Liebe kann auch weh tun.
Schnell rannte ich Alice hinterher. Ihre kurzen, dunklen Haare wehten elegant
im Wind, als würde sie einen Werbespot für glänzendes Haarshampoo machen und
nicht vor mir weglaufen.. Wie alle aus ihrer Familie, sah sie aus wie ein Model.
»Na los, Bella! Kannst du nicht schneller laufen?«, hörte ich sie belustigt
fragen. Zornesröte stieg mir ins Gesicht, natürlich war ich nicht annähernd
so schnell wie ein Vampir. Doch aufgeben durfte ich nicht! Nicht, wenn die
hübsche Alice meinen schwarzen Spitzen-BH in der Hand hielt und geradewegs auf
ihn zusteuerte. Doch so wie ich mich kannte, und ganz Forks auch, musste wohl
etwas passieren: Ich sah nicht die böse Wurzel, die plötzlich meinen Weg
versperrte ... Nein, ich sah sie doch: Als ich mit einem dumpfen Geräusch auf
den dreckigen Waldboden prallte. Ich rieb mir den Schmutz aus meinem
schmerzverzerrten Gesicht und konnte noch erblicken, wie Alice zu ihrem Bruder
tanzte. Mit meinem BH. Bitte nicht ...
»Edward! Sieh mal, das habe ich in Bella's Tasche gefunden.«
Mist! War ja klar, immer ich ... Mit dem schwarzen Teil in den Händen lief mein
Liebster auf mich zu. Nicht noch diese Blamage! Er grinste mein allerliebstes
schiefes Lächeln und fragte mich mit entzückend verführerischer Stimme.
»Stimmt das? Gehört der« - er hob den BH genau vor mein errötetes Gesicht -
»dir, meine liebe Isabella?«
Oh nein ... Am liebsten würde ich im Boden versinken und erst wieder
auftauchen, wenn die ganzen Vampire endlich weg waren. Aber nein, die Cullens
mussten ja hier bleiben. Und warum? Weil ein gewisser Edward Cullen an meinem
Blut interessiert war ... Ok, nicht ganz so wie ich es meinte: Mein Blut war
anziehend auf ihn. Und er war anziehend auf mich. Und wie!
Doch nun zurück zum Geschehen: Ich vergrub mein Gesicht in den Händen.
»Ja«, gestand ich ihm.
Er lachte leise. Und wurde immer lauter. Und lauter. Und lauter. Mein Gesicht
glich nun einer überreifen Tomate.
»Würdest du bitte aufhören, mich auszulachen?«, fragte ich bissig. Doch
meine Aussage brachte ihn noch mehr in Ekstase. Und wie es kommen musste,
bekamen die anderen Cullens von Edwards Geschrei mit und eilten zu uns. Emmett -
der eigentlich der Liebste von allen war - begann mitzulachen. Ihm folgte
Rosalie, die - dank unserer fehlenden Beziehung - nicht lachte, und dafür war
ich ihr sehr dankbar. Und noch Jasper und Alice, die wohl nicht bemerkt hatte,
dass ich hinfiel. Als alle mich (!) auslachten, lief das Fass über.
»Ihr seid so gemein!«, rief ich aufgebracht und rannte mit Tränen in den
Augen weg. In den Wald. Allein. Und ließ fünf verdutzte Vampire zurück.
Dieses Mal war Mutter Erde gütig und keine Wurzeln ließen mich unsanft auf die
Erde plumpsen. Nach drei Minuten Sprint kam ich hinter einem dicken Baum zum
stehen. Mein Herz raste, ich fühlte mich schwach, da ich einfach weg gerannt
bin. Langsam beruhigte sich meine Atmung. Ich war nicht geboren, um Sport zu
treiben! Ich wischte mir die restlichen Tränen von den Wangen, als plötzlich
ein leichter Luftzug meine Aufmerksamkeit auf sich zog.
