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Schall und Rauch

Which path will you choose?
von

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Elphaba stand in ihrem Bademantel eingewickelt und verstört auf den Boden blickend vor Fiyero, welcher angespannt auf eine erklärende Antwort wartete.

„Wieso?“, wiederholte er lautstark, trat dabei einen Schritt näher an die grüne Hexe heran und schüttelte sie kurz, aber dennoch fest an den Schultern, damit sie ihn endlich ansah.

Mit schmerzerfülltem Blick sahen die dunklen Augen ihn endlich an, in welchen sich nun Tränen bildeten: „Lass mich los, Yero!“, wimmerte sie.

Die Vogelscheuche wunderte sich über die Labilität der sonst so starken Frau und bereute es flüchtig, so grob gewesen zu sein, denn er nahm natürlich an, dass seine Worte Elphaba so stark getroffen hatten.

Der Schmerz in ihrer Schulter pochte, als die Strohhände fest an der Verletzung zugepackt hatten. Sie konnte nichts gegen die Tränen, die sich nun in ihren Augen bildeten und ärgerte sich darüber, weil sie genau wusste, dass Fiyero sie nun für schwach hielt.

Sein fieses Stroh hatte durch den dünnen Bademantel genau in die Wunde gepiekt und nun brannte es erneut wie Feuer auf ihrer Haut.

‚Reiß dich zusammen!’, mahnte sie sich und biss die Zähne zusammen. Dann versuchte sie, so schnell es ihr möglich war, ihre Gedanken zu ordnen, um Fiyero irgendwie diese ganze Situation verständlich zu machen.

„Fiyero….“, setzte sie an und richtete dann ihren Blick auf die vor ihr stehende Vogelscheuche, „dass Glinda nun hier ist, hat doch überhaupt nichts mit meiner Entscheidung von damals zu tun! Und sei bitte nicht so laut, denn Gl…“, Elphaba hielt inne, studierte schnell Fiyeros Mimik und setzte dann nach einer kurzen Pause fort, „… denn sie muss nun etwas schlafen!“

Die Ahnungslosigkeit schien bei dem Scheuch dazu zu führen, dass seine Wut ins unermessliche stieg.

Schnaubend unterbrach er ‚seine’ Fae: „Was zum Ballon…“

„Hör auf zu fluchen!“, fauchte diese grantig dazwischen, beruhigte sich dann aber schnell wieder und sprach beschwichtigend weiter, als Fiyero trotz Wutfalten auf der Stirn ruhig blieb:

„Yero, jetzt hör mir mal bitte gut zu, ich sage es dir nun ein letztes Mal…“

Irgendwie hatte Elphaba das Gefühl, als hätte ihr Yero sich schon in einer bestimmten Annahme oder Meinung festgefahren, nur wusste sie nicht welche…

‚Noch nicht!’, dachte sie etwas erschöpft von dem anstrengenden Dialog und sprach bedacht weiter:

„Damals habe ich mich für dich und ein Leben mit dir – egal was es bringen würde – entschieden. Es ist nur menschlich, wenn man … nein, das muss ich anders formulieren: Es ist nur menschlich, dass ich Glinda vermisst habe, denn sie war mir sehr wichtig und das hat sich nicht aufgrund meines offiziellen Todes geändert. Auch ich kann Gefühle nicht abstellen und schließlich habe ich auch durch Glinda viel gelernt. Sie war der erste Mensch in meinem Leben, der mir wirklich etwas bedeutet hat, ohne meiner Familie anzugehören. Sie war die erste Freundin, die ich je hatte und dazu noch die beste. Und da ist es doch nun wirklich verständlich, dass ich sie vermisst habe.

Und ich bin ehrlich – denn ja, es stimmt auch, dass ich zweifellos wissen wollte, wie es ihr geht und ob sie mit alledem zu Recht kommt. Aber Yero, das alles hat doch meine Gefühle für dich nicht beeinflusst!“

„Ach nein?“, unterbrach Fiyero sie abermals, im höchsten Maße rhetorisch.

