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Erstarren

Kannst du dir den Tod verdienen?
von

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Erstarren


 

Kannst du dir den Tod verdienen?

Wie kannst du dir den Tod verdienen?

Willst du dir überhaupt den Tod verdienen?
 

°°°
 

Liebste Hinata-san,
 

danke für die Einladung zu deiner Geburtstagsfeier. Ich würde sehr gerne vorbeikommen, sehen, wie Naruto sich betrinkt, wie Neji-san endlich TenTen-san küsst, wie Kiba-san und Akamaru die Party aufmischen und wie dein Clan danebensteht und keinerlei Ahnung hat, wie er damit umgehen soll.
 

Aber ich werde nicht dabei sein. Trotzdem danke.
 

Haruno Sakura
 

PS: Gern hätte ich dir dies persönlich mitgeteilt, allerdings warst du leider nicht da und so habe ich einfach Neji-san das Schreiben mitgegeben. Hoffentlich weiß er ein Briefgeheimnis zu wahren…
 

°°°
 

Es ist immer noch sehr warm. Viel zu warm und windig und unangenehm für die Jahreszeit, in der Hinata Geburtstag hat. Sie wünschte, es wäre wirklich Winter, sie wünschte, ihre Miene würde dieser kalten, hässlichen Jahreszeit entsprechen, aber das tut es nicht. Ihre Eltern meinen immer, sie haben sie Sakura genannt, weil sie an den Frühling glauben, nicht, weil sie rosa Haare hat. Aber ihre Eltern denken auch, dass sie „Ninja“-Aufträge ausführt, um kleine „Ladendiebe“ zu stellen, ihre Eltern denken, dass sie liebt, weil sie selbst lieben, ihre Eltern denken, sie kennen ihre Tochter.

Das tun sie nur nicht.

Haruno Sakura hat schulterlange Haare, feenartig, in dem allerschönsten Kirschblütenton, mit diesen grünen Katzenaugen, in denen das Wissen eines unbarmherzigen Ninja funkelt. Und Erstarrung. Wie tiefster Winter. Tod.
 

Manchmal denkt sie noch an früher, als sie Naruto verhauen hat und Sasuke nachgeschwärmt hat und Kakashi gerügt hat, aber diese Zeiten sind wohl vorbei.

Da knirscht es hinter ihr, nur flüchtig, sehr flüchtig sogar, aber sie hört es, sie spürt es. Perfekte Chakrakontrolle. Du bist wie geschaffen für Genjutsu, Mädchen.

„Hallo, Kakashi.“ Es ist vorbei, dass sie sagt: ‚Ich werde Sie für immer Sensei nennen!’

„Yo.“ Er hebt für einen kurzen Gruß seine Hand, und alles ist wie immer, aber sie weiß, es ist anders. „Was machst du hier so allein, Sakura?“

Sie wendet den Blick ab, hoch in den wolkenverhangenen, milden Tag. Verzerrt.

„Glaubst du an Reinkarnation, Kakashi?“

Er zögert: „Nein. Eher nicht. Vielleicht haben diese neuen Leute ja echt, und es gibt Himmel und Hölle.“

„Vielleicht.“ Ihr Blick wird zynisch. Und traurig. „Zumindest erspart uns das eine Menge Denken.“ Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: „Und wie schaffen wir es, in die Hölle zu kommen?“

„Wir sind Shinobi, Sakura. Wenn wir nicht in die Hölle kommen, wer dann? Wir Auftragskiller, die nicht mal offen kämpfen? Es gibt weder gut noch böse. Wer kommt dann in den Himmel und wer in die Hölle? Vielleicht ist das Danach auch einfach nur tot. Vielleicht werden wir einfach vergammeln, bis sich niemand an uns kleine Leute mehr erinnert.“

In ihren Augen ist ein Schwirren, das Kakashi an Sasuke erinnert.
 

