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When Love Tends To Become A Problem (LILEY)

Remember, It Still Remains A Gift
von

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Gefühle..., kaltherzig zu sein hat nur Vorteile

WHEN LOVE TENDS TO BECOME A PROBLEM -

REMEMBER, IT STILL REMAINS A GIFT
 

LILEY
 

Kapitel 3
 


 

„Hey, Ash! Sie doch Mal, es ist LEZZY LILLY!“, ein dunkles Mädchen mit langen schwarzen Haaren und einem Gesicht wie dem eines Pferdes blieb direkt neben unserem Tisch stehen. Amber Addison – ich glaube ich muss kotzen. Wisst ihr, was ich meine? Wenn man einfach in den nächsten Mülleimer reiern möchte, nur wenn man diese Stimme hört?
 

Es ist inzwischen Mittagspause (Gott sei Dank, schon fast den gesamten Tag überstanden) – Ollie, Miles und ich sind mehr schlecht als Recht durch den ganzen Vormittag geschlittert und die beiden haben sich, wie ich finde, eigentlich ganz gut verstanden bis jetzt.. Miles ist wohl ein bisschen besser durchgekommen als ich, ich habe mir nämlich Ärger mit einem der Footballer eingehandelt. Schon wieder. Der Kerl lernt es einfach nicht, immer macht er mich blöd von der Seite an.

Oliver musste mich von ihm runter zerren. Das hat er nur geschafft, weil ich ihm nicht weh tun wollte. Ich hoffe, ich habe Miley damit keine Angst gemacht... obwohl sie sich gibt wie schon den ganzen Morgen. Etwas schüchtern, aber im Grunde genommen ganz gelassen.

Außerdem hatte die ganze Sache einen riesigen Vorteil für mich. Nachdem ich mich nämlich fast geprügelt hatte (ich habe dem Kerl schon einen Schwinger verpasst gehabt, da ist es Ollie aufgefallen), hat sie meinen Arm nicht mehr losgelassen, zumindest bis wir zur nächsten Stunde mussten. Vermutlich wollte sie verhindern, dass mir noch einmal die Hand ausrutscht. Ich bin eigentlich gar nicht so brutal, das hört sich nur immer so an, weil ich mir nichts gefallen lasse. Pah!
 

Und ich bin gerade wirklich nicht dazu aufgelegt mich jetzt auch noch mit diesen Zicken abzugeben oder ihnen dabei zu helfen, ihr langweiliges Leben ein bisschen interessanter zu machen, nur weil sie sich mit mir beschäftigen wollen. Ich habe Besseres zu tun. Zum Beispiel Miley fragen, ob ich sie heute nach Hause bringen soll... Das erfordert vollendete Konzentration und einen beträchtlichen Berg meines Mutes. Ich muss alles zusammenkratzen.
 

„Na Ambey, heute Mal wieder ein paar Leute auf dem Kieker, die euch nie was getan haben?“, ich sehe sie nicht an. Ich zucke nicht einmal. Sie sind es nicht wert, dass man ihnen Beachtung schenkt. Ich habe sie schon eineinhalb Jahre an der Backe und seid ich mich zwangsmäßig geoutet habe – na ja, dass ich eben auf Mädchen stehe – lassen sie mich gar nicht mehr in Ruhe. Das nervt wirklich tierisch und ich bin seitdem noch angriffslustiger als für gewöhnlich. Die stacheln nämlich ständig Leute an, die mich dann nerven und die ich dann verhauen muss.

Die beiden ziehen sich allerdings immer irgendwie aus der Schlinge. Außerdem schlage ich ungern Mädchen, ich bin keine Mädchenschlägerin. Ich hüte mich.
 

Ich vernichte weiterhin meinen Burger und ignoriere sie so wie immer. Oliver tut dasselbe, er futtert seine Fritten und wirft mir nur einen kleinen, flüchtigen Blick zu. Er weiß, dass ich kurz vor einem Vulkanausbruch stehe.. Miley scheint die einzige zu sein, die den beiden höfliches Interesse entgegenbringt. Das gefällt mir kein bisschen. Vor allem, weil sie immer noch meine Jacke trägt und ich nicht will, dass diese Hexen sie auch nur ansehen, geschweige denn es wagen sie anzusprechen.
 

„Hey, du bist die Neue, nicht? Weißt du, du musst nicht hier sitzen. Bei den LOSERN, am LOSERTISCH. Du kannst dich auch zu uns setzen, wenn du magst.“, Ashley redet mit einer aufgesetzt süßlichen und mädchenhaften Stimme. Das wundert mich ein bisschen. Normalerweise versteckt sie sich hinter Ambers Rücken und plappert ihr einfach alles nach. Sie muss sprechen geübt haben. Heimlich. Ich bin gegen meinen Willen beeindruckt.

Ich sehe mit Genugtuung, dass Miley nicht wirklich scharf darauf aussieht, aber sie antwortet trotzdem. Auch ihr Gesicht ist zu einem süßen Lächeln verzogen. Einer Grimasse, einem Akt. Wahrscheinlich verbietet ihre Höflichkeit, Ashley einfach nicht zu antworten. Oder gleich beiden eine Beleidigung entgegen zu schleudern, so wie Ollie und ich das meistens machen.

Andererseits finde ich es ganz gut, dass Miles nicht flucht. Sie tadelt sogar mich, wenn ich mal ein Schimpfwort fallen lasse. Also fluche ich nur in Gedanken... wenn ich daran denke. Ich finde es eigentlich niedlich, wenn sie mich mit diesem vorwurfsvollen Blick bedenkt und den Kopf schüttelt.
 

