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Betrayer

Hauptperson: Lavi
von

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Unreachable Heart

Eigentlich lasse ich bei One-Shots gerne das Anfangsgequassel weg, aber ich denke, hier sind ein paar wenige Worte doch angebracht.

Zum ersten möchte ich sagen, dass mir dieser OS sehr am Herzen liegt. Ich erwarte keine Kommentare von euch - natürliche freue ich mich über sie, aber hauptsächlich möchte ich, dass ihr diese Geschichte hier ernst nehmt, denn es steckt wirklich viel Herzblut in ihr.

Zweitens denke ich, dass das Ende etwas undurchsichtig und schwer zu verstehen ist - versucht einfach, ein wenig darüber nachzudenken, denn genau dafür ist es da: zum Interpretieren.

Euer Strümpfchen~
 

Oft musste ich merken, dass es nur einen Teil in mir danach dürstete, ein normales Leben zu führen. Ein Leben in der dauerhaft anhaltenden Gesellschaft anderer Menschen, die man als Freunde oder sei es auch nur Bekannte bezeichnet, die einem zur Seite stehen und die Wache in schweren Zeiten bilden.

Der andere Teil jedoch hatte eine andere Einstellung zu meiner Zukunft, arbeitete entgegen solch menschlicher Bedürfnisse, die der Natur entsprangen. Er wollte nicht in der ständigen Begleitung anderer leben, wollte selbstständig, ohne Regeln oder sonstiges seinen Weg weiterschreiten. Keine Einschränkungen, niemand, für den man verantwortlich war oder auf den man Rücksicht nehmen musste.

Eine herrlich befreiende und verlockende Option und doch waren die Gewissensbisse und all die menschlichen Gelüste in mir vorhanden, strebten danach, ausgelebt zu werden, wie sehr ich mich auch gegen diese Tatsache wehrte.
 

Der schwarze Orden, so war ich vor einigen Monaten noch der festen Überzeugung gewesen, war der Ort, an dem ich bleiben wollte. An dem die Menschen ihr Leben lebten, die mir allesamt etwas bedeuteten, doch trotzdessen, dass ich meine Entscheidung, bei ihnen zu bleiben, mit einer absoluten Sicherheit gefällt hatte, nagten nun die Zweifel an mir.

Zusammen waren wir weit gekommen, hatten gekämpft und unsere Stärken verbessert und dennoch ergriff stellenweise das Gefühl Besitz von mir, dass all die Anstrengungen umsonst waren. Verschwendung der freigesetzten Energien, denn es bot sich keine wirkliche Möglichkeit auf, das Geübte zu zeigen, unter Beweis zu stellen. Es war, als hätten wir jahrelang für etwas geübt und würden noch immer darauf hinarbeiten, ohne wirklich zu wissen, was denn schlussendlich das Endergebnis sein würde, auf das dies alles zu lief. Ein endloses Warten auf nichts und wieder nichts… zumindest nichts, was ich mit Aufregung entgegenfieberte.
 

We've been alright up to now

But the air that we breathe is about to run out

We've rehearsed our lines clear and loud

But the cue never came and the lights

They never went down
 

Wir gingen unseren Weg, während die Zeit es uns gleich tat. Ein stummer Begleiter, der uns jede Sekunde vor Augen hielt, wie schnell und zeitweise langsam unser Leben an uns vorbeizog, ohne dass wir es wirklich bemerkten.

Ohne dass wir diesen Ablauf wertschätzten.

Aber warum sollen wir etwas wertschätzen, was alltäglich war und nicht nur einem einzelnen passierte, sondern jedem organischen Lebewesen, welches auf der Erde sein mehr oder weniger erfülltes Dasein fristete?!

Und so lebten wir weiter, ohne das Bewusstsein zu erlangen, dass wir aneinander vorbei lebten und ebenso wenig wurde uns bewusst, dass die Zeit gegen uns arbeitete.

Besaßen wir überhaupt den nötigen Verstand dafür?

Nein, wir waren zu fixiert auf andere Dinge. Auf Dinge, die wir wichtig nannten.

Wie armselig.

Wir meinten, Dinge schnell hinter uns zu bringen, in einem Tempo, welches unserer Lebensweise angemessen war und doch konnte man beinahe jedes andere Wort für unsere Lebensform verwenden, als dieses verdammte, nichts sagende Wort 'schnell'.
 