Sakura legt eine Hand an seine Wange, die unter der Maske halb verborgen ist: „Sayonara, Kakashi-sensei.“
 

°°°
 

„Das ist erbärmlich, Sakura.“

„Verschwinde, Uchiha.“

„Erst, wenn du dieses verdammte Kunai fallen lässt.“

„Oh, hör auf mit dem Scheiß.“

„Bitte.“

„Bitte, Uchiha? Bitte? Ist das etwa das Einzige, was du mir nach fünfzehn verdammten Jahren zu sagen hast?“

„Hör auf, Sakura.“

„Ich bin ANBU, zum Teufel, verstehst du das, Nuke-nin? Ich könnte dich jetzt auf dreiundfünfzigeinhalb verschiedene Arten qualvoll foltern und dann Hokage-sama aushändigen – aber das werde ich nicht. Und weißt du, wieso? Weil ich es leid bin, zu leben. Ich hab keine Lust mehr.“

Uchiha Sasuke ist nach all dem keine strahlende Gestalt mehr. Zwielicht. Sakura weiß, sein Körper ist angespannt, und er ist ihr körperlich so was von überlegen, aber alles an ihm scheint zerbrechlich und traurig. Genauso wie sie. Er hat bei Orochimaru wohl doch mehr aufgegeben als seine Loyalität.

„Wie steht’s mit Madara und Itachi?“

„Tot.“

„Gratulation. Bist du hergekommen, um wieder aufgenommen zu werden, mich dann zu ehelichen und ein glückliches Leben zu führen?“

Er schweigt und wendet den Blick ab. Verwischt. „Warum willst du dich umbringen?“

Sakura antwortet nicht, sagt viel mehr, als zu sagen ist, dadurch. Spielt mit der Klinge, und vielleicht gehört es sich für einen dramatischen Abgang, kalt zu lächeln, aber Dramatik passt nicht zu einem Shinobi, schon gar nicht mehr zu ihr, und sie hat auch nichts mehr vor. „Seit du weg bist, hab ich mir echt Mühe gegeben, die beste zu sein.“ Sie zuckt die Schultern. „Ich mein, ich bin noch nie der Ninjutsu-Typ gewesen, aber Genjutsu hat mir schon immer gelegen, und ich denke, ich könnte jetzt etwas ganz Grandioses heraufbeschwören, was dich dazu bringen könnte, mich sterben zu sehen, auf eine höchst schreckliche Art und Weise, und dann wachst du auf, und siehst, ich bin wirklich tot. Wäre das nicht was?“

„Ich hab dich vermisst.“

„Oh, wirklich, Sasuke? Hast du das? Hast du bei Orochimaru an mich gedacht, dich dabei angefasst, gedacht, du hättest dich in mich verliebt?“ Entrückt. „Und dabei willst du mich doch nur ärgern, nicht wahr? Ich meine, wie kannst du es bloß wagen, mich selbst beim Sterben zu stören? Hab ich das etwa auch noch nicht geschafft? Hab ich irgendwas noch nicht getan, dass ich endlich sterben darf? Bitteschön, meinetwegen werde ich dich, meine einzige Liebe, hier und jetzt umbringen, wenn es das ist, was ich machen soll.“
 

Er küsst sie, direkt auf den Mund, ehrlich und verlogen gleichzeitig, mit Zuneigung und Abscheu, mit Freundschaft und Liebe, mit Wut und Irritation, und sie spürt seine Zungenspitze an ihrer Unterlippe. Sie löst sich von ihm, wischt sich über den Mund, verzieht ihr Gesicht zu einem verbitterten Lächeln. „Fahr zur Hölle.“

„Nur wenn du mitkommst.“ Er lächelt schwach, ehrlich, unglaublich schwachsinnig. Sie schüttelt den Kopf: „Das, was du empfindest, ist etwas, das ich nicht mehr empfinde, verstehst du?“

„Ich versuche es“, meint er nur und berührt sanft ihr Kinn, fährt unsichtbare Linien nach, über ihren Nasenrücken, die Stirn, die geschlossenen Augenlider. Sie wünscht sich, die Zeit würde stehen bleiben. Sekundenschlag.

