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Im Reich des Obsidian

von

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Chayantou - Das Spiel der Häuser

„Die schwierigsten Schlachten sind die, in denen man dem Gegner Auge in Auge gegenübersteht.“
 

30 Jahre zuvor:

Halbherzig brachte sie einen Windstein ins Spiel, um dann ihre Aufmerksamkeit sofort wieder ihrem Gegenüber zuzuwenden. „Sie sind unvorsichtig, Shojen. Wenn der Fürst zu Beginn im eigenen Hause steht, heißt das noch lange nicht, dass er bis Ende des Spiels auch dort verbleibt.“ – Nur zu wahr. Es war die gefährlichste Ausgangsposition und wenn es nicht gelang die anderen Spieler hinreichend zu beschäftigen, hatte man nicht die leiseste Chance die Partie zu überstehen. Ob diese nun auf einem Brett oder auf anderem Gelände ausgetragen wurde. – Doch der Junge vor ihr schien noch weit entfernt davon diese Wahrheit zu sehen. „Hhmm...,“ er nickte nachdenklich und ließ seine hellen grauen Augen über das Spielbrett wandern. Das kindliche Zerrbild eines großen Strategen. In einer Imitation ihres eigenen Zuges setzte er schließlich ebenfalls einen Windstein und lächelte ob dieses „genialen“ Einfalls. Er war noch so jung, noch lange kein ernstzunehmender Gegner. Aber würde er das jemals sein? „Sie verfügen natürlich über die größere Erfahrung, große Schwester.“ Mit seinen Kinderaugen blickte er alles andere als scheu zu ihr auf. Aus irgendeinem Grund war ihr dieser Blick äußerst unangenehm. Schnell schob sie eine Prinzessin des Himmels ins angrenzende große Haus und schaltete so geschickt Kyanroku, den Ratgeber, aus. Es war an der Zeit, dieses Spiel zu beenden.

„Was ist?“ Ihre Stimme klang ein wenig schärfer als beabsichtigt. Trotz der Tatsache, dass er sie immer noch unverhohlen anstarrte. Seine Antwort erfolgte ungewohnt zögerlich: „Werden Sie morgen wieder mit mir spielen? Es ist schade, dass wir uns nicht schon vorher begegnet sind. Dann hätten wir jeden Tag spielen können.“ „Und,“ fügte er mit einem kläglichen Blick auf die Spielfläche hinzu, „ dann wäre ich bereits viel besser und es würde Sie nicht so langweilen.“ Ertappt betrachtete sie die wenigen Steine, die noch vor ihr aufgereiht lagen: Ein Wind- und ein Holzstein. Es stimmte sie hasste das Spiel zu zweit. Es bot bei weitem nicht die Herausforderungen und strategischen Möglichkeiten, die eine Partie in einem größeren Kreis versprach. Außerdem hatte sie bereits genug gesehen. „Ich denke nicht, dass ich die nächsten Tage die Zeit dazu haben werde. Aber was nutzt es auf den Schnee zu warten, wenn noch die Vögel ziehen? Lassen Sie uns weiterspielen.“ Sie hoffte ihr erzwungenes Lächeln würde über ihre Ungeduld hinwegtäuschen.

Nach quälend langem Nachdenken spielte er schließlich einen weiteren Windstein. Dabei sollte doch selbst er mittlerweile begriffen haben, dass nur ein ausgewogenes Verhältnis der Elemente zum Sieg führen konnte. Sie selbst wählte den Holzstein, um ihre Position zu sichern. Nun waren Prinzessin und Berater in ihrem Haus fixiert.

Sie konnte nicht verhindern, dass ein siegessicheres Lächeln über ihre Lippen glitt, als sie sah, wie eindringlich er die neue Situation auf dem Feld musterte. Ob er wenigstens jetzt die Falle bemerkte, die sie ihm gestellt hatte? Es war egal, wohin er seinen letzten Wasserstein setzte. Ihm blieb nur noch dieser eine Zug, bevor er den Fürsten ziehen lassen musste. „Schade.“ Sie war sich nicht ganz sicher, ob er die nächsten Tage oder den Ausgang der Partie meinte. Doch es kümmerte sie nicht. Gelassen ergriff sie ihren letzten Stein. Aber was war das? Ihre Augen weiteten sich. Sie selbst hatte auch nur noch eine Möglichkeit. Mit sich ringend vervollständigte sie schließlich den Windkreis, der den Fürsten im Hause ihres Bruders einschloss. Er hatte gewonnen.



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