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Sweeney Todd One-Shots

von

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Nichts

Ähm kleine Warnung im Voraus: Ich habe die Geschichte angefangen zu schreiben, nachdem ich ein gesamtes großes Einkaufszentrum nach einer Zeitschrift für 4 Seiten Johnny Depp abgeklappert habe, die ich natürlich nicht bekommen hab. Demnach war auch meine Laune. Noch besser wurde es dann, als auf einmal völlig bekloppte Schlager Musik von meinen Nachbarn durch die Wände dröhnte. Also hab ich mich aufgerappelt, Sweeney Todd auf volle Lautstärke gedreht und gedacht, bei dieser miesen Laune müsste man nen ST OS schreiben können und ohne irgendetwas zu planen drauflos geschrieben^^; Der Rest entstand dann halt in der Schule und vorm Compi.

So und hier ist das, was dabei rausgekommen ist:
 

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Schon wieder war sie da, diese grässliche Leere. Das heruntergekommene Zimmer und das erdrückende Grau Londons, welches von Regenwolken im selben tristen Farbton verhangen war, umgaben Sweeney und verstärkte nur dieses Nichts in ihm, ein dunkles schweres Loch, was ihm den Atem nahm. Zurückgezogen in seiner Einsamkeit stieg unabhörlich Trübsal in ihm auf, verschlechterte seine Stimmung, bis er das Gefühl hatte, er befände sich in einem Strudel, aus dem es kein Entkommen gab. Er war von einer Lustlosigkeit befallen, die ihm seine Einsamkeit nur noch schlimmer vor Augen führte. Lucy… Wo war seine Frau? Warum nur war sie nicht da? Er brauchte sie, er brauchte sie so sehr, doch sie war nicht da. Sie war tot, unerreichbar für ihn. Was hatte da das Leben noch für einen Sinn? Er wollte nichts mehr. Da war nichts mehr, kein Reiz, kein Grund, rein gar nichts, was das Leben noch irgendwie hätte schmackhaft machen können. Er lebte nur noch für seine Rache.

Eine Kälte hatte von Sweeney Besitz ergriffen. Eine Kälte, die man nicht mit einem warmen Feuer oder einer kuscheligen Decke hätte vertreiben können. Nein, es war eine Kälte, die durch seine Einsamkeit entstanden war. Und es wurde von Sekunde zu Sekunde schlimmer. Jeder seiner Gedanken verlor sich, bevor Sweeney auch nur den Sinn erfassen konnte.
 

Er stand still und ruhig vor dem Fenster, sein Gesicht unbewegt und es schien alles Menschliche draus verschwunden zu sein. Der Blick seiner schwarzen Augen war aus dem Fenster gerichtet, doch starrten sie ins Leere.

Innerlich wand sich der Barbier unter der erdrückenden Schwere, welche das Nichts mit sich gebracht hatte. Er hatte das Gefühl nicht mehr Atmen zu können, sich übergeben zu müssen von der grässlichen Schwere, die tief in ihm drin lastete. Alles in ihm war wie ausgelaugt, als wäre jegliches Leben schon draus gewichen und er selbst war von Gefühlen überwältigt, die ihn immer tiefer in die Abgründe seiner schwarzen von Hass zerfressenen Seele zogen. Doch auch da herrschte nur noch eine alles verschlingende Leere. Erst als er den Grund dafür suchte, fand er ‚es’ wieder, seinen Rachedurst. Genährt von Wut, Hass und dem sehnlichen Wunsch nach Vergeltung, welcher all der Pein, den er in den letzten Jahren hatte ertragen müssen, hervorgebracht hatte, existierte neben diesem Nichts noch sein Rachedurst, der Sweeneys einzige Rettung vor der Leere war. Denn er wollte einfach keinen anderen Grund mehr finden, als sein Verlangen nach Vergeltung. Er wusste nicht genau warum, aber erhoffte er sich dadurch Erlösung.

Es klopfte an der Tür. Als niemand öffnete, wurde das Klopfen immer eindringlicher, doch trotzdem reagierte Sweeney nicht darauf. Warum sollte er auch? Er war in seinem inneren gefangen, ertränkt von all seinen düsteren Gefühlen, die alle eins waren: Nichts, Leere.
 

Schließlich wurde die Tür geöffnet. Eine Frau trat ein. Es war Mrs Lovett. Als sie Sweeney Todd vor dem Fenster regungslos stehen sah, den Blick ins Leere gerichtet, trat Besorgnis in ihr Gesicht. Vorsichtig näherte sie sich ihm. „Mr Todd?“, flüsterte sie in die erdrückende Stille hinein. Warum bestand er darauf, die ganze Zeit alleine in seinem Barbier Salon verbringen zu müssen? In dem heruntergekommenen Zimmer, was vor Jahren einmal schön und gemütlich gewesen war, in dem man sich geborgen gefühlt hatte und welches nun nur noch mit wunderschönen Erinnerungen in Verbindung gebracht werden konnte. Und warum ließ er keinen an sich heran? Die Gedanken erfüllten Mrs Lovett mit Trauer. Sie wollte ihm so gerne helfen und konnte es nicht. Egal was sie auch tat, er ließ sie ja doch nicht an sich heran.
 

Sweeney hörte die Worte der Frau. Tief in seinem Innern irgendwo, drangen sie zu ihm durch. Dumpf und verzerrt. Jedoch vermochten sie es nicht ihm zu helfen, sein Nichts zu vertreiben oder die Kälte in Wärme zu verwandeln. Dies sollte einzig und allein seine Lucy können… Also verschloss er sich nur noch mehr.
 

Mrs Lovett seufzte, als sie sah, dass Sweeney nicht reagierte. Er verkroch sich nur noch tiefer in seinen Trübsal. Es zerfraß ihn. Von Tag zu Tag mehr, dessen war sich Mrs Lovett sicher. Unaufhaltsam wurde Sweeney von diesem Nichts verschlungen, bis er eines Tages nur noch eine leere wandelnde Hülle sein würde, in der sich all die Wut und der Hass eines vom Leben verratenen Menschen befände.

Vorsichtig wagte die Bäckerin einen erneuten Versuch. Vielleicht würde er ja auf seinen Kosnamen, den sie ihm gegeben hatte, anspringen und wenn es nur mit seinem üblichen Hass war. „Mr T.?“, hauchte Mrs Lovett mit einer Mischung aus Angst aber auch Zärtlichkeit in der Stimme.
 

Dieses Mal hörte Sweeney die Worte der Frau klar und deutlich. Sie würde wohl nie aufgeben. Warum konnte sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Was erhoffte sie sich dadurch bloß? Schließlich sah der Barbier auf, sein Gesicht zu einer kalten Maske erstarrt. Er verzog keine Miene, als er dem Blick der Bäckerin begegnete. Er blickte in ihre besorgten dunklen Augen, aus denen Sorge sprach, die die Zuneigung für ihn nicht gänzlich verbergen konnte.
 

„Was wollen Sie von mir?“, fragte Sweeney, den Blick weiterhin auf Mrs Lovett gerichtet, mit dunkler Stimme, in der Ärger mitschwang. Sollte er nicht eigentlich froh sein? Mrs Lovett hatte ihn wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt, was er selbst kaum geschafft hätte. Doch war die Realität wirklich so viel besser, als sein Nichts, in dem er versunken war? Nicht für ihn.
 

Mrs Lovett wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie hatte sich Sorgen gemacht oder dass sie ihn einfach nur hatte sehen wollen, wären wohl nicht die besten Antworten gewesen. Während sie ihr Hirn nach einer Antwort zermaterte, schaute sie Sweeney weiterhin in die Augen. Es ließ ihr Herz höher schlagen, wie er sie so anstarrte, auch wenn sein Blick wie fast immer verschlossen war und kein Gefühl bis auf seine Wut freigab. Lange hielt sie seinem Blick jedoch nicht stand, nur abwenden konnte sie ihn auch nicht. Mrs Lovett musste diesen Augenblick ausnutzen und so betrachtete sie Sweeneys Gesicht, das von der schweren Zeit, die er hatte durchleben müssen, gezeichnet war. Es zog ihren Blick an wie ein Magnet und faszinierte sie. Die Bäckerin musste sich zusammenreißen, damit nicht ein seliges Lächeln auf ihrem Gesicht erschien. Stattdessen wandte sie den Blick wieder ab und starrte auf die schmutzige ergraute Tapete. Einst war sie gelb gewesen, doch heute konnte man diese Farbe nur noch draus erahnen.
 

Sweeney wurde ungeduldig und zog fragend eine Augenbraue hoch. „Nun, was hat Sie hierher geführt?“ Dabei starrte er die Frau weiterhin eindringlich an, die ihren Blick wieder zu Boden gerichtet hatte. Ärger stieg in ihm hoch und dabei wusste er nicht einmal warum.
 

Mrs Lovett seufzte innerlich. Sie hatte gar keine andere Wahl, als ihrem Mr T. endlich eine Antwort zu geben. Wenn sie bloß wüsste welche!

„Ich…ich wollte Sie einfach nur fragen, ob Sie vielleicht Lust hätten, sich zu Toby und mir unten in die Küche zu gesellen. Ein wenig Gesellschaft wird Ihnen bestimmt gut tun, denn wenn Sie weiterhin in diesem kargen Zimmer Trübsal blasen, werden Sie eines Tages noch verkümmern!“, redete Mrs Lovett schnell, das, was ihr gerade am ehesten in den Sinn kam. Schon wieder hatte sie dabei vielleicht zu viel von ihren Gefühlen für den Barbier offenbart.
 

Sweeneys Miene verfinsterte sich. Erneut versuchte diese Frau, sich in sein Leben einzumischen. Warum scherte sie sich überhaupt darum, wie er lebte und was er tat? Doch irgendetwas regte sich in ihm. Ein Gefühl von Dankbarkeit wollte sich einen Weg an die Oberfläche bahnen. Als Sweeney das spürte, wurde er bloß noch wütender, da er wusste, dass mit der Dankbarkeit auch Zuneigung verbunden war, welche beide Mrs Lovett galten. Diese Frau war nicht Lucy! Nie im Leben würde sie ihm mehr bedeuten als all der andere Abschaum, der in den Gassen Londons wimmelte, auch! Und nie sollte sie Lucys Platz ersetzen können! Wut flammte bei diesen Gedanken in ihm auf. Die beiden Gefühle, die im Begriff gewesen waren, an die Oberfläche zu steigen, wurden von seinem Ärger, der die Wut mit sich brachte, erstickt.
 

Mrs Lovett sah Mr Todds Wandlung, wie in seinem Blick wieder sein Hass aufloderte und sich sein Gesicht kaum merkbar verfinsterte. Jetzt würde es gefährlich für sie werden. Sie wusste, dass es viel vernünftiger wäre, würde sie, ohne einen einzigen Gedanken noch daran zu verschwenden, in ihre Küche flüchten, doch tat sie das nicht. Mit vor Angst geweiteten Augen in dem Wissen, dass sie jeden Moment sterben konnte, starrte Mrs Lovett zum Barbier.
 

Sweeney indessen tastete nach seiner Rasierklinge, die er immer bei sich trug. Kaum hielt er sie in der Hand durchströmte ihn ein beruhigendes Gefühl und erst jetzt fühlte sich sein Körper vollständig an. Er wollte jedoch keine Zeit mehr verlieren. Ohne ein weiteres Wort schritt Sweeney auf Mrs Lovett zu. Diese wusste, dass ihr letztes Stündlein nun geschlagen hatte und dass es kein Entkommen mehr gab.

„Mr T. ?“, hauchte sie mit zitternder Stimme und wollte zurückweichen, doch genau in diesem Augenblick stieß Sweeney sie grob vor die Brust auf seinen Rasierstuhl. Es machte ihn nur noch rasender schon wieder diesen Kosenamen aus ihrem Mund zu hören. Wie konnte diese Frau es wagen? Wie konnte sie sich anmaßen, zu denken, dass er irgendetwas für sie empfand?

In seiner Wut schritt der Barbier bedrohlich auf den Stuhl zu und beugte sich schließlich hinab, sodass er sich mit Mrs Lovett genau auf Augenhöhe befand. Ein bedrohliches Grinsen verzerrte sein Gesicht, als er langsam sein Rasiermesser hob.

Mrs Lovett starrte erschrocken auf das Messer. Die Todesangst hatte sie fest im Griff, lähmte sie und nahm ihr den Atem. Gleich würde sie sterben! Sie würde durch die Hand des Mannes sterben, den sie liebte und für den sie alles tun würde.

„Ich glaube, auch Sie werden mal eine Rasur vertragen können, meine Gute“, sagte Sweeney mit einer unmenschlichen Stimme, die einem einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Dann legte er die Klinge an Mrs Lovetts Kehle. Jetzt! Er müsste nur noch eine schnelle ihm vertraute Bewegung durchführen, dann würde er diese Frau endlich beseitigt haben.

Doch Sweeney konnte nicht. Seine Hand, mit der er das Rasiermesser fest umschlossen hielt, verkrampfte sich. So sehr er es auch wollte, so sehr sein Blutdurst danach verlangte, er konnte es nicht tun! Sein Arm war wie erstarrt und zu keiner Bewegung mehr fähig.
 

Mrs Lovett hatte die Augen fest zusammengekniffen. Sie wollte nicht sehen wie ihr geliebter Mr T. sie umbrachte. Lieber starb sie in dem Glauben, dass er irgendwo in seinem Winkel seines dunklen Innern etwas für sie empfand, als dass sie die schmerzliche Wahrheit akzeptierte.

Mrs Lovett wartete. Sie spürte das kalte Metall der Klinge an ihrem Hals. Doch warum war sie noch nicht tot? Oder war sie es vielleicht schon, ohne dass sie es bemerkt hatte? Zögernd öffnete sie ihr linkes Auge einen schmalen Spalt breit. Was sie sah, überraschte sie und schließlich öffnete sie beide Augen wieder.
 

Dicht vor ihrem Gesicht befand sich das von Sweeney. Sein Blick war stumpf ins Leere gerichtet und seine Mine qualvoll verzerrt, welche Gefühle offenbarte, die tief in seinem Innersten miteinander rangen. Er sah nicht, wie Mrs Lovett ermutigt von seinem Zögern wieder die Augen geöffnet hatte. Stattdessen wusste er nicht einmal mehr, was er eigentlich wollte. Da waren diese Schreie, die nach Rache dürsteten, doch war da auch eine leise Stimme, die nach Gnade flehte.

Sweeney selbst war von seiner Rachsucht besessen und sein einziger Gedanke galt dem Morden. Für ihn stand fest, dass Mrs Lovett sterben musste und dennoch brachte er es nicht über sich, egal wie sehr mit sich kämpfte. Er sah der Frau tief in die dunklen Augen, aus denen eigentlich längst alles Leben hätte gewichen sein müssen. Der Barbier musste mit ansehen, wie sein Körper wie von selbst die Rasierklinge wieder herunternahm ohne sein eigenes Zutun. Er kam sich vor, als sei er ein Außenstehender, der einen Fremden beobachtete. Sein Körper machte ganz alleine einen Schritt zurück und gab Mrs Lovett somit den Weg frei. Erst als Sweeney Mrs Lovett seine Hand hinhielt, in der er kurz zuvor noch sein Rasiermesser gehalten hatte, wurde ihm bewusst, dass er selbst all dies tat.
 

Währendessen hatte Mrs Lovett Mr Todd mit großen Augen angestarrt. Sie konnte nicht glauben, was gerade eben geschehen war. Er hatte sie tatsächlich verschont! Bei diesem Gedanken machte ihr Herz einen freudigen Satz und törichte Hoffnungen stiegen in ihr hoch. Vielleicht waren da ja doch Gefühle für sie… Vielleicht… Doch weiter wollte sie nicht denken. Stattdessen ergriff sie die ihr dargebotene Hand. Sie war eiskalt. Trotzdem konnte Mrs Lovett gar nicht anders als Sweeney ein dankbares Lächeln zu schenken.
 

Sweeney zuckte zusammen, als Mrs Lovett seine Hand ergriff. Ihre war so warm. Auch das Lächeln bewegte etwas ihn ihm, selbst wenn er nicht genau sagen konnte, was es war, so huschte für einen flüchtigen Augenblick der Anflug eines Lächelns seinerseits über sein Gesicht. Dann hatte er sich wieder unter Kontrolle und half Mrs Lovett mit regungsloser Miene aus dem Stuhl. Trotzdem reichte dies noch nicht aus. Wie ein Gentleman beugte er sich hinunter und hauchte einen flüchtigen Kuss auf Mrs Lovetts Handrücken.

Sweeney verstand sich selbst nicht mehr. Völlig verwirrt brummte er wieder mit einem Anflug von Ärger in der Stimme: „Gehen Sie jetzt, Mrs Lovett! Ich will allein sein!“ Und wandte sich mit diesen Worten von ihr ab. So sah er nicht, wie Mrs Lovett mit einem Schmunzeln im Gesicht, sein Zimmer wieder verließ und den restlichen Tag trotz der durchgestandenen Todesängste in ihrem Glück schwelgen würde.

Während er Mrs Lovett die alte knarrende Holztreppe hinunter gehen hörte, starrte Sweeney wie benommen auf seine Hände. Zwei steile Falten hatten sich wieder zwischen seinen Augenbrauen gebildet, die dieses Mal jedoch nicht von Ärger oder Hass herrührten sondern einzig und allein vom Nachdenken. Was um alles in der Welt hatte ihn dazu bewegt Mrs Lovett zu verschonen. Warum nur hatte er dies getan?
 

Sweeney seufzte, jetzt war es zu spät und es war geschehen. Vielleicht würde er Mrs Lovett ein andermal umbringen, vielleicht aber auch nicht. Während er wieder in Gedanken versunken aus dem Fenster hinausstarrte, bewegte er, wenn auch eher unbewusst, unablässig seine rechte Hand, als klebe irgendetwas daran. Und in der Tat war dem so. Seine Hand war von einer Wärme erfüllt, die er geglaubt hatte nie wieder spüren zu können und diese Wärme war es auch, die sein Nichts den restlichen Tag über vertrieb…
 


 

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So das war der OS. Hmm ich hoffe dieses Hin und Her war nicht allzu verwirrend >.> Na ja und da Angel_of_Pain so gerne wollte, dass ich ihn hochlade, widme ich ihr den OS einfach mal ^.^

Freue mich wie immer über Lob, Kritik und Verbesserungsvorschläge^^
 

lg -Hakura

Erinnerung

Dicke schwere Gewitterwolken bedeckten den Himmel Londons. Obwohl es erst vier Uhr geschlagen hatte, war es dunkel, als wäre schon die Nacht eingebrochen. Zum Leidwesen Mrs Lovetts, die in ihrem Pastetengeschäft gerade dabei war, den Teig für ihre begehrten Fleischpasteten zu backen. Hätten ihre Kunden gewusst, was genau sich in diesen befand, würde das Geschäft wohl noch schlechter laufen als zuvor – bevor Mr Todd sein Barbier Salon direkt über dem Pastetengeschäft eröffnet hatte.

Seufzend sah Mrs Lovett auf und starrte aus einem der Fenster ihres Geschäfts auf die dunkle Fleet Street. Es hatte zu regnen begonnen, weshalb sich kaum eine Menschenseele hinaus ins eintretende Unwetter wagte. Der Regen wurde immer stärker, bis Mrs Lovett das trommelnde Plätschern der Regentropfen auf das Kopfsteinpflaster prasseln hörte. Bei dem Wetter würde sich an diesem Tag wohl kaum einer mehr in ihren Laden oder den von Sweeney Todd verirren. So konnte sie das Geschäft für heute gleich schließen. Das dachte die Pastetenbäckerin zumindest. Um so erstaunter war sie, als sie durch das Fenster eine Gestalt, eingehüllt in einen Regenmantel und den Hut tief ins Gesicht gezogen, an ihrem Laden vorbeigehen und zielstrebig auf die Holztreppe zum Barbier Salon zu laufen sah. Während Sweeneys neues Opfer aus ihrem Blickfeld verschwand, schweiften ihre Gedanken wieder ab, zur darauf folgenden Arbeit, die wieder einmal an der Bäckerin hängen bleiben würde
 

Nicht lange und Mrs Lovett würde wie schon so oft hinauf in den Barbiersalon gehen, wo sie dann damit beschäftigt sein würde, all das Blut vom Holzboden zu schrubben, da es ja doch viel zu selten vorkam, dass Mr Todd darauf achtete, so wenig Spuren wie möglich von seinen Gräueltaten zu hinterlassen. Für ihn zählte nur, den Kunden die Kehle durchzuschneiden und so seine Rachegelüste zu besänftigen. Um den Rest musste sich Mrs Lovett wohl oder übel kümmern. Nicht, dass es ihr all zu viel ausmachte. Schließlich hatte sie so einen Grund sich in Mr Todds Nähe aufzuhalten, wenn sie mit dem Beiseitigen des Blutbades beschäftigt war. Jedoch ein ums andere Mal die beschwerlichen Stufen in den Keller hinab zu steigen und sich dort um die Leiche zu kümmern, das war etwas anderes. Ob sie das alles auch tun würde, wenn nicht das Geschäft dadurch so gut laufen und sich nicht die Gelegenheit dazu bieten würde, die Leichen um ihre Geldbörse, welche sie ja nicht mehr brauchten, zu erleichtern, war fraglich, zumal der eigentliche Grund für ihr Tun Mr T. selbst war… Ihm zu Liebe plagte sie sich ein ums andere Mal mit dem Putzen der Holzdielen, dem beschwerlichen Auf – und Absteigen der Kellertreppe und weit unangenehmeren Dingen ab. Doch allein der Gedanke an Sweeney Todd ließ sie all das ohne einmal missmutig aufzumurren tun. Jedes Mal dabei fragte sich Mrs Lovett jedoch, ob vielleicht auch Mr T. mehr in ihr sah, als irgendjemanden, der ihm von Nutzen war. Und jedes Mal spürte sie ein kleinen Stich in ihrem Herzen, da sie tief in ihrem Innern die düstere Gewissheit hatte, dass all dies nur Wunschdenken und sie wirklich bloß ein nützliches Werkzeug auf seinem Weg der Rache war, das man jederzeit ersetzen konnte.