„Ja, sicher. Ich... überlege es mir. Aber danke für das Angebot.“, jetzt sieht ihr Lächeln tatsächlich sehr falsch aus und es jagt mir einen Schauer über den Rücken. Ich hasse es, wenn Miley offensichtlich absichtlich und aus einem mir manchmal unerfindlichen Grund nicht wirklich richtig lächelt. So wie heute Morgen nach der zweiten Stunde, als Ollie sie angebaggert hat. Sie fühlte sich unwohl, das habe ich sofort gemerkt.
 

Die beiden Oberzicken wechseln einen bestürzten Blick. Wahrscheinlich hätten sie erwartet, dass sich Smiley sofort auf ihre Seite schlägt und zu ihnen rennt. Ich kann mir ein leises Grinsen nicht verkneifen und beiße mir auf die Zunge um nicht laut los zu lachen.

„Was hast du mit dem armen Mädchen gemacht, Lilly Loser? Willst du versuchen sie zu einem deiner neuen Sex-Spielzeuge zu machen? Du bist sowas von krank! Nur weil du nicht NORMAL“, sie betont das Wort extra lang und gedehnt, „lieben kannst, so wie wir anderen auch. Erbärmlich, wirklich. Du widerst mich an.“, ich lasse meinen Blick für einen Moment auf meinem Burger in meinen Händen ruhen und kann nichts gegen die Gedanken machen, die in meinen Kopf schießen...

In gewisser Weise hat sie Recht. Nein, ich will Miley nicht zu einem Sex-Spielzeug machen. Gott bewahre mich. Aber sie hat recht damit, dass ich nicht normal lieben kann. Ich liebe niemanden. Nicht mehr, nicht nach all diesem Scheiß, den ich durchmachen musste. Ich vertraue den Menschen nicht mehr. Ach, ich vertraue ja nicht einmal mehr mir selbst... Ich bin kaputt, irreparabel beschädigt.

Oliver hat auch keine Ahnung, wie tief das Ganze wirklich geht... ich bin wieder an meinem Spinnt, es ist kurz nach der dritten Stunde. Miley ist zu ihrer Stunde ohne uns beide aufgebrochen.
 

„Flashback“
 

„Also, magst du sie?“, Oliver lehnt lässig gegen meinem Spinnt und grinst wissentlich und eingebildet. Ich rolle genervt mit den Augen und seufze frustriert.

„Psh! Natürlich nicht! Du redest schon wieder Müll, hast du heute Morgen deine Pillen genommen?“, ich weiß, ich spiele auf Verteidigung. Ich bin defensiv. Aber ich will mir auch nichts anhängen lassen, was nicht stimmt. Und das stimmt auf keinen Fall. Mein bester Freund hat keine Ahnung, ich will nichts von Miley Stewart!

„Ich kenne diesen Blick in deinen Augen, Lil. Du hast... du hast SIE so angesehen. Ich erinnere mich daran noch ganz genau.“, er legt seine zwei Hände auf meine Schultern und starrt mich mit seinen dunklen, rehbraunen Augen genau an. Er scheint mich zu röntgen. Ich weiß, worauf er hinaus will. Sie sind sich ähnlich, aber auch das würde ich nicht zugeben. „Miley ist nicht--“
 

Ich schiebe ihn von mir, schneide ihm seinen Satz ab und gehe langsam davon. Er mir immer hinterher. Er wird es nicht gehen lassen, er wird es breit treten, bis ich darauf anspringe.

Aber ich muss ihren Namen jetzt wirklich nicht wieder hören, es tut zu weh. Noch immer, selbst nach all den Jahren. Zwei endlose Jahre voll Kummer.

„Ollie, das ist lächerlich. Ich kenne sie erst irgendwie einen Tag, okay? Keine große Sache.“, ich weiß, wie gerne er ihren Namen sagen würde, aber ich lasse ihn nicht. Ich will und kann nicht, er weiß wie weh er mir damit tun wird. „Und wage es ja nicht wieder von ihr anzufangen. Es war eine wirkliche Sache und es hat sich richtig angefühlt, aber das war es nicht, okay? Ich armes Ding. Es ist vorbei und ich will wirklich nicht an mein gebrochenes Herz erinnert werden. Jedenfalls ist Miles nicht so wie sie. Ich weiß es, sie wird einfach nur meine Freundin sein, nicht mehr und nicht weniger.“

Ich weiß, dass ich das vor allem deswegen sage, um es mir selbst zu beweisen. Ich komme nur sehr schlecht mit meiner Vergangenheit klar, ich will einfach alles vergessen. Mein ganzes Leben ist ein Haufen Scherben und ich habe nicht genug Kleber, um das alles wieder zu reparieren. Es ist in sich zusammen gefallen wie ein Soufflé.

Ich will das alles nicht mehr. So viel Stress. Mit meinem Bruder, mit meiner Familie, mit... IHR.

Sie hatte mich ohnehin nicht verdient! Ich bin besser als sie!
 

„Lils? Bist du dir sicher, dass du sie nicht... na ja, du weißt. Das du nicht mehr von ihr willst? Ich meine, sie ist nicht nur total attraktiv. Sie scheint auch noch richtig nett zu sein! Sie wäre gut für dich, das weiß ich!“, okay, jetzt will ich nur noch von ihm weg. Immer meint er, ich habe mehr verdient, als ich dann wirklich bekomme. Das Leben spuckt mir gerne ins Gesicht.

Außerdem hat er keine Ahnung! Vielleicht bin ich ja zufrieden mit meinem Leben? Ist ihm dieser Gedanke noch nie gekommen? Ich mache mir ohnehin nur selbst etwas vor...

