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Ein neuer Niemand

von

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Prolog

Prolog: Hauch der Finsternis
 

Das Mädchen saß oben auf dem Hügel auf einer alten Steinmauer und schaute verträumt auf die roten Dächer der Stadt unter ihr. In der Abendsonne schienen sie fast zu glühen und so fühlte sich die Siebzehnjährige erfüllt von einem warmen Gefühl. Ihre braunen Haare wehten sacht im Wind und sie strich sich ein ums andere Mal die Strähnen ihres Ponys von der Stirn um einen besseren Durchblick zu haben.

Wie sehr genoss sie es, einfach hier oben zu sitzen und die von herbstlichen Winden erfüllte Luft einzusaugen. Hinter ihr raschelten die roten und goldenen Blätter im Wind und ab und zu stahl sich ein solches Blatt an ihr vorbei und fiel den steilen Aufstieg hinunter auf die Straßen der Stadt. Langsam näherte sich die Sonne immer mehr dem Horizont und verschwand schließlich ganz dahinter, jedoch nicht ohne einen letzten Schwall von Licht über die Kulisse zu ergießen. Danach machte sich eine bedrückende Stille breit und die Straßenlaternen begannen ihren langen einsamen Dienst in der Nacht.

Schwungvoll stieß sich die Braunhaarige von der Mauer ab und machte sich daran nach Hause zurück zu kehren. Vorsichtig tastete sie sich die schmalen Stufen hinunter und achtete besonders auf das glitschige Laub. Eine plötzliche Windböe zehrte an ihrem schwarzen Rollkragenpullover und der dunklen Hose, ehe sie wieder verebbte, als wäre sie nie da gewesen. Etwas irritiert war das Mädchen stehen geblieben. Es war ihr so vorgekommen, als hätte der Wind einen feinen Ton herangetragen, den sie nicht kannte und der nun auch wieder verschwunden war.

Am Fuß der steilen Felswand angekommen war sie froh wieder das harte und grobe Pflaster unter sich zu spüren. Die endlosen Lichter der Schaufenster erleuchteten die verwinkelten Gassen und geleiteten das Mädchen sicher immer weiter in die Stadt hinein. Am Dorfplatz genoss sie für einige Augenblicke die bunten Lichter und das Rauschen des Dorfbrunnens, ehe sie weiter dem Straßenverlauf nach unten folgte.
 

"Seltsam", flüsterte sie, um die Stille zu unterbrechen, auch wenn sie etwas Angst davor hatte. Normalerweise waren zu dieser Zeit noch allerhand Menschen unterwegs, doch es war bereits jetzt wie ausgestorben. Suchend nach einer Uhr, ließ die Siebzehnjährige den Blick über die Häuser schweifen. In einigen Fenstern brannte Licht und die Schatten, die ab und zu durch einen Lichtkegel huschten, verrieten ihr auch, dass dort Menschen in den Häusern sein mussten.

Endlich fand sie den Kirchturm und las die Uhrzeit ab. Halb acht... es war wirklich noch nicht spät.

Plötzlich vernahm sie hinter sich ein Geräusch und seufzte erleichtert, als sie eine Katze entdeckte. Sie sollte aufhören, sich von Freunden zu irgendwelchen Filmen überreden zu lassen, nach denen sie wieder wochenlang Angst hatte in den Keller zu gehen oder nachts allein durch das Haus zu gehen. Das war jedes Mal dasselbe und sie wollte und wollte wohl nichts dazu lernen.

An der Haustür eines etwas größeren Hauses angelangt, kramte sie den Schlüssel aus der Tasche und schloss die Tür auf. Im Flur brannte kein Licht und es schien auch sonst niemand zu Hause zu sein. Sie ging erstmal nach rechts und zog ihrer Schuhe aus, die sie danach ordentlich zu den anderen reihte. Anschließend strich sie sich mal wieder die Haare aus dem Gesicht und schob sich die schwarze Brille wieder richtig auf die Nase.

In der kleinen Küche war ein Zettel an den Kühlschrank geheftet worden.

"Sind heute Abend ausgegangen. Essen steht in der Mikrowelle."

Na toll, schon wieder aufgewärmtes Zeug.

Widerwillig stellte sie die Mikrowelle an und schaute durch das Küchenfenster nach draußen auf die Straße. Vor Schreck fiel ihr das Besteck aus der Hand. Da musterte sie etwas mit gelben Augen durch das Glass und stieß immer wieder mit der Hand dagegen.

Ängstlich machte die Braunhaarige einen Schritt nach hinten und hob das Messer wieder vom Boden auf.

Bumm... schlug es wieder gegen das Fenster. Fast im gleichen Takt begann ihr Herz immer schneller zu schlagen an und auch die Bemühungen des Wesens nahmen immer weiter zu.

Was zum Teufel versuchte es da? Es konnte doch unmöglich die Scheibe zerschlagen...

Aus einiger Entfernung drangen Schreie durch die Monotonie des Hämmerns und das Mädchen presste sich instinktiv die Hände auf die Ohren. Zitternd huschten ihre Augen immer wieder zu dem seltsamen Wesen und in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war.

Als sie das Bild der Kreatur nicht mehr ertrug rannte sie wieder in den Flur und riss die Tür auf.

Vereinzelt liefen auch hier die Wesen durch die Gassen und immer mehr tauchten aus der Dunkelheit auf. Auf der anderen Seite standen zahlreiche Türen offen und aus den dunklen Häusern drangen die Schreie von unzähligen Menschen. Von der Angst gelähmt kippte sie ins Haus und drückte sich an die Wand. Vorsichtig schob sie die Tür wieder zu und zuckte zusammen, als diese mit einem Klick zurück ins Schloss fiel.
 

Mit einem plötzlichen Bersten drangen die Wesen durch das Fenster in der Küche ein und brauchten nicht lange bis sie ihr verängstigtes Opfer gefunden hatten. Mehr aus Reflex als aus Vernunft hob das Mädchen die Hand mit dem Messer und ließ die Klinge auf die unheimlichen Wesen zeigen.

Diese ließen sich von der lächerlichen Waffe aber keinesfalls beeindrucken und schlichen immer näher.

Ruckartig fuhr die Braunhaarige hoch und riss abermals die Haustür auf. Sie rannte die Gasse hinauf und strauchelte einige Male, wenn sie wieder einem dieser Dinger zu nah kam. In diesen Momenten hatte sie immer das Gefühl, als würde sich jegliche Energie aus ihrem Körper stehlen und ein unangenehmer Druck baute sich auf ihrem Brustkorb auf.

Von der Hoffnung getrieben den endlosen Schreien zu entrinnen und einen anderen Menschen zu finden, rannte sie jedoch immer weiter, bis jeder Atemzug ein Brennen in ihrer Lunge auslöste und sie irgendwann keuchend stehen bleiben musste.

Nach Atem ringend lehnte sie gegen eine Hauswand und drehte sich bei jedem Geräusch panisch um. Noch immer warfen die Schaufenster ihr Licht auf die Straße und vermittelten den falschen Eindruck von Normalität.

Doch auch hier hin, in die kleine Nebengasse, fanden die schwarzen Wesen ihren Weg und kesselten ihr Opfer immer weiter ein. Mit einem verzweifelten Versuch versuchte sie aus dem Ring auszubrechen wurde aber am Knöchel gepackt und schlug hart auf die Steine auf. Ein brennender Schmerz durchzuckte ihr Handgelenk, als sie versucht hatte sich abzufangen.

Sie ignorierte den Schmerz und strampelte wie wild mit den Füßen, doch auch nach einem Tritt ins Gesicht ließ die Kreatur, die ihren Knöchel umfasste, nicht locker. Langsam erschlafften ihre Glieder und sie fühlte nur noch einen wachsenden Schmerz in ihrem Brustkorb. Jeder Schlag ihres Herzens wurde zur Qual und zuletzt hätte sie es sich am liebsten selbst aus der Brust gerissen.

Aber die Qual wollte nicht enden. Das Mädchen kniff die Augen zusammen und schickte einen letzten Schrei durch die Straßen.
 

Sie wollte noch nicht sterben... Sie wollte ihre Eltern wieder sehen und ihre Schule zu Ende machen. Es wären nur noch zwei Jahre gewesen... Dann hätte sie sich einen Beruf gesucht, oder hätte vielleicht studiert.

Am meisten ärgerte sie sich jedoch über sich selbst. Immer hatte sie sich verstellt, um den Menschen zu gefallen. Nie hatte sie den Mut gehabt sie selbst zu sein.

Man hatte es ihr zwar gedankt, aber das war es nicht gewesen was sie wirklich gewollt hatte. Sie hatte Menschen finden wollen, die sie genauso mochten wie sie war...
 

Aber all das verlor in diesen Momenten jegliche Bedeutung. Als Abschiedsgruß rollte eine letzte Träne über ihre Wange, bevor sie die Dunkelheit des Todes in sich spürte und ihr Körper begann sich immer mehr zu entfremden. Es war so bedrückend, so viel Finsternis. Was war aus den Vorstellungen des Jenseits geworden? Sollte sie nicht ein Licht vor sich sehen und kurz danach in ihrer eigene Welt eintauchen, in jene, die sie sich bereits so oft vorgestellt hatte?...

Doch alles was sie sah, waren endlose Schatten... nichts weiter... keine Hoffnung, keine Wärme... nichts.

Aber so wollte sie nicht sterben. Nicht so, nicht wenn der Tod hieß in ewiger Finsternis zu wandeln. Mit letzter Kraft kämpfte sie dagegen an und wurde so brutal wieder ins Leben zurück gerissen, wie man es ihr noch vor Sekunden... oder war es länger gewesen? - genommen hatte.

Kapitel 1

Kapitel 1: Vom Regen in die Traufe
 

Mit dem Erwachen fluteten die Schmerzen aus ihrem Handgelenk wieder in ihr Bewusstsein. Mit einem erneuten Schrei riss sie die Augen und starrte in das Gesicht eines dieser Monster. Hektisch schlug sie um sich und stellte erstaunt fest, dass die gelben Augen eh kein Interesse an ihr hatten.

Gedankenverloren rieb sie sich die pochende Hand und fing an sich zu fragen, wie sie das angestellt hatte? Vor einer Sekunde hatte sie noch gemeint zu wissen, was die Ursache gewesen war, aber jetzt legte sie lediglich den Kopf schief und musterte fragend die schmerzende Stelle. Nach einigen zögerlichen Bewegungen stellte sie fest, dass das Gelenk nicht gebrochen war, höchstens verstaucht.

Sie streckte die steifen Glieder und sah sich neugierig um. In ihrem Kopf dröhnte ein unangenehmes Geräusch und egal wie oft sie sich die Ohren rieb, es wollte einfach nicht verschwinden. Vorsichtig schritt sie die Straße entlang und wurde bald Zeuge eines abscheulichen Spektakels. Auf einem großen Platz hatten die schwarzen Wesen einige Menschen zusammen getrieben und fielen über die verängstigten Leute her, ohne auch nur zu zögern.

Das Pochen im Kopf der Braunhaarigen war mittlerweile unerträglich geworden und sie presste beide Hände gegen die Ohren, doch es half nichts. Was pulsierte da durch ihr Gehirn? Was spürte sie so unaufhörlich? Mit einem Schlag wurde ihr klar, dass es von außerhalb kam, dass sie selbst so etwas nicht besaß, dass die Menschen schuld an diesem Gefühl waren.

Als sie den Blick wieder hob, wurde ihr schlecht bei dem Anblick. Die Wesen sammelten die Herzen der Menschen ein, ehe diese verschwanden, als hätten sie nie existiert. Es war einfach nur grausam... oder?

Mit dem verklingen der Schreie, verebbte auch das Pochen und der Schmerz ließ langsam nach. Ungläubig über die Ursache ließ sie die Hände wieder neben den Körper sinken und begann erst langsam zu begreifen, dass es wirklich die Menschen gewesen waren... sie hatte recht gehabt.
 

"Das ist langweilig. In so einem Kaff passiert doch nichts. Bis auf ein paar Herzlose kriegen wir hier sowieso nichts", hörte man eine Männerstimme durch die Nacht klingen.

Auf dem Hügel hatten sich drei Gestalten versammelt, allesamt in schwarze Mäntel gehüllt. Die Gestalt in der Mitte hatte bei seinen Worten die Hände kurz hochzucken lassen, um seine offensichtliche Verärgerung über seine Situation noch zu unterstreichen.

Der Mantelträger links von ihm ließ nur ein genervtes Seufzen vernehmen. Der Stimme nach zu urteilen war es ein Mann, jedoch kleiner als seine beiden Gefährten.

"Lasst uns einfach die Mission erfüllen, umso schneller können wir wieder zurück", schaltete sich der dritte in der Runde ein, "Ich war gerade dabei Demyx mal wieder übers Ohr zu... ähm... ich meine... Ich hatte mal wieder eine interessante Partie Karten mit Demyx am Laufen."

Wieder ein genervter Ton von links: "Ausschwärmen und melden, wenn etwas Ungewöhnliches gefunden wurde."

"Ja, ja... schon gut....", gab der Mann vom Anfang wieder seinen Kommentar ab und schaute zu, wie der kleinste in der Runde in einem schwarzen Nebel verschwand. Auch der rechte machte sich bereits auf und klopfte dem ersten auf die Schulter.

"Ja, ist ja schon gut... Mann... ", wieder warf er die Hände nach oben und kramte in seinen Manteltaschen, nur um kurz darauf ein wütendes Grummeln von sich zu geben. Lang ausatmend streifte er die Kapuze vom Kopf, schüttelte seine langen roten Haare und ließ unauffällig eine Bank hinter sich Feuer fangen. Zufrieden grinste der Feuerteufel und sprang dann einfach den Abhang herunter.

"Axel!", hörte man nur von unten, "du sollst nicht schon wieder alles in Brand setzen. Diesmal ist Demyx nicht da, um alles wieder zu löschen."

"Ich hab gar nichts gemacht", pfiff der Rothaarige fröhlich.
 

Der kleinste aus der Runde hatte derweil bereits einen Bezirk der Stadt durchkämmt und hakte auf einer kleinen Karte den durchsuchten Bereich ab. Bisher hatte er nur ein paar Herzlose gesehen und zwei sich auflösende Menschen.

Womit hatte er diesen Schwachsinn nur verdient? Das hier hätte selbst Demyx allein in den Griff bekommen.

Wieder entwich seiner Kehle ein genervter Seufzer. Er positionierte sich auf dem nächsten Dach und ließ seinen Blick wieder über die dunklen Gassen schweifen. "1...2...10...12 Herzlose", murmelte der Mantelträger und verschwand wieder in einem schwarzen Portal um weiter in die Stadt vorzudringen.
 

"Mann hier ist nichts los!... Dieses Kaff hat nicht mal ein Casino...", die Hand des Redenden schoss zu der von Axel, "Denk nicht mal dran."

