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Sweeney Todd One-Shots

von

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Vergangen

Nie hätte er geglaubt, jemals wieder dieses London zu sehen! Es hatte beinahe den Anschein, als läge etwas Fröhliches in der Luft und alles schien so hell und freundlich. Tief in seinem Innern spürte Sweeney die Verwirrung, wusste er doch, was sich hinter diesem trügerischen Schein verbarg. Und dennoch: Dieses London, wie er es einst gekannt hatte, konnte nur eins bedeuten! Längst vergessen geglaubte Gefühle stiegen in ihm auf, während er, wie von Geisterhand geführt, durch die Straßen der Großstadt ging. Er wusste nicht, welches sein Ziel war und wo es sich befinden würde, doch veranlasste die in ihm erweckte Freude bloß, dass er seine Schritte beschleunigte.

Je näher er seinem Ziel kam desto unruhiger wurde er. Eine freudige Aufregung nahm von ihm Besitz und eine Art Glücksgefühl durchströmte ihn, als er den Ort sah, an den ihn sein Weg geführt hatte. Es war der Hyde Park.

Langsam näherte sich der Barbier dem satten Grün, das im Licht der goldenen Sommersonne zu strahlen schien. Alles war so wunderschön, bezauberte ihn, wie es es einst getan hatte, vor langer Zeit…
 

Während er einen der Wege, die durch den Hyde Park führten, entlangging, stürmten Erinnerungen von einer glücklichen Zeit auf ihn ein, in der er zusammen mit Lucy denselben Weg entlanggegangen war. Wie sie es beide damals genossen hatten!

Nun wusste der Barbier, welches sein unbekanntes Ziel war. Von diesem Wissen angetrieben, konnte er es gar nicht mehr erwarten dieses zu erreichen. Denn tief in sich drin verspürte er die Gewissheit, was ihn an diesem Ort erwarten würde.

Und dann, endlich, nach einer halben Ewigkeit, wie es dem Barbier vorkam, erreichte er einen großen alten Baum, dessen dichtes Blätterdach einen weiten Teil der grünen Wiese mit Schatten bedeckte und so Schutz vor der prallen Mittagssonne bot.

Der Barbier musste nicht lange suchen. Nah am Stamm war eine weiße Picknickdecke ausgebreitet, auf der eine Frau mit wunderschönem, weizenblondem Haar saß, die ihm den Rücken gekehrt hatte. Er brauchte den ihm nur allzu vertrauten Kinderwagen neben der Decke nicht mehr sehen, um zu wissen, wer da vor ihm saß und bei dessen Anblick sein Herz höher schlug.

Er hatte sie gefunden! Er war zurückgekehrt, nach all den Jahren vergeblichen Hoffens und Träumens war er zu Frau und Kind zurückgekehrt!
 

Trotzdem zwang er sich zur Ruhe, um die letzten Meter, die ihn noch von seiner geliebten Lucy trennten, nicht einfach loszurennen. Stattdessen ging er bemüht ruhig auf seine Frau zu, um sie nicht zu erschrecken, den Blick unverwandt auf sie gerichtet, als handle sich alles um einen Traum, der sich in sekundenschnelle in Luft auflösen würde.

Schließlich stand nur noch ein lächerlicher Meter zwischen ihnen. Der Barbier blieb stehen und starrte verträumt auf seine Frau, die er geglaubt hatte, nie wieder sehen zu können. Er flüsterte bloß ein einziges Wort: „Lucy!“

Erschrocken drehte sich diese in die Richtung um, aus der sie ihren Namen vernommen hatte und sah in das Gesicht eines Fremden.

Für einen kurzen Moment herrschte Schweigen. Beide starrten sich an und der Barbier verspürte das Gefühl, Freudensprünge vor Glück vollführen zu müssen. Es war sie! Es war seine Lucy, die da vor ihm saß! Er schaute direkt in ihr engelsgleiches Gesicht, was er so sehr liebte und vermisst hatte, was ihn jedes Mal aufs Neue verzauberte. Doch in ihren grünen Augen, so erkannte der Barbier verwundert, spiegelten sich keine Anzeichen des Widererkennens.

„Wer sind Sie?“, fragte Lucy erstaunt und durchbrach somit das Schweigen, das zwischen ihnen geherrscht hatte.

Es waren bloß drei einfache Worte, die in der Stille hingen und seine Ohren erfüllten, wo sie wie ein Echo widerhallten und doch vermochten diese drei Worte alles, was der Barbier in dem Moment des Widersehens hatte sagen wollen, von seiner Zunge zu tilgen, einen schalen Geschmack zurücklassend.
 