„Es ist in Ordnung, Ollie. Ich weiß, du machst dir nur Sorgen, aber das bringt nichts! Es wird nie ein „Miley + Lilly“ geben. Sie wird sich einen netten Freund suchen und ich werde noch ein paar mehr Häschen flach legen. Einfach so wie immer, nur dass wir beide, du und ich, eine neue Freundin dazu gewinnen.“

Oliver schüttelt ungläubig seinen Kopf. Vielleicht erwartet er mehr von mir? Vielleicht, dass ich ihm mein Herz ausschütte, so wie vor sechs Jahren? Daraus wird leider nichts. Ich bin erwachsen geworden.
 

Mit 13 wurde ich dazu gezwungen, ich selbst zu sein. Egal um welchen Preis, ich hatte keine Chance.
 

„Flashback Ende“
 

Ich kehre zurück in die Wirklichkeit und stelle fest, dass ich nur ein paar Sekunden lang geistig abwesend war. Gut, dass ich nicht völlig in mein Gehirn abgedriftet bin, jedes hätte nämlich zu peinlichen Fragen führen können.

„Okay... Wir sehen uns dann, ja? Oh, und Lillian?“, ich sehe trotzdem immer noch nicht auf (ich höre seid Jahren nicht mehr auf diesen Namen), sondern nehme lieber einen Schluck von meinem Getränk. „Hey, ich rede mit dir du Lesbe!“ Sie schlägt mir den Becher aus der Hand. Mein rechtes Auge zuckt leicht und ich rucke meinen Kopf gelangweilt in Ambers Richtung. Ich seufze leise und ungehalten. Meine Augenbrauen sind zusammengezogen und ich blicke finster drein. Es hat eigentlich nur Vorteile kaltherzig zu sein.
 

„Ach Amber... Ich hab dir bestimmt schon tausend Mal gesagt, du bist nicht mein Typ, okay? Also spar dir das Ganze, ich finde ich habe dir schon genug Körbe gegeben.“, Ollie fängt an zu lachen und ich bin zufrieden. Ich liebe es sie zu ärgern. Ich grinse hämisch und stelle den umgefallenen Becher wieder hin. Miley reicht mir ihre Serviette und ich zwinkere ihr zu. Sie wird rot.
 

Auch Miley lächelt jetzt breit, sie ist sichtlich amüsiert und es ist nichts mehr von der Falschheit ihrer eben gezeigten Gefühle zu sehen. Ich bin noch glücklicher.

Amber hingegen scheint das nicht komisch zu finden, tatsächlich sieht sie sehr böse aus. Ich glaube sie will etwas sagen, aber das kommt mir nicht in die Tüte, die hat mich genug genervt für heute! Ich stehe auf. Ich rage fast einen ganzen Kopf über sie und fletsche meine Zähne ein bisschen. Nicht zu viel, damit ich nicht aussehe, wie ein Tier. Aber auch nicht zu wenig, denn sonst würde meine Botschaft nicht korrekt überkommen, so fürchte ich.

„Ich glaube ich habe meinen Standpunkt klar gemacht, meint ihr nicht? Also, verzieht euch endlich. Oliver, Miles und ich möchten unser Mittagessen genießen, ohne von einem paar Wanzen wie euch belästigt zu werden! Danke!“, ich mache eine rüge Geste mit der Hand.

Gott, wie ich diese beiden verabscheue.

Fast so sehr wie ihn.

Mein Blick ruht für eine Sekunde auf einem Jungen mit blonden Haaren, der mich durchdringend anstarrt und ich nicke ihm mehr spielerisch und verächtlich als wirklich freundlich zu. Er zuckt mit den Schultern und wendet sich ab.
 

•◘○
 

Lilly wirkte recht bedrohlich, wie sie da stand, die Hand erhoben und bereit weiter zu gehen, als die beiden nur anzuschnauzen, aber Miley fand diese Seite an ihr irgendwie anziehend und sie blickte verträumt in das extrem schmale, viel zu dünn aussehende Gesicht hoch. Lilly war eine sehr starke Frau.

Offenbar sahen... Amber und Ashley? Das Ganze ein bisschen anders, denn sie verschwanden mit einem kurzen und vor allem wütenden Blick zurück völlig. Lilly ließ sich zurück auf ihren Platz sinken und verdrehte ein letztes Mal die Augen, bevor sie wieder grinste.
 

Oliver und die Skaterin ließen ihre Fäuste gegen einander prallen und lachten. Miley hatte noch immer diesen verträumten Ausdruck auf dem Gesicht, als sie sich beide zu ihr wandten. Lilly zog eine Augenbraue hoch und sah besorgt drein.

„Miles? Alles okay bei dir...?“, als Miley eifrig nickte, fuhr die Blondine fort. „Du solltest dich besser von den beiden Oberzicken da vorne fern halten. Die sind zwar beliebt, aber die fiesesten Hexen, die es überhaupt gibt. Die verbreiten gerne Gerüchte. Letztens irgendwann haben sie überall herum erzählt, ich hätte die neue Mathelehrerin vergewaltigt. Aber das stimmt gar nicht!“, Miley nickte. Trotzdem machte sie weiterhin einen nachdenklichen Eindruck, denn ihr war gerade etwas eingefallen. Lilly stand ja ganz offensichtlich auf Frauen – das war erstens kaum zu übersehen, und zweitens hatte sie den ganzen Tag mit Oliver darüber geredet, wer denn eigentlich schon mehr Freundinnen gehabt hatte. Sie hatten sich fast die gesamten fünf verbleibenden Stunden darüber gestritten, denn Lilly hatte darauf bestanden, dass One-Night-Stands gelten sollten.

