige getan hatte.

Und seine Mannschaft gewann.
 

Ich wartete am Spielrand bis alle verschwunden waren.

„Ich hole schnell Nates Sachen. Willst du mit uns essen?“, wollte seine Mum wissen und ich nickte nur und wartete weiter. Nate grinste mich etwas schüchtern an, rollte langsam auf mich zu.

Ich sah ihn an, wusste nicht was ich sagen sollte.

„Du bist hier.“, meinte Nate und sah mich an als hätte er nicht damit gerechnet. Er hatte wirklich nicht geglaubt, dass ich komme.

Ich seufzte. Sah zu Boden und wieder zu ihm.

„Das war total abgefahrn.“

Nate grinste. Ich grinste zurück. Und plötzlich lachten wir beide los. Es war als fiele alle Anspannung der letzten Tage von mir ab. Ich war glücklich.
 

„Also du Champ.....nimmst du mich ne Runde mit? Um den Platz?“, fragte ich ihn grinsend und er drehte sich geschickt.

„Spring auf Cowboy.“ Ich lachte, folgte seiner Anweisung und stand hinter ihm auf dem Rollstuhl. Wir drehten ein paar Runden. Lachten und gröhlten. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen wie seine Mum bei den Tribünen stand und uns anlächelte.

Völlig außer Atem lehnte ich nach einer Weile meine Stirn in seinen Nacken. Er roch gut. Nate blieb stehen. Ich konnte spüren wie sich seine Nackenhärchen aufstellten. Lauschte seinem Atem.

„Josh? Ich liebe dich wirklich.“, flüsterte er.

„Ich bin mir nicht sicher, aber....ich glaube ich liebe dich auch....“

„Das reicht mir vorerst völlig.“, meinte er und ich konnte sein Grinsen förmlich spüren.

mein Stern

So...hiermit beende ich das kleine Werk. Bitte, bitte gebt mir ein feedback. ^^ *schon bettel*
 


 


 

Wir lagen auf dem Dachboden. Draußen war es schon dunkel. Die Sterne leuchteten wie Millionen kleiner Kerzen, die nur für uns angezündet wurden. Wir sahen zu ihnen hinauf. Kopf an Kopf. Auf dem alten Pakett. Wie wir es immer getan hatten.

Ich lauschte Nates Atem, der gleichmäßig ging. Ansonsten war es still. Nicht mal Autos fuhren. Aber wir wohnten beide in einer sehr ruhigen Gegend. Um diese Uhrzeit waren hier kaum mehr Menschen unterwegs. Das kümmerte uns auch gar nicht.
 

Ich lag da und lächelte. Das war ein schönes Ende für diesen Tag. So sollte es sein.

„Ihr wart verdammt gut.“, meinte ich und das war nicht gelogen. Das war wirklich meine Meinung gewesen. Nate grinste nur kurz. Sah weiter in den Himmel und sagte nichts. Ich mochte das Gefühl bei ihm zu sein. Hier zu liegen und seinem Atem zu lauschen war alles was ich in dem Moment wollte.

Die kleine Lampe flackerte. Vermutlich hatte sie einen Wackelkontakt. Irgendwann würde sie durchbrennen und uns im Dunkeln lassen. Noch war sie aber Licht genug.
 

Wir hatten beinahe Vollmond. Es fehlte wohl noch ein kleines Stück. Aber er schien hell hinter wenigen Schleierwolken hervor. Der Herr des Himmels. Wie der Hirte der über seine Schafe wachte. Bei dem Gedanken musste ich grinsen. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie der Mond mit Vollbart und Hirtenstab hinter seinen Sternen her ging und sie zusammen trieb, damit auch keiner verloren ging. Beinahe hätte ich gelacht. Und dann spürte ich Nates Hand die nach meiner griff. Warme Finger sie sich mit meinen verhakten. Mein Herz hüpfte. Ich konnte es deutlich schlagen hören. Ob sein Herz auch so schnell schlug?
 

