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Das Auge des Ra (J&S)

"Wüstensand"
von

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Scherbenhaufen

Begleitmusik: http://www.youtube.com/watch?v=Ra0kLjtFZpw Official Halo Soundtrack - Truth and Reconciliation Suite
 

Kapitel 12

Scherbenhaufen
 

Seth folgte Jono, setzte sich auf den Bettrand und ließ seine Finger durch das blonde Haar gleiten.

„Gut, wenn es dir schlecht geht, dann bleib liegen und erhol dich. Ich muss dich leider allein lassen, auf mich wartet viel Arbeit. Wenn ich morgen bereits Men-nefer verlassen soll, wie der Pharao angeordnet hat, muss ich mich noch um einiges kümmern, bevor ich gehen kann.“

Jono nickte ihm zu und schloss die Augen. Er merkte, wie sich die Matratze bei Seths Aufstehen hob. Kurz darauf fiel die Tür zu Jonos Zimmern hinter ihm ins Schloss.

Ein Nichtswürdiger ... wenn Seth herausfindet, dass ich dieser Dieb bin, wird er mich bestimmt höchstpersönlich umbringen wollen.

„Soll ich Euch irgendetwas bringen, damit es Euch besser geht? Einen Kräutersud vielleicht“, bot Marik an.

„Nein. Danke, Marik. Aber ich glaube, in diesem Fall wird mir kein Kräutersud helfen.“ Höchstens ein Wunder.

„Hmm ...“

Der Sklave ging um das Bett herum und trat auf den Balkon hinaus. Es war Nachmittag, die Sonne hüllte sich in Dunstwolken und vom Nil kam eine kühlende Brise herübergeweht. Marik stützte sich auf der Brüstung ab und sah einem Schwarm Wildgänsen zu, die nach Futter suchten, während er nachdachte. Vierundzwanzig Tage war es her, dass Seth Jono in der Wüste gefunden hatte, einen Jungen ohne Gedächtnis, aber mit einem Schmuckstück, das ihm sehr viel zu bedeuten schien. Marik hatte sich die ganze Zeit gefragt, was ihn ohne Ausrüstung in die Wüste getrieben haben mochte. Er biss sich auf die Lippe und schmeckte Blut. Die Antwort war so einfach wie grausam. Minutenlang blieb sein Blick starr auf das Wasser gerichtet.

„Es ist doch seltsam“, begann er und drehte sich zu Jono um, „dass ein Amulett verschwindet und zeitgleich jemand in der Wüste auftaucht, scheinbar unter Amnesie leidet und zufälligerweise auch noch genauso aussieht wie ein verschwundener hethitischer Prinz. Wirklich sonderbar.“

Jono blickte ihn bestürzt an und setzte sich auf.

„Marik ...“

„Ich meine ja nur, dass das noch niemandem aufgefallen ist ... Wir sollten beten, dass es so bleibt.“

„Ähm ... wir?“, fragte Jono verwirrt.

„Ich habe gelernt, dass jeder Mensch für seine Taten einen Grund hat. Niemand tut etwas grundlos und sei sein Motiv auch noch so ... fragwürdig oder albern. Nun möchte ich hören, was Ihr für einen Grund hattet, in einen Tempel einzubrechen und die Götter zu berauben.“

„Das ist eine etwas längere Geschichte.“

„Ich habe Zeit“, erwiderte Marik und ließ sich auf einem Hocker nieder.
 

„... Tja, das war es eigentlich im Großen und Ganzen“, schloss Jono seinen Bericht. „Nun kannst du dir selbst ein Urteil bilden.“

„Wenn das wahr ist ... dann hoffe ich noch mehr, dass sie Euch nicht erwischen. Wie wollt Ihr ihnen das denn beweisen?“

„Ich habe keine Ahnung. Das Problem hatte ich ja schon in Zawtj. Mit einer guten Erklärung hätte ich die Stadt schließlich nicht verlassen müssen. Aber nach dem Diebstahl hätten sie das wahrscheinlich sogar noch als Beleidigung der Götter empfunden.“

„Auch wieder wahr. Doch die Frage ist, was Ihr jetzt tun wollt.“

„Jaaa ... wenn ich das so genau wüsste, Marik. Ich habe ganz ehrlich viel darüber nachgedacht, aber zu einem richtigen Ergebnis bin ich nicht gekommen. Und dann hat Seth mich abgelenkt und ich dachte, es kann ja noch ein paar Tage warten ...“

„Möglicherweise fällt Fürst Zidanta etwas ein“, schlug Marik vor.

