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Hoffnung zu Asche

Schatten und Licht, Band 2
von

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Ein Tag im Wasser

Sorgfältig überprüfte Hitomi den Sitz ihres Bademantels und schaute durch das riesige Fenster in die von der Morgensonne eingedeckte Stadt hinaus. Sie war wieder einmal von drei blau gekleideten Dienerinnen in der Wanne der königlichen Gemächer gewaschen worden, nun schon zum dritten Mal in ihrem Leben, und langsam gewöhnte sie sich an die unangenehme Situation. Das letzte Mal hatte Aston die Gelegenheit genutzt, völlig unangekündigt sie in ein Gespräch unter vier Augen zu verwickeln, noch bevor sie sich im Zuge ihres Aufenthalts in Palas offiziell das erste Mal getroffen hatten. Dieses Mal wusste sie, dass er kommen würde. Van hatte das Treffen vermittelt.

"Guten Tag."

Hitomi, die seine Aura schon viel früher erspäht hatte, drehte sich zur Tür und betrachtete den König stumm. Er war noch nicht einmal fertig angezogen, sondern trug wie sie nur einen Mantel.

"Darf ich rein kommen?", fragte Aston mit einer leichten Verbeugung. Wie schon bei dem Treffen zuvor drehte er die leeren Handflächen sichtbar zu ihr hin. Sie zögerte, entschied sich aber seiner Geste zu vertrauen.

"Natürlich.", antwortete sie mit einem raschen Knicks und wandte sich dann wieder der Stadt zu.

"Ich war sehr verwundert, als Van mich ansprach. Ich hätte nicht gedacht, dass ihr ihn von eurem vorherigen Besuch so detailreich berichtet habt.", erkundigte sich der König, während er neben sie trat.

"Van und ich hegen keine Geheimnisse von einander.", erklärte Hitomi. "Nur deswegen ist dieses Treffen überhaupt möglich. Wenn ich in Gefahr bin, spürt er es sofort."

Der König nahm die Warnung ohne erkennbare Reaktion zur Kenntnis.

"Genießt ihr euren Aufenthalt?" Aston begutachtete sie kritisch. Ihr sonst so schönes und offenes Gesicht war verschlossen, der hektisch Ausdruck in ihre Augen zeugte von Unsicherheit.

"Der Empfang gestern beim Ball war sehr kühl.", erinnerte sie und sah vor sich die Gesichter der Gäste aus der gesamten Allianz, die auf sie starrten. "Niemand möchte mit Schweigen begrüßt werden."

"Ja, das tut mir sehr Leid.", bekundete Aston bedauernd. "Aber ihr müsst verstehen, ihr seid die erste Bürgerliche seit eurer Stiefmutter, die zur Königin aufgestiegen ist. Noch dazu steht ihr immer noch im Verdacht, für die Zaibacher Kriege verantwortlich zu sein."

"Ihr habt euch dran beteiligt.", warf Hitomi ihm vor.

"Nur weil ich sprachlos, ja geradezu geblendet war von eurer Schönheit!", lobte sie der König überschwänglich und fing sich einen vernichtenden Blick ein. "Bitte verzeiht! Das war unpassend."

"Mein Mann schickt mich mit einer Bitte zu euch.", berichtete sie als wäre nichts gewesen. "Wir wissen, dass euch Zaibacher Guymelefs zur Verfügung stehen, die ihr offiziell nicht habt. Schließlich habt ihr sie eingesetzt um mich zu entführen. Van würde sich gern zwei davon ausleihen, voll ausgerüstet versteht sich."

"Das kann ich nicht.", lehnte Aston ab.

"Warum nicht?", zweifelte die Königin. "Um nach Farnelia zu gelangen, müssen das Heer der Gezeichneten durch die Weiße Schlucht. Dort sind sie ein leichtes Ziel für die Flammenwerfer. Ihr bekommt nie wieder so eine Chance sie alle auf einmal zu vernichten."

