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Silberne Flügel, schwarzes Pferd

Feuerdämon und Wasserdrache
von

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Die Weise der Leere

Kaika erforscht das Vermächtnis ihrer Ahnen, dass in dieser Geschichte noch eine tragende Rolle spielen wird.
 


 

Die Weise der Leere
 

Kaika suchte verzweifelt das Zelt der Weisen der Leere. Sie hatte schon das ganze Lager abgesucht und war sich sicher, dass es hier irgendwo sein müsste. Aber jetzt irrte sie schon seit einiger Zeit in dieser Ecke herum, wo das Zelt stehen sollte, und konnte es einfach nicht finden. Wieder drehte sie sich im Kreis und suchte erneut die flatternden Stoffbahnen ab, ob nicht eine zu einer Behausung gehörte, die die ehrwürdige Dame beherbergen könnte. Doch da stand nur ein einsamer Baum.

Gerade wollte sie sich abwenden, als eine tonlose Stimme sie rief. „Komm herein!“ Kaika blickte überrascht auf. Wo kam diese Stimme her? Unter dem Baum erkannte sie plötzlich ein Zelt, ein sehr unscheinbares, dessen graue Seidenbahnen in der lauen Luft flatterten. Als sie es genauer betrachtete, schien es, als ob es sich teilweise vor ihren Augen wieder auflösen würde. Der Stoff schimmerte seltsam und teilweise schien er nur noch ein Schatten zu sein, der vollkommen im Gegenlicht unterging. Kaika blinzelte irritiert. Kein Wunder das sie so ein Zelt ewig nicht finden konnte. Die Stimme war aus genau dieser Richtung gekommen, das musste es also sein. Entschlossen schritt sie näher und versuchte einen Blick ins Innere des Zeltes zu erhaschen, aber es erschien ihr vollkommen dunkel...und leer. Nichts war darin zu erkennen, es sah aus, als ob es nur aufgestellt worden war...tja, wofür? Nicht einmal Gepäck war darin zu erkennen. Hatte sie sich doch getäuscht?

„Nun komm schon rein!“ Wieder ertönte die leise Stimme. Kaika duckte sich und trat durch den niedrigen Eingang. Als sie sich wieder erhob, erkannte sie ganz wage eine Gestalt, die im hinteren Teil des Zeltes auf einem Podest saß. Ansonsten war der Raum wirklich leer. Na, das war doch wohl klar. Sie gehörte zum Element der Leere, da war es doch nicht erstaunlich, dass man ihr Zelt und dessen Innenraum kaum erkennen konnte und auch nichts drin stand. Warum hatte sie sich nur gewundert. Ehrfürchtig verbeugte sie sich vor der Hohen Frau und grüßte sie stumm. Als sie ihren Blick wieder hob, erkannte sie im Schatten der luftigen Stoffbahnen ein sehr altes Weiblein. Sie saß auf ihren Fersen, wirkte unscheinbar und schmächtig. Ihr Gewand hatte eine undefinierbare Farbe, es glänzte ein wenig silbern so wie ihre langen Haare, die sie einhüllten. Ein paar Strähnen waren abgeteilt und fielen über ihre eingefallenen Schultern. Ihr Gesicht war fahl und faltig, die Augen grau und der Blick vollkommen leer. Diese Frau machte ihrem Element alle Ehre. Man erkannte sie beinahe nicht, so unscheinbar war sie.

Und doch war es den Mitgliedern dieser Sippe verwehrt, an den Kämpfen teilzunehmen, da ihre Macht vernichtend war. Keiner konnte gegen die Leere bestehen, sie verschlang alles, egal ob Wind, Wasser, Feuer oder Erde. Niemand war ihr gewachsen, und so sandten sie nur ihre Beobachter, um die Kontakte zu den anderen Elementen weiter zu pflegen. Ob sie auch ihren Spaß dabei hatten, konnte Kaika nicht abschätzen. In diesem Gesicht ließ sich nichts erkennen, keine Regung, kein Gefühl.