Und Miley war gerade ein Gedanke gekommen. Was wäre denn, wenn Lilly sich nur mit ihr abgab, weil sie genau das EINE von ihr wollte? Plötzlich fühlte sie sich unwohl. Wenn es das war, was Lilly beabsichtigte, dann konnte sie definitiv nicht damit dienen.

Sie legte die Stirn in traurige Bügelfalten und verschluckte sich fast an ihrem Trinken, als sie Ollies nächsten Ausruf hörte.
 

„Aber du hast sie doch flach gelegt! Du hast mir zwei Stunden später selbst davon erzählt!“, schaltete er sich ein und wedelte mit einem Stückchen Gurke von seinem Burger umher. Miley blinzelte ein paar Mal sehr schnell und hustete. Der Junge mit dem zottelig, braunen Haar klopfte ihr ein paar Mal auf den Rücken, fixierte allerdings weiterhin Lilly.

„Jaaaaaa schon, aber ich hab sie nicht vergewaltigt! Sie hat sich doch sofort an mich ran gemacht. Schon an ihrem ersten Tag, das hast du selber gesehen! Und wer wäre dann ich, eine so schöne, reife Frau zurück zu weisen?“, Lilly kaute an einer Fritte und Miley sah sie ungläubig an. Sie blinzelte nochmal und ihr Mund stand leicht offen. „Was denn?“

„Du hast mit deiner Mathelehrerin geschlafen?“, Miley war verblüfft... und geschockt.
 

„Psh, ja! Aber als dann die ganze Sache mit dem Beziehungskram kam – nach dem dritten Mal wohl gemerkt, da lief ja noch alles supi – da hab ich sie abservieren müssen. Ich lasse mich nur äußerst ungern festhalten. Außerdem hatte ich zu der Zeit schon was mit deiner lieber Schwester, Ollie-Schatz.“, Lilly grinste sehr fies, tätschelte Olivers Hand und sie ließ die halb aufgegessene Fritte aus der Hand fallen. Der Junge schaute sehr geknickt zur Seite, er schien nicht verletzt, aber verlegen.

„Musst du das jetzt jedem erzählen? Es ist schon schlimm genug, dass du überhaupt mit meiner Schwester angebandelt hast, aber können wir nicht einfach den Mantel des Schweigens darüber hüllen, bitte?“, ihm war das Ganze offensichtlich höchst peinlich. Miley zog eine Augenbraue hoch, mit wem hatte Lilly jetzt eigentlich schon alles Sex gehabt?

Miley für ihren Teil war noch Jungfrau.
 

„Nein, wieso denn? Ich finde es wäre fies so etwas einfach zu unterschlagen.“, Lilly zwinkerte Miley zu – sie erschauderte leicht – und nahm dann einen tiefen Schluck von Mileys Wasser, ehe sie aufstand. „Also dann, Gefolge. Ich muss jetzt los, hab noch was zu erledigen. Miles?“

Miley nickte zum Zeichen, dass sie zuhörte und schob ihre Gedanken für eine Sekunde zur Seite.

„Ja?“, Lilly wirkte mit einem Mal schrecklich nervös und sanfte Röte kroch über ihre Wangen. Sie ließ keinen Augenkontakt zu. Die Pop-Prinzessin war verwirrt.

„Ähm... Sehen wir uns nach der Schule?“, sie spielte mit ihren Fingern und Miley bemerkte Olivers belustigte Miene. Sie wandte den Kopf wieder Lilly, die sie hoffnungsvoll ansah. Miley nickte schnell.

„Sicher.“

Lilly lächelte ein breites, zahniges Lächeln und nickte ebenfalls, bevor sie verschwand. Miley war noch verwirrter als zuvor. Die Skaterin wurde immer gleich so nervös, wenn sie ihr eine persönliche Frage stellte. Irgendetwas war los. Ob ihre neue Freundin wohl wirklich mehr von der Brünetten wollte? Miley seufzte ein wenig und war erleichtert, dass Ollie sie offenbar nicht gehört hatte.
 


 

Jedenfalls blieb Miley mit dem Jungen zurück. Er vernichtete den Rest seines eigenen Burgers und schielte manchmal zu Lillys zurück gelassenen Fritten herüber. Oliver hatte ebenfalls versucht sie an zu machen, was ihr nicht wirklich gefallen hatte. Gott sei Dank war Lilly zur Stelle gewesen um sie zu retten. Er hatte eine Freundin, hatte sie ihn erinnert. Dann hatte sie Oliver etwas ins Ohr geflüstert und der hatte gegrinst, aber nichts weiteres gesagt. Jedenfalls schien er auf sie zu hören...
 

„Hey, Oliver? Kann ich dich was fragen?“, Miley nippte an ihrem Getränk und sah dem Jungen dabei zu, wie er schluckte und sich dann zu ihr drehte. Sie musste einfach fragen.

„Sicher.“, er lächelte und sie fühlte sich genau so. Eben sicher. Oliver war bestimmt ein sehr netter Kerl. Sonst wäre Lilly wohl auch sicher nicht mit ihm befreundet. Sie schien ja einen guten Sinn für Menschen zu haben. Es wirkte zumindest so.

„Ist Lilly, na ja. Auf was für einen Typ Frauen steht sie so?“ Oliver starrte sie einen Moment lang verdutzt an, dann zog er seine Augen für den Bruchteil einer Sekunde in Nachdenklichkeit zusammen, bevor er antwortete.
 