Elphaba seufzte und machte eine kurze Pause.

In Gedanken beantwortete sich die Vogelscheuche ihre Frage selber: ‚Oh doch, Fae, das hat es! Und wie….’

Vor seinem inneren Auge spielte sich eine längst vergangene Szene ab:
 

Es war später Abend. Elphaba war seit Stunden nicht aus ihrem Zimmer gekommen und Fiyero nahm an, sie würde schlafen.

Als er sie endlich auf der Treppe hört, drehte er sich freudig in ihre Richtung und hielt die Arme offen.

Doch ihr Anblick erschreckte ihn – leicht gerötete Spuren auf ihrem Gesicht verrieten ihm, dass sie geweint hatte – doch er ließ sich damals nichts anmerken.

Seufzend hatte sie sich in seine Arme fallen gelassen. Während des Essens war Chistery dann auch die Treppe herunter gekommen.

Seine Fae war wieder bei besserer Laune gewesen, doch als der Affe krächzend geplärrt hatte: „Weinen, weinen!“, änderte sich ihre Gesichtsfarbe in ein dunkles Grün – ihre Art von Erröten.

„Was meint er?“, hatte Fiyero zu jener Zeit verwirrt gefragt, daran konnte er sich noch genau erinnern.

Er wusste auch noch sehr gut, wie sie nur mit den Schultern gezuckt hatte, als ob sie wirklich nichts wüsste, jedoch hatte er ihrer Mimik angesehen, dass es nicht stimmte.

„Glinda, weinen!“, hatte der Affe dazwischen spektakelt.

Und als Chistery dies vor sich hingejammert hatte, war seine Fae damals vom Stuhl aufgesprungen und wieder in ihrem Zimmer verschwunden.

In dieser Nacht, hatte sie schon geschlafen, als er nach ihr sah.

Das Bild würde er nie vergessen: Er hatte die Türe einen Spalt geöffnet und stand im Türrahmen. Das Licht des Mondes ließ ihre Haut smaragdgrün schimmern. Auf ihrer Stirn standen kleine Schweißperlen und sie warf sich im Bett hin und her. Als sie dann leise angefangen hatte zu weinen, war er mit einem großen Schritt neben ihr gewesen und hatte seine schlafende Schönheit gehalten. Doch als sie dann sehr leise, aber eindeutig „Glinda, bitte wein doch nicht… Alles wird gut. Ich halte dich… für immer.“ gemurmelt hatte, konnte er es nicht mehr ertragen und sein Körper auch nicht. Er hatte sie einfach wieder in das Kissen fallen lassen und sie war verwirrt erwacht.

„Was ist passiert?“

„Ich glaube, du hattest einen Alptraum!“, konnte er seine nüchternen Worte von damals noch hören.

Sie war aufgestanden und ins Bad gegangen.

Diese Nacht hatten sie nie angesprochen, doch als Fiyero alleine und sehr wütend im Bett gesessen und die Glasschale auf Faes Nachttisch liegen gesehen hatte, konnte er sich aus der ganzen Angelegenheit selbst einen Reim machen.
 

„Nein!“, riss Elphabas Antwort auf seine eben noch gestellte Frage.

„Wie?“, fragte Fiyero ganz verwirrt, ließ dann das Bild von Elphaba im Mondschein liegend seinen Gedanken entgleiten und fokussierte sich wieder auf die Diskussion.

Elphaba ignorierte seine offensichtliche geistige Abwesenheit:

„Das ganze hat meine Gefühle zu dir nicht beeinflusst, nein. Wieso denn auch? Es hat meine Gemütslage das ein oder andere Mal beeinflusst, aber nichts weiter.“

‚Und wieso hast du mich nach dieser einen Nacht eine Woche nicht an dich heran gelassen?’, keifte der Scheuch der grüne Hexe in seiner Fantasie an, doch er presste seine Lippen aufeinander und sein Mund blieb geschlossen.