„Damit er dann allen verrät, wer ich bin.“

„Nur wäre das sehr, sehr dumm von ihm. Dafür müsste er schließlich Prinz Kail ausliefern und zugeben, dass es sich gar nicht um diesen handelt und er davon wusste ... Womit die gesamte hethitische Delegation als Betrüger dastünde. Ihr schützt Euch gegenseitig, er kann nichts sagen, ohne sich selbst zu verraten.“

„So habe ich die Sache noch gar nicht betrachtet“, grübelte Jono.

„Auf jeden Fall müssen wir uns etwas überlegen, wie das Amulett an seinen rechtmäßigen Platz im Tempel von Zawtj zurückkommt. Wenn Ihr es nicht mehr habt und man es, sagen wir mal, zum Beispiel irgendwo am Ufer findet, kann man Euch nichts mehr nachweisen. Wo ist es überhaupt, wenn ich so neugierig sein darf?“

Jono öffnete die Truhe, holte den Lederbeutel heraus und entnahm ihm das Amulett. Das Zentrum bildete ein Udjat-Auge aus poliertem Karneol, welches links von einem gekrönten Geier, rechts von einer gekrönten Uräusschlange flankiert war. Eine dreireihige Kette aus Gold und bunten Fayenceperlen ermöglichte es, das Amulett um den Hals zu tragen.

„Darf ich?“

Jono legte Marik das Auge des Ra vorsichtig in die Hand.

„Es ist wunderschön.“

„Aber in den falschen Händen soll es angeblich gefährlich sein.“

„Wurde es deshalb im Tempel verwahrt?“

„Ich nehme es an.“

Jono lehnte sich zurück und ließ sich in die Kissen fallen.

„Du, Marik?“

„Ja?“

„Wie wäre es, wenn ich sage, ich hätte das Amulett in der Wüste gefunden, bei der Leiche eines Jungen? Wenn mich der Sandsturm eher erwischt hätte, hätte ich dort gelegen. Ich wusste einfach nicht, dass es sich dabei um etwas Wichtiges handeln könnte und habe es an mich genommen.“

„Das ... Ja, das klingt plausibel.“

„Dann horche ich Seth am besten darüber aus, wie das Amulett aussieht und ... tada! Der Tempel bekommt es zurück und ich bin aus dem Schneider.“

„Ein guter Einfall, mein Prinz“, lobte ihn Marik.
 

Seth war unzufrieden. Um nicht zu sagen sehr unzufrieden. In zwei Tagen sollte der Friedensvertrag zwischen Hatti und Kemet von den Vertretern der beiden Parteien – also Atemu und Kail – unterzeichnet werden und er musste vorzeitig die Stadt verlassen und sich auf die Suche nach diesem dreisten Dieb begeben. Dabei hatte er gehofft, die letzten noch verbleibenden Tage mit seinem Falken genießen zu können. Wenn er den Kerl zu fassen bekam, der ihm das eingebrockt hatte, der würde von ihm einen Prozess erster Güte bekommen!

Der Pharao hatte sich wahnsinnig über den Diebstahl aufgeregt und Seth musste sich eingestehen, dass seine Vorwürfe alles andere als aus der Luft gegriffen waren. Mehrere Jahrhunderte hatte das Auge des Ra sicher verwahrt in einer goldenen Truhe geruht, im Tempel des Amun-Ra in einer eigens dafür errichteten Kammer, unter den steinernen Augen der Statuen seiner letzten Wächter. Wundersame Geschichten wurden mit dem Artefakt verknüpft, Heldentaten, die in die lokalen Legenden von Zawtj übergegangen waren, doch auch grausame Ereignisse. Es hieß, seine Macht würde der der Millenniumsgegenstände gleichkommen oder sie sogar übertreffen, aber nur wenige waren in der Lage, seine Kräfte überhaupt zu nutzen. Gleichermaßen gefürchtet und verehrt, hatten die Priester und die Soldaten, die ihnen bei der Bewachung des Tempels zur Seite standen, es nie aus den Augen gelassen.