Kaum hatten all diese Erkenntnisse meine Gedanken, mein Herz und jede einzelne Zelle meines Körpers vergiftet, hielt ich es nicht mehr aus. Das Gefühl, jegliche Emotion der Menschen um mich herum sei gespielt und diese Empfindung versetzte mir Tag für Tag messerscharfe Stiche in jeden erdenklichen Teil meines Ichs.

Körperlich und seelisch.

Und auch der Mensch, den ich einst glaubte zu lieben, war nichts mehr als eine gesteuerte Marionette aus Holz geschnitzt, erschaffen, um zu kontrollieren und reagieren.

Natürlich hatte jede Form der Existenz einen eigenen Charakter, eine eigene Art, Dinge zu verkraften, aufzunehmen und weiterzugeben und dennoch schien es, als wäre dies alles ein einstudiertes Ballett, eine heruntergekommene Theateraufführung. Allein dem Zwecke dienend, mich und andere hinter den trüglichen Schein des Lichts zu führen.

Ich verließ den Platz, den ich einst mein Zuhause nannte.

Verließ die Menschen, denen ich einst Liebe gezollt hatte.

Ein Untergedanke keimte in mir auf. Versuchte mich darauf aufmerksam zu machen, dass die Denkweise meiner vergangenen 48 Identitäten wieder Besitz von mir ergriff und mein neues, altes Ich wieder in die Verdammnis schickte, doch ich wollte nicht hören.

Verschloss Augen, Mund und Ohren, kämpfte gegen diese lächerliche Behauptung kleiner, nichtiger Stimmen an, die sich über die Jahre hinweg in meinem Kopf eingenistet hatten.

Sie erinnerten mich an den Parasiten-Typ von Allen.

Ekelerregend.

Widerlich.

Gefährlich.

Etwas, was vernichten konnte.

Auf eine sehr schmerzliche Art und Weise.
 

Ich verließ also den Ort, an dem ich mich zeitweilen so wohl gefühlt hatte – oder war auch dies alles nur Einbildung gewesen?

Ich verwarf den Gedanken wieder, ging, ohne ein Wort des Abschieds, der Entschuldigung.

Fühlte mich verraten, obwohl mich niemand wirklich verraten hatte.

Fühlte mich verlassen, obwohl mich niemand meiner Freunde wirklich verlassen hatte.

Ich besaß nichts weiter als Erinnerungen, welche das hauptsächliche Netzwerk meines Hirns ausmachten. Dazu war ich programmiert worden.

Abspeichern.

Sichern.

Wiedergeben.
 

So we're passing the time

While time passes us

The fast lanes a term never applied to us

Without a dime to my name

Or a prayer in the world

I walk out the door
 

Ich zog durch das Land, an Dörfern vorbei, an Städten. Allesamt erfüllt mit dem mechanischen Leben, welches wir unser Eigen schimpften, mit Menschen, die vor sich hinvegetierten mit dem Gedanken, so sei es richtig.

Ich hatte keinen Platz, an dem ich rasten konnte, doch es stand zu keiner Zeit in meinem Interesse, mich an irgendeinem Ort niederzulassen. Es hätte ein Ort sein müssen, der die völlige Stille barg, ein Ort der Perfektion, doch zumindest auf diesem von den Menschen verdammten Planeten existierte ein solcher nicht. Mein Unterbewusstsein hatte schon an dem Punkt, an dem ich alles verließ, was mir einmal wichtig gewesen war, notiert, dass irgendwann irgendwo das Ende meiner Reise sein würde. Das Ende meiner vergeblichen Suche nach Ruhe und dem Versuch, den Gedanken an jemanden abzuschütteln, der fortwährend in meinem Kopf weiterlebte, egal, wie weit ich mich von ihm entfernte. Eine weitere Person, die meinen Kopf beherbergte, ohne darum gebeten worden zu sein, ohne gefragt zu haben, ohne angeklopft zu haben.

Das dumpfe Gefühl, dass die Endstation meiner Rastlosigkeit gar nicht entfernt von alldem lag, vor dem ich versuchte zu fliehen, sondern genau dort, intensivierte sich.

Tag für Tag.

Woche für Woche.