Ob dem nun so war oder nicht, würde sie wohl nie erfahren. Dafür hielt Sweeney viel zu sehr an der Vergangenheit – an Lucy – fest. Bei dem Gedanken an Lucy fragte sich Mrs Lovett, ob sie ihm die vollständige Wahrheit hätte erzählen sollen. Nur dann, und das war gewiss, wäre sie für ihn vielleicht sogar für immer vergessen. Allein bei der flüchtigen Vorstellung wurde sie von Furcht und Entsetzen gepackt, denn diese Tatsache war gar nicht mal so abwegig, wie sie wünschte, dass sie es wäre. Andererseits redete Mrs Lovett sich für ihre Aussage, Lucy habe sich vergiftet, ein, dass dies auch besser für Mr T. sei. Was wäre es nur für ein Schock für ihn, wenn er sähe, wie sich seine geliebte Lucy ebenso wie er selbst in den letzten Jahren verändert hatte? Wahrscheinlich würde sein Verlangen nach Rache endgültig die Oberhand gewinnen, sodass sich der Barbier durch ein unbedachtes Tun eigenhändig ins Verderben stürzen würde, ohne die wohlverdiente Rache bekommen zu haben. Also war alles gut so, wie es war.

Dennoch stieg die Angst in Mrs Lovett vor Mr Todds Reaktion auf, falls er je die Wahrheit erfahren sollte. Was würde er dann mit ihr machen? Wie würde er sich ihr gegenüber verhalten? Und ihre Ängste waren berechtigt, hatte sie doch die heruntergekommene Lucy erst letztens in den Gassen Londons herumstreunen sehen. Ach du machst dir zu viele Gedanken, sagte sich Mrs Lovett seufzend. Wenn sie gut aufpassen würde, würde sie schon dafür sorgen, dass Mr Todd diesem dummen Ding nicht über den Weg lief.
 

Ein Geräusch, was sie nur allzu gut kannte, riss sie aus ihren Gedanken. In der Stille konnte sie den dumpfen Laut vom Aufklappen der Falltür hören. Nun gab es wieder Nachschub mit dem Fleisch für ihre Pasteten und einen Londoner auf den Straßen der Stadt weniger.

Mrs Lovett ließ sich noch ein wenig Zeit, bis sie schließlich die Treppe innerhalb ihrer Wohnung zu der des Barbiers hochging, um nach dem Rechten zu sehen und ihrer eigentlichen Arbeit nachzugehen. Die Leiche im Keller konnte warten.

Vorsichtig öffnete Mrs Lovett die Tür und betrat das Zimmer. Da stand er! Im flackernden Kerzenschein, der es kaum vermochte das düstere Licht zu vertreiben, sah sie die aufrechte Gestalt Mr Todds. In der rechten Hand hielt er seinen blutbeschmierten Freund, als würde er ihm Halt geben. In seiner anderen Hand befand sich das Bild, was Lucy mit der kleinen Johanna zeigte und auf dem der Blick seiner kohleschwarzen Augen geheftet war. Etwas wie Sehnsucht sprach aus diesem Blick, in dem sonst immer nur blanker Hass und pure Mordlust loderten.

Schmerzlich wurde Mrs Lovett bewusst, dass er wie so oft versuchte, die Vergangenheit herbei zu zwingen, gänzlich in ihr verloren war, ohne der Realität überhaupt Beachtung zu schenken. Warum nur konnte er ihr nicht wenigstens ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken? Warum galt diese immer nur einzig und allein seiner dummen Frau Lucy, die bloß noch eine verrückte Bettlerin war und vielleicht gar keinen Gedanken mehr an ihre Vergangenheit verlor.

Am liebsten hätte Mrs Lovett laut aufgeseufzt. Doch wagte sie es nicht die Stille mit einem unbedachten Laut zu durchbrechen, da es klüger war, Mr Todd in seinen düsteren depressiven Momenten nicht zu stören. Ansonsten konnte es passieren, dass sie um ihr Leben zu fürchten hatte. Es war sowieso besser, würde sie so leise, wie sie gekommen war, wieder gehen und später wiederkommen. Denn Arbeit gab es durchaus für sie, was ihr die dunklen Blutlachen zeigten.

Und dennoch, wider aller Vernunft konnte sie sich nicht von dem atemberaubenden Anblick Sweeney Todds losreißen. So in seine Erscheinung versunken, wünschte sich Mrs Lovett nichts sehnlicher, als den Schmerz von ihm lindern zu können. Sie wollte ihm so gerne helfen, beiseite stehen und von ihm wahrgenommen werden, als die ihn liebende Person, die sie wirklich war und nicht jemand, der ihm von Nutzen sein konnte.

Während ihr all diese Gedanken durch den Kopf gingen, merkte sie nicht mehr, wie sie unwillkürlich einen Schritt auf den Barbier zu machte. Es wäre auch nicht weiter schlimm gewesen, hätte er sie nicht wahrgenommen, doch eins der Dielenbretter knarrte. Ein Geräusch, welches in der Stille ohrenbetäubend widerhallte. Ruckartig drehte sich Mr Todd um und starrte mitten in Mrs Lovetts Gesicht.

Es verschlug ihr den Atem, als sein Blick den ihren traf. Für einen kurzen Augenblick waren die Kälte und der Hass aus seinem Antlitz verschwunden. Stattdessen sah sie Gefühle, von denen sie nie geglaubt hatte, sie je bei ihm sehen zu können. Es war nur ein flüchtiger Augenblick, doch schien es Mrs Lovett, als stünde die Zeit still. Sie wünschte sich im Stillen, der Moment möge ewig währen. So schnell, wie er jedoch gekommen war, war er auch wieder vorbei.
 

Sweeneys Gesicht verdüsterte sich augenblicklich, als er sah, wer das Zimmer betreten hatte. Eine bedrohliche Stille trat ein. Mrs Lovett erkannte an seinem schlagartigen Stimmungsumschwung, dass es mehr als gefährlich war, zu bleiben. Es würde tödlich ausgehen. So sehr die Vernunft aber in ihr auch schrie, sie solle kehrt machen, sich retten, konnte die Bäckerin sich nicht mehr lösen. Wie hypnotisiert starrte sie in die dunklen Augen Mr Todds, in denen sich nicht ein Hauch der Gefühle widerspiegelte, die sie für ihn empfand. Und trotzdem stand sie wie erstarrt da, zu keiner Bewegung fähig. Tausend Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum. Immer wieder kam die Frage in ihr auf, was er in diesem Augenblick für sie empfand. Und immer wieder verdrängte sie sie mit größter Willensanstrengung. Sie hatte Angst vor der Antwort, die vielleicht eine bittere Wahrheit mit sich bringen würde.

Langsam schritt Mr Todd auf die Frau zu. „Was haben Sie hier zu suchen?“ Statt zu antworten, fiel Mrs Lovetts Blick auf das Bild, welches der Barbier immer noch fest in der linken Hand hielt. Ihr kam plötzlicher Gedanke und ehe sie recht drüber nachdenken konnte, entfuhr ihr: „Sie können sich nicht mehr an sie erinnern?“

Sweeney hielt jäh inne, als er dies hörte und Mrs Lovett glaubte, einen Anflug von Schmerz in seinem Blick zu erkennen, wodurch sich ihre laut geäußerte Vermutung bestätigte. Hoffnung stieg in ihr auf, Hoffnung vielleicht doch noch vorm Tode verschont zu werden und so die Möglichkeit zu haben, in Mr Todds Inneres vordringen zu können. Doch das sollte ihr auf weiteres verwehrt bleiben.

Als sie sich wieder auf den Barbier konzentrierte in banger Erwartung, was nun passieren würde, sah sie, dass er sich nicht mehr rührte. Mit verkniffener Miene und den Blick angestrengt auf etwas in weiter Ferne gerichtet, stand er regungslos da, wie zu Stein erstarrt.

Von diesem Moment an wusste Mrs Lovett, dass kaum mehr Gefahr für sie bestand. Dafür hatte sie dieses Verhalten nun schon mehrere Male miterlebt. Trotzdem wollte sie ganz sicher gehen, machte einen weiteren Schritt auf Mr Todd zu und fragte vorsichtig: „Mr T.?“

Keine Antwort.

„Wollen Sie für heute vielleicht Ihr Geschäft schließen, Mr T.?“

Immer noch keine Antwort. Die Bäckerin wusste, dass es keinen Zweck hatte. Genauso gut hätte sie mit der Wand reden können. Sie unterdrückte den Impuls durch heftiges Gestikulieren direkt vor Mr Todds Gesichtsfeld auf sich aufmerksam zu machen. Einzig und allein die Tatsache, Richter Turpin stünde vor seinem Barbiersalon, würde ihn schlagartig aus seinen trübseligen Gedanken reißen. Doch da dem nicht so war, wagte Mrs Lovett es auch nicht, dergleichen zu behaupten, denn ansonsten hätte sie damit höchstwahrscheinlich ihr eigenes Todesurteil unterzeichnet.
 

Mit einem resignierenden Seufzer griff sie nach Mr Todds linkem Arm. „Nun stellen Sie sich nicht so an und kommen Sie!“ Alles Versuchen war jedoch vergebens und so legte sich Mrs Lovett einfach seinen Arm um den Hals, um ihn so hinunter in die Küche zu führen.

Tatsächlich taumelte Sweeney benommen mit ihr, doch stützte er sich dabei viel zu sehr auf der Frau ab, sodass diese schon nach zwei beschwerlichen Schritten ihren Rücken sowie ihre Knie zu spüren bekam, die von all der anstrengenden Arbeit mehr als genug belastet wurden.

Kurzerhand beschloss Mrs Lovett, die Holztreppe zu nehmen und von außen in ihr Geschäft zu gehen, trotz des schrecklichen Unwetters. Vielleicht würde der kalte Regen den Barbier wieder zurück in die Realität holen – und selbst wenn nicht, wenigstens würde er das Blut ansatzweise von ihm waschen.

Während die Tür des Barbiersalons hinter den beiden ins Schloss fiel und sie in den eiskalten Regen traten, machte Mrs Lovett das ganze Stück zu ihrer Ladentür über ihrem Ärger Luft: „Nun reißen Sie sich gefälligst zusammen, Sie nutzloser Klotz! Wenigstens etwas helfen könnten Sie mir, Mr T., wo ich doch die ganze Arbeit für Sie mache!“ Ob Mr Todd ihren Worten lauschte, war fraglich, dessen war sie sich durchaus bewusst, weshalb sie einfach weiter redete, bis sie sich wieder im trockenen Inneren ihres Geschäfts befanden.
 

Ohne weiter zu überlegen, setzte Mrs Lovett den Barbier an einen der Tische und verschwand dann in ihrer Wohnung. Das Feuer, welches schwach im Kamin vor sich hin knisterte, vermochte es nicht, die Kälte aus ihren Gliedern zu vertreiben oder das nasse Haar, das ihr im Nacken klebte, zu trocknen. Stattdessen nahm sie sich etwas, womit sie sich abtrocknen konnte und griff nach kurzem Zögern nach einem zweiten Handtuch, welches sie schnell Mr Todd gab, der immer noch so dasaß wie sie ihn zurückgelassen hatte.

Anschließend ging die Bäckerin erneut in ihr Zimmer, um ihr nasses Kleid gegen ein trockenes auszutauschen. Da ihr nicht viel Auswahl blieb, verschwendete sie kaum Zeit mit der Wahl ihres Kleides. Als ihr Blick aber über die armselige Garderobe wanderte, malte sie sich verträumt aus, wie sie in wunderschönen Kleidern gekleidet, Seite an Seite mit Mr T. durch die Straßen Londons spazieren ging, denn falls sie weiterhin so gut mit ihren Pasteten verdiente, würde sie sich bald die prächtigsten und schönsten Kleider kaufen könne, auch wenn diese nicht so wichtig waren wie die Tatsache, zusammen mit Mr T. spazieren zu gehen.

So mit ihren Träumereien beschäftigt betrat Mrs Lovett wieder die Küche. Ihr Ärger auf Mr Todd war wieder verflogen, lange konnte sie ihm einfach nicht böse sein, wenn sie dies überhaupt war. Tatsächlich machte er sogar Gebrauch von ihrem Handtuch, jedoch anderes als sie es sich gedacht hatte. Statt es für sich selbst zu benutzen, war er dabei sein Rasiermesser zu trocknen und säuberte somit auch die Spuren seiner blutigen Tat. Der Blick und die Aufmerksamkeit, mit der er sein Werkzeug dabei bedachte, versetzten der Bäckerin einen leichten Stich. Was würde sie dafür geben, würde er sie bloß einmal so ansehen!

Sweeney ließ sich nichts anmerken, ob er ihre Anwesenheit bemerkt hatte, sondern widmete sich weiterhin seinem teuren Freund, dem Rasiermesser. Das Bild, welches Lucy mit der kleinen Johanna zeigte, hatte er bereits abgetrocknet und wie etwas von großem Wert vor sich aufgestellt.

„Erzählen Sie mir von ihr“, sagte Mr Todd auf einmal mit ausdrucksloser Stimme, den Blick weiterhin auf sein Rasiermesser gerichtet.

Überrascht sah Mrs Lovett zu ihm hin, erfreut darüber, dass er sie mehr oder weniger um etwas gebeten hatte. Es wäre ihr jedoch lieber gewesen, hätte sie nicht ausgerechnet über Lucy reden sollen. Und was gab es über sie auch schon zu sagen? Etwa, dass sie ein dummes kleines Ding war, was es vorzog sich lieber zu vergiften, als auf die Rückkehr seines geliebten Mannes zu warten und sich um die eigene Tochter zu kümmern?

Die Bäckerin wusste, dass der Barbier etwas anderes zu hören erwartete und tat ihm, wenn auch ein klein wenig widerwillig, den Gefallen, wobei sie sich in Erinnerung rief, dass sie es auch wirklich nur Mr T. zuliebe tat und nicht, weil sie vielleicht irgendetwas auf dessen schwache Frau hielt!

„Lucy“, begann Mrs Lovett, „war eine wunderschöne Frau. Sie erfüllte das Leben ihrer beiden Liebsten mit Freude und war bemüht, alles für sie zu tun…“ Während sie erzählte, rief sie sich all die Momente in Erinnerung, in denen sie sehnsüchtig Benjamin hinterher gesehen hatte, wie er glücklich zusammen mit seiner Frau gewesen war, in denen sie sich so oft gewünscht hatte, er würde ihr selbst die ersehnte Aufmerksamkeit schenken. Die Gedanken erfüllten sie mit Trauer und es fiel ihr sichtlich schwerer, das Bild, was Mr Todd von seiner Frau hatte, aufrecht zu erhalten, zumal diese auch ihre Schattenseiten hatte…
 

Langsam näherte sich Mrs Lovett von der Ablage aus dem Barbier. Das einzig Schöne an der ganzen Sache war, dass er ihr zuhörte, jedes einzelne Wort in sich aufnahm.

„Ich weiß noch“, fuhr die Bäckerin fort, als sie schließlich genau vor dem Tisch stand, „wie verzweifelt sie war, Ihre Frau. Sie konnte es nicht mehr ertragen, fern von Ihnen zu leben.“ Mit diesen Worten setzte sie sich Mr Todd gegenüber und versuchte seinen Blick zu erhaschen, der jedoch auf die Tischplatte gerichtet war, wie in weiter Ferne.

„Ich hatte versucht, sie aufzuhalten, als ich sah, dass sie sich Arsen gekauft hatte und ihr Vorhaben erkannte…“, erzählte Mrs Lovett weiter, beendete den Satz jedoch nicht mehr. Der Rest hing unausgesprochen in der Luft und Stille kehrte ein.

Lange Zeit saßen beide einfach nur da, schweigend. Während die Bäckerin Sweeney Todd gedankenverloren ansah, verspürte sie den immer größer werdenden Drang, irgendetwas Tröstliches zu sagen, ihm zu zeigen, dass sie für ihn da war. Und schließlich gab die dem Drängen nach. Ein wenig zögerlich beugte sie sich vor und griff nach Mr Todds Hand.

„Es tut mir so Leid für Sie“; flüsterte sie. „Doch es ist vorbei, Sie müssen das Geschehene vergessen und Neuem eine Chance geben.“ Bei diesen Worten guckte sie ihn eindringlich, auf eine Reaktion hoffend, an. Statt zu antworten, sah der Barbier mit einem unergründlichen Blick auf.

Eine ganze Weile lang saßen sie beide da und schauten den anderen wortlos an, bis Mrs Lovett den Bann brach. Die Arbeit rief, denn es galt immer noch den Barbier Salon vom überflüssigen Blutbad zu putzen ebenso wie eine Leiche im Keller auf sie wartete. Bevor sie aber ihrer Arbeit nachging, kam ihr ein anderer Gedanke und sie brachte Mr Todd eine ungeöffnete Flasche Gin, die sie ihm zusammen mit einem Glas vor die Nase stellte.

„Da bitte! Das müsste Sie ein wenig aufheitern können, Mr T.“, erklärte Mrs Lovett mit einem Lächeln, in der Hoffnung, dass das Getränk auch bei ihm seiner Wirkung zeigte und ihn mal für kurze Zeit aus seinem scheinbar ewigwährenden Trübsal riss. Erst danach machte sie sich an ihre anstrengende und teils äußerst unangenehme Arbeit, die viel Zeit für sich beanspruchen würde.
 

Irgendwann war Mrs Lovett endlich fertig. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch fühlte sie sich so erschöpft, dass sie es bezweifelte, noch viel mehr an diesem Abend tun zu können. Eigentlich wollte sie bloß eben Mr Todd sehen und dann schon ins Bett gehen.

Als sie jedoch die Küche betrat, die nur noch vom schwachen Schein der letzten Glut erleuchtet wurde, blieb sie verwundert stehen, weil sie ein seltsames Geräusch zu hören glaubte. Da sie es aber nicht identifizieren konnte, ging sie langsam zu Mr Todd. Irgendwie schien ihr seine Haltung merkwürdig. Vorsichtig trat Mrs Lovett noch näher an ihn heran. Es war sehr schwer, in dem schwachen Lichtschein etwas zu erkennen, doch was sie dann sah, brachte sie zum Schmunzeln.

Mr Todd saß leicht vornübergebeugt da, die Augen geschlossen und der Kopf war ihm auf die Brust gesunken. Er schlief! Nun hatte die Bäckerin auch erkannt, dass die seltsamen Laute, die gelegentlich die Stille durchdrangen, nichts anderes waren als leise Schnarchlaute, die Mr T. hin und wieder im Schlaf von sich gab. Nachdem ihr Blick auf die leere Ginflasche gefallen war, wurde ihr klar, was ihn so plötzlich in einen tiefen Schlaf versetzt hatte. Selbst seine rechte Hand ruhte noch auf der Tischplatte neben dem Glas mit dem letzten Rest Gin!

„Hach Mr T., Sie sind ja noch schlimmer als Toby“, seufzte Mrs Lovett kopfschüttelnd mit einem belustigten Funkeln in den Augen und wollte nach der leeren Ginflasche greifen. Doch plötzlich regte sich Mr Todd. „Lucy“, stöhnte er auf einmal, griff nach ihrem Handgelenk und sank zurück, wobei er die völlig erschrockene Bäckerin mit sich zog. Diese hatte keine andere Wahl: Wenn sie ihn nicht wecken wollte, musste sie sich zu ihm setzen, was ihr nicht im Geringsten etwas ausmachte. Trotzdem war sie im ersten Moment viel zu überrascht, um irgendetwas anderes zu tun, als den Barbier mit großen Augen anzustarren. Seine Hand hielt ihr Handgelenk dabei immer noch fest umklammert und ließ keine andere Bewegung mehr zu.

Schließlich hatte Mrs Lovett ihre Überraschung überwunden. Schnell erkannte sie, dass sie vielleicht sogar die ganze Nacht neben dem schlafenden Mr Todd sitzen bleiben musste, falls dieser nicht seinen eisernen Griff etwas lockerte oder ganz losließ. Stören tat sie diese Tatsache aber überhaupt nicht. Im Gegenteil: Endlich bot sich ihr die Gelegenheit in der Nähe des Mannes bleiben zu können, den sie liebte.
 

