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Chalk 'n Cheese

Wenn man das Unerkannte entdeckt
von

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Nicht er

Und dann wurde sie endlich sanft behandelt und spürte einen warmen Atem an ihrem Gesicht. Ihre Augen waren vor Schock geschlossen, sie war wie gelähmt. Sie wollte ihren Tot nicht miterleben,

sich nicht dagegen wehren und wusste, jeden Moment würde sie ganz entschlafen ...

Das nächste, was sie sah, war rein nichts. Doch sie war am Leben. Sie spürte ihren Körper. Sie wusste, dass sie denken konnte und existierte. Der Untergrund war wunderbar weich und warm.

Ein Bett? Schwankend stand sie auf und tastete sich vorwärts. Sie erreichte einen Knauf und zog daran - eine Tür. Sie war schon mal hier gewesen. Doch sie erkannte nicht, wo genau sie sich befand.

Wacklig ging sie aufs Treppengeländer zu und als sie merkte, dass ihr schwindelig wurde, krallte sie sich daran fest, bevor sie herabsank.

"Urg ..." Ihr war schlecht, weil sich alles drehte und nicht aufhören wollte.
 

Nach etwa 5 Minuten machte sie den Versuch und öffnete ihre Augen. Der Schwindel war soweit abgeklungen und sie stand langsam auf und ging die Treppen hinunter.

Im Foyer angekommen wankte sie auf die Türe zu und wollte sie öffnen. Doch sie bewegte sich nicht. Panik stieg in ihr hoch. Man hatte sie als Geisel genommen!

Sie war zumindest eingeschlossen an einem Ort, den sie nicht kannte.

"Geh besser nicht heraus."

Emily erstarrte. Die Stimme kannte sie doch und nach ein paar Sekunden hoffte sie, demjenigen, an den sie dachte, würde die Stimme wirklich gehören.

Und tatsächlich - Christopher kam aus dem Wohnzimmer auf sie zu. Allerdings sehr langsam.

Sie wollte etwas sagen, aber ihr stiegen nur die Tränen in die Augen, doch sie wusste nicht warum.
 

Christopher stand nun vor ihr und sah sie mitleidig an.

"Hab keine Angst, hier passiert dir nichts." Dann trafen die Erinnerungen Emily wie ein Schlag - Robin, die Flucht, der Schmerz ...

"Was ist er?", fragte sie ihn angsterfüllt und begann zu zittern.

"Psscht", machte er und drückte sie leicht an sich.

"Dasselbe wie du - jetzt."

Emily riss ihre Augen auf. Vor Schock konnte sie nicht sprechen. War sie etwa das, was sie dachte ...? Das war unmöglich. Keine Chance.

Sie kicherte unbelustigt. "Sehr witzig." Und riss sich von ihm los. Ihr Gesichtsausdruck war bitterernst und dennoch ängstlich.

Christopher ließ den Kopf hängen. "Es tut mir so leid. Ich kam zu spät ..."

Er ballte die Fäuste und biss sich auf die Lippe.
 

Ein eisiger Schauer lief Emily den Rücken hinunter. Sie war ein Vampir geworden. Ohne, dass sie groß etwas davon mitbekommen hatte.
 

"Nein!", schrie sie und riss die Haustür auf.

"Emily! Nicht!" Christopher bekam sie am Handgelenk zu fassen, doch schrak sofort zurück.

Sie lief die Treppen hinunter ins Freie und blieb stehen. Sie verdampfte nicht. Ihr tat auch nichts weh. Erstaunt blickte sie sich um.

Christopher stand nur auf dem Treppenabsatz und sah sie misstrauisch an.

Emily ging wieder zu ihm zurück und sah ihn prüfend an.

"Ich verstehe das ni- Ah!" Er wollte sie am Hals berühren, wo deutlich Robins Bissspuren zu sehen waren, doch das Sonnenlicht, das am Ende des Tages doch noch herausgekommen war, ließ seine Hand wieder zurückschrecken.

"Christopher ..."

"Nein, vergiss es, es ist nichts. Ich habe noch zu tun. Geh besser nach Hause. Und mach dir keine Sorgen wegen Robin. Ich habe ihn in die Schranken gewiesen."

"Aber was ist nun mit mir? Er ist ein ... Vampir, oder?"
 

"Du scheinst unversehrt. Geh bitte. Und komm nie wieder hierher." Die letzten Worte waren fast wie ein Knurren herübergekommen und Emily schrak zurück.

"Ich erzähle es niemandem!", versicherte sie ihm, doch er hatte sich schon wieder zum Gehen umgedreht.

"Deine Sachen sind noch im Schulspind. Geh jetzt."

Emily stand reglos da.

"Verschwinde!", rief Christopher und verjagte sie schließlich. Sie rannte so schnell wie möglich nach Hause und ignorierte das wiederkehrende Schwindelgefühl.
 

Die Nacht war so unruhig wie nie. Sie träumte von Vampiren ... Christopher lächelte sie so charmant an, wie sie es nie bei ihm gesehen hatte und kam ihr näher.

Doch dann fletschte er seine Reißzähne und biss sie in die Hand. An der Stelle wachte sie japsend auf und fühlte, dass sie schweißgebadet war. Sie schüttelte widerstrebend ihren Kopf, stand auf, wusch sich ihr Gesicht und schnappte dann am Fenster etwas kühle Luft.

Der gestrige Tag war sicher ein Albtraum, der nie geschehen war.

Nach kurzer Zeit Überlegen, ging sie zum Spiegel in ihrem Zimmer und besah sich ihren Hals. Es war nichts zu sehen. Sie atmete erleichtert aus, doch etwas stimmte trotzdem nicht.

Ihre Erinnerungen waren so wirr, dass sie nicht wusste, welcher Tag überhaupt gewesen war und was sie gemacht hatte.

Seufzend kauerte sie sich aufs Bett und hörte ihrem nun wieder beruhigten Pulsschlag zu. Am Himmel leuchtete ein fast voller Mond. Friedlich lag der Stadtrand im Schlaf. Kein Wunder um 2.30 Uhr nachts.

Sie versuchte, erneut einzuschlafen und schaffte es sogar.

Die beiden letzten Wochentage vergingen sehr langsam. Das Wochenende stand somit endlich vor der Tür. Emily verbrachte in der Schule jede freie Minute mit Freunden und Klassenkameraden, um nicht allein zu sein. Christopher kam diese Tage nicht zur Schule.

Sie war wohl wirklich nicht zum Vampir mutiert. Klein Blutdurst, keine Sonnenscheu. Also war es wohl wirklich alles nur ein Traum gewesen. Mit diesem Gedanken konnte sie leichter durch den Alltag gehen,

bis der Lehrer sie am Freitag Nachmittag nach der letzten Stunde zu sich rief. Nichtsahnend ging sie mit einem freundlichen "Ja?" auf ihn zu. Er packte ihr einen Stapel Blätter in eine Hülle.

"Könntest du die bitte Mr. Stone vorbeibringen? Er hat ja die Woche über fast ganz gefehlt und sollte nichts vom Unterricht verpassen."

Diese Bitte riss ihr fast die Beine vom Boden weg. Aber noch mehr schockierte sie, dass sie sich neben ihrer Panik auch zu freuen schien, ihn sehen zu können. Mit sehr gemischten Gefühlen willigte sie ein und machte sich auf den Weg. Schneller als gewollt stand sie vor seinem Haus und betrachtete es widerwillig.

Dann drückte sie gegen das eiserne Tor, doch es ließ sich nicht so einfach aufdrücken, wie beim ersten Mal. Sie versuchte es abermals, doch es rührte sich nicht.
 

Sie wollte schon aufgeben und motzte leise vor sich hin, als sie ein entferntes Schreien hörte. Es kam aus dem Haus und gehörte eindeutig Christopher. Sie stürmte abermals zum Tor und wünschte,

sie hätte sich diesen schmerzvollen Schrei nur eingebildet. Doch dann ertönte es abermals und brach schnell wieder ab.

Sie rüttelte panisch am Tor und bekam es schließlich mit einem Ruck auf. 'Geht doch', dachte sie und stürmte zum Haus, dessen Türen ebenfalls verschlossen waren.

Wieder ein Schrei. Diesmal hörte sie ihn deutlicher. Er war schmerzerfüllt und beinhaltete gleichzeitig Hass.

"Christopher!?", rief Emily verzweifelt.

'Du dumme Tür, geh doch auf!' Und sie stolperte beinahe in das Haus hinein. Angespannt lauschte sie im Foyer nach Christopher und ein Keuchen aus dem Obergeschoss ließ sie herumfahren.

Christopher lehnte mit nacktem Oberkörper und verkrampft am Geländer.

"Was willst du hier?", presste er knurrend hervor.

Emily sah ihn geschockt an. "Du hast geschrien und -" "Geh! Geh einfach wieder. Es ist nichts ..." Doch er sank am Geländer zusammen und verharrte schnaubend.

"Dir geht's doch nicht gut. Ich rufe einen Arzt!" Emily zückte ihr Handy und wollte die Treppen hinaufgehen. "Wag es dich ja nicht!", zischte er atemlos.

