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Hoffnung zu Asche

Schatten und Licht, Band 2
von

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Wiedersehen macht Freude

Die Oberfläche war ruhig.

Im Innern wurde das Wasser von kleinsten Lebewesen aufgewühlt, doch dem See sah man dieses Treiben nicht an. Es wehte kein Wind. Selbst die blass roten Blätter des Waldes um das Gewässer herum waren grau. Es war eine kalte Nacht, ohne eine Wolke am Himmel. Einzig allein die Sterne und der Mond der Illusionen hoch über der Bergkette in weiter Ferne hauchten der Oberfläche Lebendigkeit ein. Die Gestirne schafften ihre nahezu perfekten Ebenbilder.

Es gab nur ein Schatten als Warnung. Wasser regte sich, schlug Wellen und geriet immer mehr in Wallung, je größer der Schatten wurde. Ein riesiger Körper, bedeckt von Schuppen, deren Weiß von der Nacht verschlungen wurde, sank in das Gewässer. Das riesige Reptil klappte die Flügel zu Vorderläufen zusammen. Für einen Drachen sollte der bescheidene See kaum mehr als eine große Pfütze sein, doch war es scheinbar genug um daraus zu trinken. Denn der Himmelsdrache erhob sein majestätisches Haupt, beugte den Hals und berührte mit der Spitze seines Lippen losen Mundes das kühle Nass. Jedoch trank der Drache nicht, sondern ließ zwischen seinen Furcht erregenden Reißzähnen eine zierliche Gestalt hindurch schlüpfen.

Speichel floss und schälte sich von dem vermeintlich Todgeweihten ohne einen Rest zu hinterlassen ab. Die durch einen Mantel mit Kapuze verhüllte Person stand bis zu ihren Knöchel tief im Wasser und umschloss mit einer Hand den Riemen ihrer Sporttasche. Erst sah sich etwas um, dann senkte sie den Kopf und nahm die Stille in sich auf. Vor der spektakulären Landung waren noch die Stimmen der Nacht und ihrer Bewohner zu hören gewesen, doch inzwischen waren sie verstummt. Nur die heiße Luft aus dem Rachen der Bestie durch stieß die geräuschlose Nacht. Plötzlich wandte sie sich um und eine weibliche Stimme gesellte sich zu dem kraftvollen Atem ihres Partners.

„Du hast es tatsächlich gefunden. Wie kann kann ich dir danken, Tetsuya?“

Der Drache schmiegte seinen Kopf an den edlen Stoff ihres Mantels. Die Frau fuhr sanft mit ihren zarten Fingern über seine Schuppen.

„Es wird wieder eine Zeit kommen, in der wir uns so oft treffen können, wie wir wollen. Ich verspreche es.“

Das Haupt drehte sich etwas zu Seite und ein Auge sah sie direkt an.

„Mir fällt es auch nicht leicht. Aber du weißt genauso gut wie ich, dass es an der Zeit ist mich meiner Zukunft zu stellen. Ich kann nicht ewig davonlaufen und ich will es auch nicht.“

Sanft stupste das gewaltige Reptil sie an, woraufhin sie lachte und notgedrungen ein weiteres Mal das Wasser aufschreckte.

„Ich wusste, du würdest mich verstehen.“, versicherte sie sarkastisch. „Lass mich dir beim Start helfen, sonst ist gleich kein Tropfen mehr im See.“

Nur wenige Augenblick nach ihrer Bitte stieg der Drache in die Höhe, ohne auch nur einen Flügelschlag auszuführen. Das ab perlende Wasser regnete unter ihm herab. Erst als er zwanzig Meter vom Boden weg war, breitete er seine Schwingen aus und flog elegant davon. Der kräftige Windstoß schien der Person am Boden nichts auszumachen. Sie sah ihm nach, bis keine Spur mehr von ihm am Sternenhimmel war. Dann fasste sie sich mit ihrer rechten Hand vor die Brust und holte einen blass rosa Anhänger hervor. Nachdenklich betrachtete sie die Kette, die sie schon fast ihr Leben lang begleitet hatte. Schließlich schloss sie die Augen, wandte ihren Blick nach innen, visualisierte ihren Standort, versicherte sich ihrer Wache, verpackte beides in einen Gedanken, den außer sie nur eine weitere Person verstehen konnte, und sandte ihn in die Welt hinaus.