Und während sie so dasaß, von einem unglaublichen Glücksgefühl durchströmt, konnte sie gar nicht anders, als sich Mr Todd zu nähern, welcher sich nun im Schlaf gegen die Lehne der Bank gelehnt und den Kopf immer noch auf die Brust gesenkt hatte. Das spärliche Licht der einbrechenden Nacht, welches durchs große Ladenfenster fiel, verlieh seiner blassen Haut ein unheimliches Leuchten und fasziniert Mrs Lovett nur noch mehr. Ihr Gesicht war mittlerweile bloß einen Fingerbreit von dem seinen entfernt und sie konnte die Ginfahne, die von ihm ausging, deutlich riechen.

Jetzt oder nie!, schoss es ihr durch den Kopf. Das war die Gelegenheit! Und ehe sie es sich versah, hatte sie ihm blitzschnell einen Kuss auf die Wange gehaucht, mit den Worten: „Gute Nacht, Mr T.!“ Dann entfernte sie sich wieder etwas von ihm und war dennoch viel zu nah an ihm dran.

Tatsächlich gab Mr Todd irgendwelche unverständlichen Laute von sich, doch das, was Mrs Lovett herausgehört hatte, sagte ihr, dass er wohl von Lucy träumte. Warum nur von Lucy? Dies trübte die Stimmung der Bäckerin ein wenig, bis sie sich wieder ihre glückliche Situation bewusst wurde und sie erneut in Mr Ts Anblick und die mit ihm verbundenen Träumereien versank.

Langsam spürte Mrs Lovett, wie auch die Müdigkeit von ihr Besitz ergriff, in ihre Glieder kroch und die Augen schwer werden ließ. Benommen spielte die Bäckerin mit dem Gedanken, ob sie gegen die Müdigkeit ankämpfen sollte, um in ihr Bett zu gehen. Doch verwarf sie diesen wieder, da sie Mr Todds Griff nach wie vor fest um ihr Handgelenk spürte und gab sich schließlich der wohligen Wärme hin, die sie erfüllte.
 

Irgendetwas kitzelte Mrs Lovett an der Wange, während sie unter sich das ruhige Heben und Senken der Atmung eines Schlafenden spürte. Dann war ja alles gut, dachte sie und wollte wieder weiterschlafen, als sie in ihren Gedanken innehielt. Etwas konnte nicht stimmen, da war sie sich sicher!

Vorsichtig und etwas widerwillig öffnete Mrs Lovett ihr Auge einen Spalt breit. Es war rabenschwarzes Haar, was sie da an der Wange kitzelte. Und nicht nur das! Ihr Gesicht lag auf einer braunen mit Blut besudelten Weste. Einen kurzen Moment dauerte es, bis diese Informationen in ihr Bewusstsein gesickert waren, dann riss sie beide Augen überrascht auf und hob leicht den Kopf.

Mrs Lovett konnte es nicht glauben, sie war doch tatsächlich, an Mr Todds Schulter gelehnt, eingeschlafen! Sogar ihr Handgelenk hielt er noch umklammert. Bei dieser Erkenntnis glitt ein breites Lächeln über ihr Gesicht: Ein Traum war in Erfüllung gegangen! So lange wie möglich wollte sie diesen Augenblick auskosten, der jedoch nicht mehr lange währte.

Ein lautes Niesen durchbrach die Stille, das Mrs Lovett erschrocken zurückschrecken ließ. Etwas überrascht sah sie zu Mr Todd, der schlaftrunken blinzelte und dann in ihre Richtung schaute. Die Bäckerin ärgerte sich insgeheim, dass sie nicht aufgepasst hatte, als sie den Kopf gehoben hatte. So war es ihr Haar gewesen, was den Barbier gekitzelt hatte – und zwar verhängnisvollerweise an der Nase.
 

„G-guten Morgen, Mr Todd“, stammelte Mrs Lovett. Erst langsam dämmerte diesem, was das alles zu bedeuten hatte, dafür war er noch viel zu verschlafen. Als er jedoch erkannt hatte, was vorgefallen war, verdüsterte sich sein Blick und eine altbekannte Wut wollte von ihm Besitz ergreifen.

Bevor das aber geschehen konnte, machte Mrs Lovett ihn, die sich ihrer unangenehmen Situation bewusst wurde, auf etwas Entscheidendes aufmerksam: „Ihre Hand, Mr T.“ „Was ist damit?“, wollte er grimmig wissen und folgte ihrem Blick. „Mir blieb nichts anderes übrig“, erklärte sie entschuldigend und beobachtete ihn aufmerksam. Schnell hatte Mr Todd ihr Handgelenk wieder freigegeben und es schien, als würden die unterschiedlichsten Gefühle in ihm ringen, bis er sich schließlich erhob, das Bild und das Rasiermesser in der Hand.

„Och Mr T., wollen Sie etwa schon gehen?“, fragte Mrs Lovett und erhob sich ebenfalls. Sie brauchte keine Antwort, die sie sowieso nicht erhalten würde, um zu wissen, dass der Barbier genau das vorhatte. In dem Versuch ihn noch etwas länger in der Küche zu behalten, sagte sie: „Wollen Sie nicht wenigstens mit mir frühstücken? Ihre Sachen können Sie vorher ja trotzdem wegbringen.“

Mr Todd warf ihr jedoch bloß einen kurzen Blick zu und ging dann zur Ladentür, wobei er sich verstohlen an den Kopf fasste. Mrs Lovett, der diese Geste nicht entgangen war, fügte mit einem Lächeln hinzu: „Sie wissen doch, dass Ihnen ein wenig Gesellschaft gut tun würde und außerdem kenne ich ein paar wunderbare Mittel gegen Kopfschmerzen. So können Sie schließlich nicht Ihrer Arbeit nachgehen!“

Mr Todd gab einen resignierenden Seufzer von sich. „Wie Sie wollen, meine Gute, ich werde mit Ihnen zusammen frühstücken.“ Mit diesen Worten ging er hinaus, während sich Mrs Lovett fröhlich dran machte, das schönste Frühstück, das ihre Küche hergab, zu zubereiten.
 

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So endlich ist der OS feritg. Ich weiß nicht, wie lange die Idee mir nun schon durch den Kopf gespukt ist, jedenfalls bin ich froh, sie jetzt endlich mal aufgeschrieben zu haben^^

Inhaltlich gefällt der mir auf jeden Fall besser als der erste, aber irgendwie habe ich festgestellt, dass ich so meine Probleme damit habe, aus Mrs Lovetts Sicht zu schreiben-__-

Na ja wem irgendwelche Fehler oder komische Dinge im OS aufallen, kann sie mir gerne sagen^^
 

lg -Hakura

Szene: Am Meer

Eine kleine Szene nach einem alternativen Ende:
 

Sie standen beide da und blickten aufs weite blaue Meer hinaus. Die Sonne ließ es glitzern und in einem kräftigen Blau leuchten. Der Anblick entlockte Mrs Lovett ein glückliches Lächeln. Ach wie sehr hatte sie sich doch diesen Moment immer ausgemalt.

Verstohlen schaute sie zu Mr T. an ihrer Seite. Dieser starrte nur gedankenverloren auf das wunderschöne Gewässer. Es weckte schlimme Erinnerungen in ihm, die er wohl nie vergessen würde und doch… Zum ersten Mal seit so langer Zeit war da kein düsteres graues London sondern einfach nur das weite blaue Meer, Farbe.

Er wagte einen Blick zu Mrs Lovett neben sich, die vor Glück strahlte. Ein verbittertes Lächeln umspielte seinen Mund. Wenn diese Frau nicht gewesen wäre, stünde er jetzt zusammen mit Lucy und Johanna hier und würde das Meer betrachten. Doch das tat Sweeney nicht. Er stand zusammen mit der Frau hier, die ihm verschwiegen hatte, dass seine Lucy noch am Leben gewesen war und …Weiter konnte er nicht denken, Hass und eine Welle aus Trauer und Leere schlugen ihm entgegen. Unwillkürlich ballte er die Hand zur Faust.

Trotzdem es war die Frau, die alles für ihn tat und die die Gefahr in Kauf nahm, von ihm umgebracht zu werden, nur um in seiner Nähe sein zu können. Sie war es, die unermüdlich versuchte Farbe in sein karges trostloses Leben zu bringen und sie war es auch, mit der er sich auf der Flucht befand. Sie, Mrs Lovett, und nicht Lucy. Seine Lucy, die die Qual nicht länger ertragen und sich deswegen vergiftet hatte…

„Manchmal“, brummte Sweeney auf einmal, auf das Gelände gestützt und den Blick, ins Leere starrend, zu Boden gerichtet, „da träume ich von ihr…“ Neugierig beobachtete Mrs Lovett Mr T. von der Seite. Noch nie hatte er so von sich aus gesprochen! Ungehindert fuhr dieser fort: „Da ist Lucy und neben ihr steht Johanna. Sie sind umgeben von solch reinem hellem Licht. Beide winken mir lächelnd zu, doch es ist mir verwehrt, zu ihnen zu gehen. Johanna wirkt sehr glücklich und sie sieht ihrer Mutter so ähnlich… Lucy strahlt, wie ich es von ihr kannte. Es scheint ihr gut zu gehen. Sie muss glücklich sein da, wo sie jetzt ist…“

Weiter wollte Sweeney nicht sprechen. Mrs Lovett wusste, woran er dachte. Nie würde er dorthin kommen, wo seine geliebte Frau jetzt war, dafür waren seine Taten zu schrecklich.

Sweeney verstummte und regte sich nicht mehr. Zu schlimme Erinnerungen und Gedanken hielten ihn in seinem Innern gefangen. Einem Instinkt folgend, konnte Mrs Lovett nicht anders. Vorsichtig legte sie ihre Hand auf seinen Arm. Sweeneys Blick wanderte kurz zu ihr, sie schenkte ihm ein unsicheres Lächeln, dann senkte er ihn wieder zu Boden. Er ließ die Berührung geschehen.
 

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Infos gibt's im Steckbrief dazu.

Hoffe, sie hat jemandem gefallen^^

lg -Hakura

Vergangen

Nie hätte er geglaubt, jemals wieder dieses London zu sehen! Es hatte beinahe den Anschein, als läge etwas Fröhliches in der Luft und alles schien so hell und freundlich. Tief in seinem Innern spürte Sweeney die Verwirrung, wusste er doch, was sich hinter diesem trügerischen Schein verbarg. Und dennoch: Dieses London, wie er es einst gekannt hatte, konnte nur eins bedeuten! Längst vergessen geglaubte Gefühle stiegen in ihm auf, während er, wie von Geisterhand geführt, durch die Straßen der Großstadt ging. Er wusste nicht, welches sein Ziel war und wo es sich befinden würde, doch veranlasste die in ihm erweckte Freude bloß, dass er seine Schritte beschleunigte.

Je näher er seinem Ziel kam desto unruhiger wurde er. Eine freudige Aufregung nahm von ihm Besitz und eine Art Glücksgefühl durchströmte ihn, als er den Ort sah, an den ihn sein Weg geführt hatte. Es war der Hyde Park.

Langsam näherte sich der Barbier dem satten Grün, das im Licht der goldenen Sommersonne zu strahlen schien. Alles war so wunderschön, bezauberte ihn, wie es es einst getan hatte, vor langer Zeit…
 

Während er einen der Wege, die durch den Hyde Park führten, entlangging, stürmten Erinnerungen von einer glücklichen Zeit auf ihn ein, in der er zusammen mit Lucy denselben Weg entlanggegangen war. Wie sie es beide damals genossen hatten!

Nun wusste der Barbier, welches sein unbekanntes Ziel war. Von diesem Wissen angetrieben, konnte er es gar nicht mehr erwarten dieses zu erreichen. Denn tief in sich drin verspürte er die Gewissheit, was ihn an diesem Ort erwarten würde.

Und dann, endlich, nach einer halben Ewigkeit, wie es dem Barbier vorkam, erreichte er einen großen alten Baum, dessen dichtes Blätterdach einen weiten Teil der grünen Wiese mit Schatten bedeckte und so Schutz vor der prallen Mittagssonne bot.

Der Barbier musste nicht lange suchen. Nah am Stamm war eine weiße Picknickdecke ausgebreitet, auf der eine Frau mit wunderschönem, weizenblondem Haar saß, die ihm den Rücken gekehrt hatte. Er brauchte den ihm nur allzu vertrauten Kinderwagen neben der Decke nicht mehr sehen, um zu wissen, wer da vor ihm saß und bei dessen Anblick sein Herz höher schlug.

Er hatte sie gefunden! Er war zurückgekehrt, nach all den Jahren vergeblichen Hoffens und Träumens war er zu Frau und Kind zurückgekehrt!
 

Trotzdem zwang er sich zur Ruhe, um die letzten Meter, die ihn noch von seiner geliebten Lucy trennten, nicht einfach loszurennen. Stattdessen ging er bemüht ruhig auf seine Frau zu, um sie nicht zu erschrecken, den Blick unverwandt auf sie gerichtet, als handle sich alles um einen Traum, der sich in sekundenschnelle in Luft auflösen würde.

Schließlich stand nur noch ein lächerlicher Meter zwischen ihnen. Der Barbier blieb stehen und starrte verträumt auf seine Frau, die er geglaubt hatte, nie wieder sehen zu können. Er flüsterte bloß ein einziges Wort: „Lucy!“

Erschrocken drehte sich diese in die Richtung um, aus der sie ihren Namen vernommen hatte und sah in das Gesicht eines Fremden.

Für einen kurzen Moment herrschte Schweigen. Beide starrten sich an und der Barbier verspürte das Gefühl, Freudensprünge vor Glück vollführen zu müssen. Es war sie! Es war seine Lucy, die da vor ihm saß! Er schaute direkt in ihr engelsgleiches Gesicht, was er so sehr liebte und vermisst hatte, was ihn jedes Mal aufs Neue verzauberte. Doch in ihren grünen Augen, so erkannte der Barbier verwundert, spiegelten sich keine Anzeichen des Widererkennens.

„Wer sind Sie?“, fragte Lucy erstaunt und durchbrach somit das Schweigen, das zwischen ihnen geherrscht hatte.

Es waren bloß drei einfache Worte, die in der Stille hingen und seine Ohren erfüllten, wo sie wie ein Echo widerhallten und doch vermochten diese drei Worte alles, was der Barbier in dem Moment des Widersehens hatte sagen wollen, von seiner Zunge zu tilgen, einen schalen Geschmack zurücklassend.
 

Nun war er gänzlich verwirrt. Erkannte sie ihn etwa nicht wieder? Er war es doch! Er, …, ja, wer war er eigentlich? Hatte er selbst nicht gesagt Benjamin Barker sei tot? Aber als er an Sweeney Todd dachte, kam dieser ihm vor wie ein Fremder. Nein, er war nicht Sweeney Todd. Er konnte es gar nicht sein, so war er nicht!

„Ich bin es.“ Das waren die einzigen Worte, die ihm in seiner Verwirrung über die Lippen kamen.

„Ich verstehe nicht ganz“, entgegnete Lucy, die allmählich genauso verwirrt wurde. „Sie müssen sich täuschen, Sir. Ich bin mir sicher, hier liegt eine Verwechslung vor.“

Wie konnte sie so etwa sagen? Sie musste doch am besten wissen, wer er war! Verzweiflung begann, in dem Barbier zu wachsen. Er war so nah daran, endlich wieder mit seiner geliebten Frau glücklich vereint zu sein!

Gequält starrte er zu Lucy. Es war so wenig, was sie noch von einander trennte und trotzdem schien es so viel zu sein… Hatte er nicht all die Jahre lang diesen einen Moment herbeigesehnt, nur dafür gelebt, seine Familie wieder zu sehen? Sollte er sich das jetzt einfach so zerstören lassen?

Nein!
 

Von einer plötzlichen Gewissheit gepackt, sagte der Barbier: „Lucy, bitte sieh mich an! Ich bin es, dein Benjamin!“

Genau das tat sie auch und sah den fremden Mann, der vor ihr stand, genau ins Gesicht. Zu ihrer Verwirrung gesellte sich allmählich die Angst, als sie erwiderte: „Sie können nicht Benjamin sein. Mein geliebter Mann befindet sich in Australien.“

Aber er war doch zurückgekehrt! Er, Benjamin Barker, hatte es geschafft zu fliehen, um sie, seine Lucy, endlich wieder in den Armen halten zu können! Er konnte es nicht mehr ertragen, dass so wenig sie noch trennte. Er musste sie einfach spüren, sich vergewissern, seiner Frau gegenüber zu stehen.

Sehnsüchtig streckte er die Hand nach ihr aus und flüsterte: „Lucy, warum nur?“ Sie musste einfach verstehen, dass er Benjamin war! Doch hielt er mitten in der Bewegung inne, als Lucy plötzlich erschrocken aufsprang und vor ihm zurückwich.

„Bitte! Ich weiß nicht, wer Sie sind und kennen tue ich Sie gewiss nicht. Bitte, gehen Sie wieder!“

Nie hätte der Barbier gedacht, dass Worte so sehr schmerzen können, wie sie es in diesem Augenblick taten. Sein halb ausgestreckter Arm verharrte immer noch in der Luft, während er einen Schritt auf Lucy zumachte.

„Aber…“, protestierte er leise und wollte seine Hand gänzlich nach ihr ausstrecken. Da rief Lucy mit bebender Stimme: „Lassen Sie mich in Ruhe!“

Abermals stockte der Barbier mitten in der Bewegung, bis sein Blick plötzlich auf seine Hand fiel. Erschrocken zog er sie zurück. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen vor dem, was er da sah: Blut! Auf seiner Handfläche klebte Blut, fremdes Blut! Schnell ballte er die Hand zur Faust und sah wieder zu Lucy, die immer weiter vor ihm zurückgewichen war, Johanna dicht an sich gepresst.
 

Das konnte alles nicht wahr sein! Verzweifelt schritt der Barbier auf seine Frau zu, in der Hoffnung, sie möge ihn endlich wieder erkennen, statt ihn mit diesem angsterfüllten Blick, der mehr schmerzte als alles andere, anzusehen. Stattdessen rief sie jedoch: „Verschwinden Sie! Sie können nicht Benjamin sein!“

Und mit diesen Worten schlich sich langsam die bittere Erkenntnis in sein Bewusstsein. „Lucy! Bitte nicht“, flehte der Barbier mit qualvollem Gesicht. Doch es war zu spät. Es war aus.

Panik hatte von Lucy Besitz ergriffen. Sie kannte diesen fremden Mann nicht und wusste ebenso wenig, was er eigentlich von ihr wollte. Sie selbst wünschte sich nur noch eins: Dass er verschwand und sie in Ruhe ließ!

„Sehen Sie sich bloß an! Nie im Leben sind Sie mein Benjamin! Sie können es nicht sein! Niemals!“, schrie sie mit leichter Hysterie in der Stimme.

Diese Worte genügten. Es war, als würde der Barbier an ihnen zurückprallen. Verzweifelt rief er noch: „Aber Lucy, es bin doch immer noch ich! Siehst du das denn nicht?“ Doch Lucy war nun unerreichbar für ihn. Er hörte ein letztes „Nein!“ von ihr, dann glaubte, er zurückgestoßen zu werden und fiel, fiel immer tiefer. Alles um ihn herum zerbrach. Die ganze Welt schien in sich zusammenzufallen, die strahlenden Farben erloschen, wurden zu einem leblosen Grau. Der Barbier stürzte in eine Schwärze, aus der sich langsam ein vertrautes heruntergekommenes Zimmer löste. Vor ihm stand ein Spiegel, dessen Glas von Sprüngen zerteilt war. Und aus diesem zersprungenen Glas starrte ihm das Gesicht von Sweeney Todd entgegen.
 

Erschrocken fuhr Sweeney hoch. Ein Keuchen entrang seiner Kehle, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. Er fand sich in seinem Rasierstuhl wieder, in dem er, wie er verärgert feststellte, in der Nacht wohl eingeschlafen sein musste.

Wortlos erhob er sich und ließ seinen Blick durch den tristen Raum schweifen. Vielleicht sollte er mal auf Mrs Lovett hören und bei den ersten Anzeichen von Müdigkeit zu Bett gehen…

Und dennoch, all dies konnte Sweeney nicht von seinem Albtraum ablenken. Zu deutlich sah er die Bilder vor Augen, als dass er sie einfach hätte vergessen können.

Langsam ging er auf den Spiegel zu, dessen Glas von einem Spinnennetz aus Sprüngen überzogen war, und schaute hinein.

Ein grimmiger Zug umspielte Sweeneys Mund, als er in den Spiegel starrte. Er wusste nicht, wen er erwartete hatte zu sehen, denn welch törichter Hoffnung er sich auch in seinem Traum hingegeben hatte, so starrte ihn bloß sein eigenes Gesicht, das von Sweeney Todd, entgegen. Welches auch sonst?
 

