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Sonnenblumen

von

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Es begann mit einer Suche.

Wonach suchte man?

Man suchte die Sonnenblumen. Denn die Sonnenblumen, so hatte man festgestellt, waren wichtig. Sie waren es, die das Sonnenlicht auf die Erde lockten. Nur für sie schien die Sonne auf die Erde, denn es waren ihre Kinder, waren winzige Spiegelbilder ihrer selbst. Ja, nur um ihre Kinder zur Welt zu bringen, hatte sie einst das Leben auf der Erde erwachen lassen und nur für sie schickte die Sonne später noch immer unerlässlich ihre Energie, die auch die anderen Lebewesen so dringend brauchten.

Doch die Sonnenblumen waren verschwunden. Sie waren eines Tages einfach nicht mehr da gewesen. Hatten nur leere Flächen hinterlassen, wo einst blühende Felder gewesen waren. Nirgendwo hatte man sie finden können, auf der ganzen Welt schien es keine einzige Sonnenblume mehr zu geben.

Und so wurde es dunkel und kalt, denn die wärmenden Strahlen der Sonne wollten sie Erde nicht mehr erreichen.

Also suchte man die Sonnenblumen.

Es blieb nicht viel Zeit, denn ohne Licht kann keine Pflanze leben, ohne Pflanze kein Tier und kein Mensch. Bevor noch der Sauerstoff zur Neige ginge, würde es nichts mehr zu Essen geben. Man konnte nur von den Restbeständen leben und die würden nicht lange vorhalten. Überall auf der Welt verhungerten Menschen und Tiere, zuerst in den armen Ländern, die wenige Vorräte hatten. Doch bald fingen auch in den reichen Ländern die Menschen an, zu hungern. Und immer noch waren die Sonnenblumen nicht gefunden worden.

Dabei suchten sehr kluge Menschen nach den Sonnenblumen.

Sie versuchten sie genetisch neu zu schaffen, doch gab es nichts mehr, das an die Sonnenblumen erinnerte, nicht einmal mehr Sonnenblumenkerne, nicht einmal Sonnenblumenöl und es gelang ihnen nicht den genetischen Code zu knacken.

Und so waren immer noch keine Sonnenblumen gefunden worden.

Dabei suchten sehr mutige Menschen nach den Sonnenblumen.

Sie bestiegen hohe Gebirge auf der Suche nach grünen Hochebenen, reisten durch die nun kalte Wüste auf der Suche nach Oasen, fuhren mit ihren Schiffen durch tückische Gewässer auf der Suche nach unentdeckten Inseln – all dies in der Dunkelheit. Sie suchten nach geheimen Orten, wo vielleicht doch noch Sonnenblumen wachsen könnten. Doch es waren immer noch keine Sonnenblumen gefunden worden.

Dabei suchten sehr mächtige Menschen nach den Sonnenblumen.

Sie bezahlten die Forscher und die Abenteurer, sie schickten ihrer Armeen aus, um jeden Quadratzentimeter Erde nach einer Sonnenblume oder zumindest einem Sonnenblumenkern zu durchsuchen. Sie befahlen den Menschen, die gestohlenen Sonnenblumen wieder herzugeben.

Doch auch sie fanden die Sonnenblumen nicht.

Die Welt blieb dunkel und kalt.

Die Pflanzen starben.

Und die Menschen und die Tiere starben.

Es starben die Klugen, es starben die Mutigen und selbst die Mächtigen hatten über den Tod keine Macht.

Doch die Kinder starben nicht, nicht die Tierkinder, nicht die Menschenkinder. Trotzdem auch sie nichts mehr zum Essen hatten, trotzdem auch ihnen kalt war, blieben sie doch am Leben. Sie sahen wie ihre Eltern, ihrer Großeltern, all ihre Verwandten starben und blieben doch am Leben, ohne dass sich irgendjemand das erklären konnte.

Und so lebten sie einige Zeit in der Dunkelheit, denn mit den Erwachsenen starb auch die Zivilisation, das gesamte Stromnetz, die Straßenbeleuchtung. Einige Wochen nachdem der letzte Erwachsene gestorben war, fielen die Menschenkinder in einen tiefen Schlaf.

Und sie träumten.

Im Traum sahen sie die Erde. Sie sahen den blauen Planeten, sie sahen die weiten Felder, die tiefen Ozeane, die dichten Wälder, die majestätischen Berge, die heißen und die kalten Wüsten. Sie sahen Fabriken und Müllhalden, sie sahen in schwarzen Rauch gehüllte Autobahnen, sie sahen sterbende Bäume und vertrocknete Wiesen. Und sie sahen die Sonnenblumen, die am Boden lagen, versenkt von der Hitze ihrer Mutter, die dagegen nichts tun konnte, denn ihr Strahlen wurden zu oft zurückgeworfen, von der Atmosphäre, die ein Spiegel war.

Und als die Kinder erwachten, da wussten sie, warum die Sonnenblumen verschwunden waren. Und sie dachten an ihrer Eltern, an die Erwachsenen, von denen sie geliebt worden waren und die sie selbst immer noch liebten. Sie dachten aber auch an die von den ihnen so lieben Menschen geschundene Erde und die verschwundenen Sonnenblumen. Und sie fragten sich, ob sie nicht beides haben könnten, eine gesunde Erde und liebe Menschen um sich.

Dann begannen sie bitterlich zu weinen.

Und dort wo ihre Tränen, den Boden berührten, da sprossen die Sonnenblumen aus dem Boden, die sich in den Kinderseelen versteckt hatten.

So wie die erste Sonnenblume wieder ihren Blütenkopf dem Himmel entgegen reckte, erreichte der erste Sonnenstrahl die Erde und bald war die Welt hell und warm.

Die toten Pflanzen hatten ihre Samen tief in der Erde hinterlassen und sprossen neugeboren hervor. Nach wenigen Monaten schon waren dichte Wälder, wo zuvor Ödnis gewesen war und selbst, die Städte, die die Menschen zurückgelassen hatten, glichen nun einem Urwald. Die Tiere wuchsen heran und bevölkerten die Welt, wie sie es zuvor getan hatten.

Und auch die Menschenkinder wurden älter. Das Wissen ihrer Eltern war noch immer dort in den Bibliotheken der Urwaldstädte. Sie machten es sich zu Nutze, sie bauten eine neue Zivilisation auf. Doch sie ehrten die Sonnenblumen, sie ehrten die Natur und lernten mit ihr im Einklang zu leben.

Und die Sonnenblumen blieben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  _janni
2009-02-10T19:02:26+00:00 10.02.2009 20:02
wow
*.*
das is so schön


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