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Ein neuer Niemand

von

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Prolog

Prolog: Hauch der Finsternis
 

Das Mädchen saß oben auf dem Hügel auf einer alten Steinmauer und schaute verträumt auf die roten Dächer der Stadt unter ihr. In der Abendsonne schienen sie fast zu glühen und so fühlte sich die Siebzehnjährige erfüllt von einem warmen Gefühl. Ihre braunen Haare wehten sacht im Wind und sie strich sich ein ums andere Mal die Strähnen ihres Ponys von der Stirn um einen besseren Durchblick zu haben.

Wie sehr genoss sie es, einfach hier oben zu sitzen und die von herbstlichen Winden erfüllte Luft einzusaugen. Hinter ihr raschelten die roten und goldenen Blätter im Wind und ab und zu stahl sich ein solches Blatt an ihr vorbei und fiel den steilen Aufstieg hinunter auf die Straßen der Stadt. Langsam näherte sich die Sonne immer mehr dem Horizont und verschwand schließlich ganz dahinter, jedoch nicht ohne einen letzten Schwall von Licht über die Kulisse zu ergießen. Danach machte sich eine bedrückende Stille breit und die Straßenlaternen begannen ihren langen einsamen Dienst in der Nacht.

Schwungvoll stieß sich die Braunhaarige von der Mauer ab und machte sich daran nach Hause zurück zu kehren. Vorsichtig tastete sie sich die schmalen Stufen hinunter und achtete besonders auf das glitschige Laub. Eine plötzliche Windböe zehrte an ihrem schwarzen Rollkragenpullover und der dunklen Hose, ehe sie wieder verebbte, als wäre sie nie da gewesen. Etwas irritiert war das Mädchen stehen geblieben. Es war ihr so vorgekommen, als hätte der Wind einen feinen Ton herangetragen, den sie nicht kannte und der nun auch wieder verschwunden war.

Am Fuß der steilen Felswand angekommen war sie froh wieder das harte und grobe Pflaster unter sich zu spüren. Die endlosen Lichter der Schaufenster erleuchteten die verwinkelten Gassen und geleiteten das Mädchen sicher immer weiter in die Stadt hinein. Am Dorfplatz genoss sie für einige Augenblicke die bunten Lichter und das Rauschen des Dorfbrunnens, ehe sie weiter dem Straßenverlauf nach unten folgte.
 

"Seltsam", flüsterte sie, um die Stille zu unterbrechen, auch wenn sie etwas Angst davor hatte. Normalerweise waren zu dieser Zeit noch allerhand Menschen unterwegs, doch es war bereits jetzt wie ausgestorben. Suchend nach einer Uhr, ließ die Siebzehnjährige den Blick über die Häuser schweifen. In einigen Fenstern brannte Licht und die Schatten, die ab und zu durch einen Lichtkegel huschten, verrieten ihr auch, dass dort Menschen in den Häusern sein mussten.

Endlich fand sie den Kirchturm und las die Uhrzeit ab. Halb acht... es war wirklich noch nicht spät.

Plötzlich vernahm sie hinter sich ein Geräusch und seufzte erleichtert, als sie eine Katze entdeckte. Sie sollte aufhören, sich von Freunden zu irgendwelchen Filmen überreden zu lassen, nach denen sie wieder wochenlang Angst hatte in den Keller zu gehen oder nachts allein durch das Haus zu gehen. Das war jedes Mal dasselbe und sie wollte und wollte wohl nichts dazu lernen.

An der Haustür eines etwas größeren Hauses angelangt, kramte sie den Schlüssel aus der Tasche und schloss die Tür auf. Im Flur brannte kein Licht und es schien auch sonst niemand zu Hause zu sein. Sie ging erstmal nach rechts und zog ihrer Schuhe aus, die sie danach ordentlich zu den anderen reihte. Anschließend strich sie sich mal wieder die Haare aus dem Gesicht und schob sich die schwarze Brille wieder richtig auf die Nase.

In der kleinen Küche war ein Zettel an den Kühlschrank geheftet worden.

"Sind heute Abend ausgegangen. Essen steht in der Mikrowelle."

Na toll, schon wieder aufgewärmtes Zeug.

Widerwillig stellte sie die Mikrowelle an und schaute durch das Küchenfenster nach draußen auf die Straße. Vor Schreck fiel ihr das Besteck aus der Hand. Da musterte sie etwas mit gelben Augen durch das Glass und stieß immer wieder mit der Hand dagegen.

Ängstlich machte die Braunhaarige einen Schritt nach hinten und hob das Messer wieder vom Boden auf.

Bumm... schlug es wieder gegen das Fenster. Fast im gleichen Takt begann ihr Herz immer schneller zu schlagen an und auch die Bemühungen des Wesens nahmen immer weiter zu.

Was zum Teufel versuchte es da? Es konnte doch unmöglich die Scheibe zerschlagen...

