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Lebendig

von

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Wenn man das Ziel nicht kennt, ist kein Weg der richtige

*angekrochen kommt*
 

Gomen, gomen! >.<

Ich weiß, ich hab euch ewig auf das neue Kappi warten lassen, aber ich stand wirklich unter Lernstress.

Einige von euch kennen das bestimmt. ^^"
 

Ich will auch nicht weiter große Worte verlieren, sonder wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
 

~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~
 

Kapitel 14 Wenn man das Ziel nicht kennt, ist kein Weg der richtige
 

Müde und mit halb geschlossenen Augen, saß ich an dem riesigen Küchentisch, auf welchem uns gerade das Frühstück serviert wurde. Mit schlappen Bