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Sed de Sangre

Blutdurst
von

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An diesem Tag dauerte es irgendwie länger, bis die Sonne tatsächlich untergegangen war. Zumindest kam es Jack so vor. Während des restlichen Tagesverlaufs war niemand aus seiner Mannschaft zu ihm gekommen, um ihm zu sagen, dass der Gefangene zu sich gekommen war. Vielleicht war er wirklich nicht aufgewacht.

Vielleicht war er aufgewacht, hatte sich aber so unkooperativ verhalten, dass ihn niemand holen wollte. Was auch immer der Grund gewesen sein mochte, sobald die Sonne gänzlich hinter dem Horizont verschwunden wäre, würde sich der Piratenkapitän auf den Weg unter Deck machen und dem anderen Mann einen Besuch abstatten.
 

In der Zwischenzeit hatte er sich etwaige Karten zurecht gelegt, hier und da einige Dinge ausgebessert und sich zu guter letzt sein neuestes Buch von Shakespeare zu Gemüte gezogen. Es war immer wieder überraschend für ihn, was sich für Bücher sich manchmal in den Kajüten verschiedener Kapitäne befanden. Vermutlich war es auch für die ‚Opfer’ eines Piratenangriffs überraschend, dass sich ein Pirat sich mehr für die Bücher an Bord interessierte, als für das, was sich unter Deck befand. Oft musste Jack sich aber auch eingestehen, dass es nichts gab, was es sich zu stehlen lohnte. Seine Mannschaft fand es allerdings recht abenteuerlich, andere Schiffe zu überfallen und sich daran zu erfreuen, was es denn zu stehlen gab. Sie waren manchmal mit kleinen Kindern zu vergleichen, kam Jack es dabei in den Sinn.
 

Mit einem leichten Grinsen auf den Lippen machte er es sich am Tisch bequem, an dem er ein Jahr zuvor mit Barbossa verhandelt hatte. Zwar hatte es nicht allzu sehr gefruchtet, aber immerhin konnte Jack sein Gewissen damit beruhigen, dass er etwas getan hatte.

Der Raum wurde inzwischen von Öllampen beleuchtet, die teilweise im Takt der Pearl schaukelten. Sie machte gute Fahrt, allerlei Löcher und andere Schäden waren nach Barbossas Zeit als Captain repariert worden und auch während und nach seiner Reise nach Rumänien hatte Jack stets darauf geachtet, dass nicht allzu viel Meerwasser in den Rumpf lief.
 

„Captain?“

Es war erneut die Stimme von Anamaria, die an sein Ohr drang bevor es an der Türe klopfte.

„Sag mir bitte nicht, das wir noch einen aus’m Wasser gefischt haben...“

Auch wenn solche Menschen in manchen Fällen einiges an Wertgegenständen mit sich führten, sie auf dem Schiff zu haben brachte fast jedes Mal Schwierigkeiten mit sich.

„Nein, aber unser Mann ist wach...“, ein durchaus freches Grinsen schlich sich auf ihre Lippen, das Jack nicht gefiel. Es beinhaltete eine Gemeinheit. „Und ich glaube sehr, dass es Euch weniger gefallen wird.“

Sie trat einen Schritt zur Seite und da es bei Weitem nicht mehr so hell war wie zu dem Zeitpunkt, als sie den Fremden aus dem Wasser gefischt hatten, verließ Jack den schützenden Raum und machte sich auf den Weg zur Luke, durch die er unter Deck kommen würde. Bevor er auch nur einen Fuß auf die Treppe setzte, warf er Anamaria noch einen letzten Blick zu, die nur die Arme vor der Brust verschränkt hatte und ihn noch immer angrinste.
 

„Frauen...“ kopfschüttelnd verschwand der junge Mann unter Deck, ging an den Hängematten vorbei, die als Quartier für seine Crew diente und daraufhin noch ein Stockwerk tiefer, wo die Zellen für die Gefangenen waren. Selbst im schalen Licht der Lampen konnte Jack die aufrecht sitzende Gestalt erkennen, die Stunden zuvor bewusstlos aus dem Wasser gefischt worden war.