Emily blieb erschaudernd auf der Treppe stehen. "Geh einfach wieder." Er schleppte sich schlaff in ein Zimmer, kam aber nur bis kurz über die Schwelle und krümmte sich keuchend.
 

Sie dachte nicht weiter nach und kam zu ihm gerannt. Als sie ihn gerade berühren wollte, hätte er sie fast mit seiner flachen Hand erwischt. "Was hab ich dir gesagt?", knurrte er, sah sie jedoch nicht an.

"Aber du bist total von der Rolle. So lass ich dich nicht allein! Hat Robin dir etwas angetan!?" Sie beharrte auf eine Antwort.

Er krabbelte beinahe weiter nach vorn und hielt sich Nase und Mund zu. "Ist dir schlecht? Brauchst du Medizin? Ist es wegen deiner Allergie?", fragte Emily weiter mit besorgter Stimme.

Christopher antwortete nicht mehr, bis er das offene Fenster erreichte und mehrere, tiefe Züge Luft schnappte.

Emily schwieg und ging auf ihn zu.

"Kapierst du es denn nicht, Emily? Lass mich endlich zufrieden. Du machst es nur noch schlimmer. Ich kann kaum atmen!" Er versuchte, ruhig zu klingen.

Sie war verunsichert. "Was habe ich denn getan? Ich will dir doch nur helfen. Sag mir, was ich tun kann."

"Unmöglich", lachte er abschätzig und sah sie immer noch nicht an.

"Ach was. Sag mir einfach, was du brauchst. Ich möchte dir helfen, unbedingt."

"Du willst mir wirklich helfen? Und nicht davonlaufen, um dich in Sicherheit zu bringen? Dummer Mensch ..."

Bevor sie auch nur eine dunkle Vorahnung fassen konnte, sah sie seine leuchtend roten Augen in der Dunkelheit glühen, als er seinen Kopf langsam in ihre Richtung drehte.

Sie erstarrte vor Schock, doch war irgendwie darauf gefasst gewesen, dass ihr Alptraum doch keiner war und Christopher mit darin verwickelt war.

"Nein, will ich nicht", sagte sie mit erstaunlich fester Stimme, doch wagte es nicht, sich zu bewegen.

Christophers Miene wurde unwirsch; mit so einer Antwort hatte er nicht gerechnet. Doch er ließ sich seine Überraschtheit nicht anmerken und war im nächsten Augenblick vor ihrem Gesicht.

Sein heißer Atem vermischte sich mit ihrem und ihr Herz pochte bis zum Hals. Sie musste schlucken. Er legte seine eiskalten Hände auf ihre glühenden Wangen und sein Gesicht wurde wieder weicher,

seine leuchtenden Augen schwächten ab.

Er seufzte und lächelte leicht. "Ich kann es nicht ... nicht dich." Sie sah, dass er sich absolut beherrschen musste.

"A-also bist du auch ein ..." Sie traute sich nicht, das Wort auszusprechen und Fakten zu erhalten. Er nickte nur kurz und stand abrupt auf, was ihn direkt wieder taumeln ließ.

Er lehnte sich gegen die Tür und fasste sich an die Stirn.

"Und was willst du jetzt machen?", fragte Emily und stand auch auf.

"Keine Ahnung. Weiter leiden. Deswegen wollte ich dich auch nicht an Vollmond hierhaben. Da sind wir immer besonders ... durstig." Er grinste abschätzig.

"Aber wie überstehst du das?", bohrte sie weiter nach.

"Indem ich trinke." Seine Augen blitzten bei der Antwort auf und hefteten sich auf Emily. Die war wieder wie erstarrt, doch kam plötzlich auf ihn zu und drückte eine Hand auf seine kalte Brust.

Mit der anderen Hand schob sie ihre Haare in den Nacken und sah ihn unsicher an. Er erkannte natürlich, was sie machen wollte und stieß sich von Emily weg zum Bett.

"Wie kannst du nur-!?", knurrte er laut.

"Aber ich will dir helfen!", sagte sie schnell und kam wieder auf ihn zu.

"Nein, ich will nicht, dass du auch solch ein Monster wirst!" Er hielt sich wieder Nase und Mund zu.

"Aber Robin konnte mich auch nicht verwandeln! Kann ich nicht immun sein!? Bitte - ich will dir helfen!", flehte sie.
 

Christopher wurde ruhiger. "Du kennst mich doch kaum und willst mir trotzdem helfen." "Und, dass du niemand anderen umbringst, wenn ich auch nicht dran sterbe, aber auch nicht verwandelt werde."