Neben mir stand - mit einem überraschend traurigen Blick - mein
Lieblingsvampir. Es war klar, dass er mir gefolgt war, und auf jeden Fall war er
schneller als ich an meinen besten Tagen. Wie gern hätte ich ihn nur angesehen,
mein Verlangen wäre augenblicklich gestillt. Doch er hat mich ausgelacht, und
dafür wird er bezahlen! Ich versuchte, ihn gekonnt zu ignorieren, doch sein
Atem in meinem Nacken raubte mir den Verstand.
»Was willst du? Habt ihr mich noch nicht genug gedemütigt?«, fragte ich mit
erstickter Stimme. Dann überwand ich meine Angst und drehte mich zu ihm um.
Mein Blick hielt seinem Stand. Zum Glück. Dann sagte Edward etwas, was ich in
meinen kühnsten Träumen nicht von ihm hören wollte.
»Verlasse mich«, forderte mich Edward auf. Meine Pupillen weiteten sich, mein
Herz setzte für einen Blick aus, genauso wie mein Atem.
»W ... was?«, flüsterte ich entsetzt.
»Ich möchte, dass du mich verlässt«, wiederholte er. In seinen trüben Augen
schimmerte ein Glanz von Selbstmissachtung. »Ich bringe dich zum Weinen und das
sollte niemals ein Mann tun. Niemals! Doch wenn du es tust, dann bitte schnell,
damit es so schmerzlos wie es geht, wird. Außer du willst ...«
Keine zwei Sekunden später befand ich mich in seinen kalten, starken Armen.
Schlagartig änderte sich seine melancholische Stimmung. Als würde nun ein ganz
anderer Edward mit mir sprechen.
»Es tut mir so unendlich Leid.« Oh, mein Edward. Zaghaft erwiderte ich seine
Umarmung.
»Du weißt doch ganz genau, dass eine Trennung uns noch mehr kaputt machen
würde. Das könnten wir nicht aushalten!«, hauchte ich.
Ich zog seinen Kopf zu mir herunter und berührte seine Lippen für einen
Bruchteil einer Sekunde mit meinen. Als mein Mund sich von seinem löste, sah
ich ihn mit einem kleinen Lächeln an.
»Ich liebe dich so sehr. Und bin so froh, dass solch ein Mann für mich
bestimmt ist. Niemals könnte ich dich verlassen«, sagte ich. Auch jetzt
lächelte mein Edward und zog mich zu einem leidenschaftlichen Kuss an sich. Es
kam mir vor, als wäre ich in einem ultra-kitschigen Liebesfilm. Doch so war das
nicht ... Nein, so toll war mein Leben nicht ...
Edward löste sich bestimmt von mir und keuchte erregt auf. »Bella ...« Dann
spürte ich schon wieder seine eisigen Lippen auf meinen. Ich sog seinen
betörenden Duft auf und öffnete meinen Mund. Er kannte meine Reaktionen und
jetzt kam eigentlich der Part, wo er mich von sich schob und sich darüber
aufregte, dass er sich nicht unter Kontrolle habe. Doch genau das passierte
nicht.
Er erwiderte mein Handeln und öffnete auch seine Lippen. Bis hierher kamen wir
noch nicht. Doch er wusste natürlich, was er jetzt tun musste, denn Edward war
in allem gut. Und besser. Er zog mich hart an seinen Mamorkörper heran und
seine Hände verschwanden in meinen Haaren. Er vertiefte unsere intime
Atmosphäre als er mit einer Hand unter meine Bluse ging. Er streichelte meinen
Bauch und hielt mich anschließend an den Hüften fest.
»Oh Edward«. keuchte ich, doch das erwies sich als ein großer Fehler. Er
stieß mich unsanft von sich, ich knallte mit meinem Allerwertesten auf den
Waldboden. »Was ...?«, fragte ich außer Atem. Seine Antwort war ein lautes
Luftaufschnappen. Er setzte sich zu mir auf das Moos und nahm mich in den Arm.