„Hm... Kleine unschuldige Mädchen? Ja, ich denke sie neigt dazu sich mit süßen Mädels zu treffen und dann ihre Herzen zu brechen. Ist ein kleiner, saurer Beigeschmack, wenn man sich als Mädchen auf sie einlässt. Aber keine Sorge, ich denke nicht, dass sie sowas auch mit dir vor hat!“, er lachte und klopfte der Pop-Prinzessin kumpelhaft auf den Rücken. „Lilly ist nicht wirklich so böse, wie sie sich manchmal gibt. Sie hatte eine recht schwere Kindheit, deswegen ist manchmal ein wenig grob... Aber zu dir scheint sie bereits einen Draht gefunden zu haben, Glückwunsch. Außerdem mag sie dich, wie eine Freundin. Sie hatte schon lange keine richtig gute Freundin mehr...“
 

Miley reagierte nur auf eine Textstelle. 'Sie mag mich?', langsam nickte sie und hing dann wieder ihren Gedanken nach, während sie Oliver hin und wieder Blicke zuwarf, die er allerdings nicht zu bemerken schien. Sie stützte den Kopf auf die rechte Hand und ließ den Blick schweifen.

Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sie ein Junge mit blondem Haar immer wieder anstarrte. Er sah sehr gut aus, fast schon verboten gut. Trotzdem fühlte sie sich ein bisschen unwohl, so von ihm beobachtet zu werden. Denn nach etwa sieben Minuten war klar, er tat genau das. Er saß bei Amber und Ashley. Sie musste einfach wissen, wer das war.

Vielleicht war er ja Fester-Freund-Material? Sie hatte zwar selbst gesagt, sie wollte eigentlich keine Beziehung, aber irgendwie reizte sie es doch. Sie wollte wissen, ob sie – wenn sie wollte – eine Chance bei ihm haben könnte.

„Ollie, kann ich dich noch was fragen?“, er sah sie wieder an.

„Frag das nächste Mal einfach direkt!“ Sie kicherte und dann deutete sie hinter vorgehaltener Hand auf den Jungen.

„Wer ist das?“
 

•◘○
 

Man is least himself when he talks in his own person.. Give him a mask, and he will tell you the truth.
 

Das sagte schon Oscar Wilde. Und wisst ihr was? Der Typ hatte damit echt Recht. Menschen sagen nicht die Wahrheit, wenn wir sie danach fragen. Oder zumindest nicht immer... Meistens eigentlich nicht. Ich lüge eine Menge, ich lüge sogar mehr als ich sollte. Aber es macht mir nichts aus, weil wir Menschen eben so sind. Ich weiß nicht, ob ich mehr reden würde, wenn ich mich als jemand anderes verkleiden könnte. Vielleicht? Es ist wahrscheinlich. Aber nun zu dem Thema, warum ich vom Lunch abgehauen bin.
 

Ich sitze also hier. Völlig allein. Der bequeme, rote Sitz unter mir quietscht ein bisschen. Ich bin... wo? Richtig, in der großen Aula und warte geduldig auf meinen Mentor. Meine E-Gitarre liegt auf meinem Schoß und ich starre die blanke Bühne an. Ich habe mein Baby heute früh schon sehr eilig hier zurück gelassen – in meinem eigenen Spinnt in dem Raum mit dem Theaterzubehör – ich spiele kein Theater, ich bin schließlich toll (nichts gegen Schauspieler...).

Es ist völlig dunkel in der Halle, nur die Bretter ganz vorne sind hell erleuchtet. Ich starre sie verträumt an. Ich wollte schon immer Mal auf einer richtigen Bühne stehen, aber ich traue mich nie. Immer, wenn jemand vor mir steht und etwas erwartet, ziehe ich den Schwanz ein und renne wieder herunter.. So schnell wie ich kann, ohne zurück zu blicken. Das war schon immer so. Ich bin lieber ein stiller Musiker.

Das ist auch so ziemlich das einzige, wovor ich Angst habe, höhö (Vorsicht, Lüge!).
 


 

Ich lächele und stehe dann auf. Es ist – wie erwähnt – niemand außer mir da. Er verspätet sich schon wieder. So wie immer eigentlich. Langsam mache ich meinen Weg nach unten und schiebe meine Gitarre auf die Bühne, bevor ich mich selbst danach darauf stemme. Und dann sehe ich sie, eine Maske. Es handelt sich dabei um eine dieser völlig weißen Masken, die Theaterleute beliebig verändern und anmalen. Ich sehe mich noch einmal schnell um und greife nach ihr, lasse sie über mein Gesicht gleiten.

Etwas weiter hinter mir sehe ich eine dunkelblaue Kappe – vermutlich von Frank, dem Hausmeister (komischer, unheimlicher Kauz) – und schlittere zu ihr. Ich setze sie falsch herum auf den Kopf und grinse unter meiner weißen Verkleidung. Ich nehme meine Gitarre und trete vor das Mikrophon.

Ich liebe es vor einem nicht vorhandenen Publikum zu stehen und verbeuge mich brav vor dem leeren Auditorium. Ich schenke ''der Menge'' ein halbes Lächeln unter der Maske – obwohl sie es ohnehin nicht gesehen hätten – und schlinge endlich die Gitarre um meine Schultern. Ich fühle mich sicher.

Ich spiele ein paar einfache Noten und beginne dann dazu eine leise Melodie zu summen. Mein Lächeln wächst. Ich habe keine Angst mehr, nicht wenn ich hier alleine bin und mich niemand erkennt.
 