"Das weiß ich, doch die Guymelefs unterstehen nicht direkt meinem Befehl. Ich habe alle erbeuteten Exemplare unauffällig der Kopfgeldjägergilde zukommen lassen, nachdem meine Wissenschaftler sie analysiert hatten.", erklärte Aston geduldig. "Die Gilde untersteht meinem Berater, Baron Trias, und ihn möchtet ihr wahrscheinlich nicht einweihen."

Hitomi biss sich auf die Lippen. Ausgerechnet der Herr der Gezeichneten verfügte über die einzigen Mittel außerhalb der Heere der Allianz, die Farnelia hätten helfen können. Doch dann wurde sie stutzig.

"Wie kommt ihr darauf?"

Jetzt war Aston in der Zwickmühle, doch ein Gedankenblitz rettete ihn.

"Ihr habt doch gerade behauptet, dass ihr einmal von Zaibachern Guymelefs entführt worden seid.", antwortete er, als sei es offensichtlich. "Ich habe einen Versuch mit solchen Mitteln nie genehmigt. Trias muss auf eigene Faust gehandelt haben. Ich weiß nur noch nicht, warum." Er seufzte theatralisch. "Bisher war er derjenige, an den ich mich gewandt habe, wenn ich etwas erledigt haben wollte, dass nicht in meiner Macht stand. Solange ich diese Sache nicht aufgeklärt habe, kann ich das wohl nicht mehr."

Hitomi musste sich sehr zusammenreißen um ein Lächeln zu verhindern. Selbst wenn Van seine Guymelefs nicht bekommen sollte, hatte sie Trias völlig aus Versehen einen empfindlichen Schlag versetzt.

"Dennoch...", fuhr Aston fort. "Das heißt leider auch, dass ich euch nicht helfen kann. Nicht einmal inoffiziell. Ich kann Van höchstens anbieten, die Bevölkerung mit Frachtschiffen zu evakuieren und ihr hier in Astoria eine Bleibe in Lagern zu bieten, bis die Krise ausgestanden ist. So könnte ein erneutes Wachstum des Heeres wie in Chuzario verhindert werden."

"Das wäre...großartig.", erwiderte Hitomi verblüfft. "Das würdet ihr tun?"

"Es wäre im Interesse Astorias und damit trotz der Differenzen unserer Länder eine vertretbare Maßnahme. Die Frage ist nur, ob eure Leute dieses Angebot auch annehmen.", wandte Aston ein. "Es wäre das zweite Mal innerhalb von fünf Jahren, dass sie alles zurücklassen und fliehen. Ihr müsstet auf jeden Fall Überzeugungsarbeit leisten. Und es befreit Van auch nicht von der Pflicht sein Land zu verteidigen."

"Ich weiß.", sagte sie entmutigt.

"Ich werde das Angebot in einem geeigneten Augenblick der Versammlung vorbringen, nachdem Van offiziell um Hilfe gebeten hat.", informierte Aston und versuchte dabei zuversichtlich zu klingen. "Wer weiß? Vielleicht funktioniert ja auch der Skandal, den ihr während eurer Verlobung angezettelt habt. Dann müsste ich mich dem Druck der kleineren Länder beugen und euch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln helfen."

"Wenn ihr nicht versucht hättet Farnelia an euch zu reißen, wäre das gar nicht erst möglich gewesen.", amüsierte sich Hitomi. "Dann wäre ich jetzt eure Gefangene, wo wie ihr es euch immer gewünscht habt."

"Ich möchte euch doch nicht als meine Gefangene.", dementierte er entrüstet. "Außerdem hatte der Gesandte die eindeutige und unmissverständliche Anweisung erhalten, euch nur nach Astoria zu überführen und nichts weiter. Ich habe mit seinem Putschversuch nichts zu tun."

"Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, ihr habt euren Hofstaat nicht unter Kontrolle.", gab Hitomi ihn zu Denken.

"Ja, das fürchte ich auch.", bestätigte er besorgt. "Ein untrügliches Zeichen, dass man schon bald das Ende meiner Regentschaft erwartet, wenn nicht gar meiner gesamten Herrscherlinie. Ich weiß, das reicht lange nicht als Entschuldigung aus, dafür dass ich mit aller Gewalt versucht habe, euch an mich zu binden, aber ich hoffe ihr könnt mir trotzdem verzeihen."

