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Engel der Nacht

von

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Tag 1 Mittwoch : Das Leben

Gähnend setzt sich Yoshitaka auf seinen Platz in der Klasse. Draußen scheint die Sonne und Vögel zwitschern. Nichts an dem Wetter lässt vermuten, dass es in der Nacht noch Gewittert und dem Blonden den Schlaf geraubt hat. Er streicht sich durch das Haar und seufzt. Wieso sind Gewitter nur immer so Angsteinflößend. Er beugt sich runter zu seiner Tasche um seine Englischsachen rauszuholen. Als er wieder hochkommt steht der Jungenschwarm Tatyana vor ihm.

„Guten Morgen“, lächelt sie.

„Morgen“ grüßt Yoshitaka zurück.

Das Mädchen nimmt sich einen Stuhl und setzt sich ihm gegenüber.

„Und wie geht’s?“, fragt sie und schlägt die Beine übereinander. „Hm geht so…“, antwortet Yoshitaka und muss ein Gähnen unterdrücken.

„Mir geht’s super“, antwortet das Mädchen und sieht aus dem Fenster.

„Wo ist eigentlich dein Freund?“, fragt der Blonde und sieht das Mädchen direkt an.

Doch sie ignoriert seinen Blick und beobachtet das Geschehen außerhalb des Gebäudes.

„Der hat mitten in der Nacht ´ne SMS geschrieben, dass Schluss ist. Der hat sie doch nicht alle! Mitten in der Nacht es war gerade mal 2 Uhr“, sagt Tatyana und fuchtelt wild herum.

Jedoch immer noch nicht zu Yoshitaka sondern eher zu niemanden.

„Aha…“, mehr fällt Yoshitaka dazu nicht ein.

Er sieht das Mädchen von der Seite an. Sie ist wirklich hübsch, kein Wunder, dass so viele Jungs auf sie stehen.

Er jedoch gehört nicht dazu. Er wird sich nie verlieben. Das hat er sich geschworen. Denn das bringt nur Probleme mit sich. Das wird ihm jeden Tag in seiner eigenen Familie vor Augen geführt. Tatyana jedoch lebt in einer völlig intakten Familie. Ihre Eltern sind zwar getrennt, doch sie respektieren sich. Und ist das in der Liebe nicht mit das wichtigste? Seine Eltern dagegen lieben sich nicht geschweige denn, dass sie sich je geliebt haben. Er selbst ist ja nicht einmal das Kind seines Vaters sondern vom Geliebten seiner Mutter, einem Japaner. Dieser wollte, dass sein Sohn Yoshitaka heißt. Und das tut er auch.
 

Plötzlich springt Tatyana auf. Unten auf dem Schulhof läuft das Objekt ihrer Begierde: Dave Stein der Mädchenschwarm der Schule. Sein Äußeres lässt jedes Mädchen dahin schmelzen- auch Tatyana. Ohne ein Wort des Abschieds düst sie, so schnell es ihre hochhackigen Stiefel zulassen, davon und lässt Yoshitaka allein zurück.

Manchmal fragt er sich wirklich, warum dieses hübsche Mädchen ihn als einen guten Freund ansieht. Er selber ist nichts Besonderes. Nur ein schüchterner Junge, der nicht ´Nein´ sagen kann und nicht besonders gut aussieht. Dave dagegen ist sein genaues Gegenteil. Er sieht gut aus, lehnt alle Mädchen ab und ist eher cool als schüchtern. Wieder seufzt Yoshitaka.

„Das Leben ist ganz schön frustrierend“, denkt er.

Es klingelt zum ersten Mal. Er ist dieses ewige Warten morgens leid. Aber er tut es sich ja selbst an. Er steht morgen immer extra früh auf und geht extra früh zur Schule, weil er keines Falls einen Geliebten seiner Mutter sehen will, oder seinen ´Vater´, wenn dieser mal zu Hause ist. Doch als Pilot ist dieser zum Glück oft unterwegs. So hat seine Mutter Zeit für ihre Geliebten, sein Vater Zeit für seine anderen Frauen und er selbst seine Ruhe.

Tatyana kommt wieder ins Klassenzimmer. Sie lächelt glücklich.

„Weist du was passiert ist?“, fragt sie.

Yoshitaka weiß es. Er hat dieses Glitzern schon oft in ihren Augen gesehen, zu oft, wenn man ihn fragt.

„Du kennst doch Chris diesen großen Jungen ein Jahr älter?“, fragt sie.

Yoshitaka nickt vorsichtig. Er glaubt zu wissen, wenn sie meint. Doch so ganz geheuer ist ihm das nicht.

„Er hat mich gefragt, ob ich mit ihm gehen will! Kannst du dir das vorstellen?“, fragt sie und ist halb am überventilieren.