"Aber wir kennen uns doch kaum", widersprach er.

"Ich weiß. Ich bin nicht dumm. Aber ... irgendwie faszinierst du mich, Christopher. Nicht auf DIE Art und Weise ... ich kann's nicht genau sagen", gab sie verwirrt zu.

"Mir geht es genauso", gab er ebenfalls zu. "Deswegen will ich dir auch nicht wehtun." Er drehte sich wieder zum Fenster um und atmete tief ein und aus.

Plötzlich schlang Emily die Arme um ihn und drückte sich leicht an seinen Körper.

"Ich will aber nicht, dass du leidest! Und so weh tut es gar nicht." Sie sprach beruhigend auf ihn ein.

"Emily ... wenn du doch zum Vampir werden würdest, will ich das nicht zu verantworten haben", lenkte er wieder ein und befreite sich aus ihrem Griff. Doch er kam nur ein paar Meter bis zur Türschwelle

und sackte wieder in sich zusammen.

Emily wurde langsam wütend und stürmte auf ihn zu. "Christopher!" Er sah sie kraftlos an.

Sie strich wieder ihre Haare aus dem Nacken und beugte sich zu ihm hinunter. "Bitte ...", flehte sie abermals und dann spürte sie den heißen Atem und eine heiße Flüssigkeit ihren Hals hinunterlaufen.

Es tat nicht weh. Der Schmerz blieb aus, den sie erwartet hatte wie bei Robin.

Christopher war so sanft, er konnte gar kein Monster sein. Sie hatte ihn fest an sich gedrückt, doch ihr Griff wurde lockerer; sie fühlte sich zunehmend schwächer.

Als Christopher das bemerkte, hörte er sofort auf, sie auszusaugen und hielt sie fest an sich gedrückt. Er leckte sich das Blut von seinen Lippen und wurde sofort von Schuldgefühlen überrannt.

"Es tut mir so leid, Emily ..." Hatte sie etwa ein Schluchzen gehört?

Sie lächelte und hatte die Augen geschlossen. "Ich wollte es so. Es hat auch nicht wehgetan, keine Sorge."

Sie blieben weiter aneinander geschmiegt im Türrahmen sitzen und es wurde still.

"Verführ mich nicht nochmal so." Er hatte wieder Kraft gesammelt und erhob sich mit ihr im Arm. "Versprich es mir."

Sie sah ihn nicht an und schüttelte den Kopf. "Kann ich nicht. Ich will dich nicht leiden sehen."

"Ich dich auch nicht, Emily!" Er berührte die Bisswunde und sie zuckte vor Schreck etwas auf.

"Bitte, versprich es mir", sagte er nochmals eindringlich. Sie seufzte und nickte schließlich.

Er trug sie hinunter ins Wohnzimmer auf die Couch und ging in die Küche, holte Sandwiches und Getränke sowie einen Verbandskasten.

Emily war noch nicht wieder zu Kräften gekommen, als Christopher sie verband. Erst, als sie ein paar Bissen gegessen und etwas getrunken hatte, wurde sie wieder klarer im Kopf.

"Was ist mit Robin?", fragte sie dann. Christopher hatte sie die ganze Zeit nur schweigend beobachtet.

"Er ist nicht hier. An Vollmond jagt er immer außerhalb der Stadt und meist auch im Ausland."

Emily blieb der Bissen beinahe im Hals stecken. Das Wort 'jagen' war in dem Moment so absurd ... es ging um Menschenleben. Die schaltete er mit einem Biss aus. Panik kroch in ihr hoch.

Jetzt erst wurde ihr bewusst, in welcher Gefahr sie sich befunden hatte. Aber aus unerfindlichen Gründen war sie wohl immun gegen Vampirbisse. Sie spürte nichts außer anämischem Schwindel. Zum Glück.

Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte sie ihm vielleicht nicht ihr Blut angeboten...

„Wie fühlst du dich?“, fragte er sie mit besorgter Miene.

„Uhm, es geht langsam wieder!“, lächelte sie beruhigend und formte ein Peace-Zeichen.

Christopher lächelte sie erleichtert an. „Es darf wirklich nicht mehr zu so etwas kommen, Emily.“

Sie genoss den Klang ihres Namens aus seinem Mund … es klang wie eine Droge, die versuchte, sie mit sich zu reißen und nie mehr loszulassen. Sie betrachtete seine Lippen. Sie waren wunderschön, so rötlich und dennoch weich wie Samt. Und sie passten zu seiner etwas bleicheren Hautfarbe. Etwa wie ein männliches Schneewittchen, aber mit männlichem Stolz.

