a-Side
Manchmal frage ich mich, ob ich nicht doch in einem schlechten Liebesroman gelandet bin. Jedenfalls kenne ich solche abstrusen Launen des Schicksals nur aus billigen 08/15 Geschichten. Ein – wie es scheint – füreinander bestimmtes Paar findet zueinander und verbringt eine harmonische Zeit zusammen. Sie meinen, das Glück der Welt läge ihnen zu Füßen, bis der Wink des Schicksals zuschlägt. Ein Unfall, in seiner tragischsten Form, und unendliches Leid und Schmerz für beide Partner.
Nun gut. Ich mag nun weder übertreiben, noch vom Thema abkommen. Es war nun kein höchstdramatischer Unfall. Eher eine Folge unvermeidlicher Missgeschicke. Doch das Resultat… es regt mich schon zum Nachdenken an, wie das menschliche Gehirn einen – wenn vielleicht auch kurzen – Lebensabschnitt einfach ausblenden kann. Oder eben auch eine gesamte Person. Gut, er hat mich nicht komplett vergessen. Seine Erinnerungen hängen nur an unserem ersten Treffen fest.
„Ah, Haruka!“
Kein Haru-chan.
Nicht einmal ein neckisches Ha-chan.
Dennoch ist deine Begrüßung wie gewohnt freudig. Da du immer noch im Krankenhaus verweilen musst, komme ich dich so gut wie jeden Tag besuchen.
Es war schon irritierend für mich, meine anfänglichen Besuche immer rechtfertigen zu müssen. Wohl konntest du meine Sorge um dich nicht nachvollziehen.
„Geht es Ihnen schon besser, Daigo-san?“
Daigo-san…
Diese höflichen Floskeln… Eigentlich hatte ich die schon vor sehr langer Zeit ablegen können. War es bei unserem Treffen nach Malvenfroh City? Mir scheint es so, doch daran erinnerst du dich ja nun nicht mehr.
Yuuki-kun, Mikuri-san und selbst dein Vater haben mich schon darauf angesprochen, warum wir das Wagnis nicht eingehen und dich mit dem Vergessenen konfrontieren. Doch ich bin und bleibe immer strikt dagegen. Ich will, dass du die Erinnerungen von selbst wiederbekommst. Quasi, dass du die Gefühle auf ein Neues wieder entdeckst und zu ihnen stehst. Denn wenn unsere gemeinsame Zeit wirklich von Bedeutung war, dann wirst du auch wieder von selbst die Erinnerung erlangen.
Heh, was für ein kitschiger Gedanke. Aber wie bereits erwähnt, fühle ich mich in einen schlechten Roman versetzt. Da ist ein solcher Gedanke durchaus passend.
„Daigo, mein Kumpel!“ Ein Lächeln wie eh und je umgab Mikuris Lippen. Er mochte es nicht, in einem solchen Etablissement eine erdrückende Laune zu verbreiten.
„So wie ich dich kenne, hast du dich nun sicher an etwas erinnern können, richtig?“
Der Wasser-Pokémon Trainer gab seine Hoffnung nicht auf, erntete aber wieder ein Kopfschütteln als Antwort.
„Sag mir, Mikuri…“ Daigos Gesicht spiegelte eine gewisse Traurigkeit wider. Blickte man genau hin, konnte man die Verzweiflung erkennen. „Habe ich etwas Wichtiges vergessen?“
Mikuri zögerte mit seiner Antwort, kämpfte regelrecht mit sich selbst um herauszufinden, was nun die beste Lösung wäre. Er gab sich den Ruck und hörte auf sein Gefühl, die Wahrheit zu sagen: „Das Mädchen, das du vom ganzen Herzen liebtest.“
Die Antwort verpasste Daigo eine eiskalte Dusche und sofort bildeten sich noch mehr Fragen in seinem Kopf: „Wer… wer ist sie? Und warum-?“
„Es ist wohl ihre Art, sich dem Schicksal entgegenzustellen und diese Herausforderung anzunehmen.“ Betrübt wandte sich Mikuri ab und marschierte langsamen Schrittes Richtung Tür. Er wollte seinen Freund für einen Moment alleine lassen, um ihn seine Gedanken ordnen zu lassen.
„Denk für einen Moment in Ruhe nach. So schwer ist des Rätsels Lösung nicht.“
Die Tür des Krankenzimmers wurde von außen geschlossen und Daigo befand sich tief im Gedanken. Wenn er es genau nahm, dann konnte nur eine Person in Frage kommen.
„Das kleine Mädchen? Warum… gerade sie?“
