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Tokyo, 12 °C , Regen

von

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Schwermut

Schwer prasselte der Regen gegen die Scheiben des Blumenladens Kitten in the house.

Die schweren, grauen Wolken, die über Tokio hingen, wirkten fast licht gegen die Miene des jungen Mannes, der das Wetterschauspiel aus dem Laden heraus betrachtete.

"Oh, wie ich Regen hasse", dachte Aya, während er die Blätter des Gummibaumes pflegte, "Ich habe Regen schon immer gehasst. Während der Schule, weil er immer dafür gesorgt hat, dass der ganze Smog runterkam und sich in der Kleidung festsetzte, wenn man keinen Schirm dabei hatte. So war man nicht nur nass, sondern auch mordsmäßig dreckig, wenn man endlich zuhause ankam.

An diesem Tag, Aya-chans Geburtstag hat es auch angefangen zu regnen. Wir hatten natürlich keinen Schirm dabei. Sie hatte ohnehin nie einen.

Wie oft bin ich Seite an Seite mit ihr gequetscht nach Hause gelaufen? In diesen Momenten habe ich den Regen manchmal nicht gehasst. Meistens hat sie über Barbiepuppen, Tamagotchis, irgendwelche Jungs oder so geplappert. Ich habe die Hälfte davon nicht verstanden.

Aber manchmal veränderte sich ihr Tonfall plötzlich und sie blickte mich aus ihren großen, dunklen Augen an. Dann stellte sie mir Fragen, die ich nie von ihr erwartet hätte.

Einmal fragte sie mich "Wenn Kampf der Urzustand des Daseins ist, warum sehnt der Mensch sich dann so sehr nach Frieden?". Ich konnte ihr keine Antwort geben, obwohl mir viele im Kopf rumspukten, aber keine schien befriedigend.

Als sie merkte, dass ich stumm blieb, lächelte sie nur und sagte "Ach vergiss es, war nur so'n dummer Gedanke. Haruka-chan hatte heute ein neues Handy mit in der Schule, mit dem kann man richtig gute Fotos machen...". Mir aber geht diese Frage seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Wenn es eine Antwort auf die Frage gibt, werde ich sie jemals finden? Und falls ich sie tatsächlich finde, werde ich je in der Lage sein, sie ihr so zu erzählen, dass ich ihre Reaktion darauf sehen kann?"

»Klirr« zerbrach irgendetwas in der Küche und Omis helle Stimme rief, sich halb überschlagend: "Ken-kun, verdammt noch Mal, wie oft muss ich dir noch sagen, dass im Haus nicht Fußball gespielt wird?"

Eine Diskussion über Recht und Unrecht sowie den eigentlichen Verursacher des Unfalls brandete auf.

'Heute nervt mich der Regen insbesondere deshalb, weil er all die Nervensägen zwingt, mit mir hier drinnen zu bleiben. Dieses Rumsitzen macht uns alle verrückt. Außerdem kommen zwar weniger Mädchen in den Laden, aber die, die kommen, bleiben auch eine halbe Ewigkeit, ohne überhaupt etwas zu kaufen.' Plötzlich jedoch hellte Ayas Miene sich einen Moment lang auf. "Minna-san?"

Das Gelärme in der Küche ebbte ab. "Ja?", konnte man Yohji vernehmen.

Aya griff nach seinem Mantel. "Einer von euch muss auf den Laden aufpassen!", rief er, "Ich gehe spazieren."

"Spazieren?", Yohjis blonder Lockenkopf tauchte in der Zwischentür auf, hinter ihm ging das Streitgespräch weiter. Er schien froh, sich erstmal aus dem Kriegsgebiet entfernt zu haben.

"Bei dem Mistwetter?", fuhr er fort, "Da jagt man ja nicht mal einen Hund auf die Straße."

"Eben drum", erwiderte Aya gelassen, "ich sehne mich nach ein wenig Frieden." Und schon war er durch die Ladentür nach draußen getreten.