„Emily?“

Sie schreckte aus ihrer Hypnose auf.

„Jaja“, sagte sie schnell. „Schon klar.“
 

Christopher stand auf und ging an ihr vorbei. Ihr fiel sein leichter, aber bestimmter Gang auf. Nicht so schlurfend wie bei den anderen Jungs, einfach eleganter. Wo er wohl wieder hinging?

Doch sie konnte nicht weiterdenken, da ihr langsam die Augen zufielen. Es war wohl doch mehr als anämischer Schwindel. Langsam nickte sie auf dem Sofa ein und sie rollte sich gemütlich zusammen. Sie fühlte sich hier sicher, obwohl sie mit einem blutrünstigen Vampir in einem Haus war. Aber er tat ihr nicht weh, dessen war sie sich seltsam sicher. Und dann war sie in der Luft und spürte warme, angenehme Luft um sich herum. Sie sah sich um, doch sie sah nur helles Blau um sich herum und dunkleres unter sich.

Sie fragte sich nicht, warum sie dort war. Aber es gefiel ihr.

Dann roch sie etwas … das kam ihr doch bekannt vor. Ein angenehmer Geruch, nach … es war undefinierbar, aber es roch nach Christopher. Sie wusste nicht, weshalb sie seinen Geruch kannte, aber es war eindeutig seiner.

„Emily.“

Seine Stimme klang schmerzlich. Erschrocken drehte sie sich um und sah ihn vor sich. Sie musste hochschauen. Er schwebte ebenfalls und sein Mund war blutverschmiert.

„Was hast du getan?“ Doch er sah sie nur weiter schweigend an. Dann spürte sie, dass etwas warmes ihren Hals hinunterlief und sie fasste sich schützend an ihren Nacken. Er hatte ihr Blut getrunken. Plötzlich öffnete er seinen Mund zum Sprechen und sie sah seine Fangzähne.

„Emily … ich darf dir nicht wehtun.“

„Dann lass es doch“, entgegnete sie mürrisch.

„Wir dürfen es nicht machen.“ Er klang, als wolle er sie nie wiedersehen und ihr Herz begann schmerzlich zu Pochen.

„Ok. Wir finden schon einen andere Weg“, sprach sie beruhigend, doch ein Flehen lag gleichzeitig in ihrer Stimme.

Und Christopher begann zu entschwinden. „Es ist nicht gut, wenn wir uns begegnen.“ Er lächelte sanft, aber traurig.

„Was soll das heißen?“ Emily erschrak über sein Verschwinden und wollte ihm nachlaufen, doch sie kam nicht von der Stelle.

„Es ist nicht gut“, wiederholte er und verschwand immer weiter im blauen Nichts.

„Christopher! Bleib hier!“, schrie sie verzweifelt und griff in die Leere. Sie blinzelte. Es war nur ein Traum gewesen. Doch wo war sie? Ihr Bett, ihr Zimmer. War sie nach Hause gegangen!? Aber … wann und wieso? Sie war doch bei Christopher Zuhause gewesen. Oder etwa nicht?

Schnell fasste sie sich an den Hals und … da war nichts. Kein Pflaster, keine Bissspuren.

„Nein!“ Mit einem Satz sprang sie aus dem Bett und lief mit entsetztem Gesicht vor den Spiegel, um noch einmal nachzuschauen. Doch auch sichtbar war nichts dergleichen. Ihre Schuhe und ihre Tasche standen wie immer an dem Platz, wo sie sie Mittags nach der Schule hinlegte. Sie hatte ein langes Nachtshirt an und sah dann auf die Uhr. Es war 10 Uhr morgens. Die Sonne ging gerade auf und es war Samstag. Völlig verwirrt öffnete sie die Zimmertür und lauschte in die stille Wohnung. Ihre Eltern waren zusammen einkaufen, wie jeden Samstag.

Emily ging duschen und ihre Gedanken kreisten nur um den gestrigen Abend. Oder was sie dachte, das passiert wäre. Wieso war sie so unentschlossen? Sie konnte jetzt noch seinen heißen Atem auf ihrer Haut spüren und das Gefühl, als ihr eigenes, warmes Blut ihr über den Hals gelaufen war bis zum Schlüsselbein. Sie hatte ihn beobachtet, an seinen Lippen gehangen und seinen Gang analysiert. Das war unmöglich alles nur erträumt!

Doch sie traute sich auch nicht, zu ihm zu gehen. Er wohnte nur ein paar Straßen entfernt von ihr.