Mit einem Blick nach draußen sah Elphaba, wie erneut dunkle Wolken aufzogen. Der Wind hatte auch schon wieder begonnen über den Wald hinweg zu fegen und die Hexe wusste, wenn bald das Gewitter erneut aufziehen würde – was offensichtlich die Nachwirkung eines jeden Wetterzaubers war – so würde Glinda auch nicht mehr lange schlafen.

„Und nun zu der Erklärung!“

Verwundert hob der Scheuch seine Augenbrauen. Wieso hatte es seine Fae auf einmal so eilig?

Er folgte ihrem Blick und sofort wurde ihm klar, was hier vor sich ging. Er konnte es kaum ertragen, dass sich momentan alles noch mehr um Glinda drehte, als es vorher sowieso schon der Fall gewesen war.

„Als ich das letzte Mal in die Glasschale schaute, sah ich Glinda mit diesem Mann, der mir irgendwie bekannt vorkam, doch ich wusste nicht genau, wo ich dieses Gesicht schon einmal gesehen hatte.

Ab da setzten diese Träume ein, die mich Nacht für Nacht, die ganze Woche beinahe, wieder in die Zeit kurz vor meinem Abgang von der Shiz-Akademie zurückführten. Glinda und ich waren wieder auf der Flucht vor den Wachen im Palast.“

Fiyero wusste, wovon seine Fae sprach, denn schließlich hatte sie ihm davon erzählt.

„Ich fand heraus, dass ich den Traum verändern konnte und es war immer nur eine Person in diesem Traum so vermummt, dass ich ihn oder sie nicht erkennen konnte. In der letzten Nacht – gestern um genau zu sein, als ich dich bat, mich alleine zu lassen, gelang es mir, die Person zu demaskieren und es war der Mann, den ich an Glindas Seite durch die Glasschale gesehen hatte. Damals stand er im Dienste des Zauberers und ist mit ihm gegen die Tiere vorgegangen.

Ich wusste also nun, dass er bestimmt nicht mit Glindas Art der neuen Regierungsform in Oz einverstanden war. Natürlich konnte ich nur ahnen, dass sie sich in Gefahr befand, doch irgendetwas sagte mit, es stimmt. Um sicher zu gehen, schaute ich noch einmal in meine Glasschale und zu meinem größten Schock aller Zeiten sah ich eine bewusstlose Glinda und zudem eine sehr lebendige Accursia.“

„Accursia AKABER?“, platzte es aus dem nun doch sehr verblüfften Fiyero heraus.

Elphaba nickte stumm.

„Mh hmmm… Ich habe wohl auch so geschaut, wie du es gerade getan hast! Von da an war ich mir mehr als sicher, dass Glinda in Gefahr war und wollte ihr helfen. Also flog ich zum Palast, doch irgendein Zauberbann hielt mich davon ab, meine Magie anwenden zu können. Also musste ich wohl oder übel ab der Stadtmauer laufen und schließlich auch Madame Akaber mit bloßen Händen und einem Pokal niederschlagen.“

„WAS?... Waaaaas hast du getan?“, Fiyero war außer sich, „Hat sie dich etwa gesehen?“

„Gesehen, ja. Erkannt… keine Ahnung. Das weiß ich nicht!“, antwortete Elphaba ihm wahrheitsgemäß.

„Ich weiß noch nicht mal, ob sie überhaupt noch lebt. Mit ganzer Kraft habe ich ihr das Ding auf den Schädel gehauen und es hat ein sehr fieses Geräusch gemacht. Sie hat noch gestöhnt und war von jetzt auf gleich ohnmächtig.“

„Sie MUSS dich doch erkannt haben. Elphaba, du bist GRÜN!“, die Vogelscheuche war wütend und verwirrt.

„Ich war komplett schwarz angezogen, hatte ein Tuch über Mund und Nase und eine Kappe, die ich mir tief ins Gesicht gezogen habe. Ich trug Handschuhe und ich habe den Kopf leicht gesenkt, sodass sie mein Gesicht kaum hätte erkennen können. Außerdem waren auch nur wir drei im Raum. Von daher hat mich auch niemand anderes gesehen!“

„Drei?“, fragte Fiyero, immer aufgebrachter, weil er den kompletten Ablauf der ganzen Sache noch immer nicht begriff.