Er kann es sich nicht vorstellen. Absolut nicht! Chris sieht vielleicht gut aus und ist ein enger Rivale von Dave Stein, doch er hängt auch mit etwas seltsamen Leuten rum. Gruftis oder so etwas in der Art, aber vielleicht ist das auch nur eins dieser schlimmen Vorurteile. Wie auch immer. Diese Leute sind Yoshitaka nicht sympathisch und auch wenn er keinerlei Gefühle für Tatyana hegt, gefällt ihm die Idee, dass sie mit solchen Leuten abhängt überhaupt nicht. Doch natürlich sagt er es nicht. „Schön freut mich“, antwortet er dafür nur mit einem Lächeln. Der Lehrer kommt rein und Tatyana setzt sich auf ihren Platz, dann beginnt der Unterricht. Besorgt blickt Yoshitaka zu Tatyana. Bis vor einem Moment hat sie nur Augen für Dave gehabt und im nächsten nur noch für Chris.

„Yoshitaka“, sagt der Lehrer mit strenger Stimme. Yoshitaka schreckt auf. „Please read page 21 and 22“, sagt der Lehrer auf Englisch.

Yoshitaka schlägt schnell sein Buch auf und beginnt zu lesen. Es ist eine Art Märchen. Doch keines von denen, die damit ausgehen, dass alle glücklich und zufrieden sind. Es ist einer der vielen Legenden die es gibt, sei es über Drachen oder Kobolde oder so ein ausgedachter Kram. Ihm liegt das nicht besonders aber Unterrichtsstoff ist Unterrichtsstoff. Also liest er brave diese Legende über Engel.
 

Die ersten zwei Stunden vergehen wie im Flug und schon klingelt es zur Pause. Einige Schüler gehen hinaus. Yoshitaka jedoch bleibt sitzen. Er hat Kopfschmerzen, wie immer, wenn er schlecht schläft. Plötzlich taucht eine große Gestallt in der Tür auf.

„Yana kommst du mal?“, der braunhaarige Junge winkt Tatyana zu sich.

Es ist Chris ihr neuer Freund, der sie da ´Yana´ nennt. Niemand darf sie so nennen. Sie findet ihren Namen schön und möchte auch so gerufen werden, doch bei diesem Jungen scheint sie eine Ausnahme zu machen.

„Ja Chris“, sagt sie glücklich und geht zu ihm.

Sie schwatzen kurz und gehen dann weg.

„Vielleicht ist er ja ihr Mr. Right?“, fragt sich Yoshitaka.

Er mag diesen Jungen nicht besonders aber wenn Tatyana mit ihm glücklich wird, soll es ihm Recht sein. Er hat nicht das Recht zu bestimmen, mit wem sie zusammen ist. Sie mag ihn zwar als einen Freund betrachten, doch das wohl eher aus Mitleid, weil er sonst niemanden hat. Er sieht aus dem Fenster. Es sieht nicht so aus, als würde es die Nacht noch einmal Gewittern. Plötzlich sieht er wie sich jemand im Fenster spiegelt. Es ist Dave Stein. Doch genau so schnell wie er da war, ist er auch schon wieder verschwunden.

„Wahrscheinlich sehe ich jetzt schon Gespenster“, denkt Yoshitaka.

Und so sitzt er dort noch bis die Pause vorbei ist.
 

„Bin wieder da!“, schreit Yoshitaka durch das große Haus.

Es ist nie jemand zu Hause, wenn er kommt, doch hat er sich angewöhnt immer laut zu rufen, wenn er heim kommt. Er zieht die Schuhe aus und will gerade hoch in sein Zimmer, da klingelt das Telefon.

„Schäfer“, geht er ran.

„Hello? Amanda-chan?“

Yoshitaka reißt die Augen auf. Das ist sein Vater!

„Sorry here is no Amanda“, sagt er mit zitternder Stimme.

„Are you Yoshitaka?“, fragt der Anrufer, doch Yoshitaka legt auf. Er will nicht, dass sich dieser Typ in sein Leben einmischt. Er setzt seinen Weg fort und geht in sein Zimmer.

Dort schmeißt er seine Tasche in die Ecke und legt sich auf das Bett. Er nimmt die Fernbedienung seiner Anlage und macht die Musik richtig laut. Ist ja keiner da, denn es stört. Weit gefehlt! Seine Zimmertür wird aufgerissen.

„Sag mal hast du sie noch alle?“, fragt seine Mutter nur in einem Bademantel gekleidet.

„Ich dachte du wärst auf der Arbeit“, meint Yoshitaka und sieht unbeeindruckt aus dem Fenster.

„Nein ich habe heute frei bekommen. Also mach die Musik leiser“, sagt sie und geht wieder.

Yoshitaka weiß warum sie so plötzlich frei bekommen hat. Der Grund liegt wahrscheinlich in diesem Moment in ihrem Bett und wird von allen aus der Firma nur „Chef“ genannt. Wie ihn das ankotzt. Jede Woche hat sie anderen Besuch, wenn sein angeblicher Vater nicht da ist. Er steht auf und setzt sich an seinen PC.

Er muss sich mit irgendetwas ablenken. Egal was Hauptsache, er muss nicht mehr über seine Eltern nachdenken.
 