Der Rotschopf ließ ein beleidigtes Murmeln hören und fing an seinen Arm aufzuheizen. Kurz darauf zuckte die Hand des anderen mit einem schmerzerfüllten Schrei zurück und er löste sich in schwarzem Nebel auf. Noch bevor der Nebel richtig verschwunden war, schoss eine Karte heraus, der der Pyromane nur knapp ausweichen konnte.

Hinter ihm knackte und krachte es, als das Geschoss die Mauer durchschlug.

"Das kriegst du wieder! Verlass dich drauf", vor Wut setzte er das Gebäude hinter sich schließlich doch in Brand und trottete, die Hände in den Taschen vergraben, die Straße entlang.
 

"Ich hab gewusst das geht nicht gut, aber nein! Meine Bitte nach ein wenig mehr rationalem Denken musste ja abgelehnt werden!", schoss es dem kleinsten aus der Gruppe durch den Kopf, als er das Feuer sah. Er ließ sein Buch vor sich erscheinen und notierte einige kurze Sätze darin, bevor es wieder verschwand.

Kopfschüttelnd entdeckte er Luxord, der seine rechte Hand im Dorfbrunnen kühlte.
 

"Dämlicher Axel", murrte der Kartenspieler und musterte die rot verbrannte Haut. Das würde bestimmt eine dicke Brandblase geben. Im gleichen Augenblick in der er seine Hand wieder in das kühle nass tauchte, durchzuckte ihn ein unangenehmer Schmerz und er kniff ein Auge zusammen. Einige Flüche zischelnd merkte dieser erst nicht, dass er Mantelträger mit dem Buch hinter ihm auftauchte.

"Nein, sag nichts Zexion... Ich weiß was ich falsch gemacht habe."

"Wahrscheinlich nichts. Ich würde Hautkontakt nicht unbedingt als Fehler ansehen... Naja, bei Axel und dir wohl doch irgendwie. Behandel' das wenn wir zurück sind. Du hast bestimmt keine Lust nachher die Brandblasen zu punktieren", erwiderte Zexion ruhig und musterte die Umgebung, "kein Menschen mehr hier. Wir überprüfen noch den Rest der Stadt und dann kehren wir zurück."
 

Das Mädchen war kurz vor dem Auftauchen der Schwarzgewandeten vom Platz verschwunden und schubste einen Herzlosen aus der engen Gasse heraus. "Hau ab, du stehst auf meinem Fuß!", zischelte sie leise und rieb sich den Fuß. Zu ihrer Überraschung kehrte der Kleine nicht wie zu Anfang zurück, sondern versammelte sich mit anderen Herzlosen um die Neuankömmlinge. Was für welche waren das wohl?

"Wenigstens haben die nicht dieses nervige Pochen... und ich hab diese Dinger nicht mehr am Hals", stellte die Braunhaarige fest und beobachtete interessiert die beiden Gestalten. Wenn sie nur endlich diese Kapuzen abnehmen würden. Vor Aufregung fing sie an sich durch die Haare zu streifen und stellte fest, dass sie zwei lange Strähnen hatte, die ihr seitlich vom Kopf bis kur unter die Brust fielen. Der Rest ihrer Haare war jedoch kurz.

Vielleicht sollte sie mal rüber gehen und "Hallo" sagen. Einige Augenblicke überlegte sie noch und entschloss sich schließlich dazu, es auch tatsächlich zu tun.

Sie schritt aus den Schatten der Gasse heraus und lächelte die Fremden an, ehe sie zur Begrüßung die linke Hand hob und ein kurzes "Hi" von sich gab.
 

Ruckartig drehte Luxord den Kopf in die Richtung aus der er die Stimme vernommen hatte und auch Zexion warf einen Blick über die Schulter und musterte den Neuankömmling. Ab und an huschte sein Blick zu einem der Herzlosen, aber diese zeigten keinerlei Interesse an der Braunhaarigen. Das ließ nur einen Schluss zu... Sie hatten soeben einen... vielmehr "eine" neue Niemand gefunden.

Luxord setzte an etwas zu sagen, schwieg dann aber weiter. Er wusste nicht genau was er von der Kleinen halten sollte. Das Lächeln auf den Zügen des Mädchens irritierte ihn und besonders der Umstand, dass sie einfach auf den Platz getreten war und keinerlei Scheu zeigte.
 

Leicht betreten wanderte der Blick der Braunhaarigen nach unten. Warum reagierten die beiden Männer so komisch auf sie? Ihre anfängliche Euphorie über ihre Endeckung verflog und auch das Lächeln wich aus ihrem Gesicht.

"Ich wollte euch nicht stören...", entschuldigte sie sich und faltete die Hände hinter dem Körper, während sie sich immer abwechselnd nach links und rechts drehte.

"Das glaub ich ja nicht, dass hier ein neuer Niemand auftaucht und schon gar nicht ein Weib", mischte sich der Rotschopf ein und klopfte dem Mädchen unsanft auf den Rücken.

Luxord konnte daraufhin nicht mehr an sich halten und fing an lauthals los zu prusten. Zexion jedoch konnte nur den Kopf schütteln und vergrub sein Gesicht in den Händen.

"Was denn?", zuckte Axel mit den Schultern und hob abwehrend die Hände, "ich hab doch nur..." Er stockte als er das schockierte Gesicht des Mädchens sah. "Oh... mist", gab er kleinlaut zu und kratzte sich am Hinterkopf. Er vergaß immer, dass man nicht einfach so hinter neuen Leuten auftauchte. Wer rechnete schon damit, dass plötzlich jemand hinter einem stand...

Die Braunhaarige jedenfalls nicht und hatte sich nur mit Mühe einen lauten Aufschrei verkneifen können. Noch immer geschockt löste sie nur langsam die Starre auf und musterte den Rothaarigen hinter sich. Wer malte sich schon freiwillig solche seltsamen Strich unter die Augen?

"Also... ihr habt sie noch nicht..."

"Nein", unterbrach Zexion den Pyromanen leicht genervt, "Reiß dich endlich zusammen Luxord!" Das war ja der reinste Kindergarten!

Der Kartenspieler rang um seine Fassung und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. "Tschuldigung", kichert er nur und holte tief Luft.

"Ihr seid komisch", gab die neue Niemand ihr Kommentar dazu ab und musterte fragend das ungleiche Trio. Der einzige mit ein wenig ernst, schien der Kleine zu sein.
 

"Sollen wir sie jetzt mitnehmen?", fragte Axel und gestellte sich zu seiner Truppe.

"Luxord, Axel, führt den Auftrag zu Ende und kommt dann weider her", instruierte Zexion die beiden Niemande und ergänzte auf das allgemeine Murren hin, "oder soll ich sie etwa mit einem von euch allein lassen?"

Der Pyromane wollte sich zuerst beschweren, hatte dann aber schnell ein Einsehen und grinste nur verschwörerisch. Luxord widersprach erst gar nicht und verschwand einfach durch ein Portal. Wieder schickte er als Abschiedsgruß eine Karte durch den Rauch, welche dann vor der Braunhaarigen zu Boden segelte. Axel war indes in den dunklen Gassen der Stadt verschwunden.
 

Neugierig musterte das Mädchen die Karte und hob sie auf. Es war das Karo Ass. Wieso hatte er ihr ausgerechnet diese Karte gegeben?

Zexion hatte den Gruß ebenfalls erspäht: "Ich würde sie an deiner Stelle los lassen..."

"Nani?", fragte sie noch kurz bevor sie das Ass freiwillig los ließ... Es hatte angefangen zu knistern. Noch nicht einmal den Boden berührt, zerplatzte die Karte wie ein Feuerwerkskörper. "Nett", brummte sie und sah wieder zu Zexion.

"Vielleicht setzt du dich und ich erkläre dir die Situation, solange die beiden anderen noch unterwegs sind", mit einer ausladenden Geste deutete er auf den Brunnenrand.

Das Mädchen setzte sich schwungvoll auf das etwas feuchte Gestein und bemühte sich auch jede Einzelheit zu behalten.

"Wie du sicher schon bemerkt hast, fehlt unserer Existenz ein wichtiger Faktor..."

"Du meinst sicher diese nervige Pochen, oder?", unterbrach die weibliche Niemand ihn.

"Ja.... Dieses "Pochen" oder auch "Pulsieren", welches wir im menschlichen Organismus wahrnehmen, ist abhängig vom Herzen, einem für die Menschen lebensnotwendiges Organ. Unsere Existenzform, auch Niemande genannt, benötigt dies jedoch nicht."

"Wie entstehen eigentlich Niemande? Ich kann mich nur an etwa die letzte halbe Stunde erinnern...", merkte die Braunhaarige wieder an und spielte mit der linken Hand im Wasser.

"Unterbreche mich nicht immer... Jeder Niemand besaß früher einen Jemand. Wir sind also aus Menschen entstanden und zwar dadurch, dass Herzlose", er deutet auf einen Schattenlurch, "diesem das Herz gestohlen haben. Die meisten Menschen verschwinden danach einfach, doch wenn das Herz stark genug war, wird ein Niemand "geboren". Die meisten Niemande verfügen über bestimmte Fähigkeiten, jedoch ist noch nicht entschlüsselt woher diese..."

Axel tauchte etwas entfernt auf und unterbrach seinen Teampartner grob: "Wir wollen sie doch nicht zu Tode langweilen."

Zexion funkelte den Pyromanen unter der Kapuze her böse an und fragte sichtlich verärgert: "Wo ist Luxord? Was hast du schon wieder angestellt?"

"Was denn? Ich bin nicht sein Babysitter! Got it memorized?", schmollte der Rotschopf und verschränkte die Arme vor dem Körper.

Es dauerte keine dreißig Sekunden, das stolperte Luxord leicht angesengt durch ein Portal und blickte finster zum Rotschopf rüber. "Du", seine Stimme bebte vor Zorn. Stampfend schritt er an dem vergnügten Feuerteufel vorbei und erklärte Zexion kurz, dass sie die Mission ohne weitere Auffälligkeiten beendet hätten.

"Gut, dann brechen wir zurück ins Hauptquartier auf", verkündete dieser und erschaffte ein Portal. Axel und Luxord schritten ohne zu zögern hindurch, Zexion jedoch blieb stehen und wandte sich noch einmal zu dem Mädchen um.

"Es ist deine Entscheidung. Wenn du mitkommen willst, dann komm mit uns. Wir können dir zeigen, wie du deine Kräfte richtig einsetzt. Sie dir aber darüber im Klaren, dass du gegenüber der Organisation, in der du dich dann befinden wirst, eine Verpflichtung eingegangen bist, die du nicht leichtfertig einfach wieder aufheben kannst... Wie entscheidest du dich also", fragte er ruhig und ließ seine Stimme frei von jeglicher Beeinflussung.

"Ich komme mit... Ich könnte hier nicht mehr leben", sie folgte dem Schwarzgewandeten nach dessen Nicken durch das Portal und spürte wie eine fast erdrückende Finsternis um sie herrschte, doch nur für Sekundenbruchteile...

Kapitel 2

Kapitel 2: Mein Name ist Xancira
 

"Unplanmäßig", das war das erste Wort, welches die neue Niemand aufschnappte, als sie endlich aus dem Portal trat. Neugierig musterte sie den hohen kreisrunden Raum und war etwas enttäuscht über die Eintönigkeit. Alles weiß in weiß... und was sollten diese unterschiedlich hohen Throne?

"Der Raum könnte ein wenig mehr Farbe vertragen", schoss es der Braunhaarigen durch den Kopf. Sie spürte eine leichte Berührung auf ihrer Schulter und folgte dem ausgestreckten Finger Zexions mit den Augen. Auf dem höchsten Thron saß ein grauhaariger Mann mit stechenden gelb-orangen Augen. Man konnte bereits an seiner Art erkennen, dass er hier der Boss war, oder sich zumindest dafür hielt.

Fast war sie verleitet die Hand zum Gruß zu heben, aber es schien ihr wenig passend. So wartete sie geduldig, bis der Grauhaarige etwas sagte. Es war jedoch nicht er, der das Gespräch wieder anfing.

Axel konnte nicht länger an sich halten und machte seinem Ärger über Luxord lauthals Luft: "Das war das letzte Mal, dass ich mit dem da auf einer Mission war." Der Rotschopf deutete unauffällig auf Luxord.

"Was!? Welchen Grund hast du denn, dich zu beschweren?", fuhr der Kartenspieler den Pyromanen an, "Das hab ich mir ja wohl kaum selbst angetan, oder?" Er zeigte der Nummer 8 seine verbrannte Hand und die angesengte Kutte.

Daraufhin schrieen sich beide nur noch und verfielen in einen hitzigen Streit. Flüche flogen nur so durch den Raum und Xemnas, der Mann auf dem höchsten Thron, wirkte von Moment zu Moment angespannter. Das genaue Gegenteil dazu bildete eine junge blonde Frau, die vergnügt grinste.

Anscheinend fand man überall Menschen,... ähm... Niemande, die sich am Ärger anderer ergötzen konnten. Das Mädchen jedoch schaute hilflos zu Zexion. Der Mantelträger wiederum winkte jedoch nur ab und schüttelte desinteressiert den Kopf.

3...2...1... Der Saal schien auf einmal zu beben, als die Nummer 1 endgültig die Beherrschung verlor und die beiden Streithammel lautstark zusammenstauchte. Gleichzeitig hörte man einen gellenden Schrei und alle Anwesenden schauten auf die Braunhaarige. Diese zuckte nur unschuldig mit den Schultern und zeigte in die Richtung eines dunkelblonden Niemands, der ängstlich auf seinem Thron kauerte.

Viel witziger jedoch als der Anblick des zitternden jungen Mannes, war jedoch die Position von Axel. Mit der Faust auf Luxord zeigend und diesen am Kragen packend, hatte der Rotschopf abrupt inne gehalten. Der Kartenspieler öffnete zögerlich wieder die Augen und starrte auf die Faust, während sich der Griff seines Gegenübers langsam lockerte. Daraufhin nahmen beide eingeschnappt auf ihren Thronen platz. Jegliche Neuanstachelung des Streites wurde durch Xemnas mit einem wütenden Blick im Keim erstickt.
 

"Ich hoffe damit sind jegliche Differenzen aus diesem Saal verbannt", ermahnte er Luxord und Axel nochmals eindringlich.

Zexion verschwand ebenfalls auf seinen Thron und ließ das Mädchen allein in der Mitte des Saals. So blieb sie zurück und musste alle neugierigen Blicke über sich ergehen lassen. Unruhig hin und her schauend, bemerkte sie auch, dass einige Throne nicht besetzt waren. Wer mochte wohl noch fehlen?

"Ihr habt sie also auf eurer Mission entdeckt", stellte der Grauhaarige fest und Zexion nickte.