„Ja, Akaber, Glinda – die aber ohnmächtig war oder schlief und ich eben.

Nun ja, das ist auch jetzt egal. Auf jeden Fall habe ich mir dann Glinda auf den Besen gepackt und bin so schnell es ging, wieder hier her geflogen, um noch in der Dunkelheit anzukommen. Schließlich bin ich soweit die einzige grüne Frau auf einem fliegenden Besen und DAS wäre bestimmt im Morgengrauen einigen Personen nicht entgangen!“

Bei dieser Vorstellung mussten nun beide schmunzeln, dann fragte Fiyero abermals durcheinander:

„Moment mal. Du sagtest doch, du konntest nicht mehr zaubern?“

„Als Akaber ohnmächtig wurde, so erkläre ich es mir zumindest, muss der Bann gebrochen worden sein. Also gehe ich natürlich auch davon aus, dass sie den Bann gelegt hat. Ich fühlte meine Magie wieder in mir aufsteigen und habe es einfach probiert. Anders wäre ich… wären wir beide da wohl auch nicht mehr heile raus gekommen. Dieser Mann, Ramón heißt er, wartete nämlich mit einem anderen Mann vor Glindas Türe. Er ist Akabers Sohn.“

„Was? Accursia hat einen Sohn? Von wem? … WAS?“, die Vogelscheuche konnte sich vor Entsetzen kaum noch aufrecht halten.

„Shhht! Nicht so laut. Von wem… Woher soll ich das denn wissen? Ich kann dir auch nicht genau sagen, wer von den beiden Männern ihr Sohn ist, aber einer der beiden schrie „Nein! Mutter!“, als ich gerade aus dem Fenster geflogen war. Und der Stimme nach war es eher Ramón…“

„Woher…?“, setzte Fiyero an, doch Elphaba war schneller:

„Woher ich seine Stimme kenne? Ja, durch das Glas kann ich leider nur schauen, aber ich habe die beiden Männer draußen auf dem Flur streiten gehört und als Makaber raus ging, stellte ich mich hinter die Türe und sie schrie herum…“

Elphaba zuckte mit den Schultern, zum Zeichen, dass sie nichts Spezifischeres sagen konnte.

„Oz im Ballon!“, seufzte Fiyero fassungslos und setzte sich überwältigt von alledem auf den Rand der Badewanne.

„Ich denke, dass Akaber einen ganz ausgefeilten Racheplan da durchgeführt hat und Ramón oder eben der andere Mann Glinda in der Nacht erledigen sollte.

Hast du die drei fiesen Kratzer auf Glindas Wange bemerkt?“

„Na die waren ja nicht zu übersehen!“

„Hm hmm… Ja, die verdankt sie Makaber Akaber. Danach ging sie raus, um den Streit zwischen den beiden Männern auf dem Flur zu beenden und als sie wieder rein kam, habe ich ihr eines über gebraten.“

„Das passiert also, wenn zwei Totgeglaubte sich treffen!“, murmelte Yero baff und starrte auf den Fußboden.

Elphaba konnte nicht anders und musste grinsen.

„Ich wollte schon immer mal wissen, wie Reinkarnation funktioniert!“ Sie war erleichtert, dass Fiyero gerade zu verblüfft schien, um sauer zu sein.

‚Ich glaube, jetzt ist ein guter Zeitpunkt…’, hoffte sie innerlich und fragte leise: „Yero?“

Der Angesprochene sah vom Boden auf und die Hexe fragend an: „Ja?“

In seiner Stimme lag keine Wut, keine Bosheit.

„Kannst du nun verstehen, warum ich ihr einfach helfen musste? Schließlich war niemand anderes da, der sie hätte retten können…“

Fiyero blickte nun in etwas verzweifeltes Gesicht und stand auf.

„Natürlich kann ich das verstehen!“, flüsterte er, während seine Stroharme den dünnen Körper umschlossen und sanft hin und her wiegten.