Aber allein die Vorstellung, es wäre alles nur Betrug gewesen, fraß ein Loch in ihr Herz. Was, wenn er wie in ihrem Traum auf einmal verschwunden wäre, ohne sie zu verabschieden? Aber nur um sie vor sich zu schützen, wäre kein Grund. Sie war ja immun gegen ihn.

Geistesabwesend schüttelte sie die Gedanken fort und kam dampfend aus dem Bad. Das Wochenende hatte sie mit Lernen verplant und hoffte, die Zeit würde schnell vorbeigehen, damit sie am Montag hoffentlich ihn wiedersehen könnte.

Doch als sie die Zimmertür öffnete, bekam sie eine Antwort, die sie nicht erwartet hätte.

„Guten morgen.“ Christopher lag ausgestreckt auf ihrem Bett und sonnte sich. Sie war wie versteinert und ihr klappte der Mund auf.

Er neigte seinen Kopf und begann zu grinsen. „Du musst dich doch nicht so schick machen – extra für mich“ – und zwinkerte ihr zu. Sie wurde wieder klar im Kopf. „ …?“

Mit einem Knall zog sie ihre Zimmertür ins Schloss und lief ins Schlafzimmer ihrer Eltern.

Er war da! Hier, in ihrer Wohnung!! Er existierte wirklich … Schnell zog sie sich Klamotten ihrer Mutter über, die glücklicherweise dieselbe Kleidergröße hatte und kam dann zögernd zu ihrem Zimmer zurück. Ob er noch da war nach ihrer Reaktion von eben?

Vorsichtig drückte sie die Klinke herunter und spähte mit einem Auge hinein. Doch da war niemand. Sie öffnete die Türe ganz. Leer. Was war denn nun wieder los? Hatte sie jetzt sprechende Halluzinationen!?

Enttäuscht ging sie zum Fenster und zuckte zusammen, als sie die Tür ins Schloss fallen hörte und ihn vor sich sah, als sie sich umdrehte.

„Aber sonst geht’s, ja?“, blaffte sie ihn an und drehte sich wieder schmollend zum Fenster um.

„Was ist denn? Geht’s dir nicht gut?“ Er tänzelte um sie herum und sah sie missverstanden an. „Bist du noch nicht wieder fit von gestern?“

Sie wurde rot. Sie hatte sich erholt. Aber nicht von ihm. Im Gegenteil.

„Doch, alles prima.“ Sie drehte sich ruckartig um und er blieb endlich still stehen und reckte sich wieder normal.

„Super.“ „Mh-hm.“

„Warum kannst du in der Sonne sein?“, fiel ihr mit einem Mal ein und sie wollte ihn vom Fenster wegschieben, doch er berührte ihre Hände sanft. „Wenn ich aufgeladen bin, geht es für ein paar Tage. Dank dir.“

Wow. Sie war von seinem sanften Lächeln überwältigt. Doch sein Gesicht wurde wieder normal und er löste sich aus ihrer Berührung. „Deine Eltern kommen gerade wieder.“ Sie sah ihn fragend an, da sie nichts gehört hatte in der Wohnung.

„Bis später oder so.“ Und mit einem Satz war er aus ihrem Fenster entschwunden. Sie keuchte auf, doch erinnerte sich daran, dass Vampire wohl so oder so übermenschlich waren und ihm der Sprung aus der 3. Etage wohl nicht viel gemacht hatte. Wie war er sonst in ihr Zimmer gelangt?

Kopfschüttelnd ging sie ihren Eltern entgegen.

„Morgen, Schatz.“ Ihre Mutter umarmte sie strahlend. „Morgen Mama, morgen Papa.“

Ihr Vater lächelte sie sanft an.

Eltern waren schon etwas tolles. Besonders, wenn sie einmal NICHT geschieden waren wie bei so vielen Familien. Es war schlimm genug, dass man sich stritt, aber wegen nichtigen Dingen aufzugeben, war noch erbärmlicher und zeigte, dass man es nicht ernst miteinander gemeint hatte.

Das Eheversprechen sollte andersherum lauten. Nicht ‚In guten wie in schlechten Tagen‘. Die schlechten überwiegen oftmals und sind daher viel wichtiger zu überstehen.

„Warum trägst du eigentlich meine Sachen? Hast du nichts mehr im Schrank?“, fragte ihre Mutter plötzlich, als sie den Salatkopf aus dem Korb holte und sich Emily genauer besah.

„Öhm … ich mag das Oberteil eben!“, konterte sie hastig. Doch ihre Mutter schien nicht überzeugt. „Und die Jeans auch, ja? Und die Socken?“

„… Ja“, sagte sie übertrieben und fügte dann schnell hinzu: „Ich bin dann mal weg, treffe mich noch mit wem.“

Sofort war die Stimme ihres Vaters zu hören. „Ein Junge?“ Er klang neugierig.