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Hierzu muss ich noch ein paar Worte sagen: Diese Szene habe ich schon lange im Kopf gehabt. Man kann sagen, dass ich die richtig gelebt habe, als ich sie schrieb. Trotzdem bin ich vom Ergebnis nicht grade begeistert und habe den OS deswegen solange nicht hochladen wollen. Nur da er auch nicht besser wird, wenn er Ewigkeiten auf dem Computer rumgammelt habe ich den jetzt doch hochgeladen. Ich hoffe nur, dass es halbwegs verständlich ist, warum ich den Großteil über bloß "der Barbier" statt Sweeney oder Benjamin geschrieben habe.
 

lg -Hakura

Halloween I

Die ersten Auswüchse des Winters waren über London einher gefallen und hielten die Stadt fest in ihrem eiskalten Griff. Um sich gegen die Kälte zu wehren, entzündeten die bibbernden Einwohner behagliche, wärmende Kamin- und Ofenfeuer, deren dicke Rauchwolken von Schornsteinen in den düsteren Oktoberhimmel gespuckt wurden. Ruß lag in der Luft und legte sich über die Stadt, durch deren Straßen und Gassen undurchdringlicher Nebel kroch.

Schweigend sah der Barbier Sweeney Todd aus einem großen Fenster in das dicke Rauch und Nebelgemisch hinaus. Längst hatte auch die Kälte in seinen Barber Salon Einzug gehalten, doch beachtete er sie nicht. Während der finstere Blick seiner dunklen, ausdruckslosen Augen weiterhin auf einen unbestimmten Punkt ins Leere gerichtet war, hielten seine steifen Finger, aus denen jegliche Wärme gewichen zu schien, den ebenso kalten Griff des Rasiermessers fest umklammert. Im Stillen verfluchte er dieses unselige Wetter. Kaum eine Menschenseele wagte sich an solch einem Tag auf die Straße, geschweige denn dass sie auf den Gedanken kam einen Barbier aufzusuchen – womit sie ihn zur Untätigkeit verdammte. Sweeney blieb nichts anderes übrig, als zu warten. Zu warten, dass sich das Wetter besserte, zu warten, dass Kunden ihn aufsuchen würden, ja, selbst auf seine Rache musste er warten! Dabei hatte er lange genug gewartet. Fünfzehn lange Jahre hatte er mit Warten verbracht, bis er wieder zurückkehren konnte, nur um auch hier stillschweigend Däumchen drehen zu müssen, immer die unangenehme Wahrheit vor Augen, dass die Zeit seiner Rache noch nicht gekommen war.
 

Ein Klopfen und das darauf folgende leise Klingeln der Türglocke rissen ihn aus seinen Gedanken. In Sekundenschnelle hatte Sweeney sich vom Fenster abgewandt, eine höfliche Maske aufgesetzt und das Rasiermesser unbemerkt hinter dem Rücken verborgen. Es war jedoch kein Kunde, der seinen Barbier Salon betreten hatte, sondern Mrs Lovett. Wer auch sonst?

Sofort ließ Sweeney seine Maske wieder fallen und offenbarte unverhohlene Verärgerung über die unerwünschte Störung. „Was wollen Sie?“, brummte er bloß und schenkte erneut der Welt, die sich hinter dem Fenster verbarg, seine ungeteilte Aufmerksamkeit.

Ehe Mrs Lovett jedoch mit ihrem eigentlichen Anliegen herausrücken konnte, bemerkte sie die im Raum herrschende Kälte. „Hier ist es ja eiskalt“, rief sie aus, während ihr Atem zu weißen Wölkchen kondensierte, was ihre Aussage bloß noch unterstrich. Dann fiel ihr Blick auf den Ofen, der schon vor geraumer Zeit seinen Dienst versagt hatte, und seufzte. „Wäre es nicht besser, wenn Sie wenigstens Feuerholz nachlegen würden, statt untätig herumzustehen und Löcher in die Luft zu starren, Mr T?“

Sweeney beließ es bei einem einfachen Achselzucken und hob die Hand mit seinem Rasiermesser. Sofort beschlug die saubere Klinge, als sein warmer Atem auf das kalte Metall traf. Vielleicht hatte Mrs Lovett ja gar nicht mal so Unrecht, überlegte er, während er nachdenklich beobachtete, wie sie Feuerholz nachlegte und den Ofen wieder seinen eigentlichen Zweck erfüllen ließ. Dann erhob sie sich, strich ihr Kleid glatt und wandte sich wieder an Mr Todd: „Wollen Sie nicht Toby und mir unten in der Küche Gesellschaft leisten?“

„Nein.“

„Wenigstens so lange, bis es hier drinnen wärmer geworden ist“, fuhr Mrs Lovett unbeirrt fort, „Sie werden sich sonst noch den Tod holen!“

Dieses Mal wandte sich Sweeney gänzlich an die Frau und erwiderte kalt den Blick ihrer braunen Augen. Ein verächtliches Lächeln zuckte über seine Lippen, während er sagte: „Meine Liebe, ich habe schon weit Schlimmeres als den Tod in dieser verfluchten Welt überstanden.“

Ungerührt hielt Mrs Lovett seinem Blick stand und versuchte sich die Freude über seine Aufmerksamkeit nicht ansehen zu lassen. „Schön und gut“, entgegnete sie unbekümmert und zog die Augenbrauen hoch, die Augen auf die alten Bodendielen gerichtet, „aber was nützt es Ihnen, wenn Sie sich nun erkälten und letzten Endes ihrer Krankheit unterliegen…?“ Abwartend sah sie ihn an und wandte sich schließlich ab. „Falls Sie es sich anders überlegt haben sollten, können Sie gerne herunterkommen und uns Gesellschaft leisten. Ich muss mich jetzt wieder um das Geschäft kümmern.“
 

Nachdem Mrs Lovett gegangen war – dieses Mal über die innere Treppe – starrte Sweeney gedankenversunken auf die Stelle, wo sie gestanden hatte. Nun, da die im Raum herrschende Temperatur angesprochen worden war, konnte er sie nicht mehr ignorieren. Er spürte, wie die Kälte in seinen steifen Fingern zu piksen und zu stechen begann, bis diese von einem unangenehm brennenden Schmerz erfüllt waren. Er bemerkte die weißen Atemwölkchen, welche nach jedem Atemstoß für kurze Zeit in der Luft schwebten, und musste sich widerwillig eingestehen, dass Mrs Lovett Recht hatte. Es wäre tatsächlich besser, würde er sich in einem beheizten Raum aufhalten, statt sich in seinem Barbier Salon der Kälte auszusetzen und so das Risiko, eine Erkältung oder Schlimmeres zu bekommen, in Kauf zu nehmen. Denn das konnte er wahrlich nicht gebrauchen.

Ungeduldig ließ Sweeney noch ein wenig Zeit verstreichen, bis er seinen Starrsinn aufgab, das Geschäft für diesen Tag schloss und über die innere Treppe hinunter in die Küche ging. Wohlige Wärme schlug ihm dort entgegen, die sanft sein Gesicht umspielte und die Kälte aus seinen steifen Fingern vertrieb.

„Ah, da sind Sie ja, Mr T“, empfing ihn Mrs Lovett, kaum dass er eingetreten war und sah flüchtig von ihrer Arbeit auf. „Setzen Sie sich doch.“

Bedächtig kam Sweeney dieser Aufforderung nach und nahm an einem der Tische, die am weitesten von Mrs Lovett und Toby entfernt standen, Platz. Schon jetzt zweifelte er, ob es nicht besser gewesen wäre, wäre er oben in seinem Barbier Salon geblieben. Denn was sollte er hier unten auch? Die Antwort auf diese Frage war einfach und doch unerträglich: Warten.

Missmutig griff Sweeney nach seinem Rasiermesser und polierte es mit dem Tuch, das noch immer an seinem Gürtel hing. Dabei würde er es für diesen Tag, an dem die Kunden ausblieben, nicht mehr brauchen.
 

Während der Barbier in düstere Rachegedanken versunken, die beim Anblick der silbernen Klinge in ihm aufstiegen, sein Rasiermesser säuberte, war ein Kunde eingetreten.

„Guten Tag, Mrs Lovett!“, rief dieser überschwänglich und tippte sich zur Begrüßung kurz an seine Hutkrempe, dann fuhr er unbeschwert fort: „Schreckliches Wetter heute, nich‘ wahr? Da will man die gute Stube gar nich‘ verlassen. Aber bedauerlicherweise wartet ja noch die Arbeit auf einen, die sich nu‘ nich‘ von selbst erledigt. Doch was rede ich denn da? Ihnen dürfte es nich‘ anders ergehen.“

„Ja, da haben Sie Recht“, stimmte ihm Mrs Lovett mit einem höflichen Lächeln zu, nachdem sie seinen Redefluss schweigend über sich ergehen gelassen hatte. „Ich nehme an, Sie sind für eine Fleischpastete gekommen?“

„Ganz genau“, bestätigte Mr Harrison, während er sich seines Mantels entledigte, den er über die Stuhllehne hängte, und Platz nahm. Mit einem wohligen Seufzer setzte er auch schließlich seinen Hut ab und legte ihn vor sich auf die Tischplatte. „So eine warme Fleischpastete ist in der Hinsicht ‘ne wahre Wohltat nach langer Arbeit an einem so ungemütlichen Tag – ja, ja da ist sie.“

Zustimmend murmelte Mrs Lovett irgendetwas Unverständliches. Sie war das Geschwätz von Mr Harrison, einem ihrer Stammkunden, gewohnt. Währenddessen füllte sie in einer vertrauten Bewegung die letzte Fleischpastete und legte sie in den kleinen Ofen zu den anderen.

„Toby!“, rief sie, als sie sich wieder aufrichtete. „Kümmere dich doch bitte um unseren Kunden, solange ich frische, warme Pasteten holen gehe.“
 

Ausdrucklos sah Sweeney ihr nach. An diesem Tag gab es kein frisches Fleisch für sie, um das es sich zu kümmern galt und dennoch lief ihr Geschäft gut. Tatsächlich trug das schlechte Wetter sogar noch dazu bei, wie sich der Barbier missmutig bewusst wurde, denn wer hatte bei dieser Kälte auch schon etwas gegen einen warme Pastete einzuwenden?

„Möchten Sie auch etwas Gin, Sir?“

Tobys Stimme riss ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. Schweigend nickte Sweeney und sah dem Jungen dabei zu, wie er ihm ein Glas Gin einschenkte. Noch immer verhielt sich Toby ihm gegenüber äußerst höflich und zurückhaltend, woran sich Sweeney keineswegs störte. Im Gegenteil. Es war ihm sogar ganz recht, nicht mit dieser Zuneigung bedacht zu werden, die der Junge für Mrs Lovett aufbrachte. Sollte sie ihn doch am Hals haben, er konnte das jedenfalls nicht gebrauchen.

Nachdenklich nahm Sweeney einen Schluck Gin und beobachtete Toby, wie dieser sich wieder an seinen Tisch setzte, nachdem er sich um Mr Harrison gekümmert hatte. Dort griff er nach einem Messer und fing damit an, etwas in eine Rübe zu schnitzen.

Auch Mr Harrison war diese Tätigkeit nicht entgangen. Neugierig wandte er sich an den Jungen und fragte: „Was machst du denn da?“

Ehe Toby jedoch antworten konnte, schien ihm ein Licht aufzugehen und sein anfängliches Interesse wich im Nu bloßer Missbilligung. „Ist das nich’ für diesen Aberglaube?“

„Ja, ganz genau, Sir“, bestätigte Toby, während er ein weiteres Auge in Form eines Dreiecks in die Rübe schnitzte. „Morgen ist Halloween und um die Geister der Verstorbenen …“

„Papperlapapp!“, unterbrach Mr Harrison ihn unsanft. „Das ist nichts weiter als Unfug, den du da erzählst, jawohl! Soweit mir bekannt ist, ist das lediglich ‘n Brauch, den diese verdammten Iren feiern und wir, als gute englische Bürger, sollten nich‘ so einen Unfug von irgendwelchen räudigen Heiden übernehmen!“

„Das ist natürlich ein wahres Wort, Sir“, murmelte Toby höflich und schien sich vor den überzeugten Blicken des Kunden hinter seiner Rübe verstecken zu wollen.

Sweeney hingegen musterte den Mann bloß mit unverhohlener Verachtung. Er hatte in den letzten Jahren genug erlebt und am eigenen Leib erfahren müssen, dass es keine Rolle spielte, ob man nun Ire oder Engländer war, denn letzten Endes waren sie alle miteinander gleich – ein jeder von ihnen verdiente zu sterben.
 

Mr Harrison, der Mr Todd erst in diesem Moment bemerkte, wandte sich um Zustimmung heischend an den Barbier. „Sie teilen doch gewiss meine Meinung, nich‘ wahr?“

Sweeneys Griff wurde fester. Das harte Metall seines Rasiermessers grub sich in seine Handfläche und seine Fingerknöchel traten weiß hervor, während er den Blick des Kunden kalt erwiderte. Er nahm es mit größtem Bedauern zur Kenntnis, dass dieser zu den Stammkunden Mrs Lovetts gehörte. Sein Verschwinden wäre auffällig. Und dennoch wünschte er in diesem Moment nichts sehnlicher, als ihm eine Rasur anzubieten. Eine kostenlose verstand sich, denn nichts anderes hatte er verdient.

Ein künstliches Lächeln zuckte über Sweeneys Gesicht. „Wenn Sie das sagen…“, erwiderte er. Dabei ruhten seine dunklen Augen unverwandt auf dem Kragen des Kunden. Ein gefährlicher Funke glomm in ihnen. Wäre es wirklich auffällig, würde Mr Harrison verschwinden? Gedankenversunken ließ er sein Rasiermesser aufklappen. Ein paar Worte nur, ein lächerliches Angebot und dieser widerliche Mensch wäre tot.
 

Plötzlich ertönte ein lautes Poltern. Mit einem Mal befand sich eine große Rübe mitten in Sweeney Gesichtsfeld und riss ihn unsanft aus seinen Gedanken. Aufgeschreckt blickte Sweeney auf, direkt auf Mrs Lovett, die sich vor ihm hingestellt hatte, die Hände in die Hüfte gestemmt. „Es freut mich sehr, dass auch Sie Interesse daran haben, eine Jack O‘ Laterne zu machen, Mr Todd. Ich würde Ihnen aber raten, statt ihres Rasiermessers ein normales Küchenmesser zu benutzen – das wäre sicherlich besser. Meinen Sie nicht auch?“

Eindringlich suchte ihr Blick den seinen. Sie hatte seine Absichten durchschaut und versuchte nun, diese mit solchen Nichtigkeiten zu vereiteln. Das gefiel Sweeney nicht. Noch weniger aber gefiel ihm, dass sie ihn so auch noch länger in der Küche behielt. Eigentlich hätte er einfach gehen können, zurück in seinen Barbier Salon, der mittlerweile warm genug sein sollte, doch tat er es nicht. Er blieb schweigend sitzen und erwiderte verärgert Mrs Lovetts Blick. Vielleicht blieb er ja, weil er in dem heruntergekommenen Raum der Untätigkeit ausgesetzt gewesen wäre…

Dann erhob Sweeney sich.

„Sie haben Recht“, meinte er an Mrs Lovett gewandt. Trotzdem legte er sein Rasiermesser nicht beiseite, sondern hielt es weiterhin fest umklammert in seiner rechten Hand, als er an ihr vorbei auf die Ablage zu ging. „Ein Küchenmesser würde sich dafür wesentlich besser eignen.“

„Sie schenken doch nicht etwa diesem Aberglauben Beachtung?“, mischte sich auf einmal Mr Harrison missbilligend ein, den Blick zweifelnd auf den Barbier gerichtet.

„Wieso nicht?“, entgegnete Sweeney, während er beiläufig nach dem Beil auf der Ablage griff und es gedankenverloren betrachtete. „Denn wer weiß schon, welch übel gesinnter Geist eines Verstorbenen einen heimsuchen könnte… Da könnte solch ein Schutz wahrhaft nützlich sein. Finden Sie nicht auch?“ Bei den letzten Worten hatte sich Sweeney mit einem unheilverkündenden Lächeln an den Kunden gewandt.
 

Mrs Lovett, die das Geschehen skeptisch beobachtet hatte, lief unwillkürlich ein Schauer über den Rücken bei der Doppeldeutigkeit von Mr Todds Worten. Instinktiv griff sie ein, ging zu dem Barbier und entwendete ihm sanft aber bestimmt das Hackebeil. „Mr T“, flüsterte sie mit einem warnenden Unterton in der Stimme und fügte im selben Atemzug laut hinzu: „Hier haben Sie ein sauberes Küchenmesser“, und drückte es ihm in die Hand.

Danach wandte sie sich hastig an Mr Harrison, der allem Anschein nach nichts von alldem mitbekommen hatte und nun zu einer Erwiderung ansetzen wollte. Eilig setzte sie ihm endlich seine warme Fleischpastete vor, womit sie ihn auf andere Gedanken brachte. „Hier bitteschön, ihre warme Pastete. Ich wünsche einen guten Appetit.“

„Ah, vielen Dank Mrs Lovett“, sagte Mr Harrison erfreut und sog genießerisch den Duft der frisch gebackenen Fleischpastete ein. „Sie wissen wahrhaftig, wie man die besten Pasteten ganz Londons macht. Hach da fällt mir ein, neulich, da…“

Während Mrs Lovett weiterhin mit ihrem Kunden plauderte, um ihn ja von dem Thema Halloween abzulenken, wandte sich Sweeney missmutig vom Geschehen ab. Er war ihr ständiges Eingreifen leid, nur waren ihm in diesem Augenblick die Hände gebunden – sehr zu seinem Bedauern. Nachdenklich drehte er das Küchenmesser in seiner Hand und setzte sich zurück an seinen Platz. Dabei fiel sein Blick unweigerlich auf die große Rübe, welche sicherlich die Hälfte seines Blickfelds einnehmen musste; als wollte sie ihn verhöhnen, dass er sich zu einer solch lächerlichen Tätigkeit hatte hinreißen lassen. Eigentlich hatte Mr Harrison gar nicht mal so Unrecht. Halloween war purer Aberglaube! Und ausgerechnet damit hatte Mrs Lovett es geschafft, ihm ihre Gesellschaft aufzuzwingen.

Verärgert holte Sweeney aus und stach in die Rübe. Anstatt sich jedoch darum zu kümmern, was für eine Fratze er hätte hinein schnitzen können, wanderte sein Blick über die Rübe hinweg zu Mr Harrsion und Mrs Lovett. Noch immer waren beide in einen Plausch vertieft, dessen einziger Zweck es war, einen möglichen Tod von Mr Harrison zu verhindern.

Schweigend beobachtete Sweeney sie eine Weile lang, dann schenkte er der Rübe seine Aufmerksamkeit und ritzte lustlos mit dem Küchenmesser eine grausige Grimasse hinein, die er – je mehr Zeit verstrich – immer mehr entstellte.
 

Irgendwann war Mr Harrison gegangen, weitere Kunden bedient und Sweeneys Geduld endgültig erschöpft. Mrs Lovett schloss gerade das Geschäft, als er sich geräuschvoll erhob. Von dem Geräusch aufgeschreckt, drehte sie sich in seine Richtung.

„Mr T, Sie gehen schon?“

Wortlos starrte er sie an. Sein Blick sprach Bände. Dann wandte er sich ab.

„Ihnen ist doch hoffentlich bewusst, dass Sie Mr Harrison unmöglich hätten umbringen können“, erwiderte Mrs Lovett trocken, wobei sie jedoch darauf achtete so leise zu reden, dass Toby nichts von ihrem Gespräch mitbekam. Sie konnte sich denken, was für ein Anlass Sweeneys miserable Laune noch weiter verschlechtert hatte.

„Er hätte es verdient…“

„Das mag ja sein“, fuhr Mrs Lovett unbeirrt fort, „dennoch wäre sein Verschwinden viel zu auffällig gewesen…“

Eine kurze Pause trat ein, in der beide die Folgen einer solch unbedachten Tat vor Augen hatten, bis Mrs Lovett erneut die Stille durchbrach: „Und Sie wollen wirklich nicht bleiben, Mr T? Sie könnten doch noch eine zweite Jack O‘ Laterne machen. Bei all den übelgesinnten Verstorbenen an Halloween werden Sie mehrere sicher gut gebrauchen können.“

„Halloween also“, brummte Sweeney lakonisch und schnaubte verächtlich. „Ich hätte nicht erwartet, dass Sie sich solchem Aberglauben hingeben, meine Gute.“

„Ein Kunde hat mich vor wenigen Tagen darauf angesprochen und ich dachte mir, dass sich das alles durchaus interessant anhörte – zum Vergnügen versteht sich“, erklärte Mrs Lovett, als müsste sie sich rechtfertigen. Bloß wofür? Es war jedoch ohnehin vergebens gewesen. Sweeney hatte längst nicht mehr zugehört, sondern war zur Treppe gegangen, hinauf in seinen Barbier Salon.
 

Seufzend ließ Mrs Lovett ihren Blick auf der Stelle ruhen, wo Mr Todd kurz zuvor noch gestanden hatte und sah sich schließlich in der Küche um, bis sie auf die Rübe aufmerksam wurde, die sie dem Barbier in einem verzweifelten Versuch, ihn von seinen Mordgedanken abzubringen, vor die Nase gestellt hatte. Mit unterdrückter Neugierde ging sie zu dem Tisch und betrachtete Mr Todds Werk. Es war ein Werk der Zerstörung.