Elphaba hörte seine Stimme direkt neben ihrem Ohr: „Sie bedeutet dir noch immer sehr viel. Da ist mir schon klar, warum du sie da herausholen musstest. Nur….“

Er lockerte seine Umarmung, Elphaba befreite sich von seinem Griff und trat einen Schritt zurück: „Nur was?“, fragte sie, die Stirn in Falten gelegt.

„Nur… Was glaubst du, was nun passiert?“, fragte er sie monoton.

Die Antwort war ein schwerer Seufzer: „Ich habe keine Ahnung, Yero. Meine Gedanken sind so durcheinander. Ich bin ja selber ganz verwirrt. Diese Nacht war wirklich viel zu aufregend und anstrengend… Ich…“

„Ja, ich weiß…“, nickte Fiyero. Er war plötzlich ganz verlegen.

„Wie, du weißt?“, stutzte Elphaba.

„Na ja… also…“, druckste er herum und die dunklen Augenbrauen der Hexe schnellten in die Höhe.

Dann seufzte er: „Nach Mitternacht war ich noch mal hier oben, um nach dir zu sehen. Ich wusste ja, dass du meistens gegen 1 Uhr den Traum hattest, also machte ich mir Sorgen und ging nachschauen. Erst dachte ich, du hättest einen ruhigen Schlaf, doch dann hast du angefangen zu murmeln und…“

„Was habe ich denn gesagt?“, unterbrach Elphaba ihn ganz neugierig.

Außer Glinda hatte sie noch nie einen Menschen im Schlaf reden hören und sie hoffte innerlich, nicht auch von ‚supi-schicki-micky’ Schuhen gesprochen zu haben.

„Du hast gesagt: „Schneller“ oder so was in die Richtung. Bevor ich dann wieder gegangen bin, habe ich dir noch einen Kuss auf die Wange gegeben und dir etwas zugeflüstert, weil dich das in den meisten Fällen beruhigt hat, bisher zumindest. Und deswegen weiß ich wohl auch, dass es eine turbulente Nacht für dich war, denn der Traum an sich schien schon aufreibend genug gewesen zu sein.“

„Ja!“, nickte Elphaba und rief sich die Fragmente des Traumes wieder in Erinnerung.

Plötzlich stockte sie: „Fiyero, was hast du geflüstert?“

„Warum ist das so wichtig?“

„Sag es mir einfach. Ich will es wissen!“, drängte sie.

„Ich habe gesagt: Ich liebe dich!“, gestand die sehr verwunderte Vogelscheuche.

Elphabas Augen weiteten sich. Fiyero wusste nicht genau, warum: „Was? Was ist?“

„Elphaba Thropp.“, sagte die grüne Hexe, nun eher nüchtern und eintönig.

„Wie bitte?“, der Scheuch war nun wirklich total verwirrt.

„Elphaba Thropp. Du hast gesagt: Ich liebe dich, Elphaba Thropp, nicht wahr?“

Für eine Sekunde besann sich der Befragte und nickte dann, noch immer verdutzt: „Ja, woher weißt du das?“

Erst jetzt bemerkte die Hexe, welchen Stein sie gerade ins Rollen gebracht hatte und hielt sich erschrocken ihre Hand vor den aufgerissenen Mund.

„Ich… Ich….“, stammelte sie.

Nun ahnte Fiyero, dass sie ihm noch irgendein Detail verschwiegen hatte. Vielleicht auch nicht mit Absicht, denn er konnte sehen, dass es ihr offensichtlich erst gerade wieder eingefallen war.

„Jaaaaa…?“, bohrte er nun neugierig weiter.

„Ich habe es in meinem Traum gehört!“

„Wie das? War ich etwa auch dort?“

„Nein.. Nicht direkt. Aber deine Worte.“ Elphaba schien immer kleinlauter zu werden, was den Scheuch dazu veranlasste, der ganzen Sache genausten auf den Grund zu gehen.