"Nimm doch wenigstens einen Schirm mit!", rief Yohji ihm noch nach, aber die Ladentür schloss sich schon wieder unter feinem Klingeln der Türglocke und Aya hatte die Straßenseite gewechselt.

Wiedersehen

Nur wenige Passanten waren bei diesem Wetter zu Fuß unterwegs. Wer immer die Möglichkeit hatte, beeilte sich, ein Dach über den Kopf zu bekommen, sei es die U-Bahnstation, ein Autodach oder am Liebsten natürlich das Büro oder Zuhause.

Die wenigen Schulkinder, die Aya unter ihren Schirmen hervor verwundert musterten, blieben von ihm unbemerkt. Längst war er wieder in seinen Gedanken versunken. Wie von selbst lenkten seine Schritte ihn durch die Straßen, bis er schließlich vor einem Geschäft stehen blieb. "Hier wollte ich dir ein Virtual pet kaufen, wie du es dir gewünscht hattest. Sie mussten es bestellen, weil die Dinger damals so beliebt waren. Tja, es ist nicht rechtzeitig gekommen und so hatte ich kein Geschenk für dich, nur den Jahrmarktsbesuch. Eigentlich sollte ich dich nach dem Essen noch ins "Chibi chibi" bringen, wo deine Freundinnen eine Überraschungsparty für dich organisiert hatten.

Regen! Ohne Regen wären wir auf dem Weg nach Hause nicht gelaufen. Wir wären diese paar entscheidenden Minuten später gekommen und ich hätte wenigstens dein Lächeln nicht verloren." Schmerzerfüllt wandte Aya sich vom Schaufenster ab. "Verdammt, was tue ich hier nur? Warum kehre ich hierher zurück? All das hier sollte keine Bedeutung mehr für mich haben..."

Plötzlich begann auf der anderen Straßenseite jemand heftig zu winken. Verwirrt blickte Aya hinüber, war das nicht...? "Oh nein, er ist es. Ich muss weg, er darf mich nicht sehen." Aya sah sich panisch nach einem Fluchtweg um, doch die Gestalt überquerte bereits die Straße zwischen den haltenden Autos und hinter Aya war nichts als die nackte, durchgehende Wand der Ladenzeile.

"Fuyimiya-kun! Ran-kun!", schallte es bereits freudig und Aya ergab sich in sein Schicksal.

Der junge Mann war ungefähr in seinem Alter und lächelte ihn mit unverhohlener Wiedersehensfreude an. "Hey Fujimiya! Kennst du mich nicht mehr? Ich bin's doch, Hamamoto, Hamamoto Hijiri! Mann, dass ich DICH hier treffe! Bin grade auf dem Weg nach Hause, komm doch mit und trink ein Bierchen mit mir. Was machst du überhaupt hier, so ohne Schirm mitten im Regen?", bombardierte er Aya mit Fragen.

Respekt

Der ältere Mann sah die beiden uniformierten Oberschüler mit nur schlecht verhohlener Wut an.

"Habt ihr denn gar keinen Respekt vor den Ahnen?", blaffte er die beiden an, die mit gesenkten Köpfen vor ihm saßen. Dass dies allerdings weniger eine Geste der Reue denn mehr des Selbstschutzes war, ahnte er jedoch nicht. Die Jungen grinsen verstohlen vor sich hin, während sich die Strafpredigt über sie ergoss. "...werde ich andere Seiten aufziehen, ihr werdet euch noch wundern... Und jetzt seht mich an, habt ihr irgend etwas zu sagen?"

Beide hoben ihre Köpfe, jedoch nicht ohne sich das Grinsen vorher zumindest größtenteils zu verkneifen. "Kawagi-san, es war doch nur ein harmloser Streich, der keinen bleibenden Schaden verursacht hat...", begann der Schwarzhaarige, der wie der perfekte Japaner aussah.