Ein Anflug von Unbehagen beschlich Mrs Lovett beim Anblick der völlig zugrunde gerichteten Grimasse. Drückte diese schon, anders als bei denen von Toby, abgrundtiefe Boshaftigkeit aus, so waren es die zusätzlichen Schnitzer, welche all das noch betonten und dem Ganzen die schaurige Note verliehen. Es war nämlich nicht willkürliche Zerstörung, die sich darin abzeichnete, sondern sie war beabsichtigt und machte es erst beängstigend…
 

Sweeney indessen kehrte missgelaunt in seinen Barbier Salon zurück, in dem nun wieder eine angenehme Wärme herrschte. Dem Barbier war das jedoch egal. Ohne dieser auch nur die geringste Beachtung zu schenken, ließ er sich in seinen Rasierstuhl fallen. Wäre es anders gekommen, säße jetzt Mr Harrison an seiner Stelle!

Für einen kurzen Moment hielt Sweeney in seinem Denken inne. Ein Plan war diesem einen Gedanken gefolgt, den er noch nicht gänzlich zu fassen vermochte. Und dann schien es, als breche ein Damm ein. Plötzlich schlugen all die belanglosen Gedanken, welche er sonst immer zurückgedrängt hatte, über ihn zusammen. Unruhig zuckten seine Augen hin und her, durchstreiften den heruntergekommenen Raum, auf der Suche nach etwas ganz Bestimmten, während sich allmählich entscheidende Worte aus dem Chaos in seinem Kopf lösten: Mr Harrison … Tod … Mrs Lovett … Verstorbene … - … Halloween…

Sweeneys Blick blieb an den alten Bodendielen hängen. Ein zufriedenes Grinsen huschte über sein Gesicht. Er hatte den Plan gefasst.

Halloween II

Der zweite Teil ist dann doch länger und gänzlich anders verlaufen als gedacht. Deswegen entschuldige ich mich schon einmal im Voraus, dass er wahrscheinlich bei weitem nicht so "gut" ist wie der erste Teil... :(

Und jetzt trotzdem viel Spaß beim Lesen :)
 

~*~
 

Der nächste Tag nahm einen guten Anfang für Sweeney. Zwei Kunden hatten ihn trotz der noch immer herrschenden Kälte aufgesucht – einer von ihnen weilte nicht mehr unter den Lebenden. Seine Stimmung war dadurch nicht gänzlich miserabel und ein Anflug von Bedauern beschlich ihn, als er schließlich sein Geschäft für den Moment schloss. Er musste an diesem Tag noch zum Markt und jetzt war leider die beste Gelegenheit dafür. Also holte er seine Tasche hervor, ging die alte Holztreppe hinunter und schlug den Weg in Richtung Markt ein. Weit sollte er aber nicht kommen.

Er war gerade durch das kleine Tor und noch nicht ganz am Pastetengeschäft vorbei gelaufen, da trat Mrs Lovett aus diesem heraus. Schnell lief Sweeney weiter, ohne auch nur die winzigste Regung zu zeigen, dass er sie bemerkt hatte.

Mrs Lovett ließ sich davon jedoch nicht abhalten. „Mr Todd“, rief sie ihm hinterher, „wo wollen Sie hin?“ Es überraschte sie, dass er einen Fuß vor die Tür setzte.

Einen Moment lang spielte Sweeney mit dem Gedanken, einfach weiterzugehen, verwarf ihn aber sogleich wieder, da er sich der Folgen, die dies mit sich brachte, nicht sicher sein konnte. Nein, am besten war es zu diesem Zeitpunkt tatsächlich, diese Frau irgendwie zufrieden zu stellen, weshalb er sich ihr zuwandte und knapp erwiderte: „Zum Markt.“

Sofort sah Mrs Lovett ihre Chance, etwas zusammen mit Mr Todd unternehmen zu können – und wenn es nur ein Markteinkauf war, denn in diesem Fall handelte er von sich aus, was das Ganze erheblich einfacher für sie gestaltete.

„Das ist eine hervorragende Idee, Mr T! Da wollte ich heute sowieso noch hin“, meinte sie schnell, wobei sie Mr Todd gar nicht erst zu Worten kommen ließ. „Warten Sie doch hier auf mich, ich bin sofort fertig.“ Und damit war Mrs Lovett wieder in ihrem Geschäft verschwunden.

Etwas überrumpelten blickte Sweeney ihr hinterher. Ihm schwante Übles, denn genau das konnte er nun wahrlich nicht gebrauchen: Eine ihn begleitende Mrs Lovett. Ärger stieg in ihm über die Frau auf. Sie würde noch seinen ganzen Plan ruinieren! Am liebsten wäre er einfach weitergegangen, hätte Mrs Lovett zurückgelassen und sich in aller Ruhe auf dem Markt umgesehen. Doch er wusste, dass dies nur weitere Probleme mit sich brächte. Denn würde er sich jetzt einfach auf den Weg machen, bestünde die Gefahr, dass Mrs Lovett trotz alledem zum Markt gehen und ihn dort überraschen würde. So blieb ihm wie so oft nichts anderes übrig als zu warten.
 

Es dauerte nicht lange, da kam Mrs Lovett mit einem Korb in der Hand wieder aus ihrem Geschäft heraus. Bevor sie jedoch irgendetwas sagen konnte, erklärte Sweeney nachdrücklich: „Ich gehe allein zum Markt!“

Von der Schärfe in seinen Worten überrascht, sah sie ihn an und erkannte den unverhohlenen Ärger in seinen Augen lodern. Doch wollte sie sich davon nicht abschrecken lassen – nicht jetzt, da die Chance, gemeinsam mit Mr Todd zum Markt zu gehen, zum Greifen nah war!

„Warum wollen Sie da alleine hin?“, wollte Mrs Lovett wissen, darum bemüht, die Enttäuschung aus ihrer Stimme zu verbannen. Sie würde es schon schaffen, ihn zu begleiten. „Schließlich spricht nichts dagegen, wenn ich Sie begleiten würde.“

Zwei Steile Falten bildeten sich zwischen seinen Augenbrauen, als Sweeney die Bäckerin beinahe schon zornig anstarrte. Sie würde alles vermasseln! Aber er war nicht bereit, dies einfach geschehen zu lassen – oh nein, das war er nicht.

„Das geht sie nicht das Geringste an“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und versuchte angestrengt die auflodernde Wut im Zaum zu halten. „Ich werde dort lediglich ein paar Einkäufe tätigen, Sie aber sollten sich lieber um ihr Geschäft kümmern, denn wie mir scheint, läuft es derzeit äußerst gut, da wäre es Verschwendung, würden Sie das nicht nutzen, nur um mich stattdessen auf dem Markt zu begleiten“, meinte er tonlos und hörte sich anschließend zähneknirschend an, welche Einkäufe Mrs Lovett noch tätigen wollte. Er konnte von Glück reden, dass es nicht allzu viel war, weshalb es seinen Plan nicht zu Schaden kommen würde.

Und dann, endlich, war alles geklärt und während die Bäckerin in ihr Geschäft zurückkehrte, machte sich Sweeney grimmig auf den Weg zum Markt.
 

„Mrs Lovett! Mrs Lovett!“

Müde schlug diese die Augen auf und spähte verschlafen blinzelnd in die Dunkelheit. Es dauerte einen Moment, bis ihr bewusst wurde, dass es Tobys helle Stimme gewesen war, die sie aus ihrem erholsamen Schlaf gerissen hatte. Doch, was wollte der Junge bloß zu dieser späten Stunde von ihr? Es war mitten in der Nacht!

„Was ist denn los?“, murmelte Mrs Lovett schlaftrunken und vergrub den Kopf wieder ins Kissen. Sie wollte schlafen. Der Tag war anstrengend gewesen und auch der kommende sollte nicht anders verlaufen – da konnte sie jedes bisschen Ruhe nur zu gut gebrauchen.

„I-Im Keller“, stieß Toby völlig aufgebracht hervor, „d-da, da … da ist irgendetwas!“

„Was soll denn da sein?“, wunderte sich Mrs Lovett. Als sie die Angst in Tobys Stimme hörte, wusste sie, dass sie keine Ruhe mehr zum Schlafen finden würde. So wie er sich benahm, musste da tatsächlich irgendetwas sein – denn ansonsten hätte er sie niemals mit solcher Grobheit aus dem Schlaf gerissen.

Ein warmes Licht flammte auf und während Toby eine Kerze in seiner zittrigen Hand entzündete, erklärte er: „Ich…ich versuchte gerade zu schlafen, da hörte ich es. Erst war es ein Scheppern und Poltern, d-dann hörte es sich wie stampfende Schritte an und schließlich ertönte ein Knarren und Klopfen aus dem Keller. Mrs Lovett – Mum – bitte, Sie müssen mir glauben!“

Ein Blick in die weitaufgerissenen Augen, in denen sich maßlose Furcht widerspiegelte, genügte Mrs Lovett, um ihm zumindest die Sache mit den Geräuschen zu glauben. Wovon diese allerdings herrühren mochten, konnte sie sich nicht erklären. Der Keller jedoch erschien ihr ein äußerst abwegiger Ort, denn wodurch – und vor allem durch wen – sollten dort unten derlei Geräusche entstehen?

„Vielleicht hast du einfach nur schlecht geschlafen“, versuchte Mrs Lovett den Jungen zu beruhigen. Dieser aber schüttelte vehement den Kopf. Nein, das war nicht bloß einem Traum entsprungen, was er da gehört hatte.
 

Mrs Lovett seufzte. Sie wusste, schlafen würde sie nun ohnehin nicht mehr können, also konnte sie auch gleich nachsehen gehen, was es war, das Toby solche Angst bereitete. Und wer wusste schon, ob nicht doch ein Bettler oder dergleichen es geschafft hatte, über die Kanalisation in den Keller zu gelangen.

„Gut“, sagte sie schließlich mit einem nachsichtigen Lächeln an Toby gewandt. „Ich werde nachsehen gehen, was es ist, das dich nicht schlafen lässt. Bestimmt hört es sich erschreckender an, als es tatsächlich ist. Du kannst ja schon einmal vorgehen, ich werde mir nur eben noch etwas Ordentliches anziehen.“

Toby zögerte, ehe er langsam nickte. „Ich … warte dann in der Küche auf Sie“, murmelte er und verließ widerwillig das Zimmer.

Während sich Mrs Lovett eilig ihr Kleid anzog, kam ihr plötzlich ein anderer Gedanke: Was war mit Mr Todd? Sollte sie ihn vielleicht wecken? Wenn im Keller jemand war, würde sie selbst wohl kaum etwas ausrichten können. Aber sie wusste ja noch gar nicht, ob da überhaupt etwas im Keller war. Nachdenklich zupfte sie an einem Ärmel ihres Kleides. Wahrscheinlich hatte Toby irgendwelche Albträume gehabt, die durch Halloween lediglich mehr beeinflusst worden waren. Ja, das musste es sein.

Von diesem Gedanken bestärkt, trat sie aus dem Zimmer und ging in die Küche. Grinsende Fratzen leuchteten ihr aus der Dunkelheit entgegen und tauchten zusammen mit dem diffusen Schein der Gaslaternen, der von der Straße durch die Fenster drang, den Raum in ein dämmriges Licht.

„Toby?“, flüsterte Mrs Lovett.

Keine Antwort.

„Toby?“, fragte sie erneut, dieses Mal etwas lauter. Suchend sah sie sich nach seiner Gestalt um, konnte sie jedoch nirgends entdecken. Wo steckte der Junge bloß? Unruhe begann sich in ihr zu regen. Vielleicht war er ja ins Wohnzimmer gegangen.
 

Doch als Mrs Lovett nachsah, konnte sie ihn auch dort nicht finden. Es fiel ihr mit einem Mal schwer, die aufkeimende Unruhe zu unterdrücken. Was, wenn etwas passiert war? Bloß, was sollte schon passiert sein? Verärgert schüttelte Mrs Lovett den Kopf. Jetzt fing sie auch noch damit an! Nein, Toby hielt sich bestimmt woanders auf.

„Toby, wo steckst du?“, rief sie und ging zurück in den Flur, wo sie unschlüssig stehen blieb. „Toby!“ Mittlerweile war es ihr gleichgültig, ob sie Mr Todd dadurch weckte. Mr Todd…! Mrs Lovett sah zur Treppe, die zum Barbier Salon hinaufführte. Ob Toby vielleicht …? Schnell verwarf sie diesen abwegigen Gedanken wieder. Ihr war nicht entgangen, wie verhalten sich der Junge immer in der Nähe des Barbiers benahm.

Plötzlich ertönte ein lautes Poltern. Erschrocken fuhr Mrs Lovett zusammen und lauschte mit angehaltenem Atem in die darauf folgende Stille hinein, immer damit rechnend, ein weiteres Geräusch zu hören. Es blieb jedoch aus.

Allmählich beruhigte sie sich wieder und fragte sich, ob ihre überstrapazierten Nerven ihr nicht einen Streich gespielt hatten. Doch sie wusste, dass dies nichts weiter als eine feige Ausrede war. Sie sollte vielmehr überlegen, woher das Geräusch gekommen war.

Einem Impuls folgend, lief Mrs Lovett erneut in die Küche. Vielleicht hatte Toby irgendetwas versehentlich umgeworfen.

„Toby?!“

Geräuschlosigkeit antwortete ihr. Nichts rührte sich. Wieder blickte sich Mrs Lovett suchend um, dreht sich um sich selbst und spähte vergeblich in den dämmrigen Schein, der die Küche erfüllte. Die Unruhe hatte sie mit einem Mal gänzlich gepackt. Das widersinnige Gefühl, beobachtet zu werden beschlich sie,

doch starrten ihr einzig und allein die flackernden Grimassen der Rüben entgegen. Warum hatte sie die Kerzen überhaupt brennen lassen? Mrs Lovett bereute diese Tat allmählich.

BUMM!

Erschrocken wirbelte Mrs Lovett herum. Ihr Herz raste, als ihr Blick wild durch die Küche irrte. „Toby!“, rief sie wieder. Sie bemerkte nicht, wie ihre Stimme einen schrillen Klang annahm. Dennoch war ihr bewusst, dass es vergebens war, auf eine Antwort zu warten. In der Küche war niemand, auch das Geräusch hatte einen anderen Ursprung.

Wieder zerriss ein Getöse die Stille und bestätigte ihre Vermutung. Der Lärm drang aus dem Keller!
 

Leise schlich Mrs Lovett in den Flur zurück, den starren Blick der Fratzen im Rücken. Längst war ihre Unruhe lähmender Angst gewichen. Unsicher stand sie am Rand der Treppe und blickte hinab in die gähnende Dunkelheit, die sich vor ihr auftat. Es kam ihr vor, als würde sie in einen alles verschlingenden Schlund aus Finsternis blicken.

Sollte sie vielleicht doch lieber Mr Todd holen? Bevor sie sich jedoch genauer mit dem Gedanken auseinandersetzen konnte, drang ein gedämpfter Schrei hinter der schweren Kellertür hervor. Toby!, schoss es Mrs Lovett entsetzt durch den Kopf und ehe sie weiter zaudern konnte, bewegten sich ihre Beine wie von selbst, setzen einen Fuß vor den anderen.

„Toby?“, wisperte Mrs Lovett mit rauer Stimme vorsichtig. Natürlich wusste sie, dass es sinnlos war, weiterhin nach dem Jungen zu rufen, doch gab der Klang ihrer eigenen Stimme ihr Mut.

Plötzlich hielt sie mitten in der Bewegung inne und starrte mit vor Schreck geweiteten Augen auf die Kellertür, die sich quietschend einen Spalt breit öffnete. Licht drang durch diesen in die Finsternis, schwaches glutrotes Licht.

Sie sollte umkehren, Mr Todd zu Hilfe holen, das war Mrs Lovett mittlerweile klar. Sie hatte nicht einmal eine Waffe oder irgendetwas anderes bei sich, mit dem sie sich im Notfall verteidigen konnte. Und trotzdem lief sie wie hypnotisiert weiter und spähte vorsichtig durch den schmalen Spalt.

„Toby!“, entfuhr es ihr beinahe panisch und bevor sie einen weiteren Gedanken verschwenden konnte, hatte sie die Tür aufgestoßen und war zu dem Jungen geeilt. Verwirrt hob dieser den Kopf und drehte ihn suchen hin und her. Seine Augen waren mit einem alten, schmierigen Lappen verbunden und seine Hände und Füße gefesselt.

„Mrs Lovett, Mum?“, flüsterte seine zittrige Stimme.

„Schhh“, beruhigte Mrs Lovett ihn. „Es ist alles gut.“

Schnell machte sie sich daran, den Knoten zu lösen, als sie plötzlich schmerzhaft nach hinten gezogen wurde. Dunkelheit brach über sie herein, während etwas Nasses, Kaltes über ihr Gesicht lief.
 

Sie schrie. Panische Angst überfiel sie mit einem Mal, hielt sie fest in ihrem zermalmenden Griff, nicht bereit, wieder von ihr abzulassen.

Mrs Lovett hörte Tobys panische Rufe, hörte, wie er verzweifelt nach ihr rief – und dabei waren sie bloß wenige Meter voneinander entfernt! – und konnte doch nicht antworten. Ihr Schrei, so schien es, hatte ihr jeglichen Atem geraubt und die furchtbare Angst schnürte ihr die Kehle zu, sodass es ihr unmöglich war, einen Laut hervorzubringen. Ihr Atem ging stoßweise, als sie sich vorsichtig bewegte, herauszufinden versuchte, was geschehen war. Angestrengt lauschte sie in die plötzliche Stille und spürte, wie das nasse, kalte Etwas über ihren Augen nach hinten gezogen wurde. Beinahe wäre sie gestolpert, doch ein erneutes Zerren verhinderte dies.

„Was um al-…“, entfuhr es Mrs Lovett, die allmählich ihre Stimme wiedergefunden hatte und brach abrupt ab. Ein entsetztes Aufkeuchen ertönte ganz in ihrer Nähe.

„Aber was machen Sie d-… grmblf“, hörte sie Tobys helle Stimme, die mit einem Mal in einen erstickten Laut überging.

„Toby?“ Die Panik, die in diesem Wort mitschwang, konnte Mrs Lovett nicht mehr unterdrücken.

Sie erhielt keine Antwort. Stattdessen folgten weitere würgende Laute. Ein heftiger Ruck ging durch das Etwas, das ihr die Sicht nahm, und zog sie mit sich. Dann durchbrach ein lauter Knall die Stille, in dem sich ein angsterfüllter Schrei mischte.

„Mrs Lovett! Mrs Lovett!“

Dumpfe Laute folgten, als würde jemand gegen die Kellertür hämmern. Und mit plötzlicher Klarheit erkannte Mrs Lovett, dass ihr Schicksal besiegelt war. Es gab kein Entrinnen mehr aus dem Keller.
 

Regungslos blieb sie stehen. Noch immer hallten die markerschütternden Schreie des Jungen in ihren Ohren wider. Allmählich verstummte das heftige Trommeln gegen die schwere Eisentür und auch Tobys Rufe wurden schwächer.

Stille erfüllte nun wieder den Keller, lediglich durchbrochen vom gelegentlichen Knistern des Ofenfeuers. Mrs Lovett stutzte. Wie konnte das Feuer entfacht sein? Sie selbst hatte es gelöscht, bevor sie schlafen gegangen war!

Eine dunkle Vorahnung regte sich in Mrs Lovett und mit ihr erwachte so etwas wie Widerstand. Sie würde nicht tatenlos abwarten, was als nächstes passierte! Langsam schloss sie die Augen, um sich besser konzentrieren zu können, und begann zu zählen.
 

1…

2…

3…

Ein Scharren ertönte, als ob jemand seine Schuhsohle über den Boden gezogen - seinen Standpunkt verändert hätte.

4…

5…

Stoff raschelte.

6…

7…

8…

Mrs Lovett kam es vor, als könnte sie die Nähe des Unbekannten spüren … eine vertraute Nähe.

9…

10!
 

Mit aller Macht warf sich Mrs Lovett nach hinten. Anstatt jedoch gegen etwas zu prallen, wie sie es erwartet hatte, fiel sie ins Leere. Eiskalte Hände fingen den Sturz ab, bevor sie den Boden berühren konnte und richteten sie wieder auf.

Der Schrecken über diese ungeplante Wende ihres Vorhabens, ja, über den bisherigen Verlauf dieser Nacht hatte Mrs Lovett fest im Griff. Sie bemerkte noch nicht einmal, dass sich der nasse Lappen, mit dem ihre Augen verdeckt gewesen waren, gelöst hatte. Wie gebannt starrte sie auf den Anblick, der sich ihr bot. Die langen, kühlen Finger, die schmerzhaft ihr Genick umklammerten, waren bedeutungslos, ebenso wie ihr Vorhaben, sich umzudrehen und zu vergewissern, dass es tatsächlich der Barbier war, der hier sein Unwesen trieb, mit einem Mal vergessen war. Einzig und das Bild vor ihren Augen zählte.