Kaika trat näher. Die Alte deutete ihr einen Platz neben sich an und die junge Kämpferin ließ sich nieder.

„Du wolltest mich sprechen?“ Die Alte betrachtete ausdruckslos ihre Besucherin. Selbst der sonst immer so forschen Feuerdämonin war etwas seltsam zu Mute in dieser Umgebung. Da wunderte sie sich nicht, dass dieses Element nicht gerade beliebt bei den anderen war. Es war richtig unheimlich hier, fast gruselig. „Ja, ehrwürdige Dame.“ , antwortete sie leise. „Und was willst du wissen?“ „Wie ich die Leere in meinem Blut nutzen oder bezwingen kann.“ Die alte Frau schaute das Mädchen lange an. „So, du hast also Leere in deinem Blut. Bezwingen willst du sie? So sehr fürchtest du dich vor ihr?“ Kaika schwieg betreten. Hätte sie das lieber nicht sagen sollen? Kaum einer ihrer Familie wusste oder sprach davon, dass sie nicht ganz reinerbig von den Feuerelementen abstammte. Die Leere war sowohl verpönt als auch gefürchtet. Obwohl, was machte das schon aus? Alle Dämonen der Elemente waren stolz auf ihr eigenes Zeichen und verachteten die anderen. Das bekam sie ja schon bei ihrer Freundin Sui vom Wasserclan deutlich genug mit. Da machte es dann nicht mehr viel aus, ob jemand von einem anderen Element oder sogar von der Leere abstammte. Aber da die Fähigkeiten dieses geheimnisvollen Zeichens so selten angewandt wurden und nie auf einem öffentlichen Turnier zu bewundern waren, wuchsen die Gerüchte und die Furcht über deren alles verschlingende Macht.

Wieder erhob die alte Frau ihre seltsam tonlose Stimme. „Hast du denn diese Macht jemals benutzt?“ Kaika schüttelte schnell verneinend den Kopf. „Und woher weißt du dann, dass die Leere in dir wohnt?“ Kaika biss sich nervös auf ihre Unterlippe. „Die Großmutter hat es mir gesagt.“ Ein Hauch von Neugier schien auf den eingefallenen Zügen der Weisen aufzublitzen. „Und sonst? Ist dir selbst etwas aufgefallen an dir?“ Sie beugte sich vor und schaute der jungen, braungebrannten Feuerdämonin direkt in die Augen. Kaika erwiderte standhaft den Blick, aber sie konnte die Iris der seltsamen Alten kaum erkennen. Sie schien ihre Farbe zu verlieren und schimmerte Weiß wie der Rest des Auges. Kaika lief ein Schauer über den Rücken. Uh, war das gruselig. Aber sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen und konzentrierte sich auf ihre Antwort. Die Furcht wich, und sie fühlte sich ruhig und entspannt. „Nun, ich fühle mich oft so einsam, entfernt von allem, so leer, ohne jegliches Gefühl, außer einer alles verschlingenden Traurigkeit. Ich weiß nicht, ob das etwas mit der Leere zu tun hat oder ich zu einsam bin und einfach mein Leben besser in den Griff kriegen sollte...“

Die Greisin schmunzelte tatsächlich. Aufatmend lehnte Kaika sich zurück. So schlimm war sie also doch nicht. „Ich denke, du nutzt mehr von der Leere als dir bewusst ist. Lässt du nicht manchmal unerwünschte Gefühle in ihr verschwinden?“ Das junge Mädchen stutze. Na, das tat doch jeder wenn er sich ein wenig beherrschte und konzentrierte, oder nicht? Sie zog die Brauen nach oben, gab aber keine Antwort.