Ich hielt die Augen geschlossen, traute mich nicht sie zu öffnen. Stattdessen genoss ich das Kribbeln der tanzenden Glückshormone, die durch meinen Körper schossen. Ich stellte mir vor sie wären wie Feuerwerkskörper, die plötzlich los gingen und durch meine Adern sausten. Und ich mochte dieses Gefühl. Es war wie vor einem wichtigen Spiel. Wenn die Menge tobte und alles auf mich sah. Nein. Das war noch viel besser als dieser Kick vor einem Spiel. Ich öffnete also wieder die Augen und sah in den Himmel. Die Wolken waren vorüber gezogen. Der Mond lag völlig frei.

„Er ist wunderschön, nicht wahr?“, hörte ich es neben mir flüstern.
 

„Ja, das ist er.“, gab ich zurück und grinste. Der alte Herr.

Von draußen drang warme Sommerluft durch das weit geöffnete Dachfenster zu uns herein. Es roch nach Regen. Bald würde der Himmel zu ziehen. Auch wenn die Luft noch warm war und schwer. Ich schloss meine Augen wieder und atmete tief ein. Die warme, schwere Luft durchfloss meinen Körper wie Wasser und ich fühlte mich plötzlich selbst sommerlich schwer. Ich hätte jetzt einschlafen können. Mit Nate neben mir hätte ich sicher wunderbar geschlafen. So gut wie lange nicht mehr. Und als ich noch darüber nachdachte, spürte ich seinen warmen Atem an meiner Wange.
 

„Bist du müde, Josh?“

Ich drehte den Kopf zu ihm, sah in seine funkelnden Augen.

„Unendlich müde.“

Er lächelte so schön. Ich starrte ihn einfach nur an.

„Du kannst ruhig schlafen wenn du willst.“, flüsterte er.

Ich sah ihn immer noch an. War völlig unfähig zu antworten. Er rutschte näher und küsste mich.

Setzte ganz unschuldig seine Lippen auf meine. Ich schloss erneut die Augen. Spürte ihn nur noch.
 

Die Zeit schien stehen zu bleiben. Je schneller mein Herz schlug umso langsamer schien sich die Erde zu drehen. Sein Atem strich sanft über meine Lippen. Jetzt leuchteten seine Augen noch viel heller. Diesen Moment würde ich niemals vergessen. Ich hatte zwar schon mal geküsst. Aber das war anders. Es war etwas besonderes. Genau wie Nate. Es war so unschuldig, so sanft. Fast schon zaghaft. Und trotzdem unglaublich.

Er sah zu den Sternen und schwieg. Wunderschönes Schweigen. Ich folgte seinem Blick.

„Welcher ist unserer?“, fragte ich endlich. Er lächelte.
 

Dann sah er mich wieder an. Hell, strahlende Sterne sahen mich an. Funkelten schwer und rein. Nur für mich.

„Was sind schon Sterne?“, fragten sie mich. „Ich weiß, was viel heller strahlt, als diese so weit entfernten Leuchtpunkte am schwarzen Nachthimmel.“

Und ich begann endlich zu verstehen. Ich sah ihn an und wusste genau was er meinte.
 


 


 

Wie war das noch mit der Wahrheit?

Am meisten fühlt man sich von der Wahrheit getroffen, die man sich selbst verheimlichen wollte.

Wer hat das gesagt? Ich weiß es nicht. Bis heute nicht. Aber wo auch immer dieser Satz her kam. Vergessen werde ich ihn nicht mehr. Und noch etwas werde ich nie vergessen. Ich werde nie vergessen ehrlich zu mir selbst zu sein. In mich zu sehen. Und zu verstehen. Zumindest werde ich es versuchen.

Aber so ist das eben. Das leben geht oft ungewöhnliche Wege und ist schwer zu durchschauen. Es ist schwer zu erkennen was wahr ist und was nicht. Was man fühlt. Was man will. Aber mal ehrlich. Wenn es leicht wäre......wo wäre dann die Spannung, die Faszination? Wäre es nicht schrecklich langweilig?