"Und warum sollten wir sie in die Organisation aufnehmen?", fragte er die Nummer 6 weiter.

"Ich wollte gerne", antwortete die Braunhaarige ohne Umschweife und lächelte den Superior an. Ihr fröhlicher Gesichtsausdruck verschwand jedoch, als dieser sie nur weiter kühl ansah.

"Nur wenn ich darf...", murmelte sie und senkte den Blick zu Boden.

"Welche Fähigkeiten hat sie? Gilt es in irgendeiner Weise etwas zu berichten?"

Wieso ignorierte er sie? Immer sprach er nur mit Zeixon und dieser antwortete nicht einmal, sondern schüttelte einfach nur den Kopf. Beleidigt wandte das Mädchen den Blick ab und starrte an die Decke.

Xemnas Augenbraue zuckte, als er merkte, dass die Neue sich einfach abgewandt hatte.

"Zexion", der Angesprochene seufzte genervt, "Du wirst ihre Einweisung übernehmen."

Mit Respekt einflössender Stimme wandte er sich diesmal direkt an die Braunhaarige: "Es wäre besser für dich, wenn du schnell lernst, dich an die Regeln zu halten und begreifst wo dein Platz hier ist... Die Versammlung ist hiermit beendet."

Wie aufs Stichwort verschwanden die meisten Mitglieder in einem schwarzen Nebel und zurück blieben Zexion und die die neue Niemand.

"Na gut, dann komm... ich zeig dir die Räumlichkeiten."
 

"Alles weiß in weiß... wie langweilig!", stellte die Braunhaarige nüchtern fest und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Sie hatte etwas mehr... naja... halt mehr erwartet. Alles was die langen weißen Gänge schmückte, waren einige Säulen oder auch hohe Fenster, aber an sich, fand man auch nicht mehr. Erst einmal waren sie an einem Strauß Blumen vorbei gekommen. Die Nummer 6 hatte auf ihren Kommentar hin nur genervt aufgestöhnt und die Hand vors Gesicht geschlagen. "Nicht noch jemand wie Demyx", war ihm dabei durch den Kopf geschossen... und das hoffte er wirklich.

"Das ist die Bibliothek. Wenn du bestimmte Bücher suchst, wirst du auf jeden Fall hier fündig... Treib aber keinen Unsinn damit, einige der Werke sind antik und haben einen hohen Wert", fügte er noch hinzu während sie die großen Flügeltüren passierten.

Neugierig hatte die Braunhaarige hineingelugt und die endlosen Bücherregale bestaunt, bis ihr Führer sie mit einem kurzen Räuspern darauf aufmerksam gemacht hatte, dass sie weiter gehen sollten.

Weiter dem Gang folgend bemerkte das Mädchen Rauch, dass durch den Spalt einer Tür waberte. Von Drinnen hörte man zudem einige hysterische Schreie. Seltsam...

"Wunder dich nicht, man gewöhnt sich an alles", bemerkte Zexion und ermahnte die Braunhaarige besser nicht zu atmen, während sie durch den Rauch schritten.

Die nächste Zeit blieb der Niemand still, bis das Mädchen ihn um etwas bat.

"Kannst du nicht mal die Kapuze abnehmen? Ich möchte deine Gesicht sehen", und sah ihn mit großen Augen an.

Die Reaktion folgte sofort und sie konnte endlich einen Blick auf den blau-grauen Schopf erhaschen. Als dieser stehen blieb und sich zu dem Neuankömmling umdrehte, erhaschte sie auch einen Blick auf seine grauen Augen. In ihnen lag ein gewisser Ausdruck... mehr nicht Ausdruck... der das Mädchen dennoch faszinierte.

"Das hier ist ab sofort dein Zimmer. Wie du siehst, steht die Nummer fünfzehn auf der Tür... Das ist deine Nummer und dein Rang innerhalb der Organisation 13... und nein... wir werden die Zahl nicht ändern auf fünfzehn oder was auch immer", hatte er sofort seine Gegenüber abgewürgt, die im Begriff gewesen war, ihn zu unterbrechen, "Über etwaige Geräuschkulissen, besonders den Gang runter, solltest du dich nicht wundern. Geh hinein und zieh dich um, dann zeig ich dir den Rest."
 

Vorsichtig öffnete die Braunhaarige die Tür und spähte in den Raum. Sie fand ein Bett, einen dazugehörigen Nachttisch, sowie eine großen Schrank an der gegenüber liegenden Wand. Zudem entdeckte sie noch ein kleines Regal an der Wand und einen Tisch mit einem Stuhl. Da war auch noch eine andere Tür, die in ein kleines Bad führte. Den Blick aus dem Fenster wagte sie einmal und entschied sich dann dafür, bei Gelegenheit ein Poster drüber zu kleben.

Noch in Gedanken öffnete sie den Kleiderschrank und suchte eine passende Kutte in ihrer Größe heraus. Mal sehen... sie war größer als Zexion und kleiner als Luxord.

"Vielleicht diese... Oh, nein, schlechte Idee", sie hatte keine Chance den Reisverschluss zu zu bekommen, "Oh, kein Wunder...", dabei quietschte sie vergnügt und nahm ein anderes Teil heraus.

"Perfekt", stellte sie zufrieden fest. Aus einer der Schubladen holte sie einen schwarzen Pullover, fand aber, nachdem sie ihn gemustert hatte, dass ihrer besser passte und behielt ihn einfach an. Die Hose musste sie dann doch wechseln und zwängte sich in eine enge Damenjeans...

"Wie dünn ist die Blonde denn?!", brachte sie mühevoll hervor, während sie sich wieder aus dem Kleidungsstück zwängte. Letztendlich zog sie eine der kleineren Männerhosen an und schlüpfte in die unauffälligsten Stiefel, die sie finden konnte. Fehlte noch etwas?...

"Handschuhe? Och nö...", entschied sie sich ganz spontan und suchte vergebens nach einem Spiegel der groß genug für sie war. Dann eben nicht...
 

Draußen auf dem Flur lehnte Zexion an der Wand und blätterte in einem Buch. Er hob den Blick und musterte die neue Niemand.

"In Ordnung, das sieht doch ganz ordentlich aus... Keine Handschuhe?", schloss er seine Beobachtung ab.

"Nein... Ich find die sind so unbequem", winkte die Braunhaarige ab.

Der Blauhaarige zuckte nur mit den Schultern und ließ das Buch in seinen Händen wieder verschwinden. "Das wirst du auch bald verstehen...", entgegnete der Schwarzgewandete auf den erstaunten Blick seiner Gegenüber.

"Wo gehen wir als nächstes hin?", wollte das Mädchen wissen.

"Es gab eine kleine Planänderung. Dein Training wurde vor verschoben..."

"Vor verschoben? Aber ich bin doch erst eine Stunde hier..."

"Jetzt wo du in der Organisation bist, bist du auch den hiesigen Regeln unterworfen", und das sagte er in einem fast wehleidigen Ton, "Wir gehen also wieder zurück auf den Hauptflur und dann in den rechten Flügel."
 

Gesagt... getan. Kurze Zeit später standen die beiden vor einer großen Tür und die neue Niemand starrte in einen großen, hallenähnlichen Raum. Die Wände waren hoch und in regelmäßigen Abständen ragten daraus kleine Vorsprünge hervor. Es schien, als wären diese dort, um auf verschiedenen Ebenen kämpfen zu können. Einige Stellen in der weißen Wand waren beschädigt oder auch teilweise schwarz verkohlt. An der anderen Seite war gar ein großer Brocken aus der Wand gebrochen worden.

"Was ist denn da passiert?", fragte die Braunhaarige schockiert.

"Da gibt es zwei Möglichkeiten: entweder Larxene und Saix oder Larxene und Marluxia..."

"Wer ist Larxene?"

"Richtig... Ich hab dir die einzelnen Mitglieder noch nicht vorgestellt. Also...", er wurde wieder harsch unterbrochen. "Ich geb's auf", seufzte der dem Bücherwurm nur, als er Xigbar entdeckte.

"Nicht nötig. Du bist hiermit entlassen Zexion... Ich werde mich um das Training kümmern", der Schütze war hinzugekommen und musterte interessiert das Mädchen.

"Hi", brachte diese nur schüchtern hervor.

"Ähm... was... ja... Geh schon mal rein", antwortete der Freischütz und legte Zexion einen Arm um die Schultern. Der Blauhaarige setzte daraufhin eine äußerst entnervte Miene auf, genau wie die Braunhaarige, die sich mal wieder total ignoriert fühlte.

"Hör mal zu Zexion... Eigentlich sollte ich ja mit Demyx trainieren, aber der sitzt in seinem Zimmer und heult... Irgendwas wegen Schokolade verloren oder so... da fällt mir ein... Luxord war so gut zufrieden, als ich ihn gerade getroffen hab... aber egal. Da ich jetzt keinen Trainingspartner habe und ehrlich gesagt schon neugierig auf die Kleine bin, da hab ich gedacht ich erlös dich von deinen Pflichten und nehme dir die Arbeit ab. Was hältst du davon?"

"Von mir aus", brummte die Nummer 6 und verschwand durch ein Portal.

"Schade", sagte die neue Niemand nur und schaute auf den verblassenden Rauch.

"In Ordnung, dann wollen wir mal anfangen."

"Was muss ich tun?", schaute sie den Mann an und musterte die Augenklappe und die große Narbe auf seiner Wange.

"An sich nur ausweichen. Versuch erstmal nur, nicht getroffen zu werden", er drückte einen Schalter hinter sich in der Wand, woraufhin einige Dämmerlinge erschienen und begannen die Braunhaarige zu umkreisen.

"Was zum... Ahhh!", weiter kam sie nicht, als der erste der seltsamen Kreaturen sie ohne Vorwarnung angriff.

"Die Augen immer aufs Ziel gerichtet", gab ihr Xigbar als Tipp.
 

Das war leichter gesagt als getan. Sie wich den Schlägen mehr schlecht als recht aus und hatte Mühe die Bewegungen ihrer Feinde vorher zu sehen. Sie versuchte einen der Vorsprünge mit der Hand zu erreichen, schaffte dies auch, jedoch nicht sich hoch zu ziehen und hing hilflos in der Luft herum. Eines der Viecher erwischte ihr Bein und sie versetzt dem Dämmerling einen harten Tritt dorthin, wo sie sein Gesicht vermutete.

"Na das war ja wohl nichts", seufzte die Braunhaarige und schaffte es mit Mühe doch noch auf den Vorsprung.

"Dich da oben zu verstecken wir dir nichts bringen", bemerkte die Nummer 2 und schüttelte den Kopf. Wie konnte man sich nur so unbeholfen anstellen? Wieder drückten seine Finger auf einen Schalter und der Vorsprung wurde zurück in die Wand gefahren.

Mit einem lauten Schrei landete das Mädchen auf einem der Herzlosen und richtete sich hektisch wieder auf.

"Mann... das hat weh getan", und was danach folgte noch vielmehr. Eines der Wesen rammte ihr seinen Kopf in die Magengrube. Sie würgte und konnte nur geradeso an sich halten.

Wankend richtete sie sich auf und verbrachte die nächste halbe Stunde damit, sich immer wieder außer Reichweite ihrer Feinde zu bringen und den Angriffen immer ein wenig geschickter zu entgehen. Aber sie hatte schnell ihr Limit erreicht und kniete keuchend auf den weißen Fliesen. Man konnte sie doch nicht einfach ohne Waffen kämpfen lassen.

Endlich hatte Xigbar ein einsehen und erledigte die Dämmerlinge selbst mit seiner Waffe.

"Man Mädchen... das war ja was", half er ihr auf die Beine und seufzte.

"Was hätte ich denn machen sollen... aua", stöhnte sie und rieb sich den schmerzenden Brustkorb. Das würde noch ein paar ordentliche blaue Flecken geben.

"Jetzt stell dich nicht so an", sagte der Mann mit der Augenklappe teilnahmslos, "Behandel die Verletzungen mit der roten Salbe aus dem Erste-Hilfe-Koffer und du bist morgen wieder fit."

Um seine Schadenfreude noch zu unterstreichen, klopfte er der Braunhaarigen auf den Rücken und grinste hämisch, als diese schmerzerfüllt aufstöhnte.

"Ich bin dann auch mal weg und seh, ob ich Demyx nicht doch noch aus seinem Zimmer bekomme."

"Was? Was soll ich denn jetzt machen, ich kenn mich hier doch gar nicht aus", protestierte das Mädchen und stampfte verärgert mit dem linken Fuß auf den Boden. Xigbar zwinkerte ihr nur zu und verschwand dann durch ein Portal.
 

"Wie gemein!", und streckte die Zunge raus, auch wenn es keiner sah. Sich den Staub von der Kutte klopfend stapfte sie den Gang entlang und versuchte sich an den Weg zu ihrem Zimmer zu erinnern.

Nachdem sie jedoch das fünfte Mal in einer Sackgasse gelandet war, gab sie es auf und öffnete einfach eine Tür links von sich.

"Wo ist denn hier der Lichtschalter?", schallte es in den leeren Raum hinein und sie ließ ihre Finger auf der Suche nach etwas schalterähnlichem über die Wand tasten. Stockdunkel war es hier und es roch zudem auch noch merkwürdig.

"Autsch", sie war irgendwo gegen getreten. Endlich fand sie den Schalter und sorgte damit für ein wenig mehr Licht.

"Was zum...?!", brachte sie nur hervor, als ihr Blick auf den seltsamen Apparaturen hängen blieb. War sie versehentlich in eine Art Labor geraten?

Aus der hinteren Ecke des verwinkelten Raumes drang ein Knistern. Das Mädchen wand sich vorbei an Regalen voll von eigenartigen Gläsern und Flüssigkeiten in denen zum Teil Innereien schwammen. Woher diese stammten, wollte sie gar nicht wissen...

Schließlich blieb sie vor einem kleinen Erlenmeyerkolben stehen, dessen Hals mit einem Korkstopfen verschlossen worden war. Auch hierin schwamm etwas. Es könnte ein Auge sein. Außerdem stiegen immer wieder Blasen auf... seltsam.

Die neue Niemand begann die Iris des Auges zu mustern. Sie schimmerte in allen möglichen Farben, sogar in lila, was ihr ein wenig Unbehagen bereitete. Immer mehr verlor sich ihr Blick in dem faszinierenden Objekt und auch ihre Augen begannen in den verschiedenen Farben zu schimmern. Minute um Minute verstrich und die Braunhaarige war in einer Art Trance gefangen.

Plötzlich drehte sich das Auge ruckartig ganz zu ihr herum und das Mädchen ließ einen lauten Schrei durch den Raum und den dahinter liegenden Korridor hallen. Reflexartig wischte sie das Glas vom Regal und es zersplitterte auf dem Boden. Die klare Flüssigkeit ergoss sich über das kalte Gestein und das Auge zuckte wie ein Fisch auf dem Trockenen herum.

