Shiro-chan

Shiro-chan

„Shiro-chan“

Hitsugaya Toushiro, Taichô der 10. Division der Gotei 13 hielt abrupt inne, als er hinter sich eine so wohlbekannte Stimme diesen Namen sagen hörte. Auf seiner Stirn breiteten sich Falten aus, Zeichen seiner Verärgerung.

„Nenn mich nicht Shiro-chan“, grummelte er ohne sich umzuwenden.

„Glaubst du Aizen Taichô kommt wieder zurück. Ich meine, es wäre doch möglich, dass er einsieht, dass er etwas falsches getan hat und...“ Ihre Stimme verlor sich in einem Murmeln.

Es war gut, dass er ihr den Rücken zukehrte. Es war gut, dass der Garten in dem sie standen verlassen waren. Es war gut, dass hier so gut wie nie jemand vorbei kam. Es war gut, denn so bemerkte niemand wie Hitsugaya für einen Moment die Kontrolle über seine sonst so gefasste Mine verlor und sich einen Augenblick auf seinem Gesicht genau der Schmerz wiederspiegelte den er in seinem Herzen empfand.

Aizen. Aizen. Aizen. Jedes Mal wenn er diesen Namen aus ihrem Mund hörte, war es wie ein Stich in sein Herz. Er wagte es nicht sich zu ihr umzuwenden, weil er befürchtete sie sonst anzuschreien und das würde er sich nie verzeihen können.

Warum konnte sie Aizen nicht vergessen? Warum konnte sie nicht sehen, dass er hier war. Warum konnte sie nicht sehen, dass er an ihrer Seite war, es schon immer gewesen war und immer bleiben würde?

Damals, es erschien ihm so lange her, damals im Rukongai hatten sie zusammen gespielt. Sie hatten zusammen gelacht, sie hatten zusammen die Zeit verbracht, sie waren zusammen glücklich gewesen.

„Shiro-chan?“

Wann hatte er damit angefangen nicht mehr so genannt werden zu wollen?

Er wusste es nicht mehr, er wusste nur noch, dass er den Grund weshalb er den Namen nicht mehr leiden konnte erst sehr viel später heraus fand.

Wann?

Es war keine Erkenntnis, die er von Heute auf Morgen gewann, also ließ sich das Wann schwer sagen.

Wann es begann?

Wahrscheinlich als sie der Shinigami Academy beitrat und er nicht. Er hatte keinen Grund gesehen Shinigami werden zu wollen. Er hatte nicht verstanden warum sie unbedingt einer hatte werden wollen. Also hatte er gewartet.

Worauf?

Darauf, dass sie diese fixe Idee über Bord warf und zu ihm zurück kam. Wahrscheinlich hatte er damals zu lange gewartet.

Warum er der Shinigami Academy letztlich doch beitrat?

Wegen einer Begegnung mit Matsumoto.

Weil Hinamori ihm versprochen hatte seinen richtigen Namen zu benutzen wenn er ebenfalls auf diese Schule ging.

Weil er erkannt hatte, dass sie nicht zurück kommen würde.

Und weil er befürchtete mit seiner unkontrollierten Reiatsu Menschen zu schaden, die er mochte. Was ihm genau die richtige Ausrede lieferte um nicht so auszusehen, als würde er wegen Hinamori beitreten.

Was er sich dabei erhofft hatte?

Das alles so werden würde wie früher. Nein. Vielleicht. Aber was auch immer er sich erhofft hatte, er bekam es nicht. Er war zu spät.

Sie hatte neue Freunde gefunden, mit denen sie ihre Zeit verbrachte und die sie unterstützten. Er... er gehörte nicht dazu. Sicher, er war noch der gute Freund aus ihren Kindertagen, aber sie war für ihn ein Stückchen in die Ferne gerückt. Ihre Kindheit wollte sie hinter sich lassen. Sie hatte jemanden kennen gelernt. Sie hatte ihn kennen gelernt und ihm wollte sie nahe sein. Dafür bemühte sie sich, damit er sie wahr nahm.

Hitsugaya konnte es verstehen, er konnte es gut verstehen. Wenn sie es war, die Aizen nachlief, so war er es der ihr nachlief.

Und sie nannte ihn noch immer nicht bei seinem richtigen Namen.

Sie wollte ihre Kindheit hinter sich lassen, also tat er es auch. Er schloss damit ab ein Kind zu sein und konzentrierte sich darauf zu beweisen, dass seine Kindheit vorbei war.

Sie nannte ihn weiterhin Shiro-chan.

Er wurde Taichô der 10. Division, sie Fukutaichô der 5. Divison. Das, wovon sie immer geträumt hatte.

Für ihn waren es fünf Zahlen, die sie trennten. Fünf Zahlen, die sie in die Ferne gerückt war.

Und sie nannte ihn noch immer Shiro-chan.

Sie hatte kein Kind mehr sein wollen, er hatte ihr beweisen wollen, dass er ebenfalls kein Kind mehr war.

Er hatte bewiesen, dass er stärker war als sie.

Er hatte bewiesen, dass er fähig war sie zu beschützen.

Er hatte bewiesen, dass er kein Kind mehr war.

Sie nannte ihn weiter Shiro-chan.

Und irgendwann während all dieser Zeit, hatte er erkannt wieso er von ihr nicht mehr Shiro-chan genannt werden wollte.

Wie konnte sie jemanden lieben, wenn sie ihn nicht respektierte?

Wie konnte sie ihn lieben, wenn sie ihn noch immer als Kind ansah?

Wie konnte sie in ihm nicht das Kind von früher sehen, wenn sie ihn nicht bei seinem richtigen Namen nannte?

Wann würde sie endlich begreifen, dass er kein Kind mehr war?

Wann würde sie begreifen, dass er stark genug war sie zu beschützen?

Wann würde sie endlich erkennen, dass er zu einem Mann geworden war, in den sie sich verlieben konnte?
 

Mit einem wütenden ‚Nenn mich nicht Shiro-chan’ auf den Lippen drehte sich Hitsugaya um, doch die Worte verließen nie seine Lippen.

Es reichte ein einziger Blick auf das Mädchen vor ihm um seinen Ärger verfliegen zu lassen.

Mit ihren vom Weinen geröteten Augen, dem müden Blick und den nervös in einander verschränkten Hände, bot sie ein jammervolles Bild. Ihre ganzen Gedanken, ihr ganzes Herz, ihr ganzes selbst hingen an Aizen.

„Shiro-chan?“, fragte sie noch einmal kläglich.

Hitsugaya brachte es nicht fertig sie zu ermahnen. Wenn alles was sie jetzt war an Aizen hing, wie konnte er dann das einzige was ihm von ihr geblieben war durch sein eigenes Zutun zerstören? Das einzige was immer ihm gehört hatte.

Ihre Stimme, die ihn Shiro-chan nannte.