Der einzige, für den ich je gesungen habe ist Matt... aber das auch nur vor diesem besagten Freitag, den einzigen Tag in meinem Leben, den ich wirklich hasse und einfach nur vergessen möchte. Ich seufze einmal tief und traurig...
 

Ich schließe meine Augen und erinnere mich trotzdem immer noch ganz genau. Es hat gestürmt, ein furchtbares Wetter und ich konnte nicht nach draußen zu Oliver. Ich hatte Hausarrest, meine Mutter hatte an diesem Tag besonders schlechte Laune gehabt. Ich hörte sie schreien, die beiden. Aber ich saß nur in meinem Zimmer und habe mir die Decke über meinen kleinen Kopf gezogen.

Dann hörte ich Matts schnelle Schritte und er knallte seine Tür zu. Ich fuhr zusammen. Ich wusste es schon in diesem Moment, etwas war faul. Etwas war nicht so, wie es sein sollte. Matt war nicht so.
 

Ich spiele immer schneller, lasse meine Finger über die Seiten gleiten und fange an sanft zu singen. Leise und kaum vernehmbar, das Mikrofon vor mir ist ausgeschaltet, es bleibt stumm, ist der einzige Zuhörer meiner leisen Tragik. Niemand kann mich hören, ich bin ganz allein. Ich genieße die Musik in meinen Ohren, werfe meinen Kopf in den Nacken und starre an die Decke.
 

Ich weiß, dass Matt an diesem Tag meine Mutter bat ihn zu unserem Vater zu fahren. Er hat ihn immer mehr vermisst als ich, auch wenn er nie etwas von uns wissen wollte. Er hat uns zu Weihnachten eine Karte geschickt. Ich glaube nicht, dass er auch nur ein einziges Mal an uns gedacht hat. Ich meine... ach, egal.

Ich bin aus meinem Zimmer geschlichen, ich hatte meine Schuhe ausgezogen. Ich war so leise, wie ich nur sein konnte. Seid Tagen hatte Matty sich immer wieder in seinem Zimmer eingeschlossen und ich hatte Angst. Angst, er könnte vielleicht etwas anstellen.

Seine Tür war nur angelehnt, sie schien wieder aus dem Schloss gesprungen zu sein, aufgrund des heftigen Aufpralls und ich hörte den Schrei, bevor ich Matt sah. Untergehend in einem donnernden Blitzschlag und meinem eigenen Keuchen.
 


 

I worry, I wonder all the time why worry

It's killing me, forget about it
 


 

Ich habe die Tür nur einen Spalt breit aufgeschoben um hinein sehen zu können. Ich hatte solche Angst, ich wollte meinen Bruder zurück, meinen richtigen Bruder. Nicht die Hülle, die noch von ihm geblieben war.

Es blitzte wieder und ich fuhr zusammen. Ich war erst 11, ich habe es damals nicht verstanden. Es war schon fast vier Jahre her, dass unser Vater verschwunden war und er hatte es noch immer nicht einsehen wollen, dass dieser Mann nie zurück kommen würde...

Mein Blick konnte ihn nicht finden, ich konnte ihn nicht sehen.

Er entzog sich meinem Blickfeld, aber ich suchte weiter nach ihm. Ich gab nie auf.
 


 

I whisper, remember what she did

Don't miss her

Set me free, she won't allow it
 


 

Dann konnte ich ihn sehen. Ich werde sein Gesicht wohl nie vergessen... Seine Augen frei von jeglichen Emotionen, kalt und leer. Ausgebrannt.

Ich bin in sein Zimmer gerannt und habe gerufen, habe geschrien und habe versucht es ihm weg zu nehmen. Aber er wollte nicht aufhören. Matty war immer schon stärker gewesen als ich. Er schob mich mit einem Arm von sich weg und ich rief immer lauter. Wo war meine Mutter? Das ist das einzige Mal gewesen, dass ich sie je gebraucht hätte... und sie hatte mich enttäuscht.

Und ich war damals erst 11, ich habe es nicht verstanden...
 


 

Angry and gone, and the list goes on and on

If it's love, I will differ, I'm being lost being with her
 


 

Überall war Blut und ich habe geweint. Ich konnte nicht mehr klar sehen.

Ich habe immer wieder nach meiner Mutter gerufen, immer und immer wieder. Und als sie kam, da...
 


 

Ich reiße mir Maske und Mütze herunter und werfe sie weg von mir, ziehe meine Gitarre über den Kopf und lasse sie neben mir zu Boden fallen. Ich starre immer noch an die Decke, Tränen haben sich in meinen Augen gebildet und ich presse beide Handflächen gegen sie. Ich will schreien, ich will toben, ich will entkommen. Ich will raus.

Und ich schreie, und ich drehe mich um und lasse meine zitternden Hände durch meine Haare fahren und vergrabe mein Gesicht in den Armen als ich zu Boden sinke...
 


 

I can't move on, I can't take it

She, she says we won't make it now
 


 

Ein lautes Klatschen lässt mich zusammenfahren und ich reiße die Augen auf. Er steht direkt hinter mir, das weiß ich. Ich wische mir über die Augen und stehe langsam auf. Wahrscheinlich hat er mich schreien gehört... Hat gesehen wie ich die Gitarre geworfen habe, wie ich durchgedreht bin. Ich drehe mich wieder um.

Er steht nur da, lächelt und klatscht. Er applaudiert mir.
 