In einem anderen Teil der Stadt. Das große Tor, in dem die Buchstaben S, T, E, I und N eingraviert sind, öffnet sich knarzend. Dave Stein tritt ein. Er geht die lange Auffahrt zum Haus entlang, ganz in Gedanken versunken. Ein Butler öffnet ihm die Tür und er tritt ein. Sofort geht er auf sein Zimmer und macht seine Hausaufgaben, damit er am Abend fertig ist und gehen kann. „Dave?“, ein schwarzer Kopf erscheint in der Tür.

„Was ist?“ fragt er und packt seine Hausaufgaben heraus.

Das dicke Geschichtsbuch lässt er unachtsam auf den Tisch knallen, so dass sein älterer Bruder zusammen zuckt.

„Ähm…wir wollten heute Abend mit ein paar Jungs und Mädels weg gehen. Möchtest du mitkommen?“, fragt der Ältere.

„Nein ich habe schon etwas vor“, antwortet der Jüngere und widmet sich seinem Geschichtstext über das alte Ägypten.

Wie oft haben sie dieses Thema eigentlich schon durchgekaut? Zwei, drei Mal? Er hat das Gefühl bereits alles zu können.

„Wo willst du denn schon wieder hin?“, fragt sein Bruder, „triffst du etwa ein Mädchen?“

Dave antwortet nicht. Er versucht sich nur auf seinen Text zu konzentrieren. Warum müssen Brüder nur immer so nerven?! Der Ältere seufzt laut. Er zieht den Kopf zurück und schließt die Tür wieder.

„Und kommt er dieses mal mit?“, der älteste der drei Stein Brüder hat ebenfalls schwarze Haare, die fein säuberlich zurück gegellt sind.

Er sieht aus wie einer dieser Menschen, die von Haustür zu Haustür gehen und dir einen Staubsauger andrehen wollen.

Der jüngere der Zwei schüttelt den Kopf.

„Nein. Er hat schon was vor. Bestimmt trifft er sich mit einem Mädchen“, sagt er und seufzt.

„Na ja so lange es ein Mädchen ist“, meint der ältere und grinst breit, was im starken Kontrast zu seinem sonst gepflegtem Äußeren steht, „wäre nicht so toll, wenn er vom anderen Ufer wäre.“

„Da hast du Recht. Aber würde mich schon interessieren, wohin er immer geht“, meint der Jüngere und runzelt die Stirn.

„Dräng ihn nicht so. Sonst wir er uns nie etwas erzählen“, sagt der Ältere und klingt wirklich wie ein großer Bruder.

„Hm vielleicht hast du Recht“, meint der Jüngere.

Die zwei Jungs gehen in ihre Zimmer zurück.

Dave brütet derweil nicht mehr über sein Geschichtsbuch. Er weiß doch so wie so schon alles! Warum soll er es noch einmal lesen? Da liest er lieber etwas Interessanteres! Er steht auf und nimmt ein altes Buch aus seinem Regal. Der dunkelblaue Einband ist mit einer goldenen Verschnörkelung verziert. Der Buchtitel ist bereits völlig verblasst, aber das stört ihn nicht. Er weiß ja wie das Buch heißt…
 

Yoshitakas Laune ist immer noch im Keller. Völlig verzweifelt brütet er über seinen Mathe Hausaufgaben.

„Ich hasse Funktionen“, murmelt er und versucht erneut die Formel zu lösen.

Doch auch dieser, mittlerweile zehnte, Ansatz bringt ihm nicht die Lösung. Enttäuscht lässt er seinen Stift fallen. Warum ist er nur so eine unglaubliche Niete in Mathe? Er schiebt das karierte Heft beiseite und nimmt das Französisch Heft zur Hand. Französisch! Igitt! Er mag die Sprache nicht! Sie ist ihm einfach zu kompliziert, doch leider muss er sie lernen. Seufzend legt er auch dieses Heft weg. Er fragt sich manchmal wirklich, wie er über die erste Klasse hinaus gekommen ist. In der Schule versteht er rein gar nichts. Er ist in nichts gut und immer einer der schlechtesten des Jahrgangs. Unglaublich, dass es jemand gibt, der noch schlechter ist als er. Noch ein Grund, warum Tatyana Rose wahrscheinlich mit ihm befreundet ist. Gemütlich lehnt er sich in seinen Drehstuhl zurück und zerbricht sich mal wieder den Kopf über sein Leben.

Warum ist er eigentlich hier? Warum sind seine Eltern immer noch zusammen, obwohl sie sich gegenseitig betrügen? Warum kauft ihn sein Vater alles, obwohl er nicht sein richtiger Sohn ist? Und warum ist Tatyana mit ihm befreundet?

All diese Fragen hat er sich schon oft gestellt, ohne jemals eine plausible Antwort auf eine von ihnen gefunden zu haben. Er seufzt. Am besten geht er ins Bett. Immerhin hat er nicht viel geschlafen in der letzten Nacht. Die Hausaufgaben sind ihm egal. Kann er auch noch morgen früh in der Schule machen. Er zieht sich um und legt sich dann in sein warmes kuschliges Bett. Innerhalb von wenigen Minuten fällt Yoshitaka in einen ruhigen tiefen Schlaf.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Marge91
2009-02-25T22:00:22+00:00 25.02.2009 23:00
ein tolles kai
mach weiter so
mfg Marge91
:-)


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