„Also war nur meine Stimme anwesend?“

Die schmale Frau senkte den Kopf, sodass das rabenschwarze Haar nach vorne fiel und Fiyeros Sicht auf ihre Mimik verdeckte.

„Fae?“, fragte er besorgt.

„Nein. Es war nicht deine Stimme.“

In diesem Moment begriff er, was das Problem war: „Wessen Stimme war es denn dann?“, fragte er, mehr neugierig als alles andere.

„Fae?“ Doch diesmal bekam er keine verbale Antwort.

Als Elphaba den Kopf hob und ihm in die Augen sah, konnte Fiyero die Antwort nämlich in den wunderschönen dunklen Augen lesen.

„Glinda?“, fragte er überrascht und entgeistert.

Ein fernes Donnergrollen unterbrach die Stille.

„Glinda!“, entwich es der nun alarmierten Elphaba, denn sie wusste, spätestens wenn das Gewitter näher kam, würde die blonde Schönheit aufwachen. Die grüne Hexe unterdrückte den starken Impuls in das Schlafzimmer zu rennen um nachzusehen, ob noch alles in Ordnung war.

Sie musste diese Diskussion beenden und zwar vernünftig, ansonsten würde das alles kein gutes Ende nehmen.

Fiyero hingegen fasste diesen Ausdruck als bestätigende Antwort auf seine Frage aus und seinerseits entfuhr ihm ein abwertendes: „Pah!“

Als Elphaba daraufhin Fiyeros Mimik sah, war ihr ganz und gar nicht wohl. Es war wieder dieser Ausdruck, den sie nun kannte, gemischt mit der Wut von vorhin.

Mit einem Schlag war der Hexe nun klar, was dieser Schatten auf Fiyeros Gesicht zu bedeuten hatte: Der Ausdruck auf seinem Gesicht hatte etwas mit der Beziehung zwischen ihr und Glinda zu tun. Er fühlte sich bedroht… durch Glinda! Und zwar auf einer Ebene, die Elphaba nie im Leben für möglich gehalten hätte.

Fassungslos sah sie ihn an und wusste, dass sie mit der Erzählung des Traumes noch alles viel schlimmer gemacht hatte.

Verzweifelt versuchte sie, ihren Scheuch zu beruhigen: „Yero, es war nur ein Traum und schließlich waren es deine Worte. Die habe ich im Schlaf bestimmt nur verarbeitet! Wieso bist du denn auch noch mal hoch gekommen? Ich hatte dir doch gesa…“

„Wie bitte???“, rief die Vogelscheuche nun sehr erzürnt aus, „Jetzt ist das auch noch alles meine Schuld?“

„Wie?“, fragte Elphaba ganz perplex, „Was ist deine Schuld?“

„Dass du dir wünschst, SIE würde dich lieben. So sehr, dass du sogar davon träumst?“, sein Rufen war in ein lautes Schreien übergegangen.

‚Ooooh, verdammt!’, ärgerte sich ‚Fae’ innerlich, als sie sah, dass ihr Yero kurz vor dem Explodieren stand. ‚Hoffentlich ist sie jetzt nicht aufgewacht!’, betete sie.

Elphabas Versuch, Fiyero zu beruhigen und ihn davon zu überzeugen, dass es bestimmt nicht so war, ging in einem lauten Donnerknall unter.

Reflexartig schauten beide Gestalten zum Fenster hinaus und erblickten ein sehr seltenes Naturschauspiel: Der Wind war stärker geworden, doch die Sonne schien noch kräftig vom Himmel herab. Die Wolken schienen fern, ebenso wie das Gewitter, doch der Donnerknall hatte den Anschein erweckt, als wäre das Unwetter ganz nah über ihnen.

Als Elphaba und Fiyero sich wieder ansahen, schüttelte der Scheuch den Kopf und sein Satz wurde vom nächsten ohrenbetäubenden Donnergrollen übertönt. Doch die grüne Hexe hatte seine Lippen gelesen, die ein „Das war’s!“ geformt hatten.

Ohne Vorzeichen stürmte Fiyero in Richtung Badtür und riss sie mit gewaltiger Kraft auf, sodass sie markerschütternd gegen die Fliesenwand knallte.