Jetzt lehnte er mit dem Rücken an der Wand und da er nicht gefesselt worden war, lagen seine Hände auf seinen Oberschenkeln. Die zuvor noch nassen und dunklen Haare waren in der Zwischenzeit getrocknet und Jack hatte insofern Recht gehabt, da die Haare inzwischen dunkelbraun waren. Das Salzwasser hatte allerdings seinen Tribut gefordert, denn die Haare wirkten matt und waren gekräuselt.

Zudem hatte der Fremde noch immer die nasse Kleidung an, die zwar inzwischen schon eher feucht wirkte aber bestimmt nicht angenehm zu tragen war. Jack überlegte, ob er dem anderen womöglich frische Kleidung bringen sollte. Oder zumindest trockene...
 

Als der Pirat vor den Gitterstäben stand, beäugte er den Mann in der Zelle, der ihm seinerseits einen durchaus trotzigen Blick zuwarf.

„Das muss also wirklich ein Albtraum sein...“, murmelte er mit dunkler Stimme. Jack stand noch immer ahnungslos vor der Zelle und besah sich den anderen genauer. Seine Gesichtszüge kamen ihm durchaus bekannt vor, aber ihm wollte einfach nicht einfallen, woher.

„Tut mir leid mein Junge, aber ich komm einfach nicht drauf, wer du bist....“

Kopfkratzend verlagerte Jack sein Gewicht auf ein Bein und lehnte sich etwas gegen das Gitter. Nachdem der andere bei seinem Anblick so reagiert hatte, war Jack sich sicher, dass der noch Unbekannte ihn kannte. Nun, wer kannte Captain Jack Sparrow nicht? Aber das bedeutete nicht, das Jack seinerseits jedermann kannte.
 

„Macht Euch keine Gedanken. Ich wünschte, ich könnte das Gleiche von Euch behaupten. Aber es wäre zu viel verlangt gewesen, wenn Ihr wirklich aus der Karibik verschwunden wärt...“

„Daher weht also der Wind. Allerdings seht Ihr nicht wie ein Pirat aus...“

Jack beugte sich weiter vor und legte seine Finger um die Gitterstäbe.

„Das ist wohl das Letzte, was ich wäre, noch, was ich gerne sein würde.“ Schnaubend schüttelte der Fremde den Kopf und Jack glaubte für einen kurzen Moment, dass er den Herzschlag des anderen Mannes hören konnte. War er etwa nervös? Zumindest dachte Jack daran, dass ein Herz normalerweise nicht so schnell schlug. Für gewöhnlich hörte er die Herztöne eines anderen Menschen aber auch nicht, außer er hatte sein Ohr auf dessen Brust gelegt.
 

Die grünen Augen, die ihn nun verhasst anstarrten, verursachte in Jacks Kopf eine Kettenreaktion und er hob überrascht die Augenbrauen an, sodass sie beinahe hinter seinem Bandana verschwanden.

„Ah. Also diesen arroganten Blick... wie könnte ich den nur vergessen.“ Grinsend lehnte sich der Pirat etwas auf seinen Fersen zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Er war sowohl überrascht, als auch irritiert. Vor allem, wenn er daran dachte, wer genau hier vor ihm saß und unter welchen Umständen er hier her gekommen war.

Jack hatte in der Tat den Commodore der britischen Royal Navy in seiner Schiffszelle sitzen. Bei genauerer Betrachtung eigentlich nicht sonderlich aufbauend, denn Sparrow war sich sicher, dass Norrington selbst aus dieser Zelle heraus Ärger machen würde. Und er konnte den anderen nicht einfach wie ein Tier abschlachten uns ins Meer werfen, also müsste er an Bord bleiben. Das wiederum würde die Crew mit der Zeit bestimmt missgünstig stimmen, denn ein Mitglied der Marine mitzunehmen bedeutete zwangsläufig nichts Gutes.
 