Seth konnte sich nicht erklären, wie es der Dieb geschafft hatte, sich an den Wachen vorbeizuschleichen und dann auch noch das komplizierte Schloss der Tür zu öffnen. Er hatte vor ein paar Jahren, damals noch in der Ausbildung zum Priester, mit dem damaligen Oberpriester eine Reise nach Zawtj gemacht und den Tempel besichtigt. Auf alle Fälle würde der Vertuschungsversuch Fürst Ramose und den Vorsteher des Tempels in Zawtj teuer zu stehen kommen. Da es sich bei dem Amulett um ein äußerst wertvolles Artefakt handelte, hätte sein Diebstahl umgehend dem Pharao gemeldet werden müssen.

„Verzeihung, Meister, würdet Ihr mich bitte an die Truhe da lassen?“

„Wie ... Oh, ja.“

Seth machte einen Schritt zur Seite. Hapi lief kreuz und quer durch die Gemächer seines Herrn, um seine Sachen herauszusuchen und für die Reise zu packen. Er fand es schade, Men-nefer nach ein paar Wochen schon wieder verlassen zu müssen, aber nach seiner Meinung wurde er von niemandem gefragt. Als Sklave hatte er dorthin zu gehen, wohin ihn sein Meister befahl.

Wieder musste Seth ihm ausweichen, doch auch von dem Stuhl, auf den er sich setzen wollte, scheuchte ihn Hapi auf, weil er den Platz brauchte. Genervt verließ Seth seine Räumlichkeiten. Solange Hapi mit dem Packen beschäftigt war, stand er dem Kleinen nur im Weg herum. Also lenkte der Hohepriester seine Schritte zu dem Ort, von dem er sich sicher sein konnte, dort willkommen zu sein.
 

In der Tat war Jono erfreut, ihn schneller als erwartet wiederzusehen. Er sah merklich besser aus, die Blässe war aus seinem Gesicht verschwunden.

„Ist es denn unbedingt nötig, dass du selber nach Zawtj reist?“, fragte Jono, als sie nebeneinander auf einer Liege im Wohnzimmer Platz genommen hatten. „Kann sich nicht die Polizei des Pharao darum kümmern?“

„Ich habe die Oberaufsicht über alle Amun-Tempel des Reiches, Kail. Darum bin ich für diesen Vorfall verantwortlich und muss mich, zumindest bei dieser sehr ... speziellen Sache, selbst um die Aufklärung kümmern. Glaubst du, ich gehe gern? Ich hatte gehofft, uns beiden wäre ein wenig mehr Zeit vergönnt.“

„Ich auch“, erwiderte Jono und zog ihn näher an sich.

Seine Finger strichen über Seths Lippen, wanderten seinen Hals entlang, an dem sich, gut unter den Gewändern versteckt, seit gestern ein neuer Knutschfleck befand, und begannen die weiche Haut zu kraulen. Seth schnurrte leise und Jono grinste zufrieden. Er hatte ihm den „Kater“ als zweiten Spitznamen verpasst, seine Proteste geflissentlich wie immer ignorierend. Schließlich wurde er das „Hündchen“ auch nicht mehr los. Da war ein bisschen Rache schon erlaubt.

Mit einem Ruck wurde die Eingangstür aufgerissen.

„Euer Hoheit, ich kann es nicht gutheißen, dass Ihr diesen Vertrag unterz –“

„Prinz Kail, würdet Ihr Fürst Lubarna bitte erklären, dass –“, sagte Zidanta, der hinter dem Fürsten ins Zimmer stürmte.

Die beiden Männer verstummten schlagartig, als sie Jono und Seth eng umschlungen auf der Liege sitzen sahen, und starrten sie überrascht, Münder wie Augen weit aufgerissen, an. Das Paar fuhr entsetzt herum.

„Euer ... Hoheit?“, stammelte Lubarna. „I-ich dachte, Ihr würdet ... Frauen ...“

„Ich ... ich kann das erklären!“, rief Jono.

Er sprang hastig von der Liege auf und stieß gegen die hüfthohe Tonvase, die neben seinem Sitzplatz stand. Für Sekunden schwankte das bemalte Gefäß, dann kippte es zur Seite und zerbarst mit einem lauten Knall. Die Scherben verteilten sich auf dem Boden.

„Horus stehe uns bei“, wisperte Marik und eilte herbei, um sie aufzusammeln.

„Was ist das denn?“, sagte Seth.

Auch ohne ihn anzusehen, wusste Jono, worauf sich die blauen Augen richteten. Seth schob Marik grob zur Seite und hob aus dem Scherbenhaufen einen Beutel auf, aus dessen Öffnung eine Uräusschlange ragte. Behutsam zog er das Schmuckstück hervor und betrachtete es eingehend, drehte und wendete es, untersuchte jede Einzelheit genau. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Aber wie kam Kail daran?

„Kannst du das auch erklären?“, fragte er und drehte sich zu Jono um.

„Ich ... also, ich ... ich habe es ...“

Sie war weg. Die ganze Rede, an der er sorgfältig mit Mariks Hilfe gefeilt hatte, bis jeder Satz zu hundert Prozent passte, mit der er Seth den Besitz der Kette hatte erklären wollen, war aus seinem Kopf verschwunden. Was geblieben war, war Leere. Ein Gefühl von Betäubung. Er wollte etwas sagen, aber seiner Zunge schien die Fähigkeit abhanden gekommen zu sein, sinnvolle Worte zu formen.

„Kail, bitte erklär mir, wie du in den Besitz eines Artefaktes gekommen bist, das vor ein paar Wochen aus dem Tempel gestohlen wurde.“

„Also, in der Wüste ... ähm ...“

„Euer Hoheit, was habt Ihr denn?“, fragte Zidanta.

Jonos schwitzende Finger spielten nervös mit dem Goldring, den er am rechten Mittelfinger trug. Er hatte sich das einfacher vorgestellt, aber jetzt, wo es so weit war, Seth diese Lüge aufzutischen ... Er konnte nicht. Auch wenn sein Leben davon abhing, er konnte es nicht. Er hatte schon zu viele Lügen in den vergangenen Wochen erzählen müssen. Sein ganzes Leben hier war nichts als eine Lüge gewesen.

„Ich habe schon seit einer Weile das Gefühl, dass Seine Hoheit uns etwas verheimlicht“, ließ sich Lubarna vernehmen. „Und gerade frage ich mich, ob wir es ... überhaupt mit Seiner Hoheit zu tun haben.“

„Mit wem denn sonst?“, fragte Zidanta.

„Seit Seine Hoheit zu uns zurückgekehrt ist, habe ich mich darüber gewundert, dass ihn seine Amnesie auch die Sprache seiner Vorväter vergessen und ihn ausgerechnet nur noch die ägyptische Zunge verstehen ließ. Und jetzt dies – Allmählich habe ich den Verdacht, dass Ihr gar nicht Seine Hoheit seid.“

„Aber, Lubarna, das ist doch nicht Euer Ernst“, versuchte Zidanta ihn zu beschwichtigen. „Wer sollte er denn sonst sein? Euer Hoheit, Seth, verzeiht Fürst Lubarna. Anscheinend hat er heute bereits etwas zu viel von Eurem herrlichen Wein gekostet.“

Ein vernichtender Blick des Fürsten wischte Zidanta das Lächeln aus dem Gesicht.

„Ich bin nicht betrunken, Zidanta, sondern bei klarstem Verstand. Es gibt eine ganz einfache Methode, herauszufinden, ob es sich bei Seiner Hoheit tatsächlich um Seine Hoheit handelt.“

Er ging auf Jono zu und blieb neben ihm stehen.

„Vor vier Jahren geruhte Seine Majestät, mich mit seiner Familie in Kanesh zu besuchen. Auf einer Jagd, die ich zu Ehren unseres Großkönigs ausrichten ließ, zog sich Prinz Kail eine Verletzung mit einem Messer zu“, Lubarna ergriff den unteren Saum von Jonos Gewand, „die eine feine Narbe auf dem linken Oberschenkel Seiner Hoheit hinterließ.“

Jono hielt den Atem an, als der Stoff nach oben gezogen wurde. Vier Augenpaare richteten sich auf den entblößten Oberschenkel. Marik stützte sich an einem Tisch ab, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er hatte Jono so viel über Kail erzählt, über seine Kindheit, seine Lebensgewohnheiten, über alles hatte er Bescheid gewusst. Nur dieses eine, kleine Detail ...

„Keine Narbe“, stellte Lubarna fest und richtete sich, ein grimmiges Lächeln im Gesicht, auf. „Ich weiß nicht, wer Ihr seid. Aber feststeht: Ihr seid nicht Prinz Kail, auch wenn Ihr genauso ausseht wie er.“

„Kail ... oder wie auch immer dein Name ist“, begann Seth, der Mühe hatte, seine Stimme so weit zu kontrollieren, dass sie halbwegs ruhig klang, „woher hast du das Auge des Ra? Bist ... Bist du etwa der ... Hast du es gestohlen?“

Der sich senkende Blick von Seiten Jonos war dem Fürsten von Kanesh Antwort genug.

„Aha, nicht nur ein hinterhältiger Betrüger, sondern auch noch ein Dieb! Wachen! WACHEN!“, brüllte Lubarna.

Mehrere Männer der Palastgarde kamen, die Schwerter in der Hand, herein.

„Was habt Ihr, Herr? Werdet Ihr angegriffen?“

„Verhaftet ihn!“, zeterte er und deutete auf Jono. „Er ist nicht unser

Prinz, er ist ein Betrüger! Br ... Bringt ihn vor den Pharao!“

Am liebsten hätte Lubarna nach seinem Schwert gegriffen und den falschen Prinzen gleich eigenhändig geköpft, doch so wie es aussah, hatte er sich eines weiteren Verbrechens schuldig gemacht und unterstand somit der Gerichtsbarkeit des Herrschers von Kemet.

Seth starrte den Mann, den er „Falke“ genannt hatte, sprachlos an. Er weigerte sich, dem Glauben zu schenken. War sich Lubarna auch mit der Seite sicher gewesen, an der die Narbe sitzen sollte? Andererseits ... Die einzige Narbe, die er je an ihm gesehen hatte, war auf seinem rechten Oberarm gewesen.

Die Männer packten Jono und schleiften ihn aus dem Raum. Zidanta, Marik, Seth und Lubarna folgten ihnen.

[i9Götter Kemets, lasst das nicht wahr sein!, flehte der Hohepriester und versuchte zu ignorieren, dass sich das Corpus Delicti, das heilige Amulett, in seiner zitternden rechten Hand befand.
 

Der Herr der beiden Länder weilte im Thronsaal und ließ sich von seinem obersten Architekten die Entwürfe für sein Grabmal zeigen, mit dessen Bau in wenigen Monaten begonnen werden sollte, als der Hofmeister seinen langen Stab auf die Fliesen stieß und, nachdem er zuvor tief Luft geholt hatte, die hethitische Gesandtschaft ankündigte. Lubarna aber dachte gar nicht daran zu warten, bis der Beamte seinen ellenlangen Sermon heruntergebetet hatte. Er schob sich, Jono mit den Wachen direkt hinter sich, an dem verdutzten Hofmeister vorbei und marschierte entschlossen auf den Thron zu. Atemu sah von den Bauplänen auf.

„Was hat das zu bedeuten, Fürst Lubarna? Warum halten meine Wachen Euren Prinzen fest?“

„Weil der da“, Lubarna zeigte mit bebendem Finger auf Jono, der von seinen Bewachern auf die Knie gezwungen wurde, „nicht unser Prinz ist, Euer Majestät. Wir sind einen Schwindler aufgesessen, nicht nur Ihr, auch wir. Und gestohlen hat er auch!“

Er riss Seth das Amulett aus der Hand und hielt es dem Pharao hin.