‚Spätestens jetzt ist sie wach…’, seufzte Elphaba und rannte hinter Fiyero her, um ihn aufzuhalten.

Doch als sie mit hohem Tempo aus der Tür herauslief, prallte sie gegen den Rücken eines vor dem Bett stehenden Fiyeros, der den Schwung der Hexe auffing, aber nichts sagte.

„Uff!“, machte Elphaba. „Entschuldige, Yero, ich dachte du wärst so sauer und wolltest wegrenn… GLINDA?!“, platzte es aus ihr heraus, als sie das leere Bett mit der zurückgeworfenen Bettdecke anstarrte.

„Oh verdammt!“, fluchte sie, als sie in Panik aus ihrem Kleiderschrank ein dünnes Sommerkleid suchte, den Bademantel aus- und das schwarze Hängerchen anzog. Alles andere würde entweder zu eng sitzen und schmerzen oder war noch nass…

Erst da sah Fiyero die ganzen Verletzungen und sog zischend vor Entsetzen die Zimmerluft ein.

Elphaba drehte sich zu ihm um und sah, wie er auf ihre Schulter, dann auf ihr Handgelenk starrte.

„Der Regen!“, sagte sie nüchtern, aber nicht unfreundlich.

Fiyero fing sich wieder und dachte: ‚Das ist deine letzte Chance, Fae! Beweise mir, dass ich Unrecht habe!’ und dann fragte er sanft: „Was hast du jetzt vor?“

Elphaba deutete seinen scheinbaren Stimmungswechsel als ein gutes Zeichen.

‚Er hat bestimmt eingesehen, dass er total überreagiert hat und das ohne Grund!’, hoffte sie, griff nach ihrem Besen und antwortete ebenso sanft: „Ich muss sie finden!“

Abwartend stand sie vor ihm und jede Sekunde kam ihr unendlich vor. Doch sie konnte nicht gehen, ohne sich sicher zu sein, dass er in Ordnung war.

„Und was machst du, wenn ich jetzt sage: Ich will, dass du hier bleibst? Hier bei mir?“

Entsetzt starrten ihn die dunklen Augen an.

„Sie ist ein starkes Mädchen. Blond, aber stark! Sie schafft das schon, bestimmt!“, fügte er lächelnd hinzu.

„Wa… Fiyero!“, entgegnete Elphaba entgeistert.

Er wusste, sie würde trotzdem gehen. Egal, was er sagte. Und sie wusste es auch.

Dann lächelte er warm: „Das war nur ein Witz!“

Als er sah, dass seine Fae nur den Mund zuklappen, aber keine Antwort finden konnte, forderte er sanft: „Meine Fae, komm mal her!“

Sie tat wie ihr befohlen und er schloss sie in seine Arme. Dann küsste er sie auf die Stirn und ließ sie los: „Danke!“

„Wofür?“, fragte die noch immer verwirrte und perplexe Frau.

„Für die…“, lautes Donnergrollen übertönte den letzten Teil des Satzes. Panisch drehte sich Elphaba in Richtung Fenster und sah hinaus.

Die Sonne glitzerte scheinheilig vom Himmel herab. Dann wandte sich die Hexe wieder ihrem Scheuch zu: „Was?“

„Nichts! Geh nur! Geh!“, antwortete dieser und schob sie leicht in die Richtung des Fensters.

Als erneut der Donner knallte, nickte Elphaba schnell und formte ein lautloses ‚Danke’ mit ihrem Mund.

Dann öffnete sie hektisch das Fenster und Fiyero sah nur noch den Rücken der Frau, die er einmal so sehr geliebt hatte, wie nichts anderes auf der Welt.

„… Für die Bestätigung, du Heuchlerin!“, sagte er in den nun leeren Raum hinein und beantwortete damit Elphabas „Wofür?“. Dann hielt er noch einen Moment inne und wartete, bis die Hexe aus seinem Blickfeld verschwunden war.
 