„Wann gehst du?“

Er schüttelt den Kopf, eine Strähne seines nachtschwarzen Haares fällt ihm ins Gesicht, dieses stumme laute Gesicht. Das Mondlicht berührt ihn. Schatten. „Nicht jetzt.“

„Ich hoffe, dir ist bewusst, dass, wenn du gehst, ich mich umbringen werde. Und ich hoffe, dir ist bewusst, dass du nicht hier bleiben kannst, um unser beider Willen.“

„Das lass ich nicht zu.“ Seine Lippen berühren ihre Stirn.

„Du wirst gehen und ich werde sterben.“

„Aber du bist noch nicht so weit.“

„Woher willst du das wissen?“

Weil ich dein Herz auswendig kenne, Sakura?

Weil du mich liebst?

Weil ich dich liebe.

„Ich habe viele schreckliche Dinge getan, Sasuke. Ich habe Menschen getötet, ich habe für einen Auftrag rumgehurt, ich habe Naruto verletzt, ich habe Hinata einen Brief geschrieben, der einem Abschiedsbrief nahe kommt, ich habe gelogen und betrogen. Ich hasse das Leben.“

„Du hasst den Tod.“

„Ich werde in einem ekelhaften Grab vergammeln, ich werde in diesen beschissenen Stein gewetzt, ich werde ehrenhaft in Erinnerung bleiben, und weißt du was? Es ist mir egal. Ich bin es leid.“

Dieses Mal ist der Kuss zart, kostend, vielleicht, weil er von ihr ausgeht, vielleicht, weil diese Verbindung zerrissen, zusammengesetzt, zerfurcht und so sanft ist.

„Du wirst weiterleben, Sakura.“ Und wenn ich dafür sterben werde.

„Du bist sehr albern, Sasuke. Wo ist der kalte Junge geblieben, der nicht lieben wollte, obwohl überall Liebe um ihn herumgeschwirrt ist?“ Sie hat das Bedürfnis, ihn zu küssen. Überall. „Weil ich dich nämlich nicht mehr liebe.“

„Ist das so?“

„Ja.“

„Trotzdem wirst du jetzt nicht sterben.“

Sakura neigt ihren Kopf leicht. „Kann sein, Uchiha. Aber ich werde dich nicht zwingen, hier zu bleiben, und ich werde dir nichts versprechen. Verstehst du?“

„Hm“, macht er, und sie spürt das Schlagen seines Herzens auf ihrer Haut. In ihrem Blut. In ihrer Seele. „Die Zeiten sind vorbei. Ich bin erwachsen geworden, Sasuke.“

„Ich weiß.“ Seine Augen können immer noch so durchdringend leuchten, auch wenn es ihr wie eine Ewigkeit erscheint, dass sie sich nach diesem Kohleglühen und dem Verliebtsein gesehnt hat.

„Sasuke?“ Ihre Stimme hat diesen gewissen Unterton, den er früher zu jeder Zeit gehabt hat und seit einigen Jahren gar nicht. Verflüssigt. Er nickt, als hätte er es nicht bemerkt. „Ich hab dich auch vermisst“, sagt Sakura dann leise und in ihren Augen blitzt und donnert die kleine Sakura-chan von damals.

Sasuke lächelt anmaßend und zärtlich zugleich: „Ich weiß.“ Er berührt ihr Antlitz mit stummen Augen.

„Jetzt ist es Zeit zu gehen, huh?“, macht sie und fährt sich in einer hilflosen Geste über die Augen. „Was soll ich diesmal machen, Sasuke? Hm?“

„Verzeih mir, Sakura. Verzeih mir nur noch dieses eine Mal und ich schwöre dir, ich werde dich niemals mehr verletzen.“

Sie schluchzt, ihre Augen sind wässrig, aber sie weint nicht. „Ich werde dich niemals mehr wiedersehen, Sasuke. Das ist es.“ Und sie umarmt ihn mit der Liebe und Freundschaft all der Menschen, die sie in diesem einen Moment auszudrücken scheint. Familie.

„Pass auf dich auf, Sakura“, murmelt er in ihr Haar und streicht über ihre gerötete Wange.