"Nein, reicht es nicht.", blockte sie entschieden, einen Moment später jedoch lächelte sie ihn an. "Dennoch ist es nicht zu spät Wiedergutmachung zu leisten. Die Rettung Farnelias wäre ein guter Anfang."

"Nur ein Anfang?", wunderte sich der König. "Am Ende wollt ihr mir diese Schuld noch den kümmerlichen Rest meines Lebens vorenthalten und mich so zu einem willigen Sklaven machen."

"Gute Idee.", kommentierte sie mit hochgezogen Augenbrauen.

"Ich glaube, ich würde jetzt gerne Baden, ehe ich mich noch weiter in den Schlamassel reinreite.", bat Aston trocken.

"Sicher.", sagte Hitomi und verließ den Raum. Noch bevor sie zur Tür hinaus war, plätscherte es hinter ihr in der Wanne. "Doch nicht in meinem Badewasser!", rief sie völlig entsetzt und heftete ihre Augen auf den Ausgang.

"Warum nicht?", fragte Aston hinter ihr schelmisch. "Dann habe ich wenigstens etwas von euch. Seid bitte so nett und sagt einer Dienerin Bescheid."

Mit hochroten Kopf stürmte sie aus dem Zimmer. Nur mit Mühe konnte sie Van davon überzeugen, nicht alles stehen und liegen zu lassen, um sie zu rächen.
 

Einkaufen war genau das richtige, um den peinlichen Vorfall am Morgen zu vergessen, und so stürzte sich Hitomi nur ein paar Stunden später mit Wonne in das Gedränge des Marktes, der entlang eines Kanals lag, von denen Palas durchzogen wurde. In ihrem hellblauen, warmen Kleid machte sie dem Wasser Konkurrenz. An ihrer Seite war das junge Fräulein Irene, eine Freundin von Merle, wie sie sich auf dem Ball am Vorabend selbst vorgestellt hatte. Ziemlich schnell hatten sich die beiden auf ein Du geeinigt. Umringt wurden sie von vier Wachen der königlichen Leibgarde in ihren bunten Kostümen und Brustpanzern, die keinen anderen Passanten zwischen sich duldeten.

Ihre stummen Begleiter ignorierend begutachteten die beiden Frauen Stoffe und fertige Kleider, bewunderten Schuhe und Schmuck, und kauften Tee und Gewürze. Bei Irene schien das Geld alles andere als locker zu sitzen und aus Rücksicht hielt sich Hitomi ebenfalls zurück.

Schließlich setzten sie sich an den Kanal und ließen ihre Füße über dem Wasser baumeln. An für sich ein Skandal, doch Irene schienen die Blicke nur anzuspornen und Hitomi hatte nichts dagegen. Ihr Ruf, Königin hin oder her, konnte ja sowieso kaum schlechter werden. Irene erzählte ausgelassen, wie Merle sie einst während des Turniers in Farnelia als Schüler in Schwertkampf genommen hatte und dann zu ihrer Freundin geworden war, mit der sie nun den Kontakt über Briefe aufrecht erhielt. Um der Versuchung zuvor zu kommen, etwas zu sagen, was besser nicht die ganze Welt wissen sollte, fragte Hitomi das Mädchen weiter aus, und nahm sich vor, sich später bei ihr in einem privateren Rahmen zu revanchieren. So erfuhr sie von den geplatzten Hochzeitsplänen und Irenes bevorstehenden Abstieg ins Bürgertum, da sie voraussichtlich keinen adligen Ehemann finden würde, auf Grund der niedrigen Mitgift.

Plötzlich erstrahlte ein helles Licht direkt hinter Hitomis Kopf und sie fiel mit dem Gesicht voran ins Wasser.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fahnm
2010-09-04T00:38:33+00:00 04.09.2010 02:38
Klasse kapi!^^


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