Aus einiger Entfernung drangen Schreie durch die Monotonie des Hämmerns und das Mädchen presste sich instinktiv die Hände auf die Ohren. Zitternd huschten ihre Augen immer wieder zu dem seltsamen Wesen und in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war.

Als sie das Bild der Kreatur nicht mehr ertrug rannte sie wieder in den Flur und riss die Tür auf.

Vereinzelt liefen auch hier die Wesen durch die Gassen und immer mehr tauchten aus der Dunkelheit auf. Auf der anderen Seite standen zahlreiche Türen offen und aus den dunklen Häusern drangen die Schreie von unzähligen Menschen. Von der Angst gelähmt kippte sie ins Haus und drückte sich an die Wand. Vorsichtig schob sie die Tür wieder zu und zuckte zusammen, als diese mit einem Klick zurück ins Schloss fiel.
 

Mit einem plötzlichen Bersten drangen die Wesen durch das Fenster in der Küche ein und brauchten nicht lange bis sie ihr verängstigtes Opfer gefunden hatten. Mehr aus Reflex als aus Vernunft hob das Mädchen die Hand mit dem Messer und ließ die Klinge auf die unheimlichen Wesen zeigen.

Diese ließen sich von der lächerlichen Waffe aber keinesfalls beeindrucken und schlichen immer näher.

Ruckartig fuhr die Braunhaarige hoch und riss abermals die Haustür auf. Sie rannte die Gasse hinauf und strauchelte einige Male, wenn sie wieder einem dieser Dinger zu nah kam. In diesen Momenten hatte sie immer das Gefühl, als würde sich jegliche Energie aus ihrem Körper stehlen und ein unangenehmer Druck baute sich auf ihrem Brustkorb auf.

Von der Hoffnung getrieben den endlosen Schreien zu entrinnen und einen anderen Menschen zu finden, rannte sie jedoch immer weiter, bis jeder Atemzug ein Brennen in ihrer Lunge auslöste und sie irgendwann keuchend stehen bleiben musste.

Nach Atem ringend lehnte sie gegen eine Hauswand und drehte sich bei jedem Geräusch panisch um. Noch immer warfen die Schaufenster ihr Licht auf die Straße und vermittelten den falschen Eindruck von Normalität.

Doch auch hier hin, in die kleine Nebengasse, fanden die schwarzen Wesen ihren Weg und kesselten ihr Opfer immer weiter ein. Mit einem verzweifelten Versuch versuchte sie aus dem Ring auszubrechen wurde aber am Knöchel gepackt und schlug hart auf die Steine auf. Ein brennender Schmerz durchzuckte ihr Handgelenk, als sie versucht hatte sich abzufangen.

Sie ignorierte den Schmerz und strampelte wie wild mit den Füßen, doch auch nach einem Tritt ins Gesicht ließ die Kreatur, die ihren Knöchel umfasste, nicht locker. Langsam erschlafften ihre Glieder und sie fühlte nur noch einen wachsenden Schmerz in ihrem Brustkorb. Jeder Schlag ihres Herzens wurde zur Qual und zuletzt hätte sie es sich am liebsten selbst aus der Brust gerissen.

Aber die Qual wollte nicht enden. Das Mädchen kniff die Augen zusammen und schickte einen letzten Schrei durch die Straßen.
 

Sie wollte noch nicht sterben... Sie wollte ihre Eltern wieder sehen und ihre Schule zu Ende machen. Es wären nur noch zwei Jahre gewesen... Dann hätte sie sich einen Beruf gesucht, oder hätte vielleicht studiert.

Am meisten ärgerte sie sich jedoch über sich selbst. Immer hatte sie sich verstellt, um den Menschen zu gefallen. Nie hatte sie den Mut gehabt sie selbst zu sein.

Man hatte es ihr zwar gedankt, aber das war es nicht gewesen was sie wirklich gewollt hatte. Sie hatte Menschen finden wollen, die sie genauso mochten wie sie war...
 

Aber all das verlor in diesen Momenten jegliche Bedeutung. Als Abschiedsgruß rollte eine letzte Träne über ihre Wange, bevor sie die Dunkelheit des Todes in sich spürte und ihr Körper begann sich immer mehr zu entfremden. Es war so bedrückend, so viel Finsternis. Was war aus den Vorstellungen des Jenseits geworden? Sollte sie nicht ein Licht vor sich sehen und kurz danach in ihrer eigene Welt eintauchen, in jene, die sie sich bereits so oft vorgestellt hatte?...

Doch alles was sie sah, waren endlose Schatten... nichts weiter... keine Hoffnung, keine Wärme... nichts.

Aber so wollte sie nicht sterben. Nicht so, nicht wenn der Tod hieß in ewiger Finsternis zu wandeln. Mit letzter Kraft kämpfte sie dagegen an und wurde so brutal wieder ins Leben zurück gerissen, wie man es ihr noch vor Sekunden... oder war es länger gewesen? - genommen hatte.



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