Bis es unabwendbar war.
 

Destination:

Anywhere but here

Away from you
 

Ich versuchte, ein Ende zu finden. Eine Endstation für diese Reise. Der Ort war mir egal, meine Seele war von Gleichgültigkeit befallen und ich hatte das Gefühl, meine eigene Meinung zu verraten. Wohin verschwand die tiefe Abneigung, die noch wenige Stunden zuvor in meinem Körper gewütet hatte? Was geschah mit dem nicht enden wollenden Widerstand in mir?

Nicht, dass ich die Menschen nun besser verstand, ihre Haltung zu all den Dingen, die um sie herum passierten.

Nicht, dass ich die Menschen nun mehr akzeptierte und sie in einem anderen Licht wahrnahm.

Doch das Gefühl der Rastlosigkeit verlangte nach einem Tropfen Ruhe, nach einem Tropfen auf dem heißen Stein und diesen wollte ich ihr geben.

Würde es dadurch besser werden?

Ich hatte keine Antwort, doch diese Ahnungslosigkeit war bereits ein Bestandteil von meiner Seele geworden.

Einverleibt wie mein eigenes Fleisch und Blut.

Würde man ihn entfernen, würde ich bluten, bis nichts mehr übrig blieb, bis nur noch die leer gesogene Hülle durch Städte und Dörfer wandeln würde.

Auf eine schlechte Eigenschaft mehr oder weniger kam es doch auch nicht mehr an.

Resignation.

Ein allumfassender Begriff für die Seite in mir, die man in der momentanen Situation wohl ohne weiteres in meinen Augen lesen konnte.

Niemand wagte es mehr, mich anzusprechen – wie tief war ich gesunken?

Hatte ich überhaupt noch etwas Menschliches an mir, nur einen winzigen Hauch?

Vielleicht…

Ohne jegliche Antwort setzte ich meinen Weg fort.

Leer.

Und doch brannte in mir, irgendwo, nur nicht in meinem Herzen, ein Feuer der Wut.

Der undefinierten Wut auf alles und doch nichts.
 

Eine heruntergekommene Herberge am Rande eines Dorfes war mein letztes Ziel des vergeblichen Versuches, von all den Erinnerungen zu fliehen, die sich in jede Pore meines Körpers gebrannt hatte und die ich mit der Zeit herausgespült hatte.

Alle bis auf eine.

Vielleicht waren es auch zwei… drei?!

Der Bettbezug starrte vor Dreck, die Vorhänge waren von Motten zerfressen – der Raum stellte das Spiegelbild meiner da, vielleicht einer der Gründe, warum ich mich zum Bleiben entschied.

Ich bezahlte im Voraus.

Genügend, um mich eine zeitlang zu verkriechen, nichts zu tun, als da zu liegen.

Und genau das tat ich.
 

Tagelang, nächtelang.

Ich schlief nicht, etwas hinderte mich an jeglicher Aktivität, etwas in mir fürchtete sich vor den möglicherweise aufkeimenden Träumen, die wie Gift auf meinen Körper würden wirken.

Es reichte die Tatsache, dass der Raum trotz seiner Leere keineswegs eine solche barg.

Vielleicht hätte er es für jeden anderen getan, doch nicht für mich.

In meiner Einbildung wurde er von jemandem, der einmal einer der wichtigsten Bestandteile meiner nichts sagenden Existenz gewesen war, belagert, seine Anwesenheit war spürbar, auch wenn er nie darauf Wert gelegt hatte, Aufmerksamkeit zu bekommen.

Zu behaupten, dass ich dies als schlimm empfand, wäre gelogen.

Auch wenn die Wahrheit für die Menschheit nicht mehr bedeutete als eine alte, abgemagerte Katze, deren einzige Aufgabe darin bestand, die Tritte und Schläge der Besitzer zu erdulden und die trotzdessen noch voller Dankbarkeit ihre Milch entgegennahm.

Ich hätte auch nicht behaupten können, dass er mir durch seine spirituelle Existenz half, die mir abhanden gekommene Ruhe wiederzufinden oder gar ein einziges Gefühl in mir zu wecken, welches positiver Natur war.

Ich erduldete ihn einfach, so, wie er es all die Jahre mit mir getan hatte.
 