„Ich warte auf dich, Van.“
 

„Ah! Wie ich diesen Ausblick vermisst habe!“, rief Merle freudig auf und lief auf das Panzerglas zu, hinter dem dem die Dächer Farnelias zu sehen waren. Van indes, der von einem langen Tag gezeichnet war, schleppte sich die letzten Stufen zum höchsten Zimmer seiner Villa hoch, das unter einer Kuppel verborgen war. Auf der Innenseite schmückte eine täuschend echt gemaltes Abbild des nächtlichen Himmels Farnelias die Wand und verbarg zusammen mit dem Boden die ganze Einrichtung, bis auf ein Bett, das einsam in der Mitte stand.

„Also, worüber wolltest du mit mir reden?“ fragte Van ungeduldig. Sonst war er nicht so harsch seiner besten Freundin und eigens adoptierten Schwester gegenüber, doch er fühlte sich ausgelaugt und wollte nur noch ins Bett. Sie hingegen war gerade erst in Farnelia angekommen und tänzelte quick lebendig im Raum umher, wobei ihr dunkelblaues Kleid Wellen schlug.

„Was denn? Ich war ein halbes Jahr lang weg und darf mich nicht einem freuen, wieder zu Hause zu sein?“

„Klar darfst du, aber dafür brauchst du mich nicht.“, erwiderte Van trocken und wandte sich der Treppe zu.

„Hier geblieben!“, befahl Merle herrisch. „Willst du nicht einmal wissen, wie es um Sophia steht?“

„Du hast mir bereits versichert, dass es ihr gut geht, schon vergessen?“, konterte er. „Als ich dich begrüßt habe, war das meine zweite Frage gewesen. Für heute reicht mir das, den Rest höre ich mir morgen an.“

„Und Details interessieren dich nicht?“

„Heute nicht. Morgen ja.“

Merle blieb in ihrer Rolle der edlen Dame. Elegant, fast verführerisch ließ sie sich auf das Bett nieder und strich einladend über die Decke.

„Komm schon, Van! Ich weiß doch, dass du nicht schlafen kannst, ohne zu wissen, wie es ihr ergangen ist.“, behauptete sie mitfühlend.

„Ich weiß nur, dass du mich nicht schlafen lässt, ehe du mir nicht alles erzählt hast.“, seufzte Van, woraufhin Merle über beide Wangen grinste. Er setzte sich neben sie. „Ich höre.“

„Sie regiert über Chuzario, auch wenn sie noch nicht gekrönt worden ist, aber das weißt du sicherlich selbst.“, sprudelte es aus ihr herraus. „Der Adel dort ist ein Schlangennest. Ich hab allein in der ersten Woche fünf hastig vorbereitete und schlampig ausgeführte Anschläge auf ihr Leben abgewehrt. Die Ratsherren einer jeden Stadt drängten auf die Teilung des Reiches, da sie sich selbst schützen und verwalten könnten, und Sophia den Antrag von keinen ihrer Söhne angenommen hat. Da kam ihr der Ausnahmezustand, den sie wegen der Flüchtlingswelle und der neuen Bedrohung von der ehemaligen Hauptstadt aus, verhängen musste, sehr gelegen. Die Armee unterstützt sie und nachdem der Ausnahmezustand wieder aufgehoben worden ist, standen die Städte vor vollendeten Tatsachen und jede der örtlichen Regierungen musste ihren Anspruch auf die Herrschaft anerkennen.“

„Ich will gar nicht erst wissen, was alles im Hintergrund abgelaufen ist.“, kommentierte Van.

„Verraten könnte ich es dir eh nicht, sonst müsste ich dich töten.“, lachte Merle.

„Was denkt die Bevölkerung über sie?“

„Mit der Entscheidung, den Regierungssitz in die Stadt zu verlegen, die dem verseuchten Gebiet am nächsten ist, hat sie viel Eindruck hinterlassen. Man hat ihren Willen zu kämpfen wahrgenommen und die meisten sind bereit ihren Teil zu leisten. Das ganze Land schwelgt im Patriotismus.“

„Hoffentlich steigt ihr das nicht zu Kopf.“, äußerte sich Van besorgt.