Vom Gang her hörte man Schritte und wenig später hörte man einen weiteren Schrei.

"Was... was hast du getan?!", brüllte ein Mann mit langen blonden Haaren und grünen Augen.

"Das... war keine Absicht. Ich hab mich nur erschrocken."

"Wochenlange Forschungen ruiniert... Aaahhh!", quiekte der Blonde fast und schubste das Mädchen einfach zur Seite, um das Augen zärtlich in seine Hände zu nehmen.

"Was machst du überhaupt hier?", pflaumte er sie weiter an und tätschelte das Auge.

Angewidert schüttelte sich die neue Niemand erst einmal bevor sie antwortete. War der Kerl noch ganz klar im Kopf? "Ich hab mich verlaufen, es hielt ja Niemand... ähm... Keiner für nötig, mir den Weg zu zeigen. Also hab ich gedacht..."

"Also hast du gedacht spazierst du einfach mal hier rein und zerstörst meine wertvollen Studien. Ja ja... ich verstehe schon. Keiner weiß die Wissenschaft hier richtig zu schätzen. Immer werde ich nur kritisiert und geärgert...", er erging sich in einer regelrechten Schimpftirade und schob die Braunhaarige einfach vor die Tür, welche dann knallend hinter ihr zufiel.

"Es war doch keine Absicht. Wirklich!", rief sie noch, aber es kam keine Antwort.
 

Jetzt war sie immer noch nicht weiter und hatte bereits fünf der acht Möglichkeiten abgelaufen. Blieben also nur noch drei. Sie entschied sich diese Mal für den dritten Korridor von links und fand endlich die ersehnten Schlafräume.

"Na endlich!", seufzte sie erleichtert und schritt zügig zu ihrem Zimmer. An der Tür klebte ein Zettel. Nicht schon wieder ein Training oder eine andere Pflicht. Sie hatte jetzt erst einmal genug von dem ganzen Trubel... es reichte!

"Um fünf im oberen Büro. Xemnas."

Missmutig riss die Braunhaarige den Zettel von der Tür und knüddelte ihn zusammen. Im Zimmer warf sie ihn in die Mülltonne und schaute auf die Uhr. Zehn Minuten nach vier.

Das hieß noch fünfzig Minuten, ehe sie den Superior treffen sollte. Eilig wand sie sich aus den Sachen und schlüpfte unter die Dusche. Genussvoll fühlte sie das warme Wasser auf ihrer Haut und wusch mit ihm die Anstrengung des Tages fort. Doch nach fünf Minuten endete sie bereits die Wohltat, viel zu sehr fürchtete sie den Zorn der Nummer 1.

Die bereitgelegten Handtücher schmiegten sich weich an ihre Haut und sie wuschelte sich die Haare trocken. Anschließend schnappte sie sich die Bürste vom Badezimmerschrank, während sie das Handtuch für die Haare in den Wäschekorb warf. Flüchtig machte sie sich zurecht und zog sich neue Sachen über. Was war denn das für Unterwäsche?

"Oh... rosa Schlüpfer", ganz und gar nicht der Geschmack der neuen Niemand. Sie kramte weiter bis sie eine normale schwarze Unterhose fand und suchte dann nach einem passenden BH. Die meisten waren etwas klein und die anderen zu groß. Es musste doch ein Zwischending geben... gefunden!

Geschickt schloss sie den Verschluss und zog ein schwarzes Top drüber. Hose und Stiefel wählte sie wieder die gleichen. Fertig. Kurz nach halb fünf. Perfekt! Jetzt galt es nur noch das Büro zu finden.
 

Anstatt den direkten Weg zu nehmen, irrte das Mädchen zwanzig Minuten durch alle möglichen Gänge, bis sie auf einen großen Mann mit Rastalocken stieß, der sich erbarmte, ihr den Weg zu erklären. Mit einem dankenden Lächeln, fand sie sich schließlich vor dem Zimmer der Nummer 1 wieder.

Zögerlich klopfte sie drei Mal und trat nach einem knappen und tiefen "Ja", ein. Auf der anderen Seite stand ein großer weißer Schreibtisch mit allerhand Unterlagen und einer großen Schreibtischlampe. Die Wände waren gesäumt von Regalen mit Ordnern und Büchern und zwei Couchsessel an einem hellen Holztisch luden ein, sich hinein zu setzen und gemütlich zu plaudern. Jedoch kam es dazu nicht. Die Braunhaarige musste auf einem einfachen Holzstuhl vor dem schweren Schreibtisch platz nehmen und musterte ihren Gegenüber, der in einem großen, drehbaren schwarzen Ledersessel saß.
 

Die Ellbogen auf den Tisch gestützt und die Hände gefaltet, musterte Xemnas die Neue. Er hatte bereits von der Pleite beim Training gehört. So etwas sprach sich hier immer schnell herum... leider. So hatte die neue Niemand eigentlich schon jetzt ihre Chance verspielt, in der Organisation einen hohen Rang einzunehmen. Ohne entsprechende Fertigkeiten, konnte man auch keine exakt ausgeführten Missionen erwarten. Immer wieder blieb er an dem offenen Blick seiner Gegenüber hängen. In deren Augen lag ein fast kindlicher Ausdruck von Sorglosigkeit.

All die Enttäuschungen, die er bereits jetzt in dem neuen Mitglied gefunden hatte, ließ er jedoch in keinster Weise in seinen Blick rieseln und so bekam das Mädchen nichts von seinen Gedankengängen mit.

"Weshalb ich dich her bestellt habe Nummer 15. Bei der Versammlung bot sich leider nicht der richtige Zeitpunkt. Dir fehlt noch ein Name...", er kam nicht weiter, da in diesem Moment ein wütender Mann mit blauen Haaren und einer X-förmigen Narbe auf der Stirn durch die Tür gestürmt kam.

"Nicht jetzt Saix", versuchte die Nummer 1 den Blauhaarigen wieder nach draußen zu bugsieren, aber es gelang nicht.
 

Eher desinteressierte verfolgte das Mädchen das Gespräch zwischen den beiden und schnappte irgendwas von "Verwüstung... Wutausbruch und Nymphe auf". Vielmehr kreiste in ihren Gedanken die Frage nach einem geeigneten Namen. Bisher hatte sie noch nicht wirklich darüber nachgedacht, aber jetzt. Sie wollte etwas passendes, nicht einfach irgendwas, das einem bei Gelegenheit einfach über die Lippen rutschte. Sie nahm sich vor, genau darüber nach zu denken.

"Bitte, beruhig dich... Ich bin gerade mitten in einem Gespräch mit unserem Neuankömmling", riss der Grauhaarige sie aus den Gedanken.

Er ignorierte sie schon wieder, genau wie er es in der hohen Halle getan hatte. Jetzt reichte es aber! Wütend stand sie auf und klatschte die Hände auf den Schreibtisch.

"Ich bin nicht einfach nur die Neue! Mein Name ist Xancira!"

Kapitel 3

Kapitel 3: Ups!
 

"Wie bitte?", drehte sich Xemnas zu ihr hin. In seinen Augen lag ein seltsamer Ausdruck und für einige Augenblicke wagte Xancira es nicht einmal zu atmen. Gleichzeitig hätte sie sich aber auch ohrfeigen können. Da nahm sie sich fest vor, nicht einfach das nächst beste zu nennen, was ihr in den Sinn kam und dann so was!

"Wie war das?", wiederholte die Nummer 1 mit einem Angst einflössendem Tonfall und schaute die Nummer 15 so an, als würde er sie am liebsten in Stücke reißen. Auch Saix hatte seinen Blick zu der Braunhaarigen gewandt und musterte diese nicht weniger argwöhnisch.

Sie wollte ja antworten, aber sie hatte viel zu große Angst etwas Falsches zu sagen. Wer wusste schon, was der Grauhaarige mit ihr anstellte, wenn sie nochmals ihren Namen sagen würde.

"Der Superior hat dich was gefragt", forderte die Nummer 7 in einem äußerst scharfen Ton.

"Ich... ähm... ich", sie würde am liebsten einfach aus dem Zimmer stürzen, "Ich hab nur gesagt, dass... ich... äh... dass mein Name Xancira ist..."

Die Augenbraue von Xemnas schien regelrecht zu beben. Das bedeutete nichts Gutes.

"Raus hier...", gab er nur von sich und zeigte mit der Hand zur Tür.

Fast fluchtartig verließ die Nummer 15 den Raum und kaum da sie Draußen angelangt war, schrie der Grauhaarige auch schon los.

"Wozu mach ich das ganze hier, wenn sowieso jeder macht was er will!" Diesen Worten folgte ein lautes Scheppern und ein schmerzerfülltes Stöhnen.
 

Das erste Stück des Ganges rannte sie, bis sie sicher war, dass sie niemand verfolgte. Na da hatte sie noch mal Glück gehabt. Xancira... Ja, der Name war sehr schön. Anscheinend hatte sie den richtigen gewählt. Erleichtert über diese Tatsache kehrte sie zu ihrem Zimmer zurück und warf sich längs aufs Bett. Endlich ein wenig Ruhe... Herrlich! Ein schmerzhaftes Gefühl erinnerte sie jedoch daran, dass sie besser Xigbars Rat befolgen sollte.

Die Braunhaarige stand auf und kramte im Badezimmer nach dem Erste-Hilfe-Koffer. Anschließend entkleidete sie sich bis auf die Unterwäschen und begann die zahlreichen blauen Flecken mit der Salbe einzureiben. Einen besonders großen hatte sie dort, wo sie mit dem Rücken auf einen der Dämmerlinge geplumpst war.

Das würde garantiert noch ein paar Tage ordentlich wehtun, aber na ja. Das nächste Mal würde sie nicht so versagen, ganz sicher nicht. Sie klebte noch ein Pflaster auf eine kleinere Schürfwunde und brachte dann den Medizinkoffer wieder ins Bad. Mit einem Seufzen dämmte sie das Licht im Zimmer und legte sich in das weiche Bett. Sie genoss es, wie sich das weiche Federkissen an ihren Kopf schmiegte und schloss entspannt die Augen. Die braunen Strähnen folgten ihren Rundungen und waren in sich verdreht. Verspielt streckte sie sich und vergrub die Füße unter der Decke.

Nach einer Weile fing sie an Kreise über sich in die Luft zu malen und beobachtete mit kindlicher Neugier ihren ausgestreckten Finger. Immer mehr wurde sie in die Konzentration hineingezogen und ihre Augen folgten wie hypnotisiert der Bewegung. Fast wäre sie eingeschlafen, aber da klatschte ihr mit einem Mal ein Porzellanteller mitten ins Gesicht und sie schrie erschrocken auf.

Ruckartig richtete sie sich auf und das Geschirr zersplitterte auf dem Boden. Xancira rieb sie die schmerzende Nase und ertastete ein wenig Blut von einer kleineren Platzwunde auf dem Nasenrücken. Verwirrt starrte sie nur auf die Scherben und schielte immer wieder misstrauisch an die Decke. Woher war der Teller so plötzlich gekommen? Das ergab doch gar keinen Sinn.
 

Keine fünf Minuten später steckte der Rotschopf seinen Kopf durch die Tür und musterte etwas irritiert die Braunhaarige, die sich die Nase hielt und ihn nicht wenig erregt ansah. Kurz darauf flog ihm ein Kissen entgegen und das Mädchen warf ihn nicht raus, sondern schrie ihn mehr aus dem Zimmer - besonders als sie sich gewahr wurde, dass sie in Unterwäsche vor Axel saß.

"Beruhig dich mal... Ich hab doch nur ein Scheppern gehört und wollte nachgucken... ahh...", weiter kam er nicht, als ihm zu allem Überfluss noch eine Vase knapp verfehlte. Es war wohl an der Zeit die Flucht zu ergreifen.

"RAUS! VERSCHWINDE!", hallte es über den ganzen Gang. Etwas weiter vorne steckte ein genervter Blondschopf den Kopf aus der Tür und warf dem Pyromanen vernichtende Blicke zu.

"Ich hab nichts gemacht... ehrlich...", verteidigte sich Axel, schüttelte dann jedoch nur genervt den Kopf und stapfte wütend murmelnd von dannen.
 

Am nächsten Morgen schmiss Xancira ihren Wecker vom Nachtschränkchen und musterte verschlafen die Digitalanzeige. Warum musste sie denn schon um halb sechs aufstehen? Das war nach ihrem Geschmack eindeutig zu früh - doch es half nichts. Die Braunhaarige quälte sich aus dem Bett und stapfte ins Bad. Dort duschte sie erst einmal und machte sich fertig.

Wieder im Zimmer musterte sie den Zettel vom Vorabend, den sie neben einen kleinen Handspiegel gelegt hatte.

"Versammlung ist um sieben im Versammlungsraum. Es wird um Pünktlichkeit gebeten!"

In der rechten unteren Ecke war ein Name schwarz übermalt worden. Die Braunhaarige hatte ihn jedoch trotzdem lesen können: "Demyx"

Wer das wohl war? Sie kannte ja immer noch nicht alle Mitglieder. Dieser Zexion war nicht wieder aufgetaucht und als sie an der Tür mit der Nummer 14 geklopft hatte, hatte ihr keiner geöffnet.

Etwas verloren wanderte Xancira durch die Gänge auf der Suche nach der Küche. Wenn sie sich recht entsannte war diese nicht mal sehr weit entfernt von den Schlafräumen. Kurze Zeit später hörte sie ein Scheppern und fühlte sich an den vorigen Abend erinnert. Dank dise Zwischenfalls schmückte nun ein hübsches Pflaster ihren Nasenrücken. Vorsichtig lugte die Nummer 15 in die Küche und entdeckte einen recht kleinen blonden Niemand mit strubbeligem Haar, welcher Porzellanscherben vom Boden aufsammelte, während Axel verräterisch grinste und vergebens versuchte eine Unschuldsmiene aufzusetzen.

"Mein schönes Frühstück", beschwerte sich der Kleine und das Mädchen bemerkte erst jetzt den See aus Milch und Cornflakes, der sich über die Fliesen ausbreitete.

Darauf achtend nicht in die Brühe zu treten, schlüpfte die Braunhaarige hinein und ließ ein freudiges "Guten Morgen" vernehmen. Die Antwort fiel jedoch sehr dürftig aus - beide Niemande brummten nur.

"Soll ich dir helfen... ähm...", fragte Xancira und kniete sich neben den Jungen.

"Mein Name ist Roxas", antwortete der Blondschopf kurz und beide sammelten weiter die Scherben auf.

"Ach... jetzt mach hier doch nicht so einen Aufstand. Das passiert ab und zu halt mal. Du kannst dir ja was Neues machen...", schaltete sich der Pyromane ein.