Now I'm on my way to the other side

(on my way)

I'll forget everything I left behind me

(on my way)

These empty rooms

(on my way)

Are still filled with you

(on my way)
 

War dies das Ende?

Das Ziel, welches ich all die Monate angestrebt hatte, ohne die Route zu wissen?

Ohne zu wissen, ob ich nun gewonnen hatte oder gar verloren?

Möglicherweise…

Möglicherweise nicht…

Wer wusste das schon?

Ich sicher nicht, ich war in diesem Rennen nicht der Schiedsrichter gewesen.

In diesem verdammten Rennen zwischen meinen Erinnerungen und mir, die ich schlussendlich abgehängt hatte und die mich doch wieder eingeholt hatten und es noch immer taten.

Erinnerungen an ihn.

Erinnerungen an andere, deren Gesichter an meinem inneren Augen vorbeizogen.

Ich sah sie und nahm sie dennoch nicht wahr.

Es bestand kein Grund mehr zum Sehen, denn wo es keinen fruchtbaren Boden gab, konnte auch nichts seinen Ursprung finden.

Wieder überfiel mich das Gefühl der Ratlosigkeit.

Presste mir jegliche Luft aus den Lungenflügeln.

Zog meinen Magen zusammen.

War der Sinn meiner Reise nur der gewesen, heraus zu finden, dass ich ohne ihn nicht sein konnte?

War es diese Erkenntnis, die ich all die Kilometer mit mir getragen hatte, die ich versucht hatte, abzutöten und die schlussendlich doch hervorgebrochen war?

Armselig.

Ich hatte mir schon immer selber im Wege gestanden.
 

So I dropped out of my own race

A race with no finish line

No first or last place

I watch these faces all run right past me

I turn and walk away

’Cuz we finally know now what our

Time here's about
 

Rückblickend kamen mir all die Jahre im Schwarzen Orden wie Stunden der Euphorie vor.

Wir waren elektrisiert von dem Gedanken, jemand besonderes zu sein, etwas bewirken zu können und sei dieses Etwas auch noch so klein.

Wir hatten gekämpft, nur, um Krieger zu verlieren und ihre Verluste mit Mord zu vergelten, immer mit dem Gedanken, dass wir eine undurchdringbare Einheit bildeten.

Beinahe einem Wald ähnlich, dessen Bäume und Sträucher, jede einzelne, noch so unwichtige Pflanze das ‚Ganze’ ausmachten.

Zugegeben, nicht alle dachten so, nicht aller Sicht war so verschoben.

Ich weiß nicht, wie es um ihn stand, doch jedes Mal kam ich zu dem Schluss, dass er keinen Sieggedanken hegte – er hatte gekämpft für das, was ihn interessierte und nicht für seine Mitmenschen.

Traurig auf der einen Seite.

Doch hätte ich damals seine Art zu denken besessen, ich wäre nicht so tief gefallen.

Das Aufwachen wäre weniger abrupt und plötzlich ausgefallen.

Viel mehr wäre es einem sanften Gleiten an die Oberfläche nahe gekommen.

Ich beneidete ihn… ein stückweit. Und auch nur für diese eine Tatsache.

Für die Tatsache, dass er nicht der unumstößlich Ansicht gewesen war, dass unsere „Einheit“ niemand durchbrechen konnte.

Nein, er war sich einzig und allein sicher, dass man seine Verteidigung nicht durchbrechen konnte, an uns andere dachte er vermutlich nicht.

Doch ich kann ihm diese Haltung im Nachhinein nicht verübeln, ist sie doch so viel schonender als unsere damals.
 

We were not meant to be

Another face in the crowd

We're a forest of lives

We grow tall and wide

We won't ever be cut down
 

Ich fühlte mich müde.

Mein Körper war ausgelaugt, die Strapazen forderten ihren Tribut, nährten sich von der übrig gebliebenen Kraft in mir.

Mein Wille, wieder aufzustehen, ans Fenster zu treten und hinauszublicken, nur um die Welt um mich herum in grauen Schlieren versinken zu sehen, war erloschen.

Ich wollte nicht mehr.

Fürchtete mich regelrecht vor dem, was mich außerhalb meines gemieteten Schutzwalls erwartete, sehnte mich bei dem bloßen Gedanken an die Weite meines früheren Lebens zurück in den leeren Raum, welchen ich für einen beschränkten Zeitraum mein Eigen nennen konnte.