»Bella, was machst du nur mit mir? Ich habe gerade den Verstand verloren ...«
»Und das war ganz gut«, entgegnete ich ihm. »Du bist wahrlich ein Gott im
Küssen!« Seine geschickten Hände wanderten über meinen Rücken hoch zu
meinen Haaren. Wie ein Ritual schob er sie nach hinten um die empfindliche
Stelle unter meinem Ohr zu küssen. Seine Lippen waren kalt. Und in mir brodelte
das heißeste Feuer.
»Also Bella ... Das war genug körperliche Liebe für die nächsten zwei
Wochen«, verkündete er grinsend. Seine Augen sprachen das Gegenteil. Sie
glänzten und waren erhellt. Ihm gefiel es. Das wusste ich. Edwards Wange legte
sich auf meine Brust und er lauschte meinem rasenden Herzschlag. Mir war es
peinlich, aber was tat ich nicht alles für ihn? Bewegen konnte ich mich in
seiner Gegenwart so gut wie nie.
Wir lagen lange in dieser Position. Die Dämmerung brach an und eine
unglaubliche Schwärze verschluckte den blauen Himmel. Die Bäume - die uns
umringten - sahen nun gefährlich aus, der ganze Wald schien jetzt ein
Spieleparadies für Monster und unheimliche Wesen zu sein. Doch Angst hatte ich
nicht, denn ein Monster lag direkt neben mir und küsste mich auf die Stirn. Ich
war glücklich, auch wenn es nicht mehr so lange bleiben wird wie es momentan
ist ...
Mein Edward riss mich aus den Gedanken, als er etwas fragte, was mir auf der
Stelle wieder eine zu gesunde Gesichtsfarbe verlieh.
»Sag mal, was ist jetzt eigentlich die Sache mit dem BH?« Ich hatte umständig
darauf gehofft, er hätte das vergessen. Doch zu früh gefreut. Ich versteckte
mich an seiner bequemen Brust.
»Muss ich darüber sprechen?«, fragte ich leise.
»Nein, musst du nicht. Aber da ich deine Gedanken ja nicht lesen kann, ist es
ziemlich schwer für mich zu wissen ...« Er brauchte nicht weiterzureden. Ich
schaute ihn aus verliebten Augen an. Danach blickte ich über meine Schulter
hinein in den dunklen Wald. »Es ist Abend. Wir sollten uns auf den Weg machen,
sonst wird Charlie noch sauer und verdonnert mir bestimmt wieder Hausarrest. Und
du willst ja nicht jede Nacht immer durchs Fenster zu mir kommen, oder?«,
versuchte ich, das Thema zu wechseln. Edward sah sich auch um. Dann stand er auf
und zog mich mit. »Du hast Recht, es ist dunkel und ich möchte keinen Ärger
von Seiten Charlies bekommen.« Er nahm mich bei der Hand und wir liefen ein
paar Schritte, bis plötzlich alles ganz schnell ging.
Ich fand mich schließlich an einem Baum geheftet wieder. Vor mir Edward, dessen
Hände verhinderten, dass ich irgendwohin fliehen konnte. Sein Gesicht war
meinem extrem nah. Auch wenn ich es schon einigermaßen gewohnt war, sein
unbeschreiblich süßer Duft machte aus mir eine leichte Beute.
»Das Lamm ist hilflos. Die Herde ist verschwunden und der Löwe vor ihm lässt
keine Gedanken an irgendeine Flucht«, flüsterte er. Oh mein Gott, diese
Stimme! Ich schätzte die Situation ab, er würde mich wohl solange nicht
freilassen bis ich mitmachen würde. Löwe und Lamm... Und ich kam zu dem
Entschluss, bei seinem Spiel mit zuspielen.
»Aber wird der böse Löwe dem armen kleinen Lamm etwas tun?« Edward grinste
und seine weißen Zähne blitzten in der Dämmerung. Sein Daumen strich über
meine geöffneten Lippen.
Ich dachte, es wäre genug körperlich Liebe ...?