Die Nummer 15 konnte sehen wie Roxas zusammenzuckte und Axel böse anfunkelte. Fast hätte der Junge seine Hand um die Porzellanstücke geschlossen, hielt sich im letzten Moment jedoch zurück.

"Nani?", fragte die Braunhaarige verwirrt. Daraufhin fing der Rotschopf an zu kichern und Roxas knallte die Scherben wieder auf den Boden. Anschließend stapfte er wütend aus dem Raum und Axels Lächeln verschwand.

"Hey Roxas! Komm schon, das war doch nur Spaß!... Got it memorized?", fügte die Nummer 8 noch hinzu als er ebenfalls aus der Küche stürmte und sein Bedauern versuchte auszudrücken.
 

Missmutig hatte sich Xancira nach dem Abgang der beiden wieder über den Milchsee gebeugt. Das würde sie aber nicht allein wegmachen! Sie seufzte leise und hörte Schritte vom Gang her. "Axel", fragte sie laut. Doch anstatt der Stimme des Pyromanen, vernahm sie eine tiefe und eiskalte Männerstimme, die sich wie Dolche in ihre Ohren bohrte.

"Bravo. Einen Tag in der Organisation und ich habe jetzt schon den Eindruck einen vollkommenen Versager vor mir zu haben... und ungeschickt bist du noch obendrein. Am besten du machst dich schleunigst wieder davon oder ich sorge dafür, dass du freiwillig gehst."

Das Mädchen wagte es zuerst nicht einmal sich umzudrehen und antwortete nur: "Ich finde nach einem Tag kann man sich noch keine Meinung bilden und außerdem bin ich nicht für das hier verantwortlich."

"Es ist mir egal was du denkst. Das ist völlig irrelevant", zischte der Mann hinter ihr eiskalt und bei seinen Worten lief Xancira ein kalter Schauer über den Rücken.

Endlich brachte sie den Mut auf sich umzudrehen und hätte beinahe laut gelacht, als sie die pinken Haare sah, hätten seine blauen Augen sie nicht so böse angefunkelt.

"Jetzt wisch das endlich auf!"

"Aber...", wollte die Braunhaarige gerade widersprechen, da packte er sie am Kragen und signalisierte überdeutlich, dass er keine weiteren Diskussionen duldete.

"Beeil dich gefälligst", fuhr der Rosahaarige sie an und stieß die Nummer 15 unsanft zurück.

"Ja, schon gut", brummte das Mädchen nur und suchte in einem der Küchenschränke nach einem Lappen. Die nächste Viertelstunde verbrachte sie damit die Pfütze aufzuwischen. Mittlerweile hatte sie aufgeweichte Cornflakes zwischen den Fingern und der Hunger war ihr auch vergangen.

"Mögt ihr mir vielleicht euren Namen nennen?", fragte Xancira gespielt höflich und schaute neidisch zu, wie der Mann seinen heißen Kaffee genoss. Bei ihren Worten wurde sein Blick wieder eiskalt.

"Wieso sollte ich dir meinen Namen sagen?...", er wurde harsch unterbrochen.

"Ach Marlu, jetzt sei doch nicht so", meldete sich ein recht junger Mann von hinten, in dem das Mädchen den Blondschopf von gestern erkannte.

Der Niemand mit dem Kaffee in der Hand machte nun einen mehr als wütenden Eindruck und drohte die Tasse mit der bloßen Hand zu zerquetschen.

"Demyx!", presste der Rosahaarige hervor.

"Hab ich was falsches gesagt, Marluxia?", fragte Demyx unschuldig.

Die Braunhaarige fing an zu kichern und bewegte sich unauffällig in Richtung Tür. Als sie draußen auf dem Flur angelangt war, verlor Marluxia endgültig die Beherrschung. Kurz darauf waren im ganzen Hauptquartier die Schreie des blonden Niemands zu hören.
 

Es war keineswegs verwunderlich, dass Demyx nun im Meeting nicht anwesend war. Xancira hoffte nur, dass Marluxia ihn nicht zu sehr zugerichtet hatte. Als sie durch das Eingangsportal trat, waren bereits fast alle Throne besetzt. Nach kurzem suchen entdeckte sie auch ihren eigenen. Nur stellte sich die Frage, wie sie dort hinauf gelangen sollte.

Die anderen Niemande benutzten eine Art Portal, aber bisher hatte sie nicht gelernt wie das funktionierte. Leicht betreten blieb sie unten stehen und grübelte über eine andere Möglichkeit nach, die nicht vom Erschaffen eines Portals abhängig war. Nach einer Weile zuckte sie mit den Armen und blickte leicht verärgert auf den Boden. Es starrten sie schon wieder alle an. Vielleicht musste sie sich einfach nur stark genug darauf konzentrieren. Gesagt getan. Sie vollführte mit ihrer linken Hand noch eine kreisende Bewegung vor sich, auch wenn dies ihrer Meinung nach überflüssig sein sollte. Als sie die Augen wieder öffnete, war da tatsächlich ein Portal vor ihr. Sie trat hindurch und fand sich zu ihrer großen Überraschung auch wirklich auf ihrem Platz wieder. Na das hatte doch besser geklappt, als sie sich erhofft hatte. Jetzt guckten die anderen Niemande auch eine bisschen neutraler zu ihr herüber.

Erleichtert atmete Xancira aus und wartete dann geduldig, bis die Versammlung anfing. Als letzter trat Marluxia in die Runde, mit einem immer noch sehr wütenden Gesichtsausdruck.
 

"Da wir ja nun vollständig sind", Xemnas räusperte sich und es folgte ein drohender Blick in die Richtung des Rosahaarigen, "fast... vollständig sind, kann das Meeting beginnen."

Der Superior verfiel in eine schier endlose Tirade von Missionsverteilungen und eine fast krankhafte "Liebeserklärung" - so deutete die Braunhaarige den Tonfall - an Kingdom Hearts.

"Nun zu dir 'Xancira'", richtete er sich letztendlich an die Neue, "Deinem 'Antrag' auf diesen Namen wurde stattgegeben. Die ersten Missionen werde ich nach dem nächsten Trainingsbericht in Erwägung ziehen, also keine weiteren Ausfälle mehr", sein letzter Satz war von einem drohenden Unterton begleitet, der in dem Mädchen ein leichtes Unbehagen auslöste.

Etwas von ihr entfernt hörte sie mit einem Mal ein helles und gleichzeitig böses Lachen und sah, als sie den Kopf in diese Richtung neigte, dass es die Blonde vom Vortag war.

"Lach nicht über mich... Du hast bestimmt auch erst trainieren müssen und als Frau hat man's sicher nicht einfach unter all den Männern hier." Von dem Thron mit der Nummer 4 kam ein zustimmendes Nicken, was jedoch in ein furchtsames Quieken überging, als die Angesprochene ihre Fingernägel in das weiße Gestein zu schlagen drohte. Mit fast schon rasendem Gesichtsausdruck starrte die Blonde in Richtung der Braunhaarigen.

"Na...", weiter kam die Niemand nicht, da flogen ein paar Dolche dicht an ihrem Gesicht vorbei.

"Larxene! Schluss damit!", versuchte Xemnas die Blonde aufzuhalten.

"Ich mag eines ganz und gar nicht", hauchte die junge Frau zuckersüß und giftig zugleich, "... und zwar wenn man mich mit diesen Versagern hier vergleicht. Wag es nie mehr, mich so zu beleidigen. Hast du verstanden?" Um ihre Drohung zu unterstreichen ließ die Nummer 12 Dolche in ihrer Hand erscheinen und sprang kraftvoll von ihrem Thron ab in Richtung der Braunhaarigen.

Ein allgemeines Raunen ging durch den Saal, aber keiner betrachtete es für nötig wirklich einzugreifen, oder sie hatten zu viel Angst vor dem Blondschopf. Hektisch wedelte Xancira mit ihren Armen vor dem Körper herum und brachte ungewollt einen Kreis zustande. Mit Panik in den Augen blickte sie zu der Blonden und war sich sicher jeden Augenblick kaltes Metall durch ihre Haut dringen zu fühlen... aber nichts dergleichen geschah. Man hörte nur einen dumpfen Aufprall und ein mehr als wütendes Fluchen.

Vorsichtig lugte das Mädchen wieder in die Richtung Larxenes und stellte mehr als überrascht fest, dass diese gegen eine Art unsichtbares Kraftfeld geprallt war und sich nun auf dem Boden des Raumes die Stirn rieb.

"Alles in Ordnung", fragte Xancira und beugte sich vorsichtig über den Rand des Thrones. Die folgenden Momente hatten etwas sehr elektrisierendes an sich. Die Braunhaarige spürte, wie die Blitze der Blonden durch ihren Körper zuckten und das war doch recht schmerzhaft.

"Beherrsch' dich Larxene", mischte sich die kalte Stimme des Rosahaarigen ein und die Blitze verschwanden. Trotzdem zuckten noch Funken über den Körper der Nummer 12 hin und her, besonders zwischen den beiden abstehenden Haarsträhnen.

Die Nummer 15 stöhnte ausgedehnt und versuchte das unangenehme Kribbeln wieder los zu werden. Außerdem hatte sie das Gefühl gut durchgeröstet worden zu sein.

"Wofür war das denn?", stieß Xancira hervor und hustete einige Male bevor sie wieder richtig auf dem Thron saß.
 

"Interessant", schaltete sich Xemnas wieder ein und Larxene warf dem Superior einen vernichtenden Blick zu. Was war daran bittschön interessant? Sie hatten da ein kleines Gör vor sich, dass anscheinend nicht einmal wusste, dass man erst nachdenken sollte bevor man etwas sagte und Respekt war ihr wohl ein Fremdwort.

"Du bist also in der Lage Kraftfelder zu erschaffen... Das könnte noch nützlich werden", er überlegte kurz und sah in die Runde, "Wenn das so ist, solltest du einen anderen Instruktor bekommen. Zexion, du bist deiner Pflicht entbunden (der Blauhaarige grinste kaum merklich). Ich würde gerne Xigbar dein Training anvertrauen."

Der Schütze nickte nur kurz und damit war auch die Versammlung zu Ende.

Larxene und Marluxia verschwanden gemeinsam in einem Portal, wobei der Rosahaarige die Blonde zurückhalten musste, damit diese nicht wieder über die Neue herfiel.
 

"Na? Noch alles dran?", fragte Xigbar und baumelte neben Xancira kopfüber in der Luft. Wie machte er das wohl? Anstatt zu antworten nickte das Mädchen nur und sah noch einmal verwirrt auf den schwarzen Rauch, in dem ihre vermeintliche neue Feindin verschwunden war.

"Ach, da musst du dich nicht wundern. Larxene hat ein sehr hitziges Temperament, sogar hitziger als das von unserem kleinen Feuerteufel", er deutete unauffällig auf den Rotschopf.

"Aber ich hab doch gar nichts gemacht", beharrte die Braunhaarige jedoch auf ihr Recht.

"Das denkst du, aber du hast ihren Stolz verletzt. Komm mit", der Freischütz verschwand kurz und tauchte dann auf dem Boden der Halle wieder auf, "Na, worauf wartest du noch? Dein Training absolviert sich nicht von alleine."

"Ähm auf nichts!", rief Xancira und nutzte dann ein Portal um neben Xigbar zu stehen.

Kapitel 4

Kapitel 4: Ich werde nicht versagen!
 

"In Ordnung dann woll'n wir mal", grinste Xigbar und legte einen Hebel an der Wand um.

Xancira war wieder im Trainingsraum und tippte immer wieder nervös mit dem Fuß auf den Boden. Sie hatte ihre Ohren gespitzt und hörte auf jedes Geräusch. Das leise Klicken des Hebels hallte in ihrem Kopf wider, wie ein schwerer Schlag auf harten Stein. Kurz darauf erschienen die ersten Dämmerlinge im Raum, zusammen mit einigen Schattenlurchen.

Ein weiteres Mal wich die Braunhaarige den Angriffen aus, geschickter wie am Vortag, aber Xigbar hatte trotzdem nicht mehr übrig als ein verzweifeltes Seufzen.

"Jetzt benutz doch mal deine Fähigkeiten", gab der Mann mit der Augenklappe von sich und verschränkte die Arme vor der Brust.

Die Nummer 15 lächelte hilflos und vollführte einige hektische Gesten mit den Händen, doch ein Kraftfeld wollte sie einfach nicht zustande bringen. Den Moment der Unachtsamkeit ausnutzend, rammte ihr einer der Schattenlurche seine Hände in den Unterleib und Xancira blieb für einige Sekunden die Luft weg. Schnell bildete sich ein regelrechtes Knäuel um das Mädchen, bis sich der Freischütz erbarmte und bedenkenlos einmal mitten hinein feuerte.

Voller Panik stoben die Herzlosen auseinander und gaben den Blick auf die Neue frei. Zusammengekauert hockte sie auf dem Boden und öffnete vorsichtig die Augen als sie merkte, dass die kleinen Monster von ihr abließen.

"Steh auf", brummte die Nummer 2 und schlug die Hand vors Gesicht, "Das darf ja wohl nicht wahr sein... Versuchst du überhaupt dich zu verteidigen?"

"Ja, schon", murmelte Xancira, "Aber wie soll ich mich denn ohne Waffen überhaupt richtig verteidigen?"

"Benutz doch mal dein Gehirn", er stockte, als er zu dem Mädchen schaute, "Ist ja schon gut. Wir versuchen mal was anderes... bereit?"

"Wofür?... Aaaahh!", schrie die Braunhaarige erschrocken und schaute auf das qualmende Loch in der Wand hinter sich.

"Na na... nicht unachtsam werden", lächelte der Mann mit der Augenklappe und feuerte gleich noch ein paar Mal.

Xancira hatte sich vom ersten Schock noch nicht erholt, da musste sich schon zur Seite hechten, um nicht von den Projektilen getroffen zu werden. Hektisch rollte sie sich seitwärts ab und stolperte danach mehr weiter, als dass sie wirklich lief. Immer wieder spürte sie einen Windhauch nur kurz vor oder hinter sich. Ein ums andere Mal hatte sie das Gefühl, als würde eine heiße Nadel durch ihre Haut fahren und der Mantel zerriss an einigen Stellen. Unter dem schwarzen Stoff kamen rote Striemen zum Vorschein.

Xigbar hatte keinesfalls vor das Mädchen zu verletzen und zielte deshalb sehr knapp. Gleichzeitig zählte er die Schüsse, um hinterher überprüfen zu können, wie vielen der Schüsse die Neue ausweichen konnte.

"Konzentrier dich!", rief er jedes Mal, wenn wieder ein Schuss die Haut der Braunhaarigen striff.

"Ich versuch's ja", kam die Antwort meistens panisch zurück.