„Professor Crown! Sie sind schon hier...?“, es ist peinlich jetzt vor ihm zu stehen, wo er gerade einen sehr intimen Moment meines Lebens betrachten durfte. Er als einer der wenigen. Ich habe ihn noch nie meinen Gesang hören lassen, er weiß nichts über Matt und er weiß nichts über meine Vergangenheit. Alles was er von mir kennt ist der Klang meiner wundervollen E-Gitarre. Nur meine E-Gitarre. „Sie waren ein wenig spät, also habe ich gedacht... na ja, ich gucke einfach Mal wie es ist. Eben auf der Bühne zu stehen, Wie lange sind sie... was haben sie alles mit angehört?“, ich mache ein paar Schritte rückwärts zu meiner Gitarre, gehe leicht in die Hocke und nehme sie an ihrem Stiel. Ich setze mich schnell auf den Rand der Bühne. Ich sacke leicht in mich zusammen, wische noch einmal über meine Augen, die sicher rot geworden sind.
 

Dieser Freitag kriegt mich jedes Mal.
 

Außerdem fange ich schon wieder an Müll zu reden. Belanglosen Müll... Prof. Crown lächelt immer noch.

Er ist Professor der Musik und trotzdem arbeitet er an einer billigen Highschool. Meiner Highschool. Ich habe nie wirklich verstanden, wieso er das macht. Er weiß so gut wie ALLES über Musik. Es würde mich nicht wundern, wenn er alle Instrumente spielen könnte, die es auf der ganzen Welt gibt. Trotzdem sollte er das nicht gehört haben.

Ich bin sicher, er hätte an eine Universität gehen, oder sonst irgendetwas Großes werden können. Alles und nichts. Aber nein, stattdessen sucht er sich die Seaview High aus und macht es sich zur Aufgabe mir – Lilly Truscott, böse, gemein und von alles gehasst und vor allem innerlich gebrochen – etwas beizubringen.
 

Er versucht mich dazu zu bringen, dass ich ein bisschen aus mir raus gehe. Vor allem auch in Sachen Gesang. Ja, eigentlich nur da. Denn sonst bin ich ja recht kontaktfreudig. Das ist ja auch nicht mein Problem. Er sagt, ich sollte nicht so viel Angst davor haben zu zeigen, wer ich wirklich bin.

Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Insbesondere da von meinem wirklichen ich nicht mehr sehr viel übrig ist... Tut mir Leid sie enttäuschen zu müssen Prof. Crown.
 


 

„Sagen Sie mir Ms. Truscott. Wie kommt es, dass ich von Mr. Corelli gehört habe, Sie haben schon wieder seinen Unterricht geschwänzt? Wie soll denn je etwas aus Ihnen werden, wenn Sie damit weitermachen, Ihre Lehrer so zu verärgern?“ Das geht nicht mehr lange so weiter, Professor. Das weiß ich auch... „Im Moment bin ich noch der Einzige, der beim Rektor ein gutes Wort für Sie einlegt. Ich wäre vorsichtig bei dem Versuch, Ihr Glück aufs Spiel zu setzen. Irgendwann wird mein Wort nicht mehr genug sein, um Sie vor einem Rauswurf zu bewahren.“, der Lehrer setzt sich neben mich und ich zupfe an ein paar Seiten meiner Gitarre herum und kichere leicht.

„Die würden mich alle wohl ziemlich gern fliegen sehen, was?“, Prof. Crown ist ein großer Mann Mitte 40, trägt eine viereckige Brille und hat kurzes, angegrautes Haar. Seine sanften, grauen Augen lächeln mich an.
 

„Oh ja, das würden sie. Dabei weiß ich gar nicht, was meine Kollegen alle gegen Sie haben. Ich persönlich finde, Sie sind eine sehr höfliche, begabte Dame. Obwohl das Wort Dame Sie wohl in keinster Weise beschreibt, nicht wahr? Aber nun zu einer anderen Sache... Was bedrückt sie so sehr?“
 

Was bedrückt mich?
 

Ich sehe ihn nicht an. Ich sehe in die andere Richtung. Ich will eigentlich nicht mit einem meiner Lehrer darüber sprechen, was Matt an diesem absolut beschissenen Tag – entschuldige Miley – versucht hat zu tun. Ich muss das mit mir selbst ausmachen. Das mache ich immer. Und es klappt... meistens.

„Wieso sollte ich traurig sein? Es geht mir blendend.“, er seufzt und ich weiß, dass er weiß, dass ich ihn anlüge. Nichts in meinem Leben ist im Moment blendend. Abgesehen von Oliver. Die Sache mit Miles muss ich erst noch herausfinden.
 

„Lügen Sie mich bitte nicht an, Lilly. Ich kenne Sie. Und ich erkenne, wenn Sie etwas bedrückt. Ihre Musik hat das Ganze nur zusätzlich unterstrichen und ein bisschen die Tatsache, dass ich Sie habe schreien hören. Ganz zu schweigen von ihrer armen Gitarre. Ich verstehe es ja, wenn Sie nicht mit mir sprechen wollen. Immerhin bin ich ihr Lehrer... Aber ich möchte Ihnen gerne helfen, weil Sie mir am Herzen liegen. Und-“

Ich unterbreche ihn.
 

„Er hat versucht sich umzubringen. Sind Sie jetzt zufrieden?“, ich sehe ihn kalt an. Ich kann seine Augen nicht mehr lesen, aber sie lächeln nicht mehr. Nicht einmal annähernd.

„Wer? Wer hat versucht sich umzubringen, Lilly?“ Eigentlich sollte ich nicht einlenken, eigentlich sollte ich jetzt rennen. So wie ich es immer tue, aber ich kann nicht. Ich starre ihn nur weiter an und die Worte fallen aus meinem Mund.
 