Emily zuckte zusammen und seufzte genervt. „Oh mein Gott! Ja. Ein männliches Wesen“, sagte sie gequält und spielte beleidigt. War es so unnatürlich, sich mit dem anderen Geschlecht zu treffen?

„Wie heißt er? Kennen wir ihn?“, wollte ihre Mutter wissen und versuchte, so beiläufig wie möglich zu klingen.

„Keine Ahnung. Er wohnt hier in der Nähe. Christopher heißt er, Christopher Stone.“

Dann wurde es still. Weder Mutter noch Vater regten sich besonders.

Emily bemerkte die gespannte Stimmung. „Ist was?“

Da tauchte ihr Vater hinter ihr auf. „Den triffst du bitte nicht mehr, Emily.

Wir gönnen dir jeden, aber nicht ihn.“

„Was?“ Emily musste der Schreck und die Widerspenstigkeit im Gesicht stehen, denn ihr Vater wurde ungehaltener.

„Dieser Familie darfst du nicht zu nahe kommen, hörst du? Sie werden von allen aus diesem Viertel gemieden. Weißt du nicht, was damals passiert ist? Habt ihr das nicht in der Schule durchgenommen?“

Emily schüttelte langsam den Kopf und sah verwirrt drein.

„Emily …“ Ihre Mutter kam jetzt auf sie zu. „Vor 10 Jahren etwa … hat dort ein Blutbad ohne Gleichen stattgefunden. Der Vater ist ausgerastet und hat seine Frau umgebracht. Und - laut Zeitungsberichten -auch die beiden Söhne. Aber sie wurden manchmal gesehen. Man glaubt, sie seien …“

Emily musste schlucken. Wusste man etwa Bescheid?

Ihr Vater ergriff wieder das Wort. „Man glaubt, sie seien böse Geister. Dämonen, Zombies, was auch immer. Aber sie unterstreichen ihr Verhalten auch extrem durch ihr seltsames Gehabe. Wenn man sie einmal sieht, gehen sie nicht sondern … beamen sich beinahe. In den näheren Convinis sieht man sie auch nie. Und sie gehen nur Nachts heraus. Fast wie … Vampire.“ Er beendete seine Rede leiser als anfangs.

Emily steckte ein großer Klos im Hals, doch sie musste ihre Eltern unbedingt davon überzeugen, dass das keinesfalls stimmte. Zumindest oberflächlich.

Sie zwang sich zu einem abschätzigen Grinsen.

„Ihr übertreibt, echt. Erstens sind die beiden Brüder wohlauf. Zweitens kommt Christopher immer zur Schule, wenn es nicht gerade sonnig ist, denn drittens hat er eine Sonnenallergie. Viertens erklärt das auch, warum man ihn nur Nachts sieht. Und sein Bruder ist der seltsamere von beiden, aber auch … nett.“ Sie zwang sich zu einem beschwichtigenden Lächeln und sah ihren Eltern in die Augen.

„Vergiss es, Emily.“ Ihr Vater drehte sich um und seine Stimme klang aufgebracht.

„Du weißt nicht, was du da sagst. Du wirst diesen Typen nicht wiedersehen. In der Schule reicht es schon. Wenn er dir Schaden zufügen sollte -“ „Aber Papa-“

„-Weiß ich nicht, was ich machen werde.“ „Er tut mir nichts!“ „Emily!“ Sie zuckte zusammen. Ihr Vater war selten so aufgebracht und er schien es wirklich ernst zu meinen.

„Du kannst nicht über mein Leben bestimmen.“ Emily zitterte vor Wut und Angst, doch sie wollte nicht aufgeben.

„Solange du meine Tochter bist, werde ich dich vor allem Übel fernhalten, das diese Welt bevölkert. Und wenn es Monster sind!“, donnerte er und seine Augen blitzten, als er sie erneut ansah.

„Emily, versteh uns bitte. Du hättest ihn gar nicht kennenlernen dürfen. Normalerweise hat er Privatunterricht Zuhause.“

„Aber er ist nicht schlimm! Ihr kennt ihn doch gar nicht!“, flehte sie.

Ihre Mutter schüttelte mit dem Kopf. „Wir kannten ihre Eltern nur zu gut. Und das war schon genug, um uns künftig von ihnen fernzuhalten.“

Was sollte das …? Artete diese Situation in eine Romeo-Julia-Show aus!? Wo waren die Demokratie und die Menschenrechte hin?