Die Alte lehnte sich etwas zurück und beobachtete ihren Gast weiterhin. „Nun, bestimmt hast du dich schon immer abgesondert von den anderen, bist lieber alleine durch die Gegend gezogen, hast dich oft versteckt.“ Kaika sah beinahe betroffen zu der alten Frau hinüber. Sie beschrieb ihr gerade ihre Kindheit. Wieder war ein kurzes Lächeln auf ihrem Gesicht zu erhaschen. Kaika ärgerte sich ein wenig, sie musste gerade ein recht dummes Gesicht machen. Aber sie hörte weiter aufmerksam zu.

„Wahrscheinlich ist dir diese Gabe bisher nur Last gewesen, denn sie zehrt an deinen Gefühlen. Davor musst du dich besonders hüten, wenn du ihre Macht anwendest. Denn wenn die Leere dein Innerstes berührt, kann sie dich vernichten.“ Bedeutungsvoll senkte sie die Stimme. Kaika blickte sie erschrocken an. Also sie war manchmal ein wenig schwermütig, fühlte sich leer und ausgelaugt, aber sie hatte sich nie bedroht davon gefühlt. „Soll ich diese Kraft dann überhaupt anwenden?“ Die Alte senkte bedächtig den grauen Schopf. „Nun, sie ist ein Teil von dir, der in dir schlummert. Und sie wäre mächtig, könnte dir in mancher Not das Leben retten. Außerdem solltest du sie unbedingt beherrschen lernen.“

Kaika seufzte. „Das würde ich gerne. Würdet Ihr mir dabei helfen?“ Die Weise nickte bedächtig. So erfuhr das junge Mädchen über die vielen Möglichkeiten sich aufzulösen, zu verschwinden, unsichtbar zu werden, wobei sie als Feuerdämonin es auf ihre Art tat. Sie wurde auf Anleitung der alten Frau ein flackerndes Irrlicht, eine in silberne Flammen umhüllte, am Schluss völlig durchsichtige Gestalt, die kaum mehr zu sehen war und die auch keine irdische Waffe mehr treffen konnte. Da hatte die Person, die ihr ihren Namen gegeben hatte, wohl mehr gewusst als sie selbst. Denn Kaika bedeutete ‚flackerndes Irrlicht’. Viel konnte die ehrwürdige Weise ihr in der kurzen Zeit nicht beibringen, aber sie gab ihr Aufgaben und Übungen mit, die sie regelmäßig machen konnte. Und sie lud sie ein, in einem Jahr wieder bei ihr vorbei zu schauen und ihre die neu erlernten Fähigkeiten zu zeigen und neue zu üben. Zurückhaltend sollte sie mit diesen Fähigkeiten umgehen, sie nicht zu sehr benutzen und sie auch nicht als Waffe gegen einen Feind zu verwenden. Das würde sie erst viel später erlernen.
 

Kaika wusste nicht wie viel Zeit vergangen war. Ihr kam es vor als wären Stunden vergangen, aber die Sonne war nicht sehr viel weiter vorgerückt, als sie wieder aus dem Zelt trat. Sie hatte sich ausgiebig bei den Weisen bedankt, die keinen Lohn annehmen wollte für ihre Hilfe. „Sei vorsichtig, nutze die Macht nie zu lange!“, warnte sie sie extra nochmals, bevor Kaika das Zelt verlassen hatte. Als sie sich umdrehte, schien das Zelt wieder verschwunden zu sein. Nur ab und zu konnte sie noch die Silhouette erahnen, wenn der Wind kräftig wehte und das Sonnenlicht ein wenig durch die Äste drang.

Schnell machte sie sich auf den Weg zu ihrer Freundin, der sie von dem seltsamen Treffen berichten wollte. Sie war froh wieder in der wärmenden Sonne zu stehen, wo alles deutlich zu sehen war und es keine gruseligen alten Frauen gab, die sie so seltsam ansahen. Immerhin hatte die Alte ihr sehr freundlich geholfen. Wer weiß, vielleicht konnte sie ja was von diesem Irrlichtzeug mal verwenden. Sie sollte nicht ahnen, wie schnell das sein würde.



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