»Nein, der Löwe wird dem Lamm nichts tun. Dafür findet er das Lamm viel zu
schön. Das arme Lamm darf keinen Dreck an sich haben, es darf nicht von dem
bösen Löwen beschmutzt werden. Wenn das Lamm ganz brav ist und stillhält,
dann wird der Löwe auch seine Beherrschung nicht verlieren«, gestand er
lächelnd. Sein schiefes Lächeln, für das ich Unmengen an Geld opfern würde.
»Also«, begann er. »Du musst mir nur eine Frage beantworten. versprichst du
es mir? Bitte.« Ich konnte nicht mehr klar denken, so sehr war von ihm
besessen. Ich nickte.
»Gut«, er grinste. »Was ist jetzt mit dem BH?«
Ach, auf das wollte er hinaus? Verdammt, ich habe es ihm versprochen, dass ich
antworte ... Wie sollte ich da nur antworten, ohne dass Edward wütend auf mich
sein wird?
»Nun ja, ich dachte mir, dass wenn ich bei dir bin, könnte ich auch einmal die
Initiative ergreifen und ... du weißt schon, was ich meine«, sagte ich. Er
japste erschrocken auf. Seine Augen spiegelten Trauer. Tiefe Trauer.
»Bella.«
Es war wie Musik in meinen Ohren, wenn er mein Name aussprach.
»Ich kann nicht mit dir ... du weißt schon was. Ich kann mich doch noch kaum
beherrschen, wenn ich dich nur küsse! Bei so etwas intimen, ich weiß nicht. Es
tut mir Leid. Erst wenn du nicht mehr so zerbrechlich bist.« Dass er so
darüber dachte, machte mich todtraurig. Ich befreite mich aus seinem Griff und
drehte ihm den Rücken zu. Ich kämpfte mit den Tränen, und -
überraschenderweise - gewann ich. Ich wollte nicht schwach sein.
»Du wirst der Erste sein. Und der Einzige«, flüsterte ich. Meine Aussage
macht ihn noch trister. Er ging auf und ab. Seine Stirn war in Falten geworfen,
er schien zu überlegen. »Versteh doch, Bella. Ich kann nicht mit dir so weit
gehen. Ich werde die Kontrolle über mich verlieren und vielleicht werde ich dir
wehtun. Wir haben darüber doch schon einmal gesprochen. Du bist so zerbrechlich
und ich könnte dich auf der Stelle umbringen, doch wollte ich dich nur
berühren.«
Es klang für mich nur wie lauter Müll. Alles Ausreden.
»Warum kannst du denn nicht mal dich gehen lassen? Ist das so schwer? Oder
liegt es einfach daran, dass ich dir zu hässlich bin?«, zu Ende des Satzes
brach meine Stimme weg. Eigentlich wollte ich nicht »hässlich« sagen, doch
das schien mir das einzige Wort, was meine hysterischen Gedanken beschreiben
konnte. Auch wenn ich wusste, dass er es so nicht meinte... Ich musste meine Wut
an jemandem auslassen.
Jetzt wurde er sauer.
»Wie kannst du so etwas sagen?! Du und hässlich?«, schrie er. Mit einer Hand
hob er einen Stein und zerdrückte ihn, bis nur noch Staub übrig war.
»Siehst du? Ein Stein ist so zerbrechlich. Du bist so zerbrechlich. Du weißt
nicht, was ich darüber denke! Du weißt gar nichts! Du weißt nicht, dass ich
jede Nacht - wenn du mich rein gelassen hast und ich mit dir in deinem Bett liege
- das unendliche Verlangen danach habe, auf der Stelle über dich herzufallen!
Wenn ich dich atmen höre, wenn ich höre, wie du im Schlaf meinen Namen
flüsterst, was denkst du denn, was ich denke? Dass du hässlich bist ...?«, er
lachte gekränkt und verbittert auf. »Oh nein, meine liebe Bella.«
Jetzt war wieder einer der seltenen Momente, in denen ich Angst vor meinem
Edward hatte. Zitternd presste ich mich gegen einen Baum und schluckte den
dicken Klos in meinem Hals herunter.