Etwas, gegen das ich keine abneigenden, abwertenden Gedanken hegte, etwas, in dem ich mich wohl fühlte.

Die kahlen Wände, das spärliche Mobiliar – dies alles schuf mit seiner simplen Einfachheit eine akzeptierbare Umgebung für meinen ruhelosen Geist.

Auch die weiche Matratze, durchgelegen von all den anderen Körpern, die sich hier zur Ruhe gelegt hatten, war eine Quelle des Vergessens.

Nun gut, ‚Vergessen’ war ein Begriff, den ich nicht gebrauchen konnte.

Nicht so lange, wie ich vollends mit dem abgeschlossen hatte, was hinter mir lag und welches trotz seines scheinbaren Endes noch immer meine Gegenwart bildete.

Meine Isolationshülle, welche mich vom allgemeinen weltlichen Denken abhielt und mir meine eigenen Gedankengänge gab.

Das sie dabei von ihm vergiftet waren, bildete keineswegs einen Störfaktor.

Viel mehr begann ich, mich an sein Bild zu klammern, an die Vorstellung, noch einmal sein genervtes Stöhnen zu hören, wenn ich ihm mal wieder den allerletzten Nerv raubte, in der Absicht, ihn zu provozieren.

Er wusste es und dennoch war er stellenweise auf mein kindisches Verhalten eingegangen, hatte wohl dem Drang nicht widerstehen können, seine Distanziertheit – und sei es auch nur für einen kurzen Moment – ablegen zu können.

Mir war klar, dass er mir niemals folgen würde, denn trotz seiner Sichtweise, die sich von der vieler anderer unterschied, kam sie nicht an meine heran.

Oder anders ausgedrückt: Unsere Denkweisen gingen an einem Punkt auseinander, welcher nicht zuließ, dass wir denselben Weg beschritten.

Und dennoch gab es diesen unumstößlichen Funken in mir, welcher immer wieder die Hoffnung in mir entfachte, die ich trotz dem bitteren Bewusstsein, dass er niemals zu mir kommen würde, nie gänzlich verlieren konnte.

Ich hasste es.

Es war ein Zeichen für Menschlichkeit, denn in beinahe jeder noch so aussichtslosen Situation ist den Menschen eben dieser Funke nicht streitig zu machen.

Egal, wie sehr man gegen ihn ankämpft, wie sehr man versucht, ihn mit Tatsachen, ja, gar Beweisen zu löschen, bleibt keinerlei Gewinnchance.
 

Etwas in mir wartete.

Wartete auf den Tag, da ich etwas von ihm hörte, so unwahrscheinlich es auch war.

Doch es kam niemand.

Und auch keine Nachricht erreichte mich.

Einst war ich der Ansicht gewesen, dass mit der Zeit jeder zur Besinnung kam, dass selbst Stacheldrahtzäune das menschliche Bewusstsein nicht am Erkennen und Entkommen hindern konnte, doch schlussendlich musste ich nun erkennen, dass eben dieser Stacheldrahtzaun für viele eine unüberwindbare Barriere darstellte, die wahrscheinlich auch er niemals gänzlich hinter sich lassen würde.

Auf halbem Wege stecken geblieben.

Meinen nach Freiheit schreienden Verstand hatte niemand aufgehalten, dennoch war diese positiv klingende Tatsache mit Vorsicht zu genießen, denn selbst der schönste Apfel konnte von innen verdorben sein und genau diese Betrachtungsweise konnte man erst mit der Erfahrung erlangen.

Mit der Erfahrung, die man am eigenen Leibe zu spüren hatte.
 

I'm so tired and turned around and scared

And I'm lying in empty beds again

I'll wait for you to come

To your senses, barbed wire fences

Won't keep me from breaking through

I swear I will to you
 

Ich verlor jegliches Zeitgefühl.

Tage musste ich in diesem leeren, gesichtslosen Raum verbracht haben.

Ohne mein Wissen.

Nur mit meinen Gedanken als Beschäftigung, welche ich Mal für Mal wiederholte.

Doch sie blieben gleich, änderten ihr Aussehen, ihren Charakter zu keinem Zeitpunkt, egal, wie sehr ich versuchte, sie anders aussehen zu lassen, sie zu ändern.