Die Nummer 15 hoffte inständig, dass der Freischütz sich endlich erbarmen würde und aufhörte, doch seine Kugeln wollten nicht enden und so hielt ihre Tortour an. Schließlich stolperte sie, doch Xigbar hielt nicht inne, wie er es sonst die letzte Stunde über getan hatte, sondern zielte diesmal etwas präziser. Vielleicht brauchte es nur eine gefährliche Situation, um die Fertigkeiten der Kleinen hervor zu kitzeln, so wie es bei Larxene der Fall gewesen war.

Die Augen weit vor Schreck geöffnet, hatte die Braunhaarige keine andere Möglichkeit als zu versuchen ein Kraftfeld zu erschaffen. Sie malte einen Kreis vor sich und tatsächlich prallte die Kugel daran ab. Doch diesmal war es anders als wie zuvor bei der Nymphe. Es war fast so, als könnte Xancira dieses Ding vor sich berühren. Fasziniert streckte sie die Hand danach aus und tippte leicht dagegen. Nichts geschah, die Illusion verschwand und das leicht verschwommene Blickfeld wurde wieder klar.

Der Freischütz war mindestens genauso überrascht, wie die Niemand und hatte kurz aufgehört zu schießen. Jetzt war er jedoch neugierig, wie sich die ganze Sache entwickeln würde und begann das Tänzchen von vorn.
 

"Schade..."

"Trottel..."

"Das war doch keine Absicht...."

"Das nützt mir jetzt auch nichts. Autsch! Sei gefälligst vorsichtig!"

Luxord lehnte an der Wand neben der Tür zum Krankenzimmer und lauschte mehr als amüsiert dem Streitgespräch. Gut eine halbe Stunde ging das jetzt schon so. Xigbar hatte zweifelsohne seinen Spaß mit der Kleinen gehabt und diese durfte das jetzt wieder ausbaden.
 

"Hör endlich auf so rumzustrampeln!", ermahnte Xigbar die Braunhaarige und drückte sie unsanft wieder auf das Bett, sodass sich ihre Nase in das Kissen grub. Auf dem Bauch liegend und ohne Hose, nur mit Unterhose und Pullover, ließ die Nummer 15 die unsanfte Behandlung des Freischütz über sich ergehen.

Der letzte Schuss des Training hatte sie am rechten Oberschenkel erwischt und Xigbar hatte lauthals gelacht, da er gedacht hatte, dass Mädchen wäre wieder über ihre eigenen Beine gestolpert. Schließlich war die neue Niemand jedoch nicht wieder aufgestanden und er hatte das Blut bemerkt, welches langsam durch den dunklen Stoff gesickert war...

Und jetzt waren beide im Krankenzimmer. Während die Nummer 2 mit einer Pinzette und einem Wattebausch die Wunde desinfizierte, schaute Xancira immer wieder zum Nebenbett. Dort lag, bandagiert wie eine Mumie, Demyx, und schlief ruhig.

"Wer hat ihn eigentlich wieder zusammengeflickt?", wollte die Braunhaarige wissen und hätte sich wohl schuldig fühlen müssen, tat es aber nicht.

"Soweit ich weiß, war es Zexion, nachdem Marluxia sich geweigert hat. Als ob sich unser Blumenjunge überhaupt mal herablassen würde, sich um irgendjemanden zu kümmern außer seinen geliebten Pflänzchen und Larxene."

"Haben die beiden was miteinander?", grinste Xancira und zuckte kurz darauf schmerzerfüllt zusammen.

Xigbar hatte angefangen zu lachen und dabei mit der Pinzette zu fest aufgedrückt. Doch anstatt sich zu beschweren wie zuvor, blieb das Mädchen ruhig liegen.

"Alles in Ordnung?", wunderte sich die Nummer 2.

"Ja, schon gut...", murmelte die Nummer 15 und schloss einen Moment lang die Augen. Sie hörte Schritte auf dem Boden, der Freischütz entfernte sich. Dann ein Quietschen vom Schrank her. Er kam zurück, die Matratze bog sich nach unten. Wie eigenartig die Welt auf einmal anmutete, wenn man nichts sah.

Es folgte ein Brennen und schließlich packte der Freischütz ein Pflaster auf die Wunde.

"Fertig! Das war's", zum Abschied folgte noch ein Klaps auf die nackten Schenkel, bevor der Niemand verschwand.

"Bäh!", brüskierte sich Xancira und zog ihre Hose wieder an.

"Du stimmst mir doch zu, oder Demyx? Ihr scheint mir ein wenig einsam zu sein, wenn ich bedenke wie sich Axel und Roxas heute Morgen aufgeführt haben... fast wie ein Liebespaar..."

Keine Reaktion, der blonde Niemand schlief immer noch, oder? Just in dem Moment als Xancira Demyx ansah, atmete dieser etwas zu hektisch aus um noch zu schlafen.

"Bist du wach?"

Ein leises Brummen kam vom Bett her.

"Vielleicht sollte ich... warte mal...", die Braunhaarige fummelte den Verband vom Mund des jungen Mannes und wundert sich, als darunter keinerlei Verletzungen zum Vorschein kamen.

"Danke...", grinste die Nummer 9 erleichtert, "Es wurde langsam echt stickig drunter. Außerdem juckt meine Nase... könntest du eventuell?"

Das Mädchen zuckte mit den Schultern und begann dann die Nase des blonden Niemands zu kratzen.

"Herrlich...", schnurrte dieser schon fast.

"Warum hat man dir den Mund verbunden?"

"Zexion meinte ich hätte zu viel gejammert", antwortete Demyx mit Hundeaugen.

"Was genau hat Marluxia mit dir angestellt?", hakte die Nummer 15 weiter nach.

Bei der Erwähnung des Namens des Rosahaarigen, zuckte die Nummer 9 zusammen und machte plötzlich einen mehr als verängstigten Gesichtsausdruck.

"Tut mir leid", entschuldigte Xancira sich schnell und legte den Verband wieder über den Mund, als der blonde Niemand anfing jämmerlich herum zu winseln.

"Deshalb also", schoss es ihr nur durch den Kopf und huschte aus dem Zimmer. Draußen vor der Tür überprüfte sie die Belastbarkeit ihres Beines. Na... das ging doch ganz gut.

Leicht betreten schaute sie den Gang auf und ab. Vielleicht hätte sie Demyx nicht so einfach allein lassen sollen. Ihr Körper kribbelte leicht.

"Was für ein seltsames Gefühl..."

Als sie wieder in die andere Richtung schaute, stand dort der Blauhaarige Niemand und las in einem aufgeschlagenen Buch, welches er in den Händen hielt.

Es folgte eine peinliche Pause bevor die beiden anfingen miteinander zu reden.

"Ähm... wie... hast du... Portal?", stammelte Xancira und konnte sich nicht erinnern, den kleinen Mann den Gang runter gekommen zu sehen haben.

"In der Tat", erwiderte Zexion und klappte das Buch zu, welches sich danach einfach in Luft auflöste. Den fragenden Blick der Neuen ignorierend fuhr er einfach fort: "Man hat mich angewiesen dir alles zu zeigen, da die Nummer 2 im Moment nicht auffindbar ist. Zudem fallen ja jede weiteren Trainingseinheiten für diesen Tag aus, was mir genug Zeit gibt, dich ausführlich einzuführen."

"Na endlich!", platzte es aus der Braunhaarigen heraus. Wie lange hatte man denn noch vor gehabt sie im Dunkeln tappen zu lassen.
 

„Ich denke es ist das Beste wenn ich einfach ganz vorne anfange... Also wie ich bereits bei unserem ersten Treffen erklärt habe, sind die Mitglieder dieser Organisation Niemande. Wesen die kein Herz haben und lediglich die Hülle der Jemande darstellen, also im Prinzip den zurückgelassenen Körper. Viele von uns können sich nur an Bruchstücke aus dem echten Leben erinnern. Diese plötzlich auftretenden Momente können für Verwirrung sorgen, wunder dich also nicht über 'Halluzinationen', wie es ein gewisser Niemand vor einiger Zeit dieses Phänomen nennen musste. Ich würde sie eher als 'Flashbacks' bezeichnen. Soweit verstanden?“, Zexion blickte kurz zur der Braunhaarigen, um deren Nicken wahr zu nehmen und setzte den Monolog dann fort, „Unsere Nummer 1 hast du ja schon kennengelernt, wie die meisten anderen, nehme ich an. Nur die Namen dürften dir noch unbekannt sein und die spezifischen Fähigkeiten. Gut... Unsere Nummer 1 also, Xemnas, ist das Oberhaupt der Organisation und Gründer. Er ist ein wenig egozentrisch und sein Element ist die Dunkelheit. Ich würde vorsichtig im Umgang mit ihm sein, er duldet nur solche in der Organisation, die etwas leisten und ihren Wert bewiesen haben. Auf besondere Fähigkeiten ist er immer ganz wild und er fordert absolute Disziplin und Gehorsam. Erfüllte Missionen sind auch überaus wichtig. Merk dir auch, dass mit ihm nicht zu spaßen ist. Vermeide also unnötige Kommentare in seiner Gegenwart.

Die Nummer 2, Xigbar...“

„Ja, Sempai-sama...“

“Ja, dein Instruktor. Wird hier allgemein der Freischütz genannt und liebt es nach allen möglichen Dingen zu schießen, auch nach gewissen Organisationsmitgliedern... leider. Gut, da du ihn ja kennst, reicht das an Erklärungen.

Die Nummer 3, Xaldin, hat das Element Wind und er hört nur auf diejenigen die über ihm stehen, also nur auf zwei hier, bevor du vor lauter mathematischer Inkompetenz noch versäumst mir weiter zu zuhören."

Dieses Kommentar war lediglich von seinen Lippen gekommen, da Xancira tatsächlich angefangen hatte mit den Fingern abzuzählen.

Genervt seufzte die Nummer 6 und räusperte sich, um die nötige Aufmerksamkeit wieder ein zu fordern: "Er ist der Große mit der dunklen Haut und den Rastalocken. Seine Waffen sind Speere, die er im Kampf geschickt gleichermaßen zum Angriff und zur Abwehr einsetzen kann. Sein 'Spitzname' ist auch der wirbelnde Lanzenträger. Vielleicht wirst du auch noch mit ihm trainieren, das weiß ich nicht genau. Bei deinem jetzigen Trainingsstand, hoffe ich jedoch, dass dies nicht der Fall sein wird."

"Das war jetzt aber gemein", beschwerte sich die Nummer 15.

"Hör einfach weiter zu... Also... Die Nummer 4, genannt Vexen, ist der Wissenschaftler in der Organisation und tüftelt zumeist in seinem Labor an neuen Apparaten und ist deshalb nur selten zu sehen. Seine Waffe ist ein Schild und er benutzt Eis für seine Angriffe."

"Frage!"

"Ja... bitte?", brummte Zexion wiederum genervt.

"Hat jedes Mitglied der Organisation eine eigene Waffe und so einen seltsamen Spitznamen?"

"In der Tat, außerdem..."

"Warum hab ich dann noch keine Waffe? Kann man sich die irgendwo aussuchen? Ich hätte eigentlich gerne ein Schwert oder so was ähnliches", bemerkte die Braunhaarige und schaute nachdenklich nach oben.

"Man kann sich die Waffe nicht aussuchen. Die Mitglieder der Organisation erschaffen sich mithilfe ihrer Fähigkeiten ganz eigene Waffen, dabei ist das Ergebnis nicht immer unbedingt vorhersehbar, da es sich nicht nach dem Wunsch des Niemands richtet, sondern nach der Eignung für den jeweiligen Anwender."

"Also sind die Waffen der Niemande sozusagen eine Interpretation ihrer ganz eigenen Kampfstile und Talente?"

Zexion war über dies präzise Aussage überrascht, ließ sich jedoch nichts anmerken: "Ja, so könnte man das sagen."

Um nicht noch weitere sinnlose Fragen zu provozieren fasste Zexion den Entschluss sich möglichst kurz zu fassen.

"Also weiter im Text. Die Nummer 5 ist Lexaeus, auch der stille Held genannt. Seine Waffe ist ein überdimensionales Schwert. Sein Name rührt übrigens davon her, dass er keine unnötigen Worte verschwendet, was ich sehr an ihm schätze..."

"Schon verstanden... ich halt ab jetzt meine Klappe...", nuschelte die Niemand kleinlaut.

"Danke. Die Nummer 6 ist meine Wenigkeit, Zexion, oder auch der Intrigant im Verborgenen", ein Kichern von Hinten, dann plötzliche Stille, als er sie mit strengen Augen ansah, "Ich besitze im Grund keine richtige Waffe. Das Buch, welches ich des öfteren studiere dient mir als Medium für meine illusionistischen Fähigkeiten. Ich erschaffe Trugbilder und bin darüber hinaus in der Lage, andere Wesen in eine von mir gewählte Dimension zu schicken."

Er stoppte erst gar nicht an der Bibliothek sondern schielte nur kurz zu den großen Toren. Sie musste nicht wissen, wo er seine meiste Zeit verbrachte. Hinterher kam sie noch auf die Idee ihn hier zu besuchen, dazu genoss er die Stille in den riesigen Hallen zu sehr.

Glücklicherweise, war die Braunhaarige gerade zu sehr von dem Erscheinen Luxords abgelenkt um nachzuhaken.

"Wer ist das noch mal?", flüsterte Xancira und winkte der Nummer 10 zu.

"Das ist Luxord... Hör auf zu winken...", Zexion schlug sich die Hand gegen die Stirn. Nicht zu fassen.

"Hi, Luxord!", rief die Nummer 15 und nahm den Arm langsam wieder runter.

Als der Blondschopf die Braunhaarige bemerkte, machte er auf den Absatz kehrt und verschwand in der nächstbesten Tür.

"Sicher hat er was wichtiges zu erledigen."

"Was?!", platzte es aus dem sonst so ruhigen Blauhaarigen heraus.

"Jetzt sieh mich nicht so an. Ich bin längst nicht so blöd wie du oder vielmehr alle hier denken. Es ist doch klar, dass jeder anders mit neuen Situationen umgeht. Anscheinend ist meine Methode für die Organisation eher unangebracht, aber überspielte Freude ist halt ein Weg sich Enttäuschungen vom Leib zu halten. Ich weiß, Niemande sollten nichts fühlen, aber da ist etwas im meinem Kopf, dass ich nicht zu ordnen kann. Als würde ich Gefühle doch kennen. Wahrscheinlich sind das die Erinnerungen meines Jemands, aber durch die kurze Zeit, die ich erst in dieser Form existiere, oder auch nicht existiere... egal... weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Außerdem steht man hier unter einem enormen Druck und ich weiß nicht, ob ich die hohen Erwartungen erfüllen kann."