„Mein Bruder... Matt.“, ich wische mir ein drittes Mal über die Augen und seufze. Ich packe meine Gitarre etwas fester und warte auf eine Antwort von Prof. Crown, aber sie kommt nicht. Stattdessen spüre ich eine Hand auf meiner Schulter, die fest zudrückt und er nickt mir ermutigend zu.

Also erzähle ich es ihm.

Wie ich an diesem Freitag vor genau sechs Jahren bei diesem schrecklichen Gewitter in das Zimmer meines Bruders gerannt bin. Weil ich Angst hatte, weil ich mir Sorgen gemacht habe, weil ich erst 11 gewesen war. Und er hört mir zu. Er drängt mich nicht, ich erzähle es freiwillig.
 

Ich erzähle ihm, wie er sich als letztes das Messer an die Kehle gehalten hatte, bevor ich es ihm endlich entreißen konnte. Er konnte sich nicht umbringen, er konnte es nicht. Ich glaube heute, dass es an mir lag. Er wollte nicht, dass ich sehe, wie er stirbt. Mein armer, kleiner Matty.

Heute fühle ich mich wie seine große Schwester, und nicht umgekehrt.
 

Auch das erzähle ich Prof. Crown.

Ich weine nicht, manchmal wische ich mir die Augen, aber ich weine nicht. Ich will keine Schwäche vor dem Mann zeigen, der mir so viel beigebracht hat. Er bewegt sich nicht während meines Vortrags, er zeigt nicht einmal Mitleid.

Und dafür bin ich ihm dankbar. Ich hasse es bemitleidet zu werden. Das ist auch der Grund, warum ich nie jemandem davon erzähle. Ich habe Angst vor Mitleid in den Augen meiner Gegenüber.

Mitleid das mir klar macht, dass das hier real ist. Das es nicht nur ein böser Traum ist, den ich mich einbilde. Ich würde gern aufwachen.
 

Seit 6 Jahren warte ich auf mein Erwachen.
 

Prof. Crowns Augen sind verschlossen. Es ist ein hartes Steingrau, nicht wie sonst wolkig und lebendig. Als ich ende klingelt es und meine Pause ist vorbei. Aber es schert mich nicht, ich starre ihn nur weiterhin an. Und dann tut er es, er streckt seine Arme aus. Er umarmt mich und ich lasse vor Schreck meine Gitarre zu Boden fallen. Es klirrt dumpf und ich schlinge meine Arme um seinen Rücken.
 

Die erste Träne fällt, noch bevor es zum zweiten Mal klingelt.

Und ich weiß genau...
 

Prof. Crown ist ein Mensch der mich in mehr Hinsichten versteht, als ich bisher dachte.
 

Ende Kapitel 3



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von: abgemeldet
2010-04-08T17:04:18+00:00 08.04.2010 19:04
dieser professor ist toll. und lilly ist auch toll, weil sie es all die jahre ausgehalten hat ohne über sowas zu sprechen. ich würde jetzt gerne sagen ich verstehe sie, aber das tut wohl keiner von uns hier wirklich (hoffe ich zumindestens, denn das würde so ziemlich vorraussetzen, das dieser person ähnliches wiederfahren ist)

cyaa <3
Von: abgemeldet
2009-04-19T09:38:51+00:00 19.04.2009 11:38
% von 5 Sternen xD
Ich les jetzt alles nochmal durch :D
Von:  Silver_Wolf
2009-03-09T10:40:19+00:00 09.03.2009 11:40
wow ziehmliches gefühlscaos... echt schön geschireben wie immer ^^
hmm wenns solche lehrer doch öfter geben würde ^^
Von:  Dark777
2008-12-22T17:46:16+00:00 22.12.2008 18:46
Das nenne ich mal ein emotionales Kapitel! Jetzt muss ich glatt noch einmal durchatmen, damit ich weiter schreiben kann.......puh. Okay, jetzt geht´s mir besser ;-). Wow, das hätte ich nun wirklich nicht erwartet. Die Szene lief wie ein Film in meinem Kopf ab, so gut habe ich es mir (dank deinem Schreibstil) vorstellen können. Dass sich Lilly aber so schnell ihrem Lehrer oder sonst wem gegenüber öffnen würde, das hätte ich nicht gedacht. Sehr gut hat mir vorallem die letzte Szene gefallen, in der Lilly die Gitarre vor Schreck fallen lässt und sich auf die Umarmung einlässt, ohne weiter darüber nachzudenken.

Okay, jetzt zu Miley und Lilly. Tja, an Miley´s Stelle würde ich jetzt lieber die Finger von Lilly lassen wenn ich das alles hören würde, immerhin brüstet sich Lilly mit ihren Eroberungen. Die Stelle mit der Mathelehrerin war echt klasse, da habe ich mich mal wieder vor Lachen gekugelt XD!

Na gut, dann schreib mal schnell das 9. Kapi ferig, damit das 4. hogeladen werden kann ^_^.
Von: abgemeldet
2008-12-18T13:54:31+00:00 18.12.2008 14:54
Wirklich sehr, sehr schön geschrieben :)
Gute Sache, wie du zwischen den Charakteren wächselst, und die Gefühle beschreibst. :) Wirklich erfreulich, das es auch noch Leute gibt die verdammt gut schreiben können. ;)
Von: abgemeldet
2008-12-18T11:12:24+00:00 18.12.2008 12:12
...omg, das Ende hatte es wirklich in sich. Ich danke dir vielmals für diese tolle Fanfic und ich werd deinen Schreibkünsten nun auch weiterhin treu bleiben :3

BTW arme Lilly u_u


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