»Edward, du machst mir Angst«, hauchte ich. Wie auf Kommando änderte sich
sein Wesen. Die Gesichtszüge wurden weich, seine aufgebrachte Haltung wich
einem geschmeidigen Gang und er ging auf mich zu. Ich drückte mich schmerzhaft
gegen den Baum.
»Bella.« Ich schloss die Augen um mich zu sammeln. Als ich sie wieder
öffnete, war sein Gesicht nur höchstens dreißig Zentimeter von meinem
entfernt.
»Ich liebe dich von ganzem Herzen«, gestand er mir. Meine Wangen wurden rosig,
ich hatte immer noch leichte Angst vor ihm. Doch sie schwand immer mehr. Mit
voller Leidenschaft küsste er mich auf die Lippen. Ich hielt still, wie es das
Lamm auch sollte ... Während des Kusses liefen mir die Tränen in Strömen
über die Wangen. Jede einzelne fing Edward auf und leckte sie ab. Das geschah
viel zu schnell. Wie vieles. Aber meine Tränen wollten nicht stoppen. Immer
mehr kamen dazu, Edward machte es sich schwer, alle aufzufangen.
Und dann schluchzte ich. Und schluchzte noch einmal, und noch einmal.
Mein Vampir nahm mich in die Arme und drückte mich an sich. Ich sog seinen Duft
auf, doch der Schmerz hörte nicht auf. Es fühlte sich an, als gäbe es nun
einen großen tiefen Riss in meinem Herzen. Und der Riss wuchs, wenn er nicht
endlich seine menschlichen Bedürfnisse wahrnahm.
Ich wusste, Edward war nicht Schuld. Es war meine. Ich war zu aufdringlich, nur
weil ich nach ihm besessen war!
Edward wusste nicht so recht, was er tun sollte, also hielt er mich die ganze
Zeit über in seinen Armen. Als der Tränenfluss langsam verebbte, fand ich auch
meine Stimme wieder.
»Es tut mir Leid, Edward. Ich werde nicht mehr so aufdringlich sein. Ich -«
Abrupt legte er einen Finger auf meine Lippen. »Shhht. Weißt du, ich glaube
nicht, dass es jetzt weit kommen wird. Aber mit der Zeit werde ich mich besser
unter Kontrolle haben und irgendwann - das verspreche ich dir - wird es soweit
sein. Könntest du dich mit Kleinem auch zufrieden geben?«, fragte er mich. Ich
war überrascht. Edward hatte wirklich zwei Seiten. Seine alltägliche Seite,
die so gut wie jeder kannte ... und diese neue Seite, die ich wohl als erste zu
sehen bekam. Diese neue Seite mochte ich, sie wollte menschlich sein, auch wenn
das nicht mehr ging ...
Ich nickte nur. Ja, irgendwann wird es soweit sein. Irgendwann. Und um nicht zu
vergessen: Irgendwann werde ich auch einer von ihnen sein. Alice werde ich noch
überreden, ha! ... Das hatte gerade die niedrigste Chance, doch es
interessierte mich wenig. Solange ich noch bei ihm war ...
Wir machten uns auf den Weg zu Charlie, der bestimmt schon mit dem Gewehr in der
Hand auf uns wartete. Wahrscheinlich machte er sich Sorgen, da ich mit ihm
abends allein war. Doch bei ihm brauchte ich mir - meistens - keine Sorgen
machen. Ich verabschiedete mich nicht von den Cullens, wenn man so gemein ist,
verdient man einen Abschiedsgruß nicht! Doch morgen in der Cafeteria würde ich
wohl nachgeben müssen. Im silbernen Vovlo redeten wir kein Wort miteinander.
Stattdesses nahm Edward meine linke Hand in seine rechte. Als wir zu hause
ankamen, gab es schon ein Problem. Billy und Jacob saßen mit Charlie auf der
Veranda und unterhielten sich. Edward verzog das Gesicht.