Ich brachte es nicht über mich, etwas zu mir zu nehmen.

Mein Körper verdörrte wie eine Pflanze ohne Wasser, welche dem brennenden Licht der Sonne ausgesetzt ist.

Niemand hinderte mich daran.

Nicht er.

Und auch keine Barriere aus Stacheldrahtzaun.

Innerlich war ich am Verzweifeln.

Äußerlich am Sterben.

Klare Gedanken zu fassen schien mir wie ein längst vergangener Luxus, welchen ich einst besessen hatten.

Doch dieser Besitztum war verrottet.

Stattdessen herrschte Chaos in meinem Kopf, welches sich dennoch mit jeder Sekunde zu legen schien.

Gänzlich zu verschwinden.

Ein Teil von mir hatte mit all jenen Geschehnissen in der fernen und nahen Vergangenheit abgeschlossen, ein anderer kämpfte noch, hatte die Waffen noch nicht niedergelegt.

Doch er drohte an seinen Wunden einzugehen.

Mein Bewusstsein, ihn niemals wieder zu sehen, war stärker denn je, überlagerte zeitweise alles andere.

Ich liebte diese Momente der… Klarheit.

Keine solche Klarheit, in der ich begriff, was mit mir und um mich herum passierte.

Nein, eine Klarheit, die sich nur auf einen einzigen Gedanken beschränkte.

Auf das ansonsten leere Bett, in dem ich die letzten Tage verbracht hatte und welches dank dem allmählichen Verlust meiner Körperwärme ausgekühlt war.

Ich wollte ihn bei mir haben.

Und doch hatte sich etwas in mir schon von ihm abgekapselt. Einfach allgemein von allem Menschlichen, was jemals in meinem Leben gewesen war.
 

I'm so tired and turned around and scared

And I'm lying in empty beds again

Away from you
 

Und so liege ich hier.

Diese Geschichte, wenn man dieses Textstück denn als solche bezeichnen kann, zu erzählen fiel mir schwer.

Und jetzt fortzufahren gleicht einer extremen, körperlichen Anstrengung, doch ich habe das Gefühl, verpflichtet zu sein, auch das Ende zu erzählen.

Das Ende, welches mir selbst noch unbekannt ist…

Lüge!, schreit etwas in mir und ich muss zugeben, dass ich es wahrscheinlich doch besser kenne als mir lieb ist.
 

Einzelne Bewegungen sind eine Last für mich.

Das Atmen eine Qual.

Zeitweise verliere ich das Bewusstsein, doch ich schenke dem in Anbetracht der Tatsache, dass ich seit einiger Zeit Traum nicht mehr von Realität unterscheiden kann, keinerlei Bedeutung.
 

Anywhere but here
 

Hätte ein Mensch, und sei es nur ein ahnungsloser Wanderer, den einzig bewohnten Raum dieser abgelegenen Jugendherberge betreten, er hätte einen jungen Mann vorgefunden.

Einen jungen Mann, der die letzten Momente seines Lebens lebte.

In der eigens erschaffenen Welt.

Die Augen glasig, das Grün der Iris verblasst, das Weiße durchzogen von feinsten Äderchen, die ein unzerstörbares Netzwerk zu bilden schienen.

Doch unzerstörbar ist nichts – kein Traum und schon gar nicht die Realität.

Der Brustkorb des Rothaarigen sich stoßweise senkend, so, als hätte er einen langen Marsch hinter sich.

Ohne Pause, die ihm Erholung verschafft hätte.

Indirekt trifft diese vage Vermutung zu.

In Gedanken ist er viele Kilometer gelaufen.

Immer dieselbe Strecke, ohne ihrer überdrüssig geworden zu sein.

Immer mit der Hoffnung, jemanden zu treffen, der schlussendlich jedoch nicht gekommen ist.

Die Aussichtslosigkeit ist ihm nie klar geworden, eine innere Blockade hat das Durchdringen von Fakten unmöglich gemacht, um die Seele vor Schaden zu bewahren.

Seine Leben hätte anders verlaufen können, doch jeder sucht sich seinen Weg selber – meist beeinflusst von äußeren Reizen, gelenkt durch Impulse.