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Kommentare zu dieser Fanfic (22)
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Von:  GetItMemorized
2010-06-04T10:54:09+00:00 04.06.2010 12:54
Hey.. ich muss sagen deine FF ist extrem geil geworden und du hast die Beziehungen der ganzen Leuten in der FF gut beschreiben nud das Ende gefiel mir tierisch. man konnte richtig mitfiebern was mit dem anderen passiert ist und was er für Gewissensbisse hatte und so^^.
Leider musste ich es disqualifzieren weil es nicht die Regeln eingehalten hatte mit den Wörtern pro Kapitel. Trotzdem ist sie echt gut geworden^^..
mfg _SOraLovesRiku_
Von:  Tali
2010-03-07T15:59:06+00:00 07.03.2010 16:59
Beeindruckend! So ruhig und klar erzählt. Ich war sehr vertieft. Obwohl es eine kurze Geschichte ist, hast du es geschafft das Wesentlich hervorzuheben. Gut fande ich auch, dass es keine 5815 Geschichte war. Man hat den Schiksalschlag von Nate gespührt und du hast die Gefühle so wunderschön beschrieben.
Von:  Ciriney
2009-09-20T19:45:22+00:00 20.09.2009 21:45
Wunderschöne Geschichte...
Ich finde es fantastisch, wie sensibel und einfühlsam du die Charaktere beschreibst und auf sie eingehst. Dein Stil ist gut und es ist sehr angenehm, mal eine solche Geschichte inmitten von grammatikfreien und oberflächlichen Fanfics voller Rechtschreibfehlern zu lesen...
Danke dafür^^

Ciriney
Von:  Baph
2009-06-29T20:21:53+00:00 29.06.2009 22:21
So, jetzt mal ein etwas ausführlicheres Kommi.

Also, mir hat deine Geschichte (weil Fanfiction kann man sie ja nicht nennen) wirklich wahnsinnig gut gefallen. Dein Stil ist wirklich großartig, und du schaffst es, dass man sich mit beiden Protagonisten richtig gut identifizieren kann. Um es kurz zu machen: Deine Story haut rundum hin, und nicht einmal ein notorischer Kritteler wie ich findet was, um daran rumzumeckern!

Liebe Grüße, Baph
Von:  Baph
2009-06-29T20:06:28+00:00 29.06.2009 22:06
Wie süß! Hach, das ist wahre Liebe! ^^
Von:  Baph
2009-06-29T19:55:18+00:00 29.06.2009 21:55
O.O

Ach du lieber Himmel! Da steht er aber vor einer schweren Entscheidung, der Arme... Und dann auch noch diese fiesen Gerüchte...
Von:  Baph
2009-06-29T19:36:48+00:00 29.06.2009 21:36
Oh, das macht ja echt neugierig... Klingt sehr romantisch ^^
Von:  Seica
2009-06-13T16:53:03+00:00 13.06.2009 18:53
Wunderschön. Die Geschichte hat mir richtig gut gefallen und das nicht nur weil mir der Name Nathaniel so vertraut ist.
Der ganze Aufbau ist schön und glaubwürdig, traurig und fröhlich. Ich mag diese Geschichte. Die Charaktere sind so sympathisch und das drumherum ist nicht mehr erklärt als es nötig ist. Außerdem lässt sich die Story so leicht und flüssig lesen...

hmm hoffe das ist Konstruktiv XD ich bin mir mit Kommentaren nie so sicher... =) vielleicht les ich ja mal wieder was von dir
Von: abgemeldet
2009-03-31T13:40:28+00:00 31.03.2009 15:40
Deine Geschichte ist dir wirklich gut gelungen. Besonders die innere Zerrissenheit seitens Josh kam für mich besonders gut zum Vorschein und auch die Erkenntnis nach Nates Spiel.
Am besten gefiel mir jedoch das Ende, welches wieder Bezug zum Anfang fand. Wirklich gute Idee.
Mach weiter so!
LG Stjaerna
Von:  Yanosuke
2008-09-04T15:25:46+00:00 04.09.2008 17:25
wow ein wunderschönes Ende.
Die FF war echt super schön. Danke das du sie ein geschickt hast damit ich sie lesen konnte. Ich bin hin und weg.
Ich finde es so klasse das wie du aus Joshs Sicht geschrieben hast das hast du gut gemacht.

lg suke


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