"Wahrscheinlich nicht", kommentierte die Nummer 6 nüchtern, "Es gibt hier nur einige wenige, die wirklich das Vertrauen des Superiors genießen, das sind Xaldin, Saix und auch unter anderem Marluxia, was ich persönlich in keinster Weise nachvollziehen kann."

"Ich verstehe..."

"Nicht wirklich. Zwei Tage reichen wohl kaum, um die Komplexität der hier vorherrschenden Rangfolge zu verstehen. Die Nummern kennzeichnen nur die Reihenfolge in welcher der Organisation beigetreten wurde, mehr nicht. Natürlich stehst du bislang an unterster Stelle."

"Natürlich", seufzte nun auch die Nummer 15 und schaute traurig an den endlos weißen Wände. Es war so bedrückend hier, aber sie wollte nach zwei Tagen noch nicht aufgeben.

"Den Rest bitte im Schnellverfahren", bat sie Zexion, "Mein Bein fängt an zu pochen."

Dem Intriganten war bewusst, dass es sich bei dieser Aussage um nicht mehr als einer Ausrede handelte, aber er folgte dem Wunsch der neuen Niemand und begrenzte den Rundgang auf die nötigsten Stationen.
 

Am Ende des Tages, waren Xancira nun endlich alle Mitglieder bekannt. Wieder einmal lag sie auf ihrem Bett und starrte die Decke an. Seit Zexion sie hier abgesetzt hatte, war niemand an ihrer Tür gewesen... nicht, dass sie wirklich damit gerechnet hatte, aber sie hätte es schön gefunden.

Ein tiefer Seufzer zerriss die Stille. Ihren Mantel hatte sie einfach auf den Boden geworfen. Sie hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen, aber dieser verdammte Kloß im Hals wollte einfach nicht verschwinden. Heftig schüttelte sie den Kopf, um endlich dieses verdammte Gefühl los zu werden. Sie war ein Niemand, sie empfand nichts. Sie hatte auch keine Reue gespürt, als dieser Demyx fast wegen ihr draufgegangen wäre... und was war jetzt los?

Sie verstand die Welt nicht mehr. Und wenn niemand mit ihr reden wollte, dann würde sie das bestimmt auch nicht.

Sie musste es irgendwie schaffen, dass die anderen sie anerkannten und das schaffte sie nur, wenn sie sich zusammenriss und hart trainierte.

"Positiv denken... nicht aufhören zu lächeln und rumzualbern, egal wie hart das auch werden wird. Wenn ich jetzt aufgebe kann ich auch wieder abhauen", motivierte sie sich in Gedanken und lächelte seit Stunden das erste Mal wieder. Ihr Körper war zwar vermackt und überall wund, aber das machte nichts.

Sie war neugierig, was genau wohl ihre Fähigkeiten waren. An einfache Kraftfelder glaubte sie nicht. Das, was sie im Training gesehen hatte, war zu real gewesen und es erklärte auch in keinster Weise den Porzellanteller vom Vorabend.

Die drehte sich auf den Bauch und schrie in ihr Kissen. Wie sollte sie denn herausfinden, was ihre Fähigkeiten waren. Diese Niemande konnten sie mal. Wollte ihr denn keiner helfen? Natürlich wollte das keiner. Diese Leute kannten so etwas wie Mitgefühl nicht.

Mitgefühl? Trauer. Schmerz...

Ihr Blick verschwamm und sie fiel in einen unruhigen und düsteren Traum.

Kapitel 5

Kapitel 5: Fragen
 

Am nächsten Morgen wachte Xancira schweißgebadet auf. Doch sie erinnerte sich nicht daran etwas geträumt zu haben. Immer noch schwamm ihr Blick, wie am Abend zuvor, als sie eingeschlafen war. Zitternd strich sie die Decke zurück und nahm den Wecker vom Nachtschränkchen.

Halb acht. Sie hatte verschlafen, aber das war ihr im Moment egal. Wankend bewegte sie sich ins Bad und blickte in den Spiegel. Ihr heißer Atem schlug sich an der glatten Oberfläche nieder. Sie war ganz blass und ihr Gesicht war leicht gerötet, besonders die Augen.

Was war denn los? Hatte sie sich im Schlaf zu heftig über die Augen gerieben?

Langsam drehte sich den Wasserhahn auf und wartete bis es eiskalt war. Erst nach fünf Ladungen fühlte sie sich langsam besser und duschte, wie jeden Morgen bisher, erst einmal ausgiebig.

Um acht Uhr klopfte es an der Tür, sie wollte im Moment jedoch niemanden sehen und öffnete ein Portal, mit dem sie aus ihrem Zimmer verschwand. Glücklicherweise war man wohl als Zimmerbesitzer als einziger in der Lage Portale im Raum zu öffnen. Beim Gehen griff sie noch den Mantel vom Bett, zog ihn jedoch nicht an. Warum musste man auch immer in diesen Dingern rumlaufen.

Sie mochte ihren Rollkragenpullover viel lieber und die schwarze Jeans auch.

Gähnend kam sie auf einem beliebigen Gang des Schlosses wieder aus dem Portal und warf sich den Mantel über die Schulter. Die Stiefel, die man ihr in den Schrank gestellt hatte, fand sie eigentlich ganz schön, auf wenn ihr etwas weniger Absatz lieber wäre.
 

Ziellos wanderte sie ein wenig im Schloss umher, nur um immer wieder festzustellen, dass sie keine Ahnung hatte, wo überhaupt was war oder wo sie war.

Ein langes und ausgedehntes Seufzen kam über ihre Lippen. Tap, tap... das war das einzige, dass sie seit einer halben Ewigkeit nun schon hörte. Aber es war langweilig, nur seinen eigenen Schritten zu lauschen. Wie groß war dieses verdammte Schloss, wenn man stundenlang niemandem über den Weg lief.

"Niemande... Pah... Ist ja klar, dass man da depressiv wird. Ich bin kein Niemand, immerhin existiere ich doch, oder?", stellte sie die Frage laut und war fasziniert, dass es sogar ein Echo in den leeren Hallen gab.

Erst als das Echo in eine Männerstimme überging, wurde die Braunhaarige doch ein wenig stutzig.

"Nicht so ganz eigentlich."

Xancira rollte die Augen: "Morgen, Sempai."

"Wo warst du? Ich hab an deine Tür geklopft, aber es hat keiner aufgemacht,", fragte Xigbar und ließ sich dazu herab, nicht mehr von der Decke zu baumeln, sondern neben ihr zu stehen.

"Ich hatte nur keine Lust aufzumachen. Das ist schon alles. Ich hab gedacht ich seh mich ein wenig um. Ich verlauf mich ja immer noch ständig", kam die Antwort genervt.

Abwehrend hob der Schütze die Hände: "Ist ja schon gut. Wollte dich auch nur zum Training abholen."

"Kein Bedarf", winkte die Nummer 15 ab und ging einfach weiter, bis ihr etwas am Arm ruckte und gewaltsam mitschleifte.

"Kein Bedarf gibt's nicht. Entweder du trainierst, oder du wirst abkommandiert."

"Abkommandiert? Wozu denn?", hakte Xancira nach.

"Willst du nicht wissen."

"Aber...", protestierte die Niemand, aber der Freischütz unterbrach sie sofort.

"Glaub mir, das willst du nicht wissen."

"Ist ja schon gut...", brummte sie schließlich einlenkend und ließ sich mitschleifen. In Gedanken fügte sie noch hinzu: "Aber ich hab so was von keine Lust!"
 

Wie es hatte enden müssen, saß sie wieder grün und blau am Abend in ihrem Zimmer und ließ ihrem Frust freien Lauf. Keine Vase, kein Spiegel, nichts blieb an der gleichen Stelle, auch wenn Xancira jedes Mal zusammenzuckte wenn wieder etwas in die Brüche ging.

Irgendwann hatte sie genug von dem ganzen Durcheinander und ging sturen Schrittes auf die Küche zu, wo ausgerechnet Marluxia sitzen musste, mit einem süffisanten Lächeln auf den Zügen, als er die wütenden Züge der Nummer 15 bemerkte.

Innerlich verkrampften sich die Muskeln der Braunhaarigen und sie musste sich ernsthaft zusammenreißen, den Rosahaarigen nicht einfach mitten ins Gesicht zu schlagen.

"Na?", grinste der Rosenkämpfer und nahm einen kräftigen Schluck aus seiner dampfenden Tasse.

"Halt die klappe, Blumenjunge!", brüllte ihn Xancira an und schmiss die Tasse in ihrer Hand auf den Boden, sodass die Scherben sich überall auf den Fliesen verteilte. Noch ein Kommentar und das Maß war voll, aber endgültig!

"Wer wird sich denn gleich so aufregen?", grinste er wieder nur und schlug die Beine übereinander.

"DU!", schrie sie wieder und drückte sie Hand zusammen, in der sich jedoch unglücklicherweise eine Scherbe befand. Erst als die ersten Blutstropfen zu Boden perlten, lockerte sie ihren Griff wieder und machte einen entschlossenen Schritt auf die Nummer 11 zu.

"Na, ist unsere kleine Nervensäge etwa schlecht gelaunt?", stocherte der Assassine weiter in der Wunde rum, die er gerade aufgerissen hatte.

"Halt die Klappe!", fuhr ihn die Nummer 15 erneut an und versuchte ihn mit der Faust ins Gesicht zu treffen, doch er wehrte die Hand einfach ab, als wäre es nichts weiter.

Noch immer amüsiert stand er auf und nahm ihre verletzte Hand hoch.

"Wir sind Niemande, wir fühlen so etwas wie Wut nicht..."

Xancira fiel ihm ins Wort: "Deshalb hast du ja auch Demyx nicht vor einiger Zeit verdroschen, nur weil er dir deinen Auftritt versaut hat. Sag mal wie groß ist dein scheiß Ego eigentlich?"

Er hielt ihre Hand noch ein wenig höher, sodass sie kaum mehr Halt auf dem Boden fand. Das Blut rann ihren Arm herunter und tränkte ihre Pullover. Dieser Mistkerl sollte sie besser augenblicklich los lassen. Sie begann mit ihrer freien Hand auf seinen Magen einzuschlagen, doch das kümmerte dieses widerliche Schwein nicht.

Die Nummer 11 ließ in seiner anderen Hand die Sense erscheinen und hielt ihr das Blatt dicht unters Kinn.

"Ich hoffe du siehst ein, dass du mir meilenweit unterlegen bist. Du hast ja nicht einmal eine Waffe, mit der du dich wehrend kannst", hauchte er fast zärtlich in ihr Ohr, während er mit seiner Sense einen feinen Schnitt auf ihrer Kehle hinterließ.

Niemande konnten also keine Wut empfinden, ja?! Xancira biss sich auf die Lippe und starrte den Rosahaarigen dennoch wütend an. Auch wenn sie neu war, auch wenn sie von allen hier die geringsten Fähigkeiten besaß, auch wenn sie versagen würde, immer und immer wieder. Eines würde sich niemals tun und das war aufgeben!

Sie trat ihm wieder und wieder gegen das Bein. Und zerrte an seinem eisernen Griff. Dieser Mistkerl.

Dann musste sie eben die Knie zu Hilfe nehmen. Mit einem kräftigen Stoß gegen den Bauch stieß sich die Nummer 15 nach hinten ab und knallte mit dem Rücken auf den Boden. Sie unterdrückte den Impuls zu husten und richtete sich möglichst schnell wieder auf.

Marluxia schien dieses Mal wenigstens einen Hauch von Schmerz verspürt zu haben. Aber auf seinem Gesicht klebte immer noch das gleiche widerliche Grinsen.

Die Situation wurde noch unüberschaubarer, als die Gesichtszüge des Rosenkämpfers sich weiter entspannten und er sich der Neuen mit einem fast väterlichen Lächeln näherte. Die Sense löste sich hinter ihm in einen Wirbel von leuchtenden roten Blüten auf, die kurz danach, wie ein Funke in der Luft erloschen.

"Warum sollte ich mich noch länger mit dir aufhalten, du bist sowieso spätestens in einer Woche verschwunden. Wusstest du eigentlich, dass Niemande sich einfach auflösen, wenn sie sterben?"

Xancira wurde hellhörig.

"Ja genau, sie verschwinden einfach. Nichts bleibt von uns übrig. Es ist so, als hätten wir nie existiert."

Die Niemand wurde mit einem Mal still und ließ ihre Hände, die sie eine Sekunde zuvor noch streitlustig in die Luft gehoben hatte, einfach sinken. Ein seltsam leerer Ausdruck trat in ihre Augen. Hatte ihr Sempai am Ende doch Recht gehabt? Existierten sie wirklich nicht. Aber wofür war sie dann überhaupt hier, wenn sie nicht mehr war, als ein Schatten, ein Bild.

Zitternd wich sie ein paar Schritte zurück. Bisher hatte sie es geschafft zu verbergen, wie verwirrt und tief verletzt sie bereits jetzt schon war, doch jetzt übermannten sie wieder ungewohnte Eindrücke. Es war fast, als würde sie etwas fühlen, aber sie konnte nicht sagen was es war. Da war nur etwas, dass ihr die Kehle zuschnürte und ihr nicht mehr erlaubte zu atmen. Sie rang nach Fassung und öffnete hinter sich ein Portal, durch das sie hindurchstolperte.

Marluxias Gesicht verblasste immer mehr, bis er nur noch ein verschwommener Schemen war. Xancira hatte das Gefühl zu fallen. Sie hatte vollkommen den Halt verloren und ihr Körper fühlte sich dumpf und unbelebt an. Immer weiter sank sie in die Dunkelheit, bis es um sie herum wieder grell wurde. Sie fühlte wie die Erde sie wieder gewann und sie mit dem Fuß stolperte.

Mit einem lauten Schlag krachte sie auf den Boden und riss einige Reagenzien mit sich zu Boden. Das Scheppern und Klirren hallte durch den kleinen Raum und etwas heißes tropfte auf ihre Sachen.

Eilig stand sie auf und wischte sie das heiße Zeug von der Haut. Es brannte unangenehm und hinterließ eine seltsame Färbung auf ihrer Haut. Verwirrt schaute sie sich um und erkannte, dass sie in einer Art Laboratorium gelandet sein musste. Das Licht, dass sie wahrgenommen hatte, kam von einem starken Strahler, der den Tisch neben ihr erleuchtete. Zur Hälfte hatte sie ihn jedoch bei ihrem unfreiwilligen eindringen abgeräumt. Der Rest der Apparaturen köchelte weiterhin unschuldig vor sich hin.

Ein Tropfen ihres Blutes perlte über eine Glasscherbe und machten der Nummer 15 bewusst, dass sie lieber etwas dagegen tun sollte. Sie konnte in dem stickigen Zimmer jedoch nichts finden, dass sie als Bandage missbrauchen konnte. Allerdings konnte sie wegen der dürftigen Beleuchtung auch nicht allzu viel erkennen. Ziellos irrte sie durch den Raum, bis ihre Finger die Wand ertasteten. Blind schritt sie an ihr entlang und fand schließlich den Lichtschalter.