„Das haben wir eben in seinen Gemächern gefunden.“

„Was –“

Atemu wandte sich seinem Hohepriester zu, der vor ihm auf die Knie sank und das Haupt senkte. Bitterkeit durchdrang seine Stimme.

„Mein Pharao, es ist das verschwundene Auge des Ra.“

Die Finger des jungen Pharao krallten sich in die Lehnen des Throns. In diesem Augenblick war er froh, bereits zu sitzen, sonst hätten ihn Seths Worte wortwörtlich aus seinen Sandalen gehauen. Der Mann, der Seth und ihm das Leben gerettet hatte, der ihre oftmals langatmigen Verhandlungen durch seine Kommentare mit Leben erfüllt hatte und seinen sonst so beherrschten Hohepriester mit schöner Regelmäßigkeit aus dem Konzept brachte ... Ein Verbrecher? Ein Schänder des heiligen Tempels? Der König räusperte sich.

„Wenn du nicht Kail, ein Prinz des Reiches Hatti bist ... wer bist du dann?“, fragte er. „Und ist es wahr, dass du das Amulett gestohlen hast?“

„Ich –“

„Verbeuge dich, wenn dich der Göttliche etwas fragt!“, sagte einer der Soldaten und stieß ihm den Griff seines Kopesh in die Seite. „Und wage es nicht, den Pharao direkt anzusehen.“

Jono zuckte kurz zusammen und verbeugte sich, die Hände auf die kühlen Steinplatten gestützt, bis seine Stirn den Boden berührte. Wenige Wochen und doch ein ganzes Leben ... Vor wenigen Stunden war er Atemu noch auf Augenhöhe begegnet und jetzt kniete er vor ihm mit dem Wissen, dass sein Wert den des einfachsten Sklaven bald unterbieten würde.

„Ich bin Jono, großer Pharao. Sohn des Händlers Amenhotep aus Zawtj. Und ...“

Ja, was sollte er jetzt sagen? Leugnen konnte er es nicht und die Strafe war ihm sicher. Das Einzige, was noch nicht feststand, war ihre Art.

„Es klingt sicher seltsam, das zu sagen, aber ... Das Amulett ... es hat

nach mir gerufen. Ich sollte es in Sicherheit bringen.“

„In Sicherheit?“ Seth starrte ihn an. „In Sicherheit! Glaubst du allen Ernstes, es gibt für ein Amulett einen sichereren Ort als einen Tempel, geschützt von Wachen und hohen Mauern, verborgen hinter verschlossenen Türen? Du denkst, es wäre bei dir besser aufgehoben als dort? Von dir muss ein böser Geist Besitz ergriffen haben, dass du solche Reden führst.“

„Ihr wolltet die Wahrheit hören. Das ist sie.“

„Die Sonne muss ihn in den Wahnsinn getrieben haben“, sagte Lubarna. „Das Amulett hat ihn gerufen. Eure Majestät, das ist ausgemachter Unsinn! Eine weitere seiner unverschämten Lügen.“

„Es. Ist. Genug.“ Atemu ballte die Hände zu Fäusten. Seine Züge wirkten verzerrt, als trage er einen inneren Kampf mit sich aus. „Bringt ihn ins Gefängnis. Dieser Fall verlangt nach einer ausführlichen Untersuchung und einem Gerichtsverfahren.“

Jono wurde auf die Füße gezogen und verließ hängenden Kopfes den Thronsaal.

Zidanta nahm Lubarna das Amulett ab und legte es in eine Schatulle, die ihm ein Diener reichte.

„Euer Majestät –“,

Ein durchdringender Blick aus amethystfarbenen Augen traf Lubarna.

„Raus. Alle“, zischte Atemu.

Er fegte mit der Hand den goldenen Weinbecher von dem Tablett, den ihm sein Mundschenk darbot. Der Rebensaft ergoss sich auf den Boden und hinterließ eine feuchte, rote Spur. Rot wie Blut.
 