„Aber … ich mag ihn.“ Sie sah gen Boden und merkte, wie sie rot wurde und ihr Tränen der Verständnislosigkeit in die Augen schossen.

„Emily. Bitte.“ Ihr Vater legte ihr eine Hand auf die Schulter. Er klang fast schon mitleidig.

„Wir wollen nur dein Bestes, glaub uns. All die Jahre haben wir auf deinen ersten Freund gewartet und mit gefiebert, wenn du von deinen Freunden geredet hast. Aber wir haben doch nicht erwartet, dass gerade ER es sein würde. Finde einen anderen, aber nicht ihn. Bitte, Emily.“

Was sollte sie machen? Sie wollte ihre Eltern nicht enttäuschen und vielleicht würde er sie irgendwann wirklich noch verletzen. Es musste doch noch genug andere Jungs zum Verlieben geben! Dabei wusste sie auch nicht mal, was genau sie für Christopher empfand. Er interessierte sie einfach auf eine spezielle Art und Weise. Aber mehr auch wieder nicht … oder?

Sie nickte schließlich. „Gut. Ich … lass es gut sein. Ich bin schließlich nicht in ihn verliebt. Er ist eben nur nett, wirklich. Mehr nicht.“ Sie grinste leicht und ihre Eltern schienen erleichtert.

„Hoffentlich meinst du das ernst.“ Ihr Vater klang trotzallem nicht besonders überzeugt. Sie nickte nur und schloss ihre Zimmertür hinter sich.

‚Oh je … wenn das mal kein Drama gibt. Jetzt bloß nicht verlieben! Nein, nein, nein!‘, ermahnte sie sich innerlich. Aber Gefühle konnte man eh nicht aufhalten. Entweder, sie waren da und erfreuten einen oder schmerzten. Im Moment waren sie eher schmerzhaft, doch Emily versuchte, das Gefühl zu unterdrücken. Sie wollte doch Lernen. Also ran ans Werk.

Sie holte ihren Laptop auf den Schreibtisch, schaltete den Fernseher ein und war bald in komplizierte Matheformeln vertieft, als sie aufschreckte. Es war bereits dunkel. Doch sie fühlte sich kein Stück schlauer. Jetzt erst erwischte sie sich dabei, wie sie bei Wikipedia nach Vampiren geforscht hatte und im Fernsehen eine Reportage über Dracula lief.

‚Zufälle gibt’s‘, dachte sie ironisch und schaltete beides aus, um nicht weiter daran zu denken.
 

„Schatz?“ Ihre Mutter kam herein.

„Hm?“ Emily dreht sich auf ihrem Schreibtischstuhl herum und merkte erst jetzt, wie verspannt sie vom stundenlangen Sitzen gewesen war.

„Magst du Abendessen kommen? Du hast die ganze Zeit im Zimmer gehockt.“

Sie sah Emily vorwurfsvoll an.

„Mama, ich hab Mathe gelernt!“, entgegnete sie empört.

Lachend ging ihre Mutter wieder in die Küche.

„Ist ja gut. Dann komm, sonst wird es kalt.“

„Jaja.“
 

Einschlafen war an diesem und dem darauffolgenden Abend so gut wie unmöglich. Sie drehte sich in alle möglichen Lagen und gab schließlich auf. Schnaubend setzte sie sich auf und starrte aus dem Fenster in die sternklare Nacht. Es war wie immer friedlich, nur in der Ferne war der nächtliche Straßenverkehr zu hören.

Was er wohl gerade machte? Schlafen? Oder … sie sollte wirklich nicht darüber nachdenken. Sie hatte ihren Eltern versprochen, sich nicht weiter mit ihm abzugeben und so machte sie es sich nur schwerer, diesem mysteriösen, unglaublich interessanten und gutaussehenden Wesen aus dem Weg zu gehen.

Aber wenn sie sich heimlich trafen …?

Sie schüttelte ungläubig den Kopf. Was sollte er schon von ihr wollen? Außer ihrem Blut war sie nichts wert für ihn. Sie war doch nur ein gewöhnliches Mädchen, was zufällig von seiner wahren Existenz erfahren hatte. Und jetzt war sie so leichtgläubig und erwartete sonst was? Nein, sicher nicht!

Entschlossen legte sie sich ins Bett und fiel nach einer weiteren halben Stunde endlich in einen aufwühlenden Traum.

Ihre Eltern kamen darin vor, sie kämpften. Doch sie sah nicht mit oder gegen wen.

Aber plötzlich sah sie Blut. Überall war es. Und mittendrin Christopher.



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