Ein langer ausgedehnter Schrei entfuhr der Niemand, als sie erkannte, was vor Augenblicken noch in der Dunkelheit verborgen gewesen war. Verzweifelt rüttelte sie an der Tür, doch das Schloss wollte einfach nicht aufgehen.

Völlig entsetzt schaute Xancira auf die vier Glasbehälter in Übergröße, die an der gegenüberliegenden Wand standen. In der seltsam undurchsichtigen Flüssigkeit erkannte sie vier Körper, völlig leblos und umwabert von einem seltsamen Licht. Doch ihre Augen starrten sie an, als wollten sie jeden Augenblick aus ihrem Gefängnis springen und sie umbringen. Gliedmaßen fehlten, Knochen stachen durch die bleiche eingefallene Haut und die Nummer 15 musste sich ernsthaft fragen, welchen Grund eine derartige Abartigkeit haben konnte.

Nachdem sie begriffen hatte, dass sie die Tür nicht aufbekommen würde, ging sie näher auf die Behälter zu und betrachtete die Plaketten, die darauf angebracht war.

Die Schrift war schon verwittert und mit Staub bedeckt, sodass die Braunhaarige erst den Staub herunterwischen musste, bevor sie etwas erkennen konnte. Da waren Zahlen und andere Zeichen, die sie nicht kannte, aber darunter, in kleinerer Schrift standen ein paar Worte.

"Mitglied Nummer 10.2 - fehlgeschlagen"

Xancira hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte und langsam wollte sie einfach nur noch hier raus. Als ihr bewusst wurde, dass sie einfach nur ein weiteres Portal öffnen musste, schlug sie sich gegen den Kopf. Das war auch wirklich zu dämlich. Bevor sie jedoch ging, schaute sie noch die Plaketten der anderen drei. Auch dort standen Nummer: "12.1, 9.5, 13.3"

"Was soll das?", fragte Xancira laut und schritt durch das Portal.
 

Zu ihrer Erleichterung kam sie dieses Mal in ihrem Zimmer heraus. Immer noch verwirrt und aufgelöst wegen dem was Marluxia ihr da an den Kopf geworfen hatte, kramte sie im Badezimmerschrank nach einer Bandage. Provisorisch wickelte sie die Mullbinde um ihre Hand, war aber nicht in der Lage die Blutung zu stillen. Immer weiter sickerte Blut in den weißen Stoff und färbte ihn rot. Doch Xancira hatte keine Lust sich wieder zusammen flicken zu lassen. Sie wollte nicht zu ihrem Sempai kriechen und um Hilfe winseln und vor allem wollte sie diesem widerlichen Rosenkämpfer keine Genugtuung geben.

Musste sie eben selbst sehen wie sie damit fertig wurde. Aber... war das überhaupt wichtig, worüber sie sich hier den Kopf zerbrach? Sie verstand ja nicht einmal, warum sie sich so darüber aufregte. Eigentlich sollte ihr das doch egal sein, immerhin hatte sie ja kein Herz, dass sich beleidigt fühlen konnte, oder wütend... oder einsam.

Ja... da war dieses seltsame Gefühl, dass sie einfach nicht deuten konnte. Etwas, dass tief in ihrem Unterbewusstsein vergraben zu sein schien. Ein Schmerz, der nicht körperlich war, aber sie dennoch quälte. Und jetzt wo sie zur Ruhe kam, wurde ihr bewusst, dass sie diesen Schmerz schon seit dem Moment in dieser Stadt verspürt hatte. Seit dem Augenblick, an dem sie mit ansehen musste, wie die Schattenlurche den Menschen ihre Herzen gestohlen hatten. Sie sah deutlich diese Frau vor sich, mit den langen braunen Haaren, die um ihr Leben flehte. Das war doch einfach lächerlich. Sie kannte sie doch nicht einmal, warum verschwand dann ihr Bild nicht aus ihrem Kopf.

Xancira spürte, wie ihr etwas über die Wange lief und sah fragend auf den Tropfen Wasser den sie mit der Hand aufgefangen hatte. Wie ein Kind, leckte sie es sich vom Finger und wunderte sich, warum er salzig schmeckte. Es waren immer nur diese Kleinigkeiten, die sie vor ungelöste Fragen stellten. Alles andere erfüllte sie nicht mit einem so entfremdenden Gefühl.
 

Noch immer in Gedanken versunken legte sie sich auf das Bett und schloss ihre Augen. Bilder tauchten auf und verschwanden wieder und hier und da meinte sie etwas vertrautes zu sehen. Doch bevor sie sich bewusst wurde, was es sein könnte, verschwand es in schwarzer Finsternis. In der gleichen Finsternis, die sie umgab, wenn sie durch die Portale schritt. Langsam beschlich sie das Gefühl, dass Niemande unvollkommende Wesen waren. Nicht nur, dass ihnen das Herz fehlte, sondern es schien noch viel mehr zu sein. Die Braunhaarige konnte nicht verstehen, wie sich der Rest so offensichtlich mit dieser frustrierenden Tatsache arrangieren konnte. Oder war sie am Ende die einzige, die diesen Umstand bemerkte?

Wieder führte sie gefangen von Fragen die Zeigefinger in die Luft und begann Kreise zu zeichnen. Doch dieses Mal schienen sie Spuren zu hinterlassen. Fast so, als würden sie schwach leuchten und etwas von diesem Licht in ihren Bahnen zurück lassen. Objekte begannen sich wie schwache Schemen in dem Kreis aus Licht zu spiegeln. Ein paar davon waren einfache Alltagsgegenstände, andere hingegen schienen abstrakter zu sein, als würde man die Dinge in einem extremen Winkel betrachten, sodass man nur erahnen konnte was es war.

Fasziniert hielt Xancira inne und kurz nachdem sie die Bewegung beendet hatte, verschwand auch der Lichtkreis. Neugierig probierte sie andere Formen aus und stellte fest, dass die Objekte varrierten und jeweils die gleiche Form, wie die Figur aus Licht hatten. Immer komplexere Körper erschienen vor ihr und bei einem blieb sie schließlich hängen.

Es war eigentlich eine ganz einfache, doch die Intensität, mit der es erschienen war, hatte die Niemand gefangen. Es war ein einfacher Gegenstand, ein Kompass, aber die filigranen Muster darauf und die Goldgravur auf dem Boden, erinnerten sie an etwas, dass ihr einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. Ehe sie sich versah, begann das Licht intensiver zu werden und der Gegenstand fiel vor ihr auf das Bett.

Skeptisch stieß sie den Kompass ein paar Mal an, bevor sie ihn in die Hand nahm. Er sah genauso aus, wie das Spiegelbild, dass er noch vor einigen Augenblicken gewesen war.

Langsam dämmerte ihr, dass ihre Fähigkeit keinesfalls darin bestand Kraftfelder zu erschaffen, sondern sie konnte vielmehr Dinge materialisieren allein dadurch, dass sie sie vor sich in die Luft zeichnete und sich darauf konzentrierte.
 

Mitten in der Nacht schlich sie sich aus ihrem Zimmer und stattete dem Krankenzimmer einen Besuch ab. Nachdem sie ihre Wunde versorgt hatte (so gut es ging), tippelte sie weiter in die Küche. Es war an der Zeit auszuprobieren, ob sie die Dinge auch, nun ja... essen konnte, oder ob sie lediglich ein Abbild waren, bestehend aus was auch immer.

Sie inspizierte den Kühlschrank und suchte sich eine geeignete Probe heraus. Vorsichtig stellte sie den Muffin auf den Tisch und versuchte die Form so exakt zu treffen wie möglich. Bald darauf saß sie vor zwei fast identischen Küchlein und musterte die Leckerbissen eingehend. Vom äußeren her, waren bei ihrem Gebäck lediglich die Schokoladenstückchen größer, was auf ihre Vorliebe für Schokolade zurückzuführen war.

Zuerst kostete sie schließlich den echten Muffin. Hmm... lecker!

Kostprobe bestanden. Wer den wohl gebacken hatte?

Sie schüttelte heftig den Kopf um sich wieder auf das wesentliche zu besinnen und nahm ihren eigens produzierten Kuchen in die Hand. Misstrauisch prüfte sie die Konsistenz und den Geruch. Es roch schon mal nach gar nichts, was ein schlechtes Zeichen war. Um einen Bissen kam sie aber wohl nicht herum und so probierte sie ein kleines Stück... das schmeckte aber auch nach nichts.

Schade...

Müde und enttäuscht ließ sie den Kopf hängen und legte ihre Arme lang vor sich auf den Tisch. Eine Weile blieb sie so sitzen, bis der Drang zu schlafen schlussendlich zu übermächtig wurde und Xancira langsam wegdämmerte...
 

Nur um ein paar Stunden später unsanft wieder geweckt zu werden, von einem gewissen Niemand, der sie wie immer nur angrinste.

"Morgen... Sempai...", nuschelte die Braunhaarige und rieb sich die Augen. Als sie den Blutfleck auf dem Verband bemerkte, versteckte sie die Hand schnell auf ihrem Schoß.

"Hattest wohl keine Lust in deinem Zimmer zu pennen, oder warst du so erschöpft vom Training, dass du's nicht wieder zurück geschafft hast?"

"Ach was...", winkte die Niemand ab und liebäugelte mit dem Kaffee, den Xigbar gerade aufgesetzt hatte.

Mit einem Feingefühl, dass sie ihm gar nicht zugetraut hatte, stellte der Freischütz ihr eine Tasse vor die Nase und goss ihr etwas ein.

Immer noch mehr schlafend als wach, nippte sie an dem schwarzen Gesöff und hatte gerade einen Schluck genommen, als die Nummer 2 sich ihren falschen Muffin vom Tisch klaute und hineinbiss.

Hätte sie nicht erst schlucken müssen, hätte sie ihn bestimmt noch warnen können, so verzog dieser jedoch das Gesicht und schmiss den Kuchen kurzerhand in die Mülltonne.

"Xaldins Muffins waren auch schon mal besser..."

"... Das war... Ach von dem ist der", wurde sie kurz abgelenkt, bevor ihr wieder einfiel, was sie eigentlich hatte sagen wollen, "Ich meine, der war nicht von Xaldin, der war von mir."

Xigbar zuckte mit den Schultern: "Sag nicht, du warst noch so spät in der Küche um zu backen. Das hat sich nicht gelohnt. Backen liegt dir wirklich nicht."

Etwas beleidigt trank sie erst noch einen Schluck, schüttelte sich, weil das Gesöff viel zu stark war und blitzte ihren Lehrmeister böse an: "Ich hab ihn ja auch nicht gebacken, sondern ich hab ihn erschaffen."

Sichtlich desinteressiert, drehte sich der Niemand einfach weg und goss sich eine zweite Tasse ein. Offensichtlich hatte er nicht begriffen, worauf sie hinaus wollte.

Sie versuchte es diesmal so auszudrücken, dass er auch wirklich verstand, worauf sie hinaus wollte: "Ich hab ihn erschaffen. Das heißt ich hab ihn aus dem Nichts gezaubert. Ich hab ihn materialisiert."

Von einem plötzlichen Gedankenblitz ergriffen, drehte sich der Freischütz wieder um und starrte sie mit offenem Mund an: "Sag bloß... du kannst das mit allem möglichen?!"

Stolz schwellte sie die Brust und nickte... auch wenn alles mögliche wohl bei weitem übertrieben war. Sie hatte ja noch nicht einmal einen Bruchteil ausprobieren können.

"Das hier, war übrigens die Generalprobe", sie kramte in ihrer Hosentaschen nach dem Kompass und hielt ihn der Nummer 2 vor die Nase. Der erleichterte Seufzer, den sie ausstieß, als sie ihn zu Tage förderte, kam daher, dass sie nicht genau wusste, ob sie die Dinge nur zeitweise erschaffen konnte... offenbar hielten sie aber länger.

"Das ist... höchst ungewöhnlich", war alles, war ihr Gegenüber herausbekam, "Zeig mir doch mal, wie das genau funktioniert."

"Gerne... Irgendwas bestimmtes, Sempai? Bei Essen schmeckt es leider nur nach nichts...", musste Xancira allerdings mit einem traurigen Unterton zugeben. Das wäre aber auch zu schön gewesen... obwohl, bei Tofu machte das ja nichts, das schmeckte ja immer nach nichts.

Xigbar schaute nur kurz auf seine Tasse.

Den Wink verstehend, stand schon kurz darauf eine zweite, identische Tasse auf dem Tisch.

"Vielleicht bist du ja doch nicht so hoffnungslos, wie ich dachte...", grinste der Freischütz und klopfte der Nummer 15 auf den Rücken.

"Ha ha...", brummte diese verärgert, freute sich aber dennoch über das indirekte Kompliment.



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  Noiz
2009-08-18T01:22:02+00:00 18.08.2009 03:22
yaaaaaay doch noch ein kapitel :D
*sich riesig gefreut hat*
das kapi war spitze *-*
Von:  Maniak
2009-08-13T09:05:50+00:00 13.08.2009 11:05
Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage, aber verdammte scheiße, was cih bisher gelesen habe war gut.
Ich meine, ich habe ne Menge KH Ownchara Storys gesehen und das meiste davon war Mary Sue oder wurde zu "Bashing" für eine Figur alleine, bzw. war mit soviel OOC gefüllt, dass ich mir den Kopf gegen die Laptoptastatur donnerte.
Aber hier... also ich finde die Geschichte bisher okay.
Schade dass sie abgebrochen wurde.
Auf mich machte die Geschichte eigentlich doch einen "guten" Eindruck im Sinne von "Wirklicher Neuzugang und wie er "menschlich" bzw. mit der Illusion von menschlichem Verhalten umgehen würde, in einer solchen Situation".
Die rechtschreibung ist auch gut, sehr nette Umschreibungen, Mary Sue Gehalt ist extrem gering, die Fähigkeiten von Nummer 15 wirkt auch interessant... Name ist so eine Sache, aber das Problem mit "gescheite Namen auf X, die noch ein gutes Anagram bilden" kenne ich selber.
also im großen und ganzen, Hut ab.
Würde mcih auch wirklich freuen, wenn das weitergehen würde irgendwann.
Von:  Noiz
2009-08-12T03:26:50+00:00 12.08.2009 05:26
schade dass du es abgebrochen hast, mir hat sehr gefallen ^^
Von:  Asako
2008-10-22T14:39:36+00:00 22.10.2008 16:39
also wie du weist ich finds gut
inds spannend wie du alles beschreibst
aber das larx mal wieder den wutausbruch hatte ich frag mich nur wieder warum
*g*
bin mal gespannt aufs neue kapitel (hint: teller XD)


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