Glutrotes Licht fiel durch die Gitterstäbe der eisernen Ofentür, tastete sich vorsichtig durch die Dunkelheit und beschien einen kleinen Flecken des schmutzigen Kellerbodens. Statt den Raum aber zu erhellen, erfüllte es ihn bloß mit einem schwachen dämmrigen Schein, der mehr Schatten aufwarf, als dass er sie vertrieb. In den tiefen Schatten jedoch leuchteten boshafte, angsteinflößende Fratzen, die mit grauenvoller Genugtuung zu offenbaren schienen, was die undurchdringliche Finsternis hinter dem Ofen hätte verbergen sollen. Die Überreste all jener unglückseligen Kunden, die Sweeney Todd, nichts ahnend von dem schrecklichen Schicksal, das sie durch diese Entscheidung ereilen würde, aufgesucht hatten.

Nun lagen sie da auf dem harten Kellerboden, die Knochen oftmals vom Sturz zerschmettert und das Fleisch offengelegt. All die unbrauchbaren Teile und all die, welche noch verwertet werden konnten, wurden von dem flackernden Kerzenlicht der Jack O‘ Laternen entblößt.
 

Mrs Lovett versuchte zu schlucken, ihren trockenen Mund zu befeuchten, irgendetwas zu tun, doch es war vergebens. Wie gelähmt stand sie da und starrte auf das grauenvolle Werk, das durch ihre Hand geschaffen worden war. Noch nie hatte sie sich großartig Gedanken über das gemacht, was sie tat, wenn sie ihrer blutigen Arbeit nachging. Es war lediglich ein Mittel zum Zweck für sie gewesen, um der Verwirklichung ihres Traumes ein Stückchen näher zu kommen, doch nun….

Entsetzen spiegelte sich in ihren Augen wider, als sie ihren starren Blick über die Gebeine schweifen ließ. Die Schatten, die das flackernde Kerzenlicht aufwarf, schienen lebendig, wanden sich um die teils verwesenden Überreste und sammelten sich in den leeren Augenhöhlen eines Totenschädels. Das breite Grinsen strafte dessen anklagenden Blick, der unverwandt auf der Bäckerin ruhte, Lügen.

„Dafür hätten Sie es verdient, zu sterben, meinen Sie nicht auch?“, ertönte da eine dunkle, raue Stimme hinter ihr.

Erschrocken zuckte Mrs Lovett zusammen. Wie hatte sie ihn so vergessen können? Sie wollte sich umdrehen, wollte ihm ins Gesicht sehen, doch hielt er sie unnachgiebig fest und verhinderte dies.

„Mi-Mister Todd?“, fragte sie schwach. Sie brachte nicht mehr die Beherrschung auf, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben.

„Können Sie das blutige Werk, das Sie selbst geschaffen haben, nicht mehr ertragen? Soll ich Sie von diesem Anblick erlösen?“

Mrs Lovett gab keine Antwort – dazu war sie gar nicht fähig. Ihre Stimme, so glaubte sie, hatte nun endgültig ihren Dienst versagt. Alles war so schrecklich falsch! Sie hatte Angst. In Mr Todds Stimme lag ein Tonfall, den sie nicht zu deuten vermochte, der ihr Furcht einflößte.

Sie spürte, wie sich der Griff langsam von ihrem Genick löste. Leicht strichen die eiskalten Finger über ihren Arm, hinterließen eine Gänsehaut und schlossen sich mit einem Mal heftig um ihr Handgelenk.
 

Angespannt lauschte Mrs Lovett, sich umzudrehen wagte sie nicht. Sie glaubte zu hören, wie der Barbier sich bückte. Dann hatte er sich aufgerichtet und ließ sie vollständig los. Sich zu bewegen, zu fliehen, traute sie sich immer noch nicht. Furcht lähmte sie weiterhin und fesselte sie an Ort und Stelle, nicht bereit, sie gehen zu lassen. Beinahe schon schicksalsergeben wartete die Bäckerin auf das, was nun folgen würde.

„Nun“, wisperte die dunkle Stimme dicht an ihrem Ohr, „den Gefallen werde ich Ihnen gerne tun.“

Ehe Mrs Lovett sich der Bedeutung dieser Worte in vollem Maße bewusst werden konnte, brach wieder feuchte, kalte Dunkelheit über sie herein. Erstaunt stellte sie fest, dass der Lappen nicht an ihrem Hinterkopf verbunden war, sondern einfach nur stramm festgehalten wurde und ihren Kopf unmerklich zurückzog.

Die plötzliche Dunkelheit aber vermochte es trotzdem nicht, den grauenhaften Anblick zu verbergen. Das Bild hatte sie auf ihre Netzhaut gebrannt und drängte sich vor ihrem inneren Auge in voller Stärke auf.

„Sie können es immer noch sehen, nicht wahr? So sehr Sie es auch wünschen, Sie können es nicht mehr vergessen.“

Als Mrs Lovett nicht antwortete, wiederholte der Barbier: „Ist es nicht so?“ Ein lauernder Unterton lag in diesen Worten und machte ihr unmissverständlich klar, dass sie antworten musste.

Hastig nickte sie. Der bloße Gedanke an die Folgen, die diese lächerliche Bewegung mit sich bringen konnte, drehte ihr den Magen um.
 

„Aber vielleicht liegt das ja auch nur an dem Gestank, der Sie an das eben gesehene erinnert“, fuhr Todd in seinen Überlegungen fort. Plötzlich spürte sie seine Nähe dich an ihrer Schulter. Sein Haar kitzelte sie am Hals und sie fühlte den warmen Atem auf ihrer Haut, als er sie mit einer unheimlichen Freundlichkeit aufforderte: „Na los, kommen Sie, meine Liebe – atmen Sie tief ein! Riechen Sie das nicht auch?“

Er machte eine Pause, in der Mrs Lovett tief Luft holte. Vergeblich zwang sie sich auf den Geruch zu konzentrieren, doch der stinkende Lappen machte ihr dies fast unmöglich und überlagerte alles andere. Sie machte erneut ein paar schnelle Atemzüge. Verzweiflung wuchs in ihr. Sie konnte beim besten Willen nichts anderes mehr ausmachen! Oder? Halt! Da war noch etwas anderes! Unterschwellig mischte sich der Geruch fauligen Wassers und von Schimmel dazu. Er musste aus der Kanalisation dringen. Aber war es tatsächlich das, was Mr Todd hören wollte?

Mit bebender Stimme hauchte Mrs Lovett: „Fäulnis, da ist Fäulnis aus der Kanalisation.“

„Da haben Sie zweifellos Recht“, bestätigte der Barbier in geheuchelter Freude, die seine Ungeduld nur schwer verbergen konnte. Schließlich seufzte er in gespielter Enttäuschung. „Sie enttäuschen mich, meine Liebe, ich hatte mehr von Ihnen erwartet. Doch scheint es tatsächlich so, als könnten Sie selbst den abscheulichen Geruch nicht einmal mehr wahrnehmen.“
 

Mit einem Mal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Ihr wurde klar, worauf Mr Todd anspielte. Es war der entsetzliche Gestank des verwesenden Fleisches, der in der stickigen Luft hing! Der Gestank, dem sie Tag für Tag immer wieder aufs Neue ausgesetzt war, sodass ihn ihre Sinne irgendwann einfach ausgeblendet hatten.

„Das Fleisch!“, stieß Mrs Lovett hastig hervor.

„Ganz recht das Fleisch“, erwiderte Mr Todd leise, einen gefährlichen Tonfall anschlagend. „Das Fleisch all jener, welche mich ahnungslos aufsuchten, unwissend, welch grausames Schicksal ich für sie bereithielt. Aber sie hatten es verdient, meine Liebe – jeder einzelne von ihnen. Das wissen Sie doch, sonst hätten Sie Ihr grausames Werk nie so gewissenlos ausgeübt. Nur frage ich mich, waren Sie sich je der Folgen bewusst?“

„Was für Folgen?“

„Aber, aber die müssten doch Sie am besten kennen. Denken Sie nur mal daran, welcher Tag heute ist…“

Da wusste sie, worauf er hinauswollte. „Halloween!“

„Ja, Halloween. Und was meinen Sie wohl, wie die Geister der Verstorbenen die Tatsache auf nehmen, was Sie mit deren Körpern gemacht haben. Ihren fleischlichen Hüllen, die in geweihter Erde ruhen sollten, bis zum Jüngsten Tage.“

„Mr Todd?“ Dieses wirre Gerede bereitete Mrs Lovett Angst – große Angst. Wie konnte er von solchem Aberglauben mit dieser Überzeugung sprechen, nach allem was ihm widerfahren war? Wie konnte er da noch von Gott reden? Sie selbst hatte ihren Glauben schon vor langer Zeit verloren.

Der Barbier ließ sich von dieser Unterbrechung jedoch nicht ablenken, sondern fuhr unbeirrt fort: „All die verlorenen Seelen… sie sinnen nach Rache, wollen jene zur Rechenschaft ziehen, die ihnen das angetan, die sie zu dieser elendigen Daseinsform verdammt haben. Womöglich wollen Sie sich das nicht eingestehen, Mrs Lovett, doch trugen Sie ihren großen Teil dazu bei.“

„Mr T…bitte“, flüsterte Mrs Lovett mit bebender Stimme. Angst zerfraß sie.

„Aber heute, meine Liebe, heute ist der Tag gekommen, da es ihnen möglich sein wird, Vergeltung zu üben. Können Sie sie spüren, wie ihre rachsüchtigen Geister den Raum erfüllen, in dem die Überreste ihres Körpers verwesen?“

„Hören Sie auf, Mr Todd“, flehte sie. „So kommen Sie wieder zur Vernunft!“ Mit jedem Wort, das er ausgesprochen hatte, war die Erkenntnis ein bisschen mehr gereift. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass er nicht immer Herr seiner selbst war. Doch hatte er es die meiste Zeit über unter Kontrolle und so hatte sie einfach die Augen verschlossen, in der Hoffnung, dass es vergehen würde. Heute jedoch war es in all seiner schrecklichen Pracht aufgeblüht.
 

Mr Todd schien die Auswirkung seiner Worte zu bemerken, denn plötzlich beugte er sich über sie und stellte, den Mund dicht an ihrem Ohr, fest: „Sie haben Angst, meine Liebe, ist es nicht so?“

„Ja“, antwortete Mrs Lovett und nickte schwach. Sie spürte, wie ihr Haar seine Wange streifte. „Ja, das habe ich.“ Das und so viel mehr. Es war Todesangst, die sich in ihr eingenistet hatte und sie nicht mehr losließ, während ihre Gefühle einen verwirrenden Kampf austrugen. Denn in dem Moment, als Mr Todd ihr so nah kam, überfiel sie der widersinnige Wunsch, sich an ihn zu lehnen, seine Nähe zu spüren und nicht nur zu erahnen. Sie wollte sich in seiner Umarmung wissen, wollte von ihm hören, dass alles gut sei und sie sich nicht zu fürchten brauche.

Doch dieser Wunsch wurde mit den nächsten Worten im Nu wieder zerschlagen. „Ich frage mich, welche Todesart für Sie am angemessensten wäre. Vielleicht sollten Sie auf die gleich Weise wie meine Kunden sterben…“ Der Barbier trat einen Schritt von der Bäckerin zurück, ein Gefühl vollkommener Einsamkeit zurücklassend. Ein helles Klingen ertönte, als er sein Rasiermesser öffnete. Alles in Mrs Lovett verkrampfte sich bei diesem metallischen Klang. Nun, da er sein Mordwerkzeug zur Hand hatte, konnte jede Sekunde ihre letzte sein.

Plötzlich spürte sie das kalte Metall der Klinge auf ihrer Haut und fuhr in maßloser Panik zusammen. Ein stechender Schmerz durchzuckte sie, dann spürte sie etwas Warmes von ihrer Schulter hinab laufen.

„Schh, ganz ruhig, meine Liebe, Sie könnten sich noch verletzen“, flüsterte Mr Todd beruhigend und ließ die blutbefleckte Klinge sanft über ihren Nacken fahren, als würde sie die Haut liebkosen.

Alle Nackenhärchen hatten sich bei Mrs Lovett aufgerichtet, ein Schauer nach dem anderen durchlief sie und ein unkontrolliertes Zittern ließ ihre Zähne aufeinanderschlagen. Es lag auf der Hand, dass ihr letztes Stündlein geschlagen hatte – nur wie? Mr Todd war unberechenbar. Sie vermochte sich nicht vorzustellen, was noch alles kommen konnte. Doch flößte ihr der bloße Gedanke noch mehr Angst ein.

Das scharfe Metall lag nun an ihrer Kehle. Der Druck, der auf dieses ausgeübt wurde, war so schwach, dass er die Haut noch nicht zerschnitt. Aber das war nur eine Frage der Zeit. Er musste lediglich eine schnelle Bewegung vollführen… Wann würde er dies tun? Wann?

Etwas Feuchtes lief ihre Wange hinab und tropfte vom Kinn. Erstaunt stellte Mrs Lovett fest, dass das Nasse nicht vom Lappen herrührte, sondern sie selbst es war – sie weinte!
 

So plötzlich wie das Metall ihre Haut berührt hatte, war es auf einmal wieder verschwunden. Eine Welle der Erleichterung wollte in Mrs Lovett aufsteigen, doch zwang sie sie mit all ihrer verbliebenen Willensstärke zurück. Sie wusste, dass es nicht vorbei war. Und sie behielt Recht.

„Nein“, überlegte Mr Todd laut, „das erscheint mir nicht angemessen…“

„Mr Todd, bitte, das ist Irrsinn, was Sie da machen“, brach es aus Mrs Lovett in all ihrer Furcht mit erstickter Stimme hervor.

„Ist es das?!“, donnerte er mit einem Mal. Grob wurde sie herumgerissen. Ein schmerzhafter Ruck durchlief den Lappen, sodass sie gar nicht anders konnte, als den Kopf in den Nacken zu legen, um den Schmerzen zu entgehen. Wäre der Lappen nicht gewesen, musste sie Mr Todd wohl nun direkt in die Augen sehen können. So jedoch umgab sie nur tiefe Dunkelheit, sie starrte ins Ungewisse, nicht wissend, was geschah.

Dann spürte sie auf einmal, wie kühle Fingerspitzen sanft über ihr Schlüsselbein strichen, hinauf zu ihrer Kehle wanderten und von dort die Halsschlagader entlangfuhren. Die Berührung löste ein Schaudern in Mrs Lovett aus und stürzte sie in tiefste Verwirrung. Der Damm war nun endgültig gebrochen und neu geweckte Hoffnung strömte durch ihn hindurch, immer mit der sicheren Gewissheit an der Seite, dass es falsch war. Nur wollte Mrs Lovett davon nichts wissen. Denn wenn sie schon sterben musste, wollte sie wenigstens noch einen schönen Augenblick erleben, einen wie diesen.
 

Sie genoss die Fingerspitzen auf ihrer Haut und war versucht, die Arme nach Mr Todd auszustrecken, bis er auf einmal ihr Kinn in die Hand nahm. Alles in ihr erstarrte, wartete auf das, was nun geschehen würde. Sie merkte, wie der Druck seiner Finger ihren Kopf sanft hin und her drehte, als wollte er ihr Gesicht begutachten.

„Mrs Lovett, Mrs Lovett“, murmelte er, „was soll ich bloß mit Ihnen machen?“

Von ihrer neu erwachten Hoffnung gestärkt, setzte Mrs Lovett zu einer Erwiderung an: „Mr T, ich …“, und brach abrupt ab, als sie seinen Finger auf ihren Lippen spürte.

„Schh, sagen Sie nichts“, hörte sie ihn beruhigend flüstern, wobei der sanfte Druck seines Fingers wieder verschwand. Dann packte er zu.

Ein erstickter Laut entwich Mrs Lovett, während sich sein eiserner Griff um ihre entblößte Kehle schloss.

„Ich könnte Sie erwürgen“, fuhr Mr Todd in seinen Überlegungen fort. Der Druck wurde stärker. Verzweifelt rang sie nach Luft. In ihrer Not nahm sie seinen Arm und versuchte seinem Würgegriff zu entgehen. Schnell jedoch wurde ihr klar, dass er nicht fest genug zu drückte, um ihr die Luft gänzlich abzuschnüren. Nein, er ließ sie noch ein wenig zappeln. Hoffnungslosigkeit grub sich in Mrs Lovett bei dieser Erkenntnis. Kraftlos ließ sie ihre Arme wieder sinken. Sie würde ohnehin sterben. Was nützte ihr da noch Widerstand? Sie würde sterben!

Durch Mr Todd.
 

Brutal wurde sie plötzlich nach hinten gestoßen, so fest, dass sie über ihre eigenen Füße stolperte. Einzig und allein der Würgegriff verhinderte ihren Sturz und zwang sie weiter zurück. Ihre Beine zitterten, fühlten sich wie Pudding an, nicht fähig, sie noch weiter zu tragen. Sie brach zusammen.

Schmerz durchfuhr sie, als sie wie eine leblose Puppe an Mr Tods Hand hing, unfähig von selbst wieder aufzustehen. Sie röchelte. Die Luft wurde knapp, rote Punkte begannen vor ihren Augen zu tanzen und ihr schwindelte. Sie nahm kaum wahr, wie Mr Todds andere Hand sich auf ihren Oberarm legte und sie wieder auf die Beine zog. Dabei rutschte der Lappen von ihrem Gesicht und gab ihr endlich wieder den Blick auf das Geschehen frei.

Benommen blinzelte Mrs Lovett, doch konnte sie nur schemenhafte Umrisse ausmachen, die mit der Dunkelheit verschmolzen. Ein lautes, metallisches Geräusch ertönte und Licht durchdrang den Keller. Zugleich spürte sie eine sengende Hitze im Rücken. Mr Todd musste die Ofentür geöffnet haben.
 

Vorsichtig drehte sich Mrs Lovett um und wandte sich, geblendet vom hellen Schein des Feuers, schnell wieder ab. Sie schloss die Augen, als ihr Umfeld auf einmal zu schwanken begann. Der Schwindel hatte sich noch nicht gelegt und während sie gegen ihn ankämpfte, hörte sie, wie Mr Todd vor sie trat

Blinzelnd versuchte sie ihn in dem Licht auszumachen. Nur langsam verblassten die Flecken vor ihren Augen und lösten sich die Konturen aus dem Schattengemisch heraus. Und dann sah sie ihn zum ersten Mal in dieser entsetzlichen Nacht, starrte ihm direkt ins Gesicht und wünschte verzweifelt, den nassen Lappen herbei, der die bittere Realität vor ihr verbarg.

Das sonst so kalte, ausdruckslose Dunkelbraun seiner Augen schien ihm flackernden Widerschein rot zu glühen und offenbarte den Wahnsinn, der sich dahinter verbarg. Starr waren sie auf die Bäckerin gerichtet und schienen sie durchbohren zu wollen. Mrs Lovett konnte diesem fieberhaften Glanz nicht länger ertragen und konnte sich doch nicht abwenden.
 

Schließlich bereitete Mr Todd dem ein Ende. Ausdruckslos mit einem Anflug von Gleichmut beobachtete sie, wie sich seine Hände auf ihre Schultern legten und sie beinahe sanft in Richtung offener Ofentür drehten. Unwillkürlich trat sie einen Schritt vor, dem Ofen entgegen, als sie den auffordernden Druck seiner Hände spürte.

Was wohl geschehen würde?

Etwas in ihr begehrte bei dem Gedanken an ihr unausweichliches Schicksal auf und kämpfte gegen die schützenden Mauern aus tauber Gleichgültigkeit an. Ihr Blick war unverwandt auf die hellen, sich windenden Flammen gerichtet.

Plötzlich mischte sich Mr Todds dunkle, unergründliche Stimme in das Knistern des Feuers: „Mrs Lovett, was hat man früher mit Frauen gemacht, denen der Teufel innewohnte, die man als Hexen fürchtete?“

Beinahe spielerisch umstrichen die Worte ihr Ohr, während sie wie hypnotisiert in die lodernden Flammen starrte. Zäh wie Honig sickerte die Bedeutung dieser Worte durch ihre Gedanken. Sie sah die züngelnden Flammen am Gitterrost lecken, begierig darauf, ein neues Opfer vorgeworfen zu bekommen, das ihnen zu verschlingen erlaubt war.

Schlagartig begriff sie, was Mr Todd vorhatte. Nein!, schrie es in ihr und fegte die betäubende Gleichgültigkeit hinfort. Das konnte nicht sein! Das war ein Albtraum, nichts weiter als ein Albtraum, bloß ein Albtraum!
 

Seine Lippen berührten fast ihr Ohr, als er nahezu andächtig hauchte: „Man hat sie verbrannt.“

Panisch fuhr Mrs Lovett herum. Todesangst beherrschte sie, erfüllte jede Faser ihres Körpers. Das helle Licht der Flammen blendete sie jedoch so sehr, dass es ihr nicht möglich war, sein Gesicht auszumachen. Aber das brauchte sie nicht. Der Druck auf ihrer Brust sagte alles. Die Hitze in ihrem Rücken wurde unerträglich. Flammen streckten sich gierig nach ihrem Kleid aus.