Du warst mein Aufpasser, Sasuke. Wenn du nicht mehr da bist, wer soll mich dann retten?“

„Du brauchst keinen Retter mehr, du bist stark genug.“

„Ich hasse dich, Sasuke.“

„Ich dich auch, Liebes.“ Für einen Moment sieht sie auch in seinen Augen den unaussprechbaren Wunsch, aber Sakura weiß genauso gut wie er, dass das nicht möglich ist.
 

Flatterhafter Kuss.
 

Und die Erstarrung ist aufgelöst und die Welt dreht sich weiter.
 

_____________________________________
 

Ein kleines… Geschenk als Huldigung an Paula, die fragte, ob man sich den Tod verdienen kann.
 

Ich weiß es immer noch nicht.
 

bells



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Kommentare zu diesem Kapitel (11)
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Von:  scater-fiffy
2011-02-27T16:10:46+00:00 27.02.2011 17:10
eine wunderschöne, zauberhafte geschichte
dein nachwort gefällt mir auch sehr

ich glaube die antwort darauf werden wir uns nie geben können

sehr schön geschrieben, gute idee

mach weiter so :-)

glg
fiffy^^
Von:  dannysahne
2009-11-06T11:47:59+00:00 06.11.2009 12:47
Wie immer ein super Story!
Dein Schreibstill ist einfach klasse u. ich bekomme nie genug von deinen FF´s

Sie sind einfach richtig mit Herz geschrieben!
Ein großes Lob von meiner Seite!
WEiter so!

LG
Von: abgemeldet
2009-09-21T15:24:40+00:00 21.09.2009 17:24
dieser OS ist echt...
ich muss nachdenken...
sag mal die beiden sind jetzt nicht gestorben oder?

naja hoffe ich krieg ne mail oder so

lg manga_sama

Von:  Herzkirsche
2009-07-23T10:03:07+00:00 23.07.2009 12:03
Sehr schön. Und traurig. Aber grandios!
Von: abgemeldet
2009-06-20T19:48:06+00:00 20.06.2009 21:48
Wow!
Also ich bewundere deine Schreibweise ja, das war wirklich beeindruckend.
regt einen zum nachdenken an xD

lg. :)
Von:  Io-san
2009-04-26T11:14:13+00:00 26.04.2009 13:14
das regt ehct zum nachdenken an
und die ganzen ellipsen waren zuächst verwirrend, aber haben alles auf den punkt gebracht

Von:  belladonna_lily
2009-03-15T16:31:38+00:00 15.03.2009 17:31
wieder ein WOW O.O

dein schreibstil ist bewundernswert... er macht einen so schön nachdenklich! ^^
gott.. ich bekomm gleich kopfschmerzen wegen dem ganzen nachdenken :)

aber ich muss gestehen, dass dein schreibstil mich wirklich verwirrt, er ist so tiefsinnig und zweideutig... ok nein nicht zweideutig sonder so.... mhmm... nachdenklich machend, so... ich find das wort nicht... oder vielleicht passt auch einfach unbeschreiblich :)
oder EINZIGARTIG ;)
glg Hjuky
Von:  Harfe
2009-03-14T14:28:53+00:00 14.03.2009 15:28
Ich will auch so schreiben können wie du, ehrlich. T___T
Ein wenig verwirrend hier. War aber ja auch ein verwirrendes Thema. Ein schwirieges. Ein trauriges.
Sehr berührend, tiefsinnig, traurig. Schön.
Ich mag Sasuke. Irgendwie.
Naja, egal, toll geschrieben. Und verzeih die abgehackten Sätze, das ist ´ne Phase. Geht vorbei.
glg Fe
Von:  Aoki_lee
2008-12-23T21:53:39+00:00 23.12.2008 22:53
Mächtig däftigt~
super !
Von:  BlackRose
2008-12-23T20:14:50+00:00 23.12.2008 21:14
Eine wunderschöne Geschichte zu einem schwierigen Thema-
aber ganz einzigartig gut umgesetzt : )
Ich find deine FFs einfach nur klasse.....
Ansonsten kann ich Mythic_Eyes nur zustimmen....
Du hast Talent, schön, dass du es auch nutzt ^__°
lg
BlackRose


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