Wie weit reichend das endgültige Resultat ist, erkennt man erst, wenn das folgenschwere Ereignis längst vergessen ist.

Denn vergessen ist menschlich und in manchen Fällen von unabdingbarer Notwendigkeit, um eine Schutzhülle aufzubauen, welche psychische Schäden verhindern kann.

Doch manchmal kann man nicht loslassen, macht mit einer solchen Handlung den Prozess des Vergessens unmöglich. Man wird verletzlich, ohne es selber zu merken, denn man rechnet fest mit eben diesem Schutz.

So auch er.

Und ihm ist es zum Verhängnis geworden.

Mit dem Verlassen des Ordens hat er an dem Optimisten in sich einen Meuchelmord begangen.

Mit dem Erreichen der Jugendherberge tötete er den Realist und als krönenden Abschluss seiner kleinen, perfiden und privaten Mordserie führte er sich selber zum Grab.

Als Geleitschutz eine Person, die sich nicht um sein Verschwinden scherte und wenn doch, dann nicht zeigte.

Eine Person, die in den letzten Tagesstunden des Trauermarsches zu Ehren des Rothaarigen die Rolle des Pfarrers übernommen hatte.

Doch die Kleider waren zu groß für diesen Betrüger gewesen und hatten ihn am Laufen gehindert, eben deswegen hat er nie das Herz des Rothaarigen, sondern nur seinen Kopf und dessen zerstörten Verstand erreicht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2014-12-11T09:44:34+00:00 11.12.2014 10:44
Erst einmal vielen Dank für diesen tollen OS ehrlich!

Du wolltest deine Leser zum nachdenken anregen?
Wer sich diese OS richtig durchliest wird auch nicht drum herum kommen sich Gedanken zu machen.
Es passiert einfach automatisch und man fühlt sich hineinversetzt.
Zumindest erging es mir so, und dafür noch mals vielen Dank!
Du hast Lavi super rüber gebracht und eine seiner anderen Seiten vermutlich von einigen ....
Das Ende ist zwar nicht wie erhofft, aber es sollte ja auch kein Happyend OS sein demnach ein trauriges gelungenes Ende. Auch wie du Yuvi zwischen den Zeilen eingebracht hast fande ich toll ich liebe das Shipping! <3
Ich kann mich nur noch mal wiederholen eine wunderbare OS und danke dass, du diese mit uns geteilt hast
dir diese Mühe machtest diese OS zu schreiben

Arigatou <3
Von: abgemeldet
2009-04-23T15:15:22+00:00 23.04.2009 17:15
Hey....
Jetzt kriegste auch mal nen kommi von mir^^
Hatte mal n bissl zeit und dachte mir ich les' mal ne ff von dir... hab mir dann diese raus gesucht, da Lavi mein absoluter lieblings-chara von dgm ist...
ich muss sagen die ff war einfach super. vorallem fand ich es wirklich sehr interessant wie du Lavi darin dar gestellt hast, dass war wirklich mal etwas ganz anderes und trotzdem passte das irgendwie alles wirklich gut zu ihm. Die Textpassagen des Liedes passten auch perfekt zu dem Ganzen. Die leichten Lavi/Kanda Andeutungen fand ich als LavixKanda-fan natürlich auch prima. Ich finde die ff regt einen auch i-wie n bissl zum nachdenken an, und ich liebe solche ff’s. Das Ende war natürlich sehr, sehr traurig (ist i-wie nicht das richtige wort, aber n anderes fällt mir jetzt i-wie nicht ein...).
Zu deinem Schreibstil kann man nur sagen, dass der einfach genial ist, was anderes fällt mir dazu nicht ein oder besser gesagt da fehlen mir die worte^^
ähm....joa.....weiß i-wie nie wirklich was ich schreiben soll (bin voll schlecht im kommis schreiben), deswegen ist es leider nur so n kurzer kommi und ich hoffe mal ich hab mich wenigstens n bissl verständlich ausgedrückt^^

auf jeden fall hat mir die ff wirklich mega gut gefallen und ich werd sie jetzt gleich mal in meine favo’s packen.

Lg
Nadne

Von:  Yuzel
2009-03-31T13:58:35+00:00 31.03.2009 15:58
Die Geschichte von dir ist echt toll und richtig gut, danke dass du sie geschrieben hast


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