„Das wird es nicht.“, war Merle überzeugt. „Dafür hast du ihr zu viel Bodenständigkeit verpasst. Im Übrigen glaubt sie immer noch, dass ihr Vater lebt, und lehnt eine Krönung deswegen ab.“

„Gibt es denn überhaupt noch Überlebende in Sarion?“

„Ein paar hundert. Ihre Standorte sind bekannt, doch sie weigern sich ihre Heimat zu verlassen. Wir halten Kontakt, versorgen und beobachten sie. So stur, wie sie sind, richten sie sich auf ein Leben in ständiger Gefahr ein. Das Gute daran ist, dass wir durch sie Erkenntnisse über die Diener der Gezeichneten und über den Umgang mit ihnen gewinnen.“ Neugierig musterte sie Van, doch der stellte keine weiteren Fragen. Stattdessen gähnte er. „So, jetzt bist du dran!“

„Was?“

„Ich hab dir meine Neuigkeiten überbracht.“

„Gut, wenn ich es recht bedenke, hab ich auch ein paar für dich.“, gab sich er geschlagen. „Erstens: Man hat bei mir um deine Hand angehalten. Zweitens...“

„Halt, Auszeit!“, unterbrach ihn Merle und fuhr entsetzt mit ihrem Oberkörper hoch. „Man hat was gemacht?“, hakte sie nach.

„Man hat mich gefragt, ob du heiraten willst. Genau genommen waren es fast zehn Freier.“

„Du hast hoffentlich jeden einzelnen mit Arschtritt hinaus befördert.“

„Ich habe ihr Anträge und Geschenke registrieren lassen und sie mit der Nachricht entlassen, dass du die freie Wahl hast und sie von deiner Entscheidung hören würden.“, beruhigte sie Van. „Ein Kopie der Liste findest du in deinen Gemächern, die, wie ich anmerken möchte, schon lange fertig sind, was die zweite Neuigkeit ist.“

„Und die dritte?“, erkundigte sich Merle misstrauisch.

„Über die letzten paar Monate haben sich etwa ein Dutzend Katzenmenschen in Farnelia niedergelassen. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, wegen dir.“

Nun war Merle geplättet. Noch nie hatte sie jemanden ihrer Art gesehen, geschweige denn gesprochen. Katzenmenschen lebten sonst abseits der Zivilisation in kleinen Familien oder allein, wenn man den Gerüchten trauen konnte. Wirklich einmal und wahrhaftig mit ihnen zu sprechen...

„Wirklich? Ich meine...echt?“

„Zwei Familien. Sie kamen unabhängig voneinander und sahen bei ihrer Ankunft ziemlich mitgenommen aus. Ich hab sie bei unseren Dienern untergebracht. Bis jetzt haben sie ihre Zeit mit Unterricht verbracht, der sie auf ein Leben in Farnelia vorbereiten soll. Kann ich diese Angelegenheit dir überlassen?“

„Ja!“, platzte es aus Merle heraus. „Sie dürfen doch bleiben, oder?“

„Die Entscheidung...“, setzte Van zur Antwort an, doch er hielt plötzlich inne. Sein Augen richteten sich auf das Fenster des Zimmers und blickten in die Ferne. Auf einmal war seine Müdigkeit wie fort geblasen und Schmetterlinge flatterten in seinem Bauch. Er schwieg, doch Merle wusste auch so, was gerade geschehen war. Schließlich sprach er sie darauf an: „Du weißt es, nicht wahr? Nur deswegen bist du zurückgekommen.“

„Um nichts in der Welt würde ich mir dein verdattertes Gesicht entgehen lassen.“, antwortete sie mit einem breiten Lächeln auf ihren Lippen. „Nun geh schon! Ein Pferd mit Verpflegung steht bereit. Ich halte hier solange die Stellung.“

Überglücklich umarmte Van sie und stürzte dann vor Freude jauchzend die Wendeltreppe hinunter.

„Ja, die Liebe.“, seufzte Merle und ließ sich zurück aufs Bett fallen. Ihren Blick auf die Sterne fixiert, fragte sie sich, was Allen wohl gerade träumte.
 