»Hmmm.« Ihm gefiel es nicht, dass Billy - und besonders Jacob in meiner Nähe
waren. Die Wölfe waren ja die Erzfeinde der Vampire und Jacob war
offensichtlich an mir interessiert. Edward war immer noch auf ihn wütend, da er
- als er weg war - sich um mich »kümmerte«. Und Billy konnte man mit dem
Teufel vergleichen. Auch wenn er nur nett sein wollte, er mischte sich eindeutig
in zu viele Dinge ein.
»Sehen wir uns gleich?«, fragte ich. Er schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid,
aber ich muss über alles nachdenken.« Das konnte ich ihm nicht verübeln. Was
heute passiert ist, musste erst einmal verarbeitet werden.
»Bis morgen, Bella. Ich liebe dich«, sagte er und mein Herz begann schneller
zu pochen. Das hörte er natürlich und schenkte mir sein schiefes Lächeln.
Anschließend küsste er mich ... auf den Mund. Vor Billy und Jacob! Ich stieg
aus dem Wagen und winkte ihm noch zu. An den Außenspiegeln bemerkte ich, dass
er lachte. Wie unverschämt!
»Hallo«, begrüßte ich sie. Ich gab meinem Dad einen Kuss auf die Wange.
Billy's Ausdruck in seinem Gesicht glich, als hätte mich gerade ein Bär
verspeist. Pures Entsetzen! Und Jacob schaute mich trist an.
»Jacob, was macht das Auto?«, fragte ich, um die angespannte Stimmung zu
lockern. »Gut, gut«, sagte er.
»Kann ich mal mit dir unter vier Augen reden?« Ich ahnte schlechtes. Trotzdem
antworte ich ihm, wir könnten hoch in mein Zimmer gehen. Oben angekommen,
setzte er sich auf mein Bett und sah mich schief an. Mit einer Hand klopfte er
auf das Bett. Ich sollte mich also neben ihn setzen ...
»Bella, du weißt, auf was du dich da einlässt? Er ist gefährlich.« Meine
steife Haltung wich, ich ließ mich auf das Bett fallen und verschränkte die
Arme hinter dem Kopf.
»Jacob«, begann ich. »Das Thema hatten wir doch schon.« Meine steife Haltung
wich, ich ließ mich auf das Bett fallen und verschränkte die Arme hinter dem
Kopf. »Es ist meine Entscheidung, was ich mache. Nicht?«
Er schnaubte verächtlich auf.
Plötzlich hielt er meine Handgelenke mit einem eisernen Griff fest, ich dachte
schon, es wäre ein Schraubstock, der verhinderte, dass ich nur eine Bewegung mit
den Händen ausführen konnte. »Bella. Er ist gefährlich. Warum bleibst du
nicht bei mir? Ich würde immer auf dich aufpassen«, versprach er mir, doch
seine Aussage ließ mich kalt. Auch wenn Jacob sozusagen mein bester Freund war,
über solche Sachen konnte er nicht entscheiden.
»Ja, klar«, fiel ich ihm ins Wort. »Und wenn wir uns streiten? Was wirst du
dann machen, wenn die Wut dich überrollt? Du kannst mir nicht sagen, es würde
mir nichts passieren. Was hat Sam gemacht? Siehst du seine Augen, wenn er vor
seiner Verlobten steht?« Ich drehte meinen Kopf von ihm weg. Ich wollte nicht
in sein Gesicht sehen, ich wusste, was jetzt in seinen Augen stand.
Er hatte es mir am Jahresabschlussball gesagt. Als ich ihn fragte, ob er sich
schon einen Blick auf eine geworfen hatte. Seine Antwort traf mich wie ein
Schlag ins Gesicht. »Ja. Aber sie ist schon vergeben.«
Seine Hände ließen meine los, doch ich nahm sie wieder und legte sie auf meine
Wange. Er glühte. Ich hatte mich schon daran gewöhnt, dass mein Liebster eine
Temperatur wie Stein hatte, mein bester Freund eine lodernde Hitze.