Jack wusste um den Sturm, der in der vergangenen Nacht gewütet hatte und hatte durchaus auch gesehen, auf was der Commodore angespült worden war. Zwar hatten sie keine anderen Schiffstrümmer gefunden, aber das musste zwangsläufig nicht unbedingt etwas aussagen.

Es konnte durchaus sein, dass das Schiff, auf dem der Brite unterwegs gewesen war, gänzlich in den Armen von Davy Jones gelandet war. Es konnte natürlich auch sein, dass Norrington eine der wenigen armen Seelen gewesen war, der das Unglück hatte, von Bord geschwemmt zu werden.

Sollte Zweiteres der Fall sein, könnte es durchaus passieren, dass Port Royal auf der Suche nach seinem Commodore war und es mehr Marineschiffe in diesen Gewässern gab, als es ursprünglich gedacht war. Aber vielleicht konnte man einen solchen Umstand für sich beanspruchen, immerhin schien der Offizier für die Stadt wichtig zu sein.

Falls sie denn auf irgendeine Suchtruppe treffen sollten.

Und falls dies der Fall sein sollte, nun, vielleicht hatten sie weiterhin Glück und konnten mithilfe des Commodores einen kleinen Betrag für sich herausschlagen. Je nachdem wie wichtig und wertvoll ihnen der junge Mann sein würde.
 

Aber so weit wollte Jack noch gar nicht denken. Im Moment war es wichtiger, den anderen Mann soweit im Zaum zu halten, als dass er keinerlei Probleme machte. In der Zelle würde er zumindest daran gehindert werden, herumzugehen oder irgendwelche Dummheiten zu begehen von denen Jack sich sicher war, dass sie auf dem Fuß folgen würden, sollte er Brite frei herumgehen können.

Nein, das würde sich der Pirat nicht leisen können, dennoch würde er ihm etwas Wasser bringen lassen und vielleicht ein wenig trockenen Schiffszwieback. Andere Kleidung wäre eventuell auch einen Gedanken wert, denn auch wenn die des Engländers nicht mehr triefend nass war, die Gefahr, dass er sich eine Verkühlung oder Schlimmeres holte war gegeben. Ein kranker Commodore war vermutlich nicht ganz so erpresslich verhandelbar, wie ein gesunder.
 

In Gedanken versunken starrte der Pirat den Engländer an, der schon wieder zu einer Tirade angesetzt hatte, den Blick dann allerdings bedenklich fand, der auf ihn geworfen wurde.

„Hört Ihr mir denn überhaupt zu, Sparrow?“

Irritiert und verwirrt schüttelte der Pirat unmerklich seinen dunklen Schopf, bevor sich sein Blick wieder auf den Mann vor ihm konzentrierte, der ihn noch immer missbilligend ansah.

„Nein, tut mir leid. Hab gerade nich’ aufgepasst. Aber ich nehm’ mal an, es wird nichts Weltbewegendes gewesen sein, sondern nur die übliche Hasstirade gegen meine Person…“

Noch immer konnte er die taktvollen Schläge des fremden Herzens hören, doch mehr und mehr verstärkte sich das Gefühl, dass er es nicht mit seinen Ohren hörte, sondern dass das dieses Geräusch einfach in seinem Kopf war.

Und je länger er darüber nachdachte, umso deutlicher wurde das dumpfe Schlagen.
 

Norrington sprach weiter, Sparrows Blick glitt erneut an einen undefinierbaren Punkt. Er konnte nur Fetzen des Gesagten verstehen und filterte gerade so raus, dass man nach James als Commodore suchen würde und es in Zuge dessen nicht lange dauern würde, bis man Jack fassen würde.