Das Letzte, was sie sah, bevor sie die Augen schloss, war das grausame Lächeln Mr Todds. Sie wollte ihn nicht vor sich sehen – ihn, ihren Mörder.

„Fröhliches Halloween, m…“

„Mrs Lovett!“

Ein lauter Knall folgte dem entsetzten Ausruf, als die Kellertür gegen die Wand schlug.

Erschrocken sah Mrs Lovett auf, direkt zu Toby, der mitten auf der Schwelle zum Keller stand. Doch ehe sie die Situation überhaupt gänzlich erfassen konnte, lief Mr Todd geistesgegenwärtig auf den Jungen zu, ein gezwungenes, freundliches Lächeln im Gesicht. „Was ist los?“, wollte er mit hölzerner Stimme wissen. Aber da hatte auch Mrs Lovett begriffen. Wie das spitze Ende eines Dolches hatte es sich einen Weg durch das Chaos in ihrem Kopf gebohrt und sie trat eilig, wenn auch etwas unsicher auf den Beinen, an Mr Todds Seite. Die maßlose Furcht saß noch immer tief in ihren Knochen.
 

„Aber was hast du denn?“, sagte sie und versuchte ihre schreckerstarrten Züge zu einem beruhigenden Lächeln zu verzerren.

Eine Mischung aus Verwirrung und Zweifel lag in Tobys Blick, während er skeptisch von Mrs Lovett zu Mr Todd und wieder zurück sah, bis er schließlich zu erzählen begann: „Da…da waren Geräusche gewesen. Hier im Keller. Ich wollte erst auf Sie warten, Mum, aber ich…ich bin nachsehen gegangen, weil ich es nicht länger aushielt. Und dann waren da Sie, Mr Todd. Sie haben mich gefesselt und mir die Augen verbunden u-und plötzlich haben Sie geschrien Mrs Lovett! M-M-Mister Todd hatte S…“

„Schh, alles ist gut, mein Kleiner, da war nichts“, unterbrach ihn Mrs Lovett hastig in dem Versuch, ihn zu beruhigen und auf andere Gedanken zu bringen. „Wie kommst du nur darauf, dass Mr Todd solch eine Sache tun könnte? Du hast bestimmt nur schlecht geschlafen.“

„Und die Geräusche, die du glaubst, gehört zu haben, könnten von den Eimern gekommen sein“, fügte Mr Todd ausdruckslos hinzu und deutete in eine Ecke, in der tatsächlich welche standen. Sofort griff Mrs Lovett den Faden auf und erklärte rasch: „Mr Todd war nämlich so nett, mir noch beim Aufräumen des Kellers zu helfen.“

Überrascht hob dieser unmerklich eine Augenbraue, dann nickte er zustimmend.
 

Stille trat ein, in der Toby sie beide nur verwirrt mit einer Spur von Misstrauen anstarrte, bis Mrs Lovett schließlich eingriff. „So, aber jetzt ab ins Bett mit dir! Es ist mitten in der Nacht und der morgige Tag wird sicherlich anstrengend werden.“

Toby aber wollte sich nicht so leicht abwimmeln lassen und versuchte vergeblich einen Blick an den beiden Erwachsenen vorbei zu erhaschen. Doch schnell hatte Mrs Lovett nach der Kellertür gegriffen, die sie hastig zuzog, während Mr Todd den Jungen unwirsch die Treppe hinauf drängte. „Es wäre besser, wenn du auf Mrs Lovett hören würdest.“

Da gab der Junge schließlich seine Hartnäckigkeit auf und lief, gefolgt vom Barbier, eilig die Treppe hoch. Währenddessen blieb Mrs Lovett unten stehen und sah ihnen nachdenklich hinterher. Sie wusste, dass in dieser Nacht ein hartes Stück Arbeit auf sie zukommen würde und sie zweifelte mit einem Mal, ob sie es in dieser Nacht überhaupt noch einmal fertigbringen würde, den Keller zu betreten. Allein der bloße Gedanke bereitete ihr maßlose Furcht. Nein, sie würde noch etwas brauchen, um den Schrecken zu überwinden.

Auf einmal hörte sie Schritte. Als Mrs Lovett aufsah, blickte sie Mr Todd entgegen, der wortlos Stufe für Stufe hinab schritt. Flüchtig erwiderte er ihren Blick, ohne die geringste Gefühlsregung preiszugeben.

„Ich mache das“, brummte er mit einem Nicken in Richtung Kellertür. „Kümmern Sie sich um den Jungen.“

Und damit verschwand er in dem verhängnisvollen Raum, eine verwirrte Mrs Lovett zurücklassend.
 

„Siehst du“, sagte Mrs Lovett beruhigend am darauffolgenden Tag zu Toby, als sie die Kellertreppe wieder hinaufgingen, „da war wirklich nichts – du hast einfach nur schlecht geträumt, das ist alles.“

Unentschlossen entgegnete Toby ihr aufmunterndes Lächeln und gestand sich widerwillig ein, dass sie Recht hatte. Der saubere und aufgeräumte Keller war Beweis genug. Lediglich der entsetzliche Gestank gefiel ihm nicht, aber der kam sicherlich bloß aus der Kanalisation.

Zerknirscht senkte er den Kopf, während sie wieder in die Küche zurückgingen und gab schließlich betreten zu: „Ja, das muss es wohl gewesen sein…“

„…nichts weiter als ein böser Albtraum“, ergänzte Mrs Lovett und schenkte Mr Todd – ihrem Mr T – ein unsicheres Lächeln, während sie gedankenverloren über das Halstuch strich, das sie wohl eine Weile lang noch würde tragen müssen.
 

~*~*~*~
 

Nachwort:

In diesem Fall kann ein Nachwort leider nicht ausbleiben, da ich ein paar Dinge des Two-Shots gerne ein wenig erläutern möchte.

Zuallererst sah ich mich auf einmal mit dem Problem konfrontiert, dass ich keine Ahnung hatte, wie Halloween zu Sweeneys Zeiten überhaupt aussah. Da ich aber weiß, dass ungefähr zu dieser Zeit der Brauch durch die Iren erst nach Amerika gekommen ist, wo er sich dann zu dem entwickelt hat, was wir heute darunter verstehen und auch die Kürbisse hauptsächlich deswegen benutzt werden, weil es die wohl in Amerika im Überfluss gab, habe ich in dem Fall zu den Rüben zurückgegriffen, die früher von den Kelten eigentlich für diesen Tag verwendet wurden. Halloween an sich war durch die Kelten, denke ich mal trotzdem recht bekannt und so halte ich es für nicht ganz abwegig, dass Mrs Lovett entweder selbst oder eben durch einen Kunden von diesem Brauch weiß. Trotzdem kann ich nicht garantieren, dass das alles hier seine Richtigkeit hat und wer sieht, dass etwas falsch ist, kann mir gerne Bescheid sagen.

Desweiteren hatte ich besonders beim zweiten Teil auf einmal das Problem, die Charaktere glaubwürdig darzustellen. Dass Sweeney so eine Art Halloween Streich spielt, ist wirklich gänzlich unwahrscheinlich, weshalb ich mir seine Eigenschaft, dass er sehr nachtragend ist, zunutze gemacht habe und er sich sozusagen an Mrs Lovett rächen will. Wofür sollte klar sein. Sein Verhalten im Keller lässt sich irgendwie damit rechtfertigen, dass er irgendwo mehr oder weniger seinem Wahnsinn unterliegt. Seine plötzliche Redseligkeit könnte man anhand der Szenen im Film beweisen, in denen er ein Ziel verfolgt - dann erweist er sich als recht redegewandt und lässt sich zu längeren Sätzen herab, bis er sein Ziel erreicht hat. Und trotzdem wirkt's auf mich noch OoC.

Der Two-Shot war also so gesehen mehr oder weniger ein Experiment für mich. Deswegen wären (falls jemand seinen Senf hierzu abgeben möchte) Adjektive wie langweilig, spannend, unspektakulär, geheimnisvoll, einfallslos usw. in einem Kommentar sehr hilfreich für mich ;)

An dieser Stelle ein Dankeschön dafür, dass du dir das Nachwort durchgelesen hast und gleichzeitig eine Entschuldigung, dass ich es geschrieben habe.
 

lg -Hakura

Der Pakt

Kleines Vorwort (und eine Warnung):

Da ich es eine gewisse Faszination für mich hat, das Thema Sweeney Todd mit Übernatürlichem in Verbindung zu bringen, kam irgendwann die Idee zu dieser FF. Und als ich sie letztens in meinem Blättergweühl wiedergefunden habe, musst ich sie einfach beenden - und ich muss sagen, mir gefällt sie irgendwie.

Wer jedoch mit der Vorstellung nicht viel anfangen kann und auch nicht viel für übrig hat, sollte jetzt lieber schnell wieder wegklicken.

Ansonsten kann ich nur viel Spaß beim Lesen wünschen :)
 

Drückende Hitze hatte sich über die Hütte gelegt, in der es den erschöpften Sträflingen nach getaner Arbeit erlaubt war, sich über Nacht auszuruhen. Die staubige Luft, die sie einatmeten, schien zu glühen und jeder Atemzug war eine Qual. Keiner fand in der einbrechenden Nacht Schlaf. Unruhig wälzten sie sich auf ihren dünnen Strohsäcken hin und her und sehnten sich nach der erfrischenden Kühle ihrer Heimat.

So auch Benjamin. Immer wieder wurde er von Erinnerungen geplagt. Erinnerungen an sein früheres Leben, das er schmerzlich vermisste. Er wollte Lucy wiedersehen, er wollte Johanna wieder auf den Arm nehmen, ihr zartes Lachen hören, zusehen, wie sie zu einer jungen Frau heranwuchs.

Doch das alles blieb ihm verwehrt.

Auf ewig.

All sein Sehnen brachte nichts weiter als schreckliche Qual mit sich. Aber er wollte nicht aufhören, zu hoffen, zu erinnern – trotz der Tatsache, dass seine Erinnerung schon längst getrübt war vom Schleier der Zeit, der sich über sie gelegt hatte. Die scharfen Formen verschwammen, die leuchtenden Farben verblassten, wurden zu einem leblosen Grau.
 

Schweigend lag Benjamin da und starrte auf das Holz, welches das Dach bilden sollte. Beim Bau dieses Daches war jedoch keine gute Arbeit geleistet worden und so fiel das dunkelrote Licht der untergehenden Sonne durch die Spalten zwischen den Brettern.

Allmählich verblasste das Licht und ließ langsam tiefe Dunkelheit zurück. Leises Schnarchen drang an Benjamins Ohr und verkündet, dass es den anderen längst gelungen war, ins Reich der Träume zu gleiten. Nur ihm, ihm war es nicht möglich, oh nein!

Aber wie sollte es ihm auch möglich sein, wenn da doch die Erinnerung an Lucy war, die ihn wach hielt? Würde er die Augen schließen, so würden nur die Albträume auf ihn warten, die ihn all die Jahre bereits quälten. Ein Grinsen flackerte über Benjamins Gesicht. Sollten sie doch alle schlafen. Er brauchte keinen Schlaf. Nein, nein das tat er nicht. Wozu schlafen, wenn man sich erinnern konnte? An graue schemenhafte Bilder … Es war wahrlich ein bitterer Preis, den er da zahlen musste. Doch war es nicht eigentlich die Zeit, die ihn seiner klaren Erinnerung beraubte? Nein, er zahlte nichts, er wurde bestohlen! Bestohlen, mitleidlos ausgebeutet.

Und wem verdankte er es?

Turpin!

Allein der Name entflammte brennenden Hass in Benjamin. Es war Turpin, der sein Leben zerstört hatte. Es war Turpin, dem er die Schuld für sein nun mehr klägliches Dasein gab. Und es war Tupin, der durch seine Hand einen grauenvollen Tod erleiden würde. Ja, das würde er!

Benjamins Grinsen wurde bei dem Gedanken breiter, verzerrte sein Gesicht zu einer mordlüsternen Fratze. Er würde alles tun! Alles würde er verdammt noch einmal tun, um aus diesem verfluchten Loch herauszukommen, diesem verfluchten Niemandsland, das man den fünften Kontinent nannte. So groß seine Sehnsucht, zu Frau und Kind zurückzukehren, auch war, so sehr sehnte er sich danach, Vergeltung zu verüben. Vergeltung für das Unrecht, das ihm angetan worden war. Turpin sollte für all das bezahlen!

Immer tiefer verlor sich Benjamin in den wirren Gedankengängen seines aufkeimenden Wahnsinns. Regungslos lag er auf dem kratzigen Strohsack und stierte mit starrem Blick an die Decke.
 

Die Zeit war unbemerkt vergangen, war außerhalb der Reichweite seines Bewusstseins verstrichen und hatte den feurigen Glutball am Himmel versenkt. Licht war wieder tiefer Finsternis gewichen, die bloß vom schwachen Funkeln der unzähligen Sterne durchdrungen wurde. In dieser Nacht jedoch war etwas grundlegend anders. Zu Benjamins Gedanken hatte sich eine körperlose Stimme gesellt. An sich war es nichts Ungewöhnliches. In den letzten Wochen hatte er immer wieder Stimmen gehört – Stimmen, die seinem Bewusstsein entsprungen waren. Aber er wusste, wie er mit ihnen umzugehen hatte, wie er ihren verlockenden Einflüsterungen widerstehen konnte. Oh ja das tat er.

Diese eine Stimme aber, die sich nun einen Weg durch seine Gedanken bahnte, war ihm gänzlich unbekannt – ihre Verlockung dafür umso stärker. Plötzlich war der Drang in ihm erwacht, aufzustehen, die ärmliche Hütte zu verlassen und dem Ruf zu folgen nach draußen in die Dunkelheit. Je mehr Zeit verging, desto größer wurde das Verlangen der Stimme nachzugehen, bis Benjamin es nicht mehr länger aushielt. Behutsam erhob er sich und schlich vorsichtig um die Schlafplätze der anderen Sträflinge herum auf die Tür zu, hinter der die Freiheit und die Quelle des auffordernden Rufes lagen.
 

Ein Rasseln hallte mit einem Mal in der drückenden Stille wider. Erschrocken fuhr Benjamin zusammen und sah sich hastig um. Die Angst griff nach ihm, die anderen geweckt zu haben, sodass auch sie die Stimme hören würden. Das konnte er keinesfalls zulassen! Der Ruf, den er da hörte, war nur für ihn bestimmt, für ihn ganz allein. Für niemand anderes sonst und teilen wollte er ihn schon gar nicht. Doch das brauchte er auch nicht. Nach wie vor schliefen die anderen Sträflinge unruhig weiter.

Erleichtert atmete Benjamin auf und schenkte nun dem Gegenstand, der das Geräusch verursacht hatte, seine Aufmerksamkeit. Es war die schwere Kette seiner Fußeisen gewesen, die die Stille durchbrochen hatte und ihn an der Flucht hindern sollte. Verwundert stellte Benjamin fest, dass das Schloss der Kette aufgesprungen war und ihn somit freigab. Unzählige Male hatte er schon versucht, es zu öffnen und immer wieder war er gescheitert, nur damit es sich nun auf einmal wie von selbst öffnete.

Doch beachtete Benjamin dieser merkwürdigen Begebenheit nicht weiter. All seine Sinne waren auf das konzentriert, was ihn rief. Nur für ihn bestimmt war. Wenige Schritte trennten ihn bloß noch von seiner Freiheit und dann würde ihn seine Erlösung ereilen! Ja, dessen war er sich plötzlich gewiss. Beinahe ehrfürchtig und doch mit einer Spur von Hast zog er an der grob zusammen gezimmerten Holztür. Ein leises Knarren ertönte, als sie nach innen schwang und den Blick freigab, auf die australische Wildnis bei Nacht.
 

Ohne zu zögern, entschlüpfte Benjamin der Enge der Holzhütte und trat hinein in die nächtliche Dunkelheit. Plötzlich umgab ihn von allen Seiten seine Stimme. Sie strich über sein Gesicht, umspielte sanft seine Ohren, schmeichelte seinen Sinnen und flüsterte Verlockungen, denen Benjamin nicht widerstehen konnte.

Weg, weg, weg. Ja, er wollte weg. Er wollte zurück. Und er würde alles dafür tun!

Entrückt schloss er die Augen und sog die staubige Luft dieses gottverdammten Landes ein, in das man ihn verbannt hatte, während er zu fühlen versuchte - erahnen wollte, wohin ihn die Stimme letztlich führen würde. Doch war dies eigentlich nicht nötig. Jede einzelne Faser seines Körpers wies ihm die richtige Richtung, der Drang war längst zu stark, als dass er ihn noch hätte ignorieren können.

Aber er wollte das ja auch nicht.

Nein, nein!

Wie ihn Trance wandelte Benjamin einen nur für ihn sichtbaren Pfad entlang, geführt von einem Gefühl, das seinem Wahnsinn entsprungen sein mochte, bis er sein Ziel erreicht hatte. Ruckartig blieb er stehen und riss die Augen auf. Alles in ihm spannte sich an, während er kerzengerade dastand und sein Blick durch die Dunkelheit irrte.

„Du bist also gekommen.“

Die Worte erfüllten mit einem Mal die Stille der Nacht, störten sie jedoch nicht. Viel mehr schienen sie ein Teil der Nacht zu sein, kamen von überall her und doch von nirgendwo.

„Ja…jaja“, hauchte Benjamin und nickte vehement. Gekommen war er und nicht bereit zu gehen, ehe er das bekam, wonach es ihn sehnlich verlangte.
 

Ein Windhauch kam auf, fuhr durch Benjamins Haar und hatte sich wieder gelegt, als der Barbier sich umdrehte. Er wusste, das war ein Zeichen gewesen – und er behielt Recht.

Gegen den dunklen Nachthimmel, den das Licht von abertausenden Sternen erleuchtete, hob sich eine Silhouette ab, schwärzer als die tiefste Finsternis. Schatten schienen aus dem Boden empor zu wachsen, wanden sich, vereinten sich, um Teil dieses Abbildes zu sein, das dort auf der leichten Erhöhung des Bodens erschienen war.

Es war schwer, die Gestalt zu beschreiben, hatte es doch den Anschein, dass sich ihre Konturen in der Dunkelheit verloren und dennoch glaubte Benjamin, zumindest im Entferntesten den Schatten eines typischen Gentlemans erkennen zu können. Er sah den Umriss eines hohen Zylinders, meinte, das Aufbauschen eines Mantelschoßes zu sehen - obwohl sich kein Lufthauch regte - und glaubte, die Form eines Spazierstocks in der linken Hand dieser Erscheinung auszumachen. Doch eine Kleinigkeit gab es, die dieses menschlich anmutende Bild zerstörte. Schwingen wuchsen aus ihrem Rücken, große prächtige Schwingen, die sich bloß hauchzart von der herrschenden Dunkelheit abhoben. Sie schienen aus rauchigem Nebel zu sein, der sich verlor, sodass man kaum zu sagen vermochte, wo die Schwingen endeten und die Finsternis begann. Eines jedoch war totsicher. Das Geschöpf, welches in dieser folgenschweren Nacht erschienen war, kam nicht von dieser Welt.

Dessen war sich auch Benjamin bewusst, als er die Gestalt erblickte. Die Angst griff mit einem Male um sich und hielt sein flatterndes Herz in ihrer eiskalten Klaue fest. In seinen geweiteten Augen spiegelte sich Erschrecken wider, während er auf die Erscheinung, deren geheimnisvolle Stimme es gewesen war, die er gehört hatte und der er gefolgt war, mit einer Mischung aus Faszination und Ehrfurcht starrte.
 

„Benjamin Barker“, flüsterte die Stimme, die in ihrer Tiefe und Schönheit einer sternenlosen Nacht glich, und hielt kurz inne, um dann fortzufahren: „Dir wurde Unrecht angetan, deine Frau nahm man dir, riss dich grausam von deiner kleinen Familie, die dir lieb und teuer war, fort und verbannte dich hierher – an einen Ort, der dir grausam erscheint, in dem man all den Abschaum ablädt, der in den Gassen der unseligen Stadt London wimmelt. So und nicht anders trug es sich zu, nicht wahr?“

Ja.

Ja!

Genau so war es gewesen!

Es war eine Wohltat für Benjamin diese Worte zu hören. Gierig sog er sie in sich auf, labte sich an ihnen, denn endlich, nach so langer Zeit, war da jemand, der ihn verstand, der vom Unrecht wusste, das man ihm angetan hatte.

Benjamin glaubte fast schon, so etwas wie Zufriedenheit aus dieser wunderschönen Stimme herauszuhören, als das Wesen fort fuhr: „So ein furchtbares Unrecht ist dir widerfahren. Doch darf das nicht einfach so hingenommen werden…“

Verführerisch – so verführerisch waren diese Worte! Benjamin wollte mehr hören. Wie gebannt starrte er auf das Geschöpf, das sich ihm langsam näherte.