»Jacob ... Verzeih mir, bitte.« Zaghaft umarmte ich ihn. Ich dachte, er wäre
jetzt darüber einigermaßen hinweg, doch da lag ich wieder einmal falsch. Seine
großen Hände umfassten mein Gesicht beinahe grob, seine dunklen Lippen kamen
auf mich zu. Oh nein, nicht mit mir!
Wie durch ein Wunder hörte ich ein Räuspern und ich schaute zur Tür. Da stand
keiner. Jacob knurrte. Jetzt wusste ich auch, wo das Räuspern herkam. Ich sah
zum Fenster, und dort saß eine Person.
Es war ... Emmett?
Jacob war nicht sonderlich begeistert, dass abends ein Vampir ohne jegliche
Schwierigkeiten in mein Zimmer eindringen konnte.
»Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte Emmett. Ich stand auf, lief auf ihn zu
und umarmte ich sanft. »Hallo Emmett.« Er erwiderte meine Umarmung.
»Na, Kleine. Hast du dich beruhigt?«, fragte er belustigt. Ich errötete und
nickte. Er wuschelte über meine Haare, wie bei einem kleinen Kind. Dann sah er
sich Jacob an. Auch wenn der Wolf größer war ... Emmett war ziemlich gut im
Einschüchtern! Jacob sah uns nur missbilligend an.
»Keine Angst, Wolf. Ich tu deiner kleinen Freundin nichts. Ich will ihr nur
etwas vorbeibringen.« Emmett wandte sich an mich. Aus seiner Jackeninnentasche
holte er etwas raus, das mir sofort bekannt vor kam.
»Das hast du in Edwards Zimmer vergessen.« Er betonte Edward mehr als nur gut.
In der Hand hielt er meinen schwarzen Spitzen-BH. Ich quiekte laut los, entriss
ihm mein BH und stopfte ihn in irgendeine Schublade. Jacob erhob sich und lief
zur Tür.
»Es tut mir Leid, Bella. Aber ich denke, wir sprechen irgendwann mal wieder,
wenn keine Blutsauger in der Nähe sind. Tschüss.« Und schon war er weg.
»Oh, sorry Bella, dass ich dir den Wolf vergrault habe.«
Emmett lachte. Ich schmunzelte. Emmett war so nett - obwohl das heute nicht nett
war ...
»Ach, bevor ich's noch vergesse. Ich soll dir noch etwas von Edward geben.«
Jetzt war ich gespannt. Was wollte Edward mir geben? Noch etwas hatte ich ja
nicht bei ihm vergessen ... oder?
Doch ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Emmett mich leicht auf die
Wange küsste ...
Moment mal, küsste?!
»Das würde Rosalie nicht gefallen, wenn sie das sehen würde. Also das war das
von Edward.« Er musste noch mehr lachen, als er mein verdutztes Gesicht sah.
Ich sagte ihm, er solle Edward meinen Dank ausrichten, wir mussten uns
zurückhalten, so laut zu lachen, nicht dass Charlie oder Billy etwas
mitbekamen. Jacob war jetzt gerade ein geringes Problem. Er würde nie etwas
erzählen, auf sein Wort konnte man vertrauen!
»Gute Nacht. Bella. Schlaf gut«, sagte Emmett. »Ja, du auch.« Endlich konnte
ich ich »Insiderwitze« auch verstehen und anwenden. Emmetts Lachen ging mir
nicht mehr aus dem Kopf. Ich ging nach unten, sagte allen gute Nacht und
verdrückte mich - nachdem ich meine »menschlichen Bedürfnissen« in Sachen
Hygiene gestillt hatte - auf mein Zimmer.
In dieser Nacht träumte ich das erste Mal von Edward und mir und was wir tun
würden, wenn er sich gehen lassen würde ...