Nun war er gänzlich verwirrt. Erkannte sie ihn etwa nicht wieder? Er war es doch! Er, …, ja, wer war er eigentlich? Hatte er selbst nicht gesagt Benjamin Barker sei tot? Aber als er an Sweeney Todd dachte, kam dieser ihm vor wie ein Fremder. Nein, er war nicht Sweeney Todd. Er konnte es gar nicht sein, so war er nicht!

„Ich bin es.“ Das waren die einzigen Worte, die ihm in seiner Verwirrung über die Lippen kamen.

„Ich verstehe nicht ganz“, entgegnete Lucy, die allmählich genauso verwirrt wurde. „Sie müssen sich täuschen, Sir. Ich bin mir sicher, hier liegt eine Verwechslung vor.“

Wie konnte sie so etwa sagen? Sie musste doch am besten wissen, wer er war! Verzweiflung begann, in dem Barbier zu wachsen. Er war so nah daran, endlich wieder mit seiner geliebten Frau glücklich vereint zu sein!

Gequält starrte er zu Lucy. Es war so wenig, was sie noch von einander trennte und trotzdem schien es so viel zu sein… Hatte er nicht all die Jahre lang diesen einen Moment herbeigesehnt, nur dafür gelebt, seine Familie wieder zu sehen? Sollte er sich das jetzt einfach so zerstören lassen?

Nein!
 

Von einer plötzlichen Gewissheit gepackt, sagte der Barbier: „Lucy, bitte sieh mich an! Ich bin es, dein Benjamin!“

Genau das tat sie auch und sah den fremden Mann, der vor ihr stand, genau ins Gesicht. Zu ihrer Verwirrung gesellte sich allmählich die Angst, als sie erwiderte: „Sie können nicht Benjamin sein. Mein geliebter Mann befindet sich in Australien.“

Aber er war doch zurückgekehrt! Er, Benjamin Barker, hatte es geschafft zu fliehen, um sie, seine Lucy, endlich wieder in den Armen halten zu können! Er konnte es nicht mehr ertragen, dass so wenig sie noch trennte. Er musste sie einfach spüren, sich vergewissern, seiner Frau gegenüber zu stehen.

Sehnsüchtig streckte er die Hand nach ihr aus und flüsterte: „Lucy, warum nur?“ Sie musste einfach verstehen, dass er Benjamin war! Doch hielt er mitten in der Bewegung inne, als Lucy plötzlich erschrocken aufsprang und vor ihm zurückwich.

„Bitte! Ich weiß nicht, wer Sie sind und kennen tue ich Sie gewiss nicht. Bitte, gehen Sie wieder!“

Nie hätte der Barbier gedacht, dass Worte so sehr schmerzen können, wie sie es in diesem Augenblick taten. Sein halb ausgestreckter Arm verharrte immer noch in der Luft, während er einen Schritt auf Lucy zumachte.

„Aber…“, protestierte er leise und wollte seine Hand gänzlich nach ihr ausstrecken. Da rief Lucy mit bebender Stimme: „Lassen Sie mich in Ruhe!“

Abermals stockte der Barbier mitten in der Bewegung, bis sein Blick plötzlich auf seine Hand fiel. Erschrocken zog er sie zurück. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen vor dem, was er da sah: Blut! Auf seiner Handfläche klebte Blut, fremdes Blut! Schnell ballte er die Hand zur Faust und sah wieder zu Lucy, die immer weiter vor ihm zurückgewichen war, Johanna dicht an sich gepresst.
 

Das konnte alles nicht wahr sein! Verzweifelt schritt der Barbier auf seine Frau zu, in der Hoffnung, sie möge ihn endlich wieder erkennen, statt ihn mit diesem angsterfüllten Blick, der mehr schmerzte als alles andere, anzusehen. Stattdessen rief sie jedoch: „Verschwinden Sie! Sie können nicht Benjamin sein!“

Und mit diesen Worten schlich sich langsam die bittere Erkenntnis in sein Bewusstsein. „Lucy! Bitte nicht“, flehte der Barbier mit qualvollem Gesicht. Doch es war zu spät. Es war aus.

Panik hatte von Lucy Besitz ergriffen. Sie kannte diesen fremden Mann nicht und wusste ebenso wenig, was er eigentlich von ihr wollte. Sie selbst wünschte sich nur noch eins: Dass er verschwand und sie in Ruhe ließ!

„Sehen Sie sich bloß an! Nie im Leben sind Sie mein Benjamin! Sie können es nicht sein! Niemals!“, schrie sie mit leichter Hysterie in der Stimme.