Die Streitwagen fuhren durch ein aus schweren Holzbohlen gezimmertes Tor und hielten in einem großen Hof. Tanefer sprang vom vordersten Wagen und schritt zu dem, auf dem Jono mit zwei Soldaten stand. Die Fahrt hatte ihn durchgeschüttelt, seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt und es war ihm unmöglich gewesen, sich festzuhalten. Bevor sie den Palast verlassen hatten, war Jono noch einmal in die Gemächer geführt worden, die er als Kail bewohnt hatte. Er hatte die kostbaren Schmuckstücke des Prinzen ablegen müssen und die feinen Gewänder gegen einen einfachen weißen Schurz, ein Oberteil und einen Strick statt eines Gürtels getauscht.

„Nie im Leben hätte ich gedacht, Euch ... dir einmal so zu begegnen“, sagte Tanefer.

„Ich auch nicht“, gab Jono zurück und stieg vom Streitwagen.

Tanefer vor sich und von Wachen umringt, ging Jono über den Hof, auf ein weiteres Tor zu, das sich vor ihm öffnete. Die Welt, die dahinter lag, trennte ihn von allem, was sein Leben bis heute ausgemacht hatte.

Wie die meisten Gebäude in Men-nefer war auch das Gefängnis aus Lehmziegeln, die in der Sonne getrocknet wurden. In einem Gebäude war die Verwaltung untergebracht, in einem weiteren die Aufenthaltsräume für die wachhabenden Soldaten. Jono schluckte, als er das Podest mit dem Galgen sah und fragte sich unwillkürlich, wie lange es noch dauern würde, bis er dort unter freiem Himmel baumelte. Dahinter standen drei hohe Pfähle, an die Männer gefesselt waren und von den Soldaten ausgepeitscht wurden. Über ihre Rücken zogen sich blutige Striemen, bei einem von ihnen war nur noch das rohe Fleisch zu sehen.

Das dritte Bauwerk, das den Hof abschloss, besaß einen bogenförmigen Durchgang zum dritten Hof, dem eigentlichen Gefängnis. Gut ein Dutzend runde, mit Holzgittern verschlossene Öffnungen waren auf dem Boden zu sehen. Jono warf einen Blick zum Himmel. Die Sonne strahlte hell und golden und schien ihn zu verhöhnen.

„Steh nicht rum und gaffe!“, sagte einer der Soldaten, die ihn hielten, und zog ihn in das Gebäude hinein. Tanefer führte ihn eine Treppe herab und dann durch einen langen Gang, der von Fackeln beleuchtet wurde. Zu beiden Seiten waren Holztüren in die Wand eingelassen, die unten und auf Augenhöhe eine Klappe hatten. Sie durchquerten den Gang bis zu seinem Ende und blieben vor einer Tür stehen, die sich nicht von den anderen unterschied.

„Tut mir leid, Junge“, murmelte Tanefer und nahm Jono die Fesseln ab.

Er öffnete die Tür und stieß ihn in das unterirdische Verlies. Das Holz der Tür ächzte, als sie hinter ihm ins Schloss fiel und der Riegel vorgelegt wurde. Jono stolperte einige Schritte vorwärts, bevor er sich abfangen und umsehen konnte. Die Wände waren mit Holzpfählen verstärkt, so dass ein Sich-herausgraben undenkbar war. Weit über sich, durch das vergitterte Loch, erkannte Jono einen Fetzen blauen Himmel. Hier unten aber herrschte Dämmerung.

Sein Fuß stieß gegen etwas Festes. Neugierig richtete sich sein Blick nach unten.

„Aaahhh!“

Mit einem entsetzten Schrei verlor er das Gleichgewicht, fiel auf seinen Rücken und krabbelte zurück, nur weg von seiner Entdeckung. Am Rand des schmalen Lichtkegels, der durch das Gitter drang, lag ein Schädel und grinste ihn höhnisch aus leeren Augenhöhlen an. Jono kroch in die Ecke, in der man eine Fuhre Stroh als Lager aufgeschüttet hatte und kauerte sich zusammen.