Er war nun schon drei Stunden unterwegs, als er die prächtige Stadtmauer endlich erblickte.

Als er näher kam, fiel sein Blick auf die hohe Turmuhr und er fragte sich, ob Elphaba schon fündig geworden war.

Schnellen Schrittes marschierte er zum Eingangstor und war ganz verwundert, warum keine Wache hier stand, um ihm eine Brille aufzusetzen.

Die eine Hälfte des riesigen Eichentores war geöffnet, die linke Hälfte jedoch war zugeklappt und auf ihr prangte ein riesiges Holzschild.

„Ab dem heutigen Tage sehen wir die Wahrheit mit unseren eigenen Augen! Keine Brillen mehr für Oz!“ stand darauf geschrieben und in der unteren Ecke konnte Fiyero Glindas schnörkelige Unterschrift und das Datum erkennen: „Glinda die Gute, 24 n. Oz“

„Na da bin ich aber mal gespannt!“, höhnte der Scheuch und staunte nicht schlecht, als er durch das Tor trat und den Betrug mit den Brillen verstand.

Wie angewurzelt stand er dort und blickte sich ungläubig um: „Kristalle! Ich fass es nicht!“

Aus dem Augenwinkel sah er, wie jemand oder etwas auf ihn zuschritt. Er wandte seinen Blick in diese Richtung und sah eine Art Soldat oder Wachmann, in azurblauer Uniform mit einem roten Zeichen auf der linken Brustseite. Als der Mann näher kam, studierte Fiyero mit zusammengekniffenen Augen das Zeichen: Es sah aus wie ein Berg mit drei Spitzen, doch durch den letzten Berg war ein Strich gezogen.

„Oh!“, entwich dem Scheuch, der nun verstand, dass es keine Berge waren, sondern die Buchstaben M und A, die einfach nur aneinander gesetzt worden waren.

„MA…“, flüsterte er. „Madame AKABER!“

„Was glotzt du so?“, fragte der Wachmann, der nun beinahe vor Fiyero stand.

„Nichts. Schon gut!“, antwortete dieser leicht erschrocken.

Murrend ging der große Mann an ihm vorbei. Er hatte strohblondes Haar und helle Augen.

Mit seinen Blicken verfolgte Fiyero den Burschen, bis er hinter dem Eingangstor verschwunden war.

„Oz, Ballon und fliegende Affen!“, rief der Scheuch erschrocken aus, als ein lautes Geräusch die merkwürdige Ruhe der sonst so überfüllten Smaragdstadt durchbrach.

Erst da merkte Fiyero, dass niemand außer ihm und dem Soldaten sich auf der Straße befand, doch bevor er genauer hinsehen konnte, kam der Mann schon wieder zurück.

Er hatte das Schild von ‚Glinda der Guten’ vom Tor abgerissen und hielt es in seiner rechten Hand.

Schnellen Schrittes wollte er gerade an Fiyero vorbeimarschieren, als dieser rief: „He, Sie da!“

Prompt hielt der Angesprochene inne und drehte sich um: „Was?“, fragte er sehr unfreundlich.

„Können Sie mir sagen, wo ich Ramón finde?“

„Das kommt ganz darauf an, was du von ihm willst, Strohkopf!“, zischte der blonde Mann und trat so nah an Fiyero heran, dass dieser seinen Atem hätte spüren können, wenn er noch Nervenzellen gehabt hätte.

„Ich weiß, wer Glinda die Gute gerettet hat und ich weiß auch, wo sie und ihr scheinheiliger Retter sich aufhalten!“

Atemlos standen sich die beiden Männer gegenüber und keiner der beiden bewegte auch nur einen Muskel, als es mit tosendem Knall donnerte und starker Regen einsetzte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  EmiLy_RoHan
2008-10-05T16:06:35+00:00 05.10.2008 18:06
und ich hatte auch noch mitleid mit fiyero -.- der kerl ist genauso schlimm wie ramón ! mieser, mieser, mieser strohkopf! ahhhh, sooo gemein ! 0,o

ich muss jetzt weiterlesen


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