"Keinen bleibenden Schaden?", fuhr der Lehrer dazwischen, "nur weil ihr Papier benutzt habt, um die Statue des ehrenwerten Togusa, unseres Schulgründers, zu verschandeln, fühlt ihr euch jetzt auch noch im Recht? Was ist mit all den Schülern, die das gesehen haben? Ihr Respekt hat mit Sicherheit bleibenden Schaden genommen. Zur Strafe werdet ihr nicht nur dieses Ballerina-Kostüm von der Statue entfernen, sondern auch 100-mal den Satz 'Ich werde das Andenken der Ahnen nicht mit Füßen treten' schreiben. Ist das klar?"

"Nein!", kam die trockene Antwort nun vom zweiten der Angesprochenen, "Ich werde die Statue putzen und meinetwegen schreibe ich Ihnen einen 15-seitigen Aufsatz über meine Gründe und meine Fehler in dieser Angelegenheit, aber ich werde nicht die stupide Arbeit eines Grundschülers machen, nur weil sie meinen, uns wie welche behandeln zu müssen."

Die Gesichtsfarbe des Lehrers wechselte von rot zu purpur. "Du weigerst dich meinen Anordnungen Folge zu leisten?"

"Ich möchte an dieser Stelle nun doch an das mir zustehende Recht der Respektsansprache erinnern", warf der junge Mann dazwischen.

"Das wird ja immer schöner. Na gut, Fujimiya-san, ich erwarte Ihre Mutter noch heute bei mir im Büro. Sie werden 25 Seiten über die Errungenschaften unseres Schulgründers und kein Wort ihrer üblichen Polemik schreiben und Sie werden sich bis morgen wieder eine der Schulordnung angemessene Frisur und Haarfarbe zulegen, ansonsten dürfen Sie sich gerne eine andere Lehranstalt suchen. Haben wenigstens Sie mich richtig verstanden, Hamamoto?" Er blickte den ersten der Teenager an. Dieser schien sich einen Moment lang zu winden, doch dann sagte er: "Sehr wohl! Meine Mutter noch heute hier und 25 Seiten über Togusa, dabei kein Wort über seine sexuellen Neigungen."

Der Lehrer schnappte nach Luft: "Das ist ja... es hat offensichtlich keinen Zweck, Sie auch nur annähernd auf den Weg der Tugend zurückführen zu wollen... Ich werde alles weitere mit ihren Müttern besprechen, aber ich hoffe, Sie haben die anderen Mitglieder Ihrer Kendo-AG gut trainiert, denn das nächste Turnier findet ohne Sie beide statt, genau wie der nächste Traningsmonat. Wer sowas tut, hat kaum die Befähigung andere zu lehren und noch dazu in einer Kunst wie dem japanischen Schwertkampf."

Damit verließ er den Raum.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  Langenlucky
2009-03-18T22:56:18+00:00 18.03.2009 23:56
Dachte erst ich wäre in der falschen Geschichte gelandet. Denn mir fehlt irgenwo der Übergang zwischen Kapitel zwei und drei. Kann es mir nur so erkären, dass Ran einen Flashback hat als er seinen Schulkameraden sieht. Kommt die Erklärung im nächsten Kapitel?

Schreib sie schnell, denn ich bin neugierig wie es weiter geht.
Von: abgemeldet
2009-03-01T17:26:08+00:00 01.03.2009 18:26
Heyo =)
Bin grad durch Zufall über diese Story gestolpert und muss sagen, dass sie mir bis jetzt wirklich gut gefällt. Die Sache mit dem Regen, der Erinnerungen an früher weckt, ist echt gut geschrieben! Armer Aya... aber seine Schwermut kommt wirklich sehr gut rüber!
oO Und jetzt das noch... als ob ihm danach ist, ein Bier trinken zu gehen... *drop*
Nyaa, jedenfalls machen die ersten beiden Kapitel Lust auf mehr!
Lg Layla
Von:  Langenlucky
2009-02-27T23:53:29+00:00 28.02.2009 00:53
Hab heute beide kapitel direkt hintereinander gelesen und muss sagen ich find deine Geschichte interessant und bin gespannt wie es weiter geht.


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