Diese Worte genügten. Es war, als würde der Barbier an ihnen zurückprallen. Verzweifelt rief er noch: „Aber Lucy, es bin doch immer noch ich! Siehst du das denn nicht?“ Doch Lucy war nun unerreichbar für ihn. Er hörte ein letztes „Nein!“ von ihr, dann glaubte, er zurückgestoßen zu werden und fiel, fiel immer tiefer. Alles um ihn herum zerbrach. Die ganze Welt schien in sich zusammenzufallen, die strahlenden Farben erloschen, wurden zu einem leblosen Grau. Der Barbier stürzte in eine Schwärze, aus der sich langsam ein vertrautes heruntergekommenes Zimmer löste. Vor ihm stand ein Spiegel, dessen Glas von Sprüngen zerteilt war. Und aus diesem zersprungenen Glas starrte ihm das Gesicht von Sweeney Todd entgegen.
 

Erschrocken fuhr Sweeney hoch. Ein Keuchen entrang seiner Kehle, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. Er fand sich in seinem Rasierstuhl wieder, in dem er, wie er verärgert feststellte, in der Nacht wohl eingeschlafen sein musste.

Wortlos erhob er sich und ließ seinen Blick durch den tristen Raum schweifen. Vielleicht sollte er mal auf Mrs Lovett hören und bei den ersten Anzeichen von Müdigkeit zu Bett gehen…

Und dennoch, all dies konnte Sweeney nicht von seinem Albtraum ablenken. Zu deutlich sah er die Bilder vor Augen, als dass er sie einfach hätte vergessen können.

Langsam ging er auf den Spiegel zu, dessen Glas von einem Spinnennetz aus Sprüngen überzogen war, und schaute hinein.

Ein grimmiger Zug umspielte Sweeneys Mund, als er in den Spiegel starrte. Er wusste nicht, wen er erwartete hatte zu sehen, denn welch törichter Hoffnung er sich auch in seinem Traum hingegeben hatte, so starrte ihn bloß sein eigenes Gesicht, das von Sweeney Todd, entgegen. Welches auch sonst?
 

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Hierzu muss ich noch ein paar Worte sagen: Diese Szene habe ich schon lange im Kopf gehabt. Man kann sagen, dass ich die richtig gelebt habe, als ich sie schrieb. Trotzdem bin ich vom Ergebnis nicht grade begeistert und habe den OS deswegen solange nicht hochladen wollen. Nur da er auch nicht besser wird, wenn er Ewigkeiten auf dem Computer rumgammelt habe ich den jetzt doch hochgeladen. Ich hoffe nur, dass es halbwegs verständlich ist, warum ich den Großteil über bloß "der Barbier" statt Sweeney oder Benjamin geschrieben habe.
 

lg -Hakura



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2009-02-04T16:49:47+00:00 04.02.2009 17:49
Guten Abend,
Als ich aning zu lesen, musste ich an den Spruch aus Narnia denken: "Wie ein Traum aus einem Traum!"
Und ich war dann doch sehr überrascht, als sich der Verdacht bestätigte...

Und schon wieder kann ich nur sagen, dass das sehr realistisch klingt. Jeder träumt schlecht, warum nicht auch ein Barbier? Das ist sehr plausibel, und deine Umsetzung schön surreal, wie ein Albtraum eben.

Ja, das mit der blutbefleckten Hand war so offensichtlich, dass selbst ich es bemerkt habe. Wie ist das mit dem Spiegel, der, zerbrochen, die Wirklichkeit verzerrt wiedergibt, und so Sweeney zerbrochene Seele und seine jetztige Sicht auf die Dinge wiederspiegelt? Ist das auch eine Anspielung gewesen, oder war das eher Zufall?

Wenn eine Geschichte dir nicht so recht gefallen mag, warum suchst du dir dann nicht einen Betaleser, mit dem du dann schön alles diskutieren kannst? So etwas kann bisweilen ganz lustig sein^^

Aber mir persönlich ist jetzt nur ein Satz negativ aufgefallen.
>Er wusste nicht, wen er erwartete hatte zu sehen,
Entweder "wen er erwartete zu sehen" oder "wen er erwartet hatte zu sehen", so verwirrt das, da zwei Sätze miteinander verschmolzen sind... nicht, dass ich das nicht kennen würde...

Aber es hat mir wieder gut gefallen, sehr gut sogar.
Liebe Grüße, Polaris
~KFF~
Von:  DasJessi
2009-01-11T13:08:33+00:00 11.01.2009 14:08
hi!
der neue one-shot gefällt mir sehr gut. ich hab allerdings etwas kritik aus zu üben ^^

der satz "aber es bin immer noch ich" hört sich, meiner meinung nach, etwas seltsam an. "aber ich bin es doch moch immer" würde besser klingen, finde ich.

aber trotzallem gefällt mir der OS wie gesagt wieder sehr gut

mach weiter so

jessi


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