Hätte ich nur nicht diesen verfluchten Sandsturm überlebt. Das Schicksal wäre gnädiger gewesen.
 

Seth öffnete die Tür zu seinen Gemächern, schob sich hinein und ließ sie zufallen.

„Mein Herr“, sagte Hapi und verbeugte sich im Gehen, einen Stapel Obergewänder im Arm.

„Du kannst die Sachen wieder auspacken, Hapi.“ Seine Stimme klang monoton. „Wir bleiben in Men-nefer.“

„Wirklich? Ich mache mich sofort an die Arbeit. Da wird sich Marik aber freuen“, erwiderte Hapi.

„Der hat jetzt andere Sorgen.“

„Was meint Ihr ... Meister Seth?“

Seine Schritte waren langsam, beinahe schlurfend, mit denen er auf sein Schlafzimmer zusteuerte, das Gesicht leichenblass. Dunkle Flecken tanzten vor seinen Augen, nahmen ihm die Sicht.

„Meister Seth!“

Er sah, wie sich Hapis Lippen bewegten, doch er hörte ihn nicht und konnte den Sinn dieser Bewegungen nicht entschlüsseln. Ein lauter werdendes Rauschen verschloss seine Ohren. Dann brach er zusammen und ergab sich der sanften Schwärze.
 

Keine Angst, ihr erfahrt noch, was Jono Marik da erzählt hat. Bis zum nächsten Kapitel. ^^ *Tür zur Redaktion fliegt auf, Seth und Jono kommen herein*

Jono: „Das ist unannehmbar, Lily! Wir haben gerade das Drehbuch für dein nächstes Kapitel gelesen.“

Moonlily: „Ja, und?“ *Schultern zuck*

Jono: „Hast du was gegen mich?“

Moonlily: „Nein, ich richte mich nur nach den damaligen Gepflogenheiten. Beschwer dich bei der Justizabteilung des Pharao.“

Seth: „Ich sollte dir meine Wiedergeburt auf den Hals hetzen, dann können dich seine Anwälte verklagen.“

Moonlily: „Wenn du Seto meinst … der sucht gerade nach einem sicheren Plätzchen, um seinem nächsten Date zu entkommen.“ (siehe Gemeinschafts-FF mit Tea_Kaiba) „So, und jetzt raus, ich muss weitermachen.“

Jono: „Lily …“

Moonlily: „Je eher ich weiterschreibe, umso schneller musst du dich nicht mehr über deine Behandlung dort beschweren.“

*Beide zur Tür rausschiebt*



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Ryuichi-Sakuma-
2008-11-10T08:58:38+00:00 10.11.2008 09:58
Ein Geiles Kapi mal wider *knuddel*
Aber der arme Jono (Q.Q) *schnief* was woll nun mit ihm passiert?? arg ich will garnicht dran denken (>.<)
Und der arme Seth kein wunder das ihn das alles mehr als mit nimmt (>.<)

Gruß: Ryuichi-Sakuma-
(^-~)/
Von:  Judari
2008-11-01T18:41:46+00:00 01.11.2008 19:41
Geil^^!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Mach weiter!!!!!!!!!!!!!!!!!
*VERBEUG*
Von:  saspi
2008-11-01T18:08:28+00:00 01.11.2008 19:08
Hey!!!
Super kappi!!! Bitte schreib schnell weiter!
Bin schon neugierig wie 's weitergeht!!!
Freu mich aufs nächste kappi.
Bye

Von:  Rani
2008-10-31T18:20:00+00:00 31.10.2008 19:20
Ich finde die letzten beiden Kapis wirklich sehr gut geschrieben sie sind voller spannung und ich bin gespannt wie es weiter geht und ich ahne übles was auf Jono zukommt ich hoffe er hält das durch, schreib schnell weiter und danke für deine ENS ich freue mich schon auf die nächste^^

lg Rani
Von: abgemeldet
2008-10-31T12:59:26+00:00 31.10.2008 13:59
wow schon das nächste kapitel *__*
oje wie traurig das Jono nicht seine geschichte sagen konnte die er sich zurechtgelegt hatte ;_;
ich bin gespannt wie es weitergeht ;_;


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