„Nein, das willst du nicht. Du willst Vergeltung. Oh, wie du dich danach sehnst! Wie es dich zerfrisst, danach verlangt endlich Rache zu verüben, an den Mann, der dich zu diesem elendigen Dasein verdammt hat…“

„Turpin!“, stieß Benjamin hasserfüllt hervor. Er hatte sich nicht mehr länger zurückhalten können.

„Genau“, flüsterte es dicht an seinem Ohr.

Erschrocken wirbelte Benjamin herum, die Gedanken noch immer von Hass vernebelt und starrte auf gähnende Schwärze.
 

Dicht war das Wesen an ihn herangetreten. Nun konnte er erkennen, dass sich die Schatten unmerklich voneinander unterschieden, sodass in all der Schwärze klare Konturen Kleidung ausmachen ließen, ebenso wie sich die Andeutung von Gesichtszügen unter der breiten Krempe des Zylinder verbargen.

Es war einer der Momente, in denen Benjamin wieder vollständig zu sich selbst zurück fand, als er entsetzt mit brüchiger Stimme krächzte: „Was bist du?“

„Was ich bin?“, wiederholte das Wesen belustigt. „Ich bin ein Geschöpf der Nacht, eine Kreatur der Finsternis, ein Dämon oder aber auch ein Todesengel, wenn du so willst“, und es sah auf.

Maßlose Angst brach auf einmal über Benjamin herein. Er sah in zwei unergründliche Abgründe, die sich anstelle der Augen in dem Gesicht dieser Kreatur befanden. Oder waren es gar dessen Augen? Der Barbier vermochte es nicht zu sagen, doch spürte er, wie ihn von mal zu mal das bloße Grauen schüttelte, je länger er sich in diesen Abgründen verlor. Immer tiefer schien er in sie zu fallen, alles Glück verschlangen sie und hinterließen bloß eine zerstörerische Leere, die seinen Hass und seine Verzweiflung nährte.

Dann war der Bann gebrochen.

Keuchend stand Benjamin da. Seine vor Schreck geweiteten Augen noch immer auf das Wesen gerichtet.
 

„Warum denn auf einmal so verstört?“, fragte der Todesengel mit einem Anflug von Spott und ging langsam auf den Barbier zu. „Das ist nun wirklich kein angemessenes Verhalten gegenüber der Person, die einem einen Ausweg zu zeigen bereit ist – helfen möchte.“

Hoffnung glomm in Benjamin auf, als er dies hörte. Dennoch vermochte er es nicht, die erdrückende Furcht in der dumpfen Leer niederzuringen. Nach wie vor klebte sie an ihm, vernebelte seine ohnehin schon vom Wahnsinn getrübten Gedankengänge und raubte ihm die Stimme, jedes Wort aus seinem ausgedörrten Mund tilgend.

„Oder hältst du das für angebracht?“, fuhr das Wesen fort, wobei der spöttische Tonfall frostig wurde.

Die Andeutung eines Kopfschüttelns war alles, was Benjamin in seiner Angst zustande brachte, doch war es seinem Gegenüber allem Anschein nach Antwort genug.

„Na also“, meinte dieser zufrieden. Eine Offenherzigkeit lag plötzlich in den Worten, als hätte es die kleine Verärgerung gar nicht gegeben. „Dann können wir ja endlich zu dem interessanten Teil dieser Nacht kommen.“

Etwas in Benjamin horchte auf.

Flucht! Rache! Lucy!

„Ganz richtig“, bestätigte die samtene düstere Stimme an seinem Ohr. „Ich will dir zur Flucht verhelfen. Du sollst deine Rache bekommen, sollst Turpin vernichten können, so wie du es für angemessen hältst. Nichts soll dir dabei im Wege stehen.“

Genießerisch sog Benjamin diese Worte in sich auf. Seine Furcht ließ allmählich von ihm ab und wurde von den aufkommenden, lodernden Rachegedanken letztendlich gänzlich vernichtet.

„Er wird sterben“, flüsterte er plötzlich voller Gewissheit, während er aufsah. Der starre Blick seiner leeren Augen verlor sich in den finsteren Abgründen, wurde immer tiefer hinab gezogen.

„Turpin wird elendig verrecken!“

Wahnsinn packte ihn wieder und verzerrte seine Lippen zu einem irren Grinsen. In seinem Kopf sah er bereits den Richter vor sich, wie dieser sein Leben vor ihm aushauchte. Er sollte bekommen, was er verdiente.

Er sollte bekommen, was er verdiente!

„Jaaaah.“ Der Hauch dieses Wortes umhüllte ihn und zog den Barbier sanft wieder ins Hier und Jetzt zurück.
 

Benjamins Sicht klärte sich und er stellte fest, dass er dem Todesengel mitten ins Gesicht starrte, den Blick der furchteinflößenden Augen fest erwidernd. Ein seltsames Gefühl hatte von ihm Besitz ergriffen. Das Wissen, nun die Gelegenheit zu haben, mit der sein sehnlichster Wunsch endlich erhört und ihm geholfen werden würde, versetzte ihn in Verzückung. Zugleich mischte sich in diese eine entsetzliche Mordlust und die Entschlossenheit, alles zu tun. Er würde über Leichen gehen, wenn dies der Weg zurück nach London zum Richter war.

Oh ja das würde er gewiss.

„Nun bedauernswerterweise ist es mir unmöglich, meine Hilfe für umsonst anzubieten. Vielmehr möchte ich dir deswegen einen Handel vorschlagen, ein Angebot, das dir nur zum Vorteil gereichen kann“, ergriff der Todesengel wieder das Wort.

„Ein Angebot?“, wiederholte Benjamin monoton, während er mit den Augen den Schatten folgte, die ihn in einer beruhigenden Bewegung umkreisten, flüchtig in einer sanften Berührung streiften.

„Aber ja… Ein ganz ausgezeichnetes Angebot! Alles was du dafür tun musst, ist mir einen kleinen Gefallen zu erweisen und nun ja … dich von deinem jämmerlichen Dasein als Sträfling für immer zu verabschieden.“

Ein aufgeregter Zug umspielte Benjamins Lippen. Begeisterung flammte in ihm auf, als er das Angebot hörte. Der Ausdruck in seinem Gesicht wurde fanatisch. Er würde seine Rache bekommen! Dieser Handel war mehr als er sich erhofft hatte – je in seinen kühnsten Träumen vorzustellen gewagt hätte.

„Was genau ist es, das ich tun muss?“, fragte er mit zittriger Stimme.

Der Todesengel beugte sich dicht zu dem Barbier vor. Das dünne nebelhafte Schattengewebe seiner Schwingen schloss sich langsam und umhüllte sie. „Bringe den Tod nach London. Gebe den verdorbenen Bürgern dieser Stadt genau das, was sie allesamt verdienen. Wirst du das tun?“

„Ja.“ Ausdruckslos nickte Benjamin. Seine Gesichtszüge waren leer und vor seinen Augen war unverrückbar das Bild seiner Rachegelüste.

Die Schatten verdichteten sich.

„Wirst du Benjamin Barker für immer aufgeben? Wirst du den mickrigen naiven Barbier, der du einst warst, aus deinem Herzen vertreiben, vernichten, damit an dessen Stelle jemand Neues treten kann?“

Ein Funke von Verwirrung blitzte für einen kurzen Moment in Benjamins Augen auf. Was meinte sein Gegenüber damit? Aber wenn das der Preis war, damit er zurückkehren konnte. Damit er sich rächen konnte, an diesem elenden Richter, diesem abscheulichen Mistkerl, der es noch nicht einmal wert war…!

Ein Nicken.

„Benjamin Barker wird sterben“, verkündete das Geschöpf der Nacht, „seine lächerlichen Empfindungen sollen dich nicht davon abhalten, das dir aufgetragene Werk zu vollenden. Statt Reue wird Genugtuung dich auf deinem todbringenden Weg begleiten. Nie sollst du vom schlechten Gewissen geplagt werden, sondern das Wissen, dass der ganze verlogene Abschaum sein verdientes Schicksal ereilt, soll dich erfüllen. Du wirst zu dem Vollstrecker deiner Rachegelüste werden!“
 

Schatten, Schwärze, Finsternis, Hass, Leere, Mordlust, Verachtung. Sie alle bildeten ein zähes Durcheinander in Benjamin, das seinen Blick vernebelte, seine Gedanken trübte und zäh und klebrig wie Pech werden ließ. Aber was nützte ihm auch der schwache, erbärmliche Mann, der naiv gewesen war, nicht hinter die schön heile Fassade der Gesellschaft hatte sehen können und letztlich deren Grausamkeit zum Opfer gefallen war? Er war nicht nur ans andere Ende der Welt verbannt, er war auch durch seinen Wahnsinn vernichtet.

Der Gedanke durch die Vernichtung eben jenen schwachen Mannes zu einer neuen Existenz zu gelangen und die Möglichkeit zur Ausübung seiner Rache zu erhalten, war mehr als nur verlockend.

„Mein Freund, werde meine zweite Hand in London, bringe Tod über die verdorbene Menschheit – werde zu Sweeney Todd und übe Vergeltung!“

Der Barbier starrte blind in einen Wirbel aus Schatten. Der endlose Abgrund aus Finsternis hatte sich vor ihm aufgetan, doch statt entsetzlicher Furcht packte ihn Ergriffenheit.

„Nimmst du das Angebot an?“, fragte die unergründliche Stimme des Todesengels.

Ein farbenfrohes strahlendes Bild tauchte plötzlich vor den Augen des Barbiers auf. Er sah wieder Lucy und Johanna in all ihrer Pracht vor sich. Er spürte das überwältigende Glücksgefühl bei ihrem Anblick durch seinen Körper strömen. Doch mit einem Mal explodierte ein unsagbarer Schmerz in ihm, er durchlebte den Moment der Trennung von neuem, musste mit ansehen, wie er von Lucy fortgezerrt wurde, sah wie jegliche Farbe aus dem Bild wich, abstumpfte, bis die grausame Erkenntnis seiner eigenen Schwäche es zerschmetterte, in tausend Bruchstücke zerspringen ließ. Zerstreut blinzelte Benjamin, bäumte sich ein letztes Mal auf und versank auf ewig in den Schatten, ein schwaches Flüstern hervorbringend.

„Ich nehme das Angebot an!“
 

~*~*~
 

Rauschen drang an seine Ohren. Benommen blinzelte Sweeney. Er spürte das Rollen der Wellen unter sich, welches das Holz, auf dem er lag, hin und herwarf, zu einem Spielball der unberechenbaren Gezeiten werden ließ.

Die Ereignisse der letzten Stunden waren bloß noch verschwommene Schemen, die sich allmählich in Vergessenheit verloren. Sweeney konnte sich bruchstückhaft daran erinnern, wie er immer tiefer in undurchdringliche Schwärze gefallen war. Als er wieder zu sich zurückgefunden hatte, war gerade die Morgendämmerung eingebrochen und von Unruhe gepackt, hatte er die Anweisung erfüllt, die ihm das Geschöpf aufgetragen hatte. Irgendwie war er mit diesem Stück Holz aufs Meer getrieben. Er müsse einfach nur warten, dann würde er nach London kommen, dafür werde er sorgen – das waren die letzten Worte des Todesengels gewesen.

Ächzend hob Sweeney den Kopf und spähte gen Horizont auf die weite leere See. Nichts als blaues Gewässer und weißen Schaumkronen erfüllte sein Blickfeld. Er vermochte nicht zu sagen, wie lange er sich schon auf dem Meer befand. Sein trockener Mund fühlte sich jedoch wie Sandpapier an. Jede Faser seines Körpers lechzte nach Wasser. Wenn nicht bald etwas geschah, dann würde er elendig verdursten.

Erschöpft ließ Sweeney seinen Kopf wieder auf die Planken sinken und schloss die Augen. Eine warme Brise strich über sein Gesicht und zerrte an seinem wirren Haar. Er spürte die sengende Sonne auf sich scheinen und lauschte regungslos der See.

Verrecken würde er … elendig verrecken … nie nach London…..

Aber das durfte nicht geschehen! Hastig riss Sweeney die Augen auf und erhob sich, soweit es ihm die schwankenden Holzplanken seines behelfsmäßigen Floßes unter ihm erlaubten. Ihm schwindelte. Vergeblich suchte er den Horizont ab, bis er es schließlich sah. Aus dem blauen Farbengemisch heraus löste sich langsam der Schatten eines Schiffes, das majestätisch auf den Wellen ritt, genau auf ihn zu.

Ein Lächeln verzerrte die blutleeren Lippen.

Oh er würde seine Vergeltung bekommen. Es war nur noch eine Frage von Wochen, dann würde er den Tod nach London bringen. Richter Turpin sollte seine gerechte Strafe erhalten! Dafür würde er schon sorgen – er, Sweeney Todd.



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Kommentare zu dieser Fanfic (20)
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Von:  -Atropos-
2010-12-13T20:49:26+00:00 13.12.2010 21:49
kann leopardenfell nur zustimmen. hoff es kommen noch mehr :)
Von:  Takane_Enomoto
2010-07-15T14:49:22+00:00 15.07.2010 16:49
Gefällt mir total gut. Ich liebe den Film über alles, und ich war besonders froh darüber, einen OS darüber zu finden, der auch noch so genial und tiefgründig wie deiner war. Die Charaktere hast du mehr als gut getroffen, auch hast du die Atmospähre total super rüber gebracht; man konnte sich genau bildlich vorstellen, wie die Charaktere reagieren, die Gesichtsausdrücke, als dies... Als wäre es eine Filmszene gewesen.
Bin mal auf deine anderen Geschichten gespannt, die ich mir jetzt auch durchlesen werde~

LG Tori-chan
Von:  CassiopeiaBlack
2010-07-08T11:58:24+00:00 08.07.2010 13:58
^///^
Es ist toll.
Ich mag den Film und ich liebe das Musical!
Und Tim Burton hatte in seiner version gezeigt wie Abgrundtief böse die menschliche Natur sein kann.
Kurz um, ich bin begeistert!!!
Echt klasse!
Grandios.
Von:  Leopawtra
2010-06-11T10:38:47+00:00 11.06.2010 12:38
Hallochen. :)

Ich finde dieses One-Shots echt klasse. :D
Dein Stil ist der Hammer und es liest sich alles schön flüssug. :)

*in Favos pack*
Von:  FarinaUrlaub
2010-03-16T20:01:37+00:00 16.03.2010 21:01
puh ._____. also erstmal muss ich sagen: richtig spannend!! wirklich sehr aufregend, ich habe förmlich am bildschirm geklebt!
dein schreibstil gefällt mir unglaublich gut, deine metaphern etc sind hervorragend formuliert!
die story der "geschichte" ist interessant und die charas finde ich grösstenteils auch sehr inchara (da muss ich dir im bezug aufs nachwort widersprechen^^). die argumentation ist nachvollziehbar, jeder sollte bemerken, dass das geschehene sweeney gezeichnet hat und ihm den hauch von wahnsinn gegeben hat.
welche frage ich mir jetzt stelle: hätte er sie wirklich in den ofen geschubst, wenn toby nicht hereingeplatzt wäre? auf der einen seite würde es mir plausibel erscheinen, auf der anderen auch wieder nicht; ich schätze ihn so ein, dass er ihr auch "lediglich" eine lektion erteilen wollte, sie ein wenig schocken wollte, um ihr zb seine macht zu demonstrieren oder aus anderen gründen, die ich jetzt nicht alle aufzählen werde. (falls du also nochmal schreibwut bekommst und ideen hast, fänd ich einen letzten teil des dann nicht mehr twoshots interessant ^.^)
desweiteren habe ich die ganze zeit auf mr harrison gewartet, denn als sweeney seinen plan gefasst hatte, klang es danach, als sei er in den plan mit einbezogen. aber wahrscheinlich war er eher der auslöser des gedankens, so war das wahrscheinlich gemeint ^^
alles in allem: hervorragend, spannend, packend und toll geschrieben!
übrigens find ich die anderen os auch sehr gelungen *__*
Von:  kaherashico
2009-02-04T21:08:05+00:00 04.02.2009 22:08
Hey!

Sweeney Todd ist toll! =)Die Schauspieler, die Musik, einfach alles!
Ich finde, du hast ihn sehr gut getroffen, so gefühlskalt mit diesem unstillbarem Rachedurst. Mrs Lovett ebenfalls, hoffnungslos verliebt, dabei ihr Leben riskierend.
Also, alles in allem ein sehr gelunger One-Shot!

Liebe Grüße
kaherashico

-KFF
Von: abgemeldet
2009-02-04T16:49:47+00:00 04.02.2009 17:49
Guten Abend,
Als ich aning zu lesen, musste ich an den Spruch aus Narnia denken: "Wie ein Traum aus einem Traum!"
Und ich war dann doch sehr überrascht, als sich der Verdacht bestätigte...

Und schon wieder kann ich nur sagen, dass das sehr realistisch klingt. Jeder träumt schlecht, warum nicht auch ein Barbier? Das ist sehr plausibel, und deine Umsetzung schön surreal, wie ein Albtraum eben.

Ja, das mit der blutbefleckten Hand war so offensichtlich, dass selbst ich es bemerkt habe. Wie ist das mit dem Spiegel, der, zerbrochen, die Wirklichkeit verzerrt wiedergibt, und so Sweeney zerbrochene Seele und seine jetztige Sicht auf die Dinge wiederspiegelt? Ist das auch eine Anspielung gewesen, oder war das eher Zufall?

Wenn eine Geschichte dir nicht so recht gefallen mag, warum suchst du dir dann nicht einen Betaleser, mit dem du dann schön alles diskutieren kannst? So etwas kann bisweilen ganz lustig sein^^

Aber mir persönlich ist jetzt nur ein Satz negativ aufgefallen.
>Er wusste nicht, wen er erwartete hatte zu sehen,
Entweder "wen er erwartete zu sehen" oder "wen er erwartet hatte zu sehen", so verwirrt das, da zwei Sätze miteinander verschmolzen sind... nicht, dass ich das nicht kennen würde...

Aber es hat mir wieder gut gefallen, sehr gut sogar.
Liebe Grüße, Polaris
~KFF~
Von: abgemeldet
2009-02-04T16:33:04+00:00 04.02.2009 17:33
Hallo,
Ich kann mich luftablassen da nur anschließen, du hast alles sehr realistisch dargestellt, so könnte es wirklich ausgegangen sein, wenn denn der andere Fall nicht eingetreten wäre.

Vor allem ist es schön zu lesen, dass Sweeney seine Meinung ein Stück weit revidiert hat und nicht mehr allzu arg zurückweicht.

Und wieder sieht man die Filmszene vor sich, diesmal die am Meer. Ich hätte nicht gedacht, dass einem eine Geschichte beim Lesen zu bunt sein kann!

Und ja, sie hat jemandem gefallen ;)
Wie auch immer, liebe Grüße, Polaris
~KFF~
Von: abgemeldet
2009-02-04T16:27:22+00:00 04.02.2009 17:27
Tagchen,
Auch dieses Kapitel ist dir sehr gut gelungen.
Man kann sich gut vorstellen, selber in London zu wohnen und dies alles schon zu kennen, so gut hast du die gesamte Umgebung beschrieben!
Da fühlt man sich fast schon zu Hause...

Du hast hier Fragen zu dem Film "beantwortet", die ich mir stelle, seit ich ihn gesehen habe, und das, ohne, dass ich genau darüer nachgedacht hätte... Praktisch.

Besonders schön finde ich es, wie du Sweeneys Beziehung zu seinen Klingen erläuterst, und wie du Mrs. Lovetts Gedanken und Gefühle klarstellt. Denn du tust das so, als wäre das hier das Drehbuch, die Urfassung des Films, das du in eine Romanform gepackt hast.

>schweiften ihre Gedanken wieder ab, zur darauf folgenden Arbeit, die wieder einmal an der Bäckerin hängen bleiben würde
Es würde besser passen, wenn du das "zur" ausschreiben würdest, denn so... wirkt das irgendwie komisch. Außerdem fehlt da ein Punkt. Aber das lässt den Eindruck entstehen, dass Mrs. Lovett so sehr in ihre Gedanken versunken ist, dass sie alles möglihe bedenkt, aber irgendwie zu keinem Schluss gelangt.
Ist das Absicht? Ist auf jeden Fall ein interessanter Effekt.

Und ich denke nicht, dass du dir Sorgen bezüglich deiner Fähigkeit aus ihrer Sichtweise zu schreiben machen musst...

Liebe Grüße, Polaris
~KFF~
Von: abgemeldet
2009-02-04T16:01:04+00:00 04.02.2009 17:01
Hallo,
Als ich deine Anfangsbemerkung las, dachte ich "Hm.. was da wohl kommt?"
Aber meine Befürchtung, dass das einfach so hingeschmiert worden ist, wurden sofort aus dem Weg geräumt.

Denn du hast die Beiden super beschrieben, man sah sie beim Lesen vor sich, man konnte mit ihnen denken, mit ihnen fühlen, verstand automatisch ihre Beweggründe...
Du hast die original-Sweeney-Todd-Film-Atmosphäre rübergebracht.

Und man kann dein Werk super und flüssig lesen, wird nicht von Rechtschreibfehlern oder dergleichen gestört... Toll!

Liebe Grüße, Polaris
~KFF~


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