So schnell es das Pferd zuließ, jagte Van durch den Wald. Die Zeit und der Weg schienen im Schatten der dicht gedrängten Bäume endlos zu sein. Nur das gehetzte Schnauben seines Hengstes ließ ihn ahnen, wie lange sein überstürzter Aufbruch her war. Doch er fühlte es, sein Ziel war nahe. Zusehends blitzten Sonnenstrahlen durch die Wald, statt von den Stämmen absorbiert zu werden. Erst erkannte das Glitzern eines Sees und dann eine zierlich Gestalt. Er konnte nicht glauben, was er spürte. Er musste es mit eigenen Augen sehen. Scharf bremste er sein Pferd ab und sprang rücksichtslos aus dem Sattel. Protestierend wieherte das erschöpfte Tier.

Langsam, als wollte er das Wesen vor ihm nicht erschrecken, näherte er sich dem See. Er war nur noch zehn Meter entfernt, als die Gestalt ihre Hände hob und die Kapuze vom Kopf nahm. Die Morgensonne umspielte ihr Gesicht, das ihm aus seinen Träumen so gut bekannt war, und badete es in einer goldenen Aura. Ihr Lächeln war der Hammer, der die Ketten an seinen Füßen sprengte. Sein Glück kaum fassend rannte Van auf sie zu, stemmte sie stürmisch in den farbigen Himmel und drehte sie wie ein Karussell.

Hitomi lachte laut und weinte Tränen. Sie breitete ihre Arme aus, ließ sich von ihm tragen, während der Anblick seines strahlenden Gesichtes sie erfüllte. Doch seine Freude trug ihn zu weit. Er verlor die Kontrolle über seinen Schwung und beide stürzten vom Ufer ins kühle Nass. Das Wasser federte Hitomi nur wenig ab, doch obwohl die Landung ihren Rücken ihr Schmerzen bereitet hatte, lachte sie weiter. Van, der auf sie gefallen, betrachtete sie erst besorgt, dann erleichtert. Wie so oft zogen ihre glänzenden grünen Augen ihn magisch an und ihre geschwungenen Lippen forderten ihn auch ohne Worte.

Der See war an der Stelle so flach, dass er gerade so an ihre Schläfe reichte. Zärtlich hob Van mit einer Hand ihren Kopf an und streichelte mit anderen ihre Hüfte. Überrascht fühlte er ihr weiches Haar. Es floss an ihrem Hals entlang und berührte bereits ihren Nacken. Entschlossen jede einzelne Veränderung seiner Geliebten zu erfahren, führte er ihren Mund zu seinem. Die Berührung dauerte nur einen Augenblick.

„Ich liebe dich.“, flüsterte er. Es war ein Geständnis, dass er schon immer loswerden wollte und nun endlich hatte er es nicht mehr zurückhalten können. Als Hitomi dies hörte, wurde aus ihrem Lachen ein Lächeln und sie streckte sie ihm weiter entgegen. In sein Ohr hauchte sie:

„Ich weiß.“

Ein weiteres Mal brachen für Van alle Dämme und beide schmiegten ihre Lippen aneinander.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  fahnm
2008-09-07T18:12:59+00:00 07.09.2008 20:12
Wie süß, das Van und Hitomi wieder vereint sind. Ich bin mal gespannt was sie so erleben werden. Danke schön für die ENS und sag bitte bescheid wenn es weiter gehen wird.

mfg
fahnm
Von:  Rani
2008-09-07T17:42:16+00:00 07.09.2008 19:42
Das sit echt gut ich bin so gespannt wie es weiter geht und was noch geschieht bitte schreib mir eine Nachricht wenn es soweit ist ich find das Kap echt gut und interessant es lässt viele Obtionen offen

lg Rani
Von:  AvalonsHexe
2008-09-06T21:05:31+00:00 06.09.2008 23:05
toll geschrieben :) macht echt spass weiter zu lesen und macht hunger auf mehr ... schreib weiter so und bitte bitte schnell :)

lg

Witchi
Von: abgemeldet
2008-09-04T18:02:17+00:00 04.09.2008 20:02
HUHU, das ist ja super, das Hitomi endlich zu ihm zurückgekehrt ist. Du hast sehr schön beschrieben wie es in Van aussieht und wie sehr sich beide über das Wiedersehen freuen. Auch die Umgebung hast du sehr gut beschrieben. Vor meinem Auge ist real geworden.
Mach weiter so, und vor allem mach schnell weiter so ;o)

liebe Grüße

Nicki


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