„Ja…mag sein. Aber nich’, wenn ich Euch zuerst zurückbringe und dabei die weiße Flagge hisse. Sollten mich Eure Soldaten angreifen, wäre es mehr als unfair…“

„Was versteht Ihr schon von Fairness?“, konterte Norrington mit zischender Stimme und Jack wusste, dass dies nicht der geeignete Zeitpunkt war, um zu diskutieren.

„Ich lasse Euch trockene Sachen und ein wenig Verpflegung bringen. Und regt Euch nicht so auf, Euer Herz rast…“
 

Ohne ein weiteres Wort zuzulassen, drehte sich der dunkelhaarige Mann auf der Stelle um und verließ den Bauch des Schiffes auf dem selben Weg, auf den er ihn betreten hatte. Die feuchte Abendluft schlug ihm entgegen, aber auch das half ihm nicht, seine Gedanken zu sortieren oder sich wieder auf die Gegenwart zu konzentrieren.

Der Herzschlag des anderen war mit jedem Schritt leiser geworden, den er von Norrington weg gegangen war und doch konnte er nicht vergessen, was dort unten geschehen war.
 

Wie kam es, dass dies bisher noch nicht geschehen war und ihm die Herzschläge seiner Crew nicht so aufgedrängt wurden?

Mit zusammen gezogenen Augenbrauen stellte er sich an die Reling und atmete tief durch, auch wenn ihn das befriedigende Gefühl anschließend nicht aufsuchen wollte.
 

Es wurde später und so ungern Norrington es sich auch eingestand, er fror. Auch wenn sie in der Karibik waren, im Bauch dieser schwarzen Bestie war es dunkel und dadurch, dass es kein Licht gab, war es ziemlich kühl. Seine klamme Kleidung trug nicht gerade positiv dazu bei, dass ihm wärmer wurde.

Mit angezogenen Beinen und verschränkten Armen saß er in einer Ecke der Zelle und wartete. Auf was konnte er nicht sagen, denn so sehr er Sparrows Worten auch Glauben schenken wollte, warum sollte einem Piraten daran gelegen sein, einem Mitglied der Royal Navy entgegenzukommen?
 

Er wusste nicht, ob er wirklich darauf warten sollte, dass ihm etwas gebracht werden würde. Egal ob nun Kleidung oder etwas anderes. Besser wäre es für die Anwesenden dieses Schiffes doch, wenn er hier sterben würde. Still und ohne viel Blut zu vergießen.

Zwar erklärte ihm das nicht, warum man ihn nicht schon längst umgebracht hatte, aber vielleicht gehörte das auch zur Art des Jack Sparrow ... zwar keine Gewalt aber dennoch an sein Ziel kommen...?
 

Schrittgeräusche holten den Engländer schlussendlich aus seinen Gedanken. Durch den Schein der wenigen Öllampen konnte er zwar einen Schatten ausmachen, ihn aber noch nicht genau erkennen. Erst, als die Figur näher trat, erkannte er, dass es sich bei dem jungen Mann definitiv nicht um Sparrow handelte, sondern um eines seiner Crewmitglieder, die er nicht kannte.

Der Pirat hatte dunkle Haut und alles in allem eine relativ zierliche Statur. Ein Wunder, dass dieser als Pirat offenbar schon eine Weile überlebt hatte.

Erst als der vermeintliche Pirat direkt vor der Zelle stehen blieb und ihm durch die Gitter schmutzige, aber trockene Kleidung zuwarf, erkannte James, dass es sich dabei nicht um einen jungen Mann, sondern in der Tat um eine junge Frau handelte.
 

Mit vor Überraschung angehobenen Augenbrauen stand er auf, griff nach der trockenen Kleidung und beobachtete noch, wie sie – ähnlich wie die Kleidung zuvor – Wasser in einem Becker und einige Stücke Schiffszwieback durch die Gitter auf den Boden legte.

Sie würdigte ihn nicht wirklich eines Blickes und wenn, dann war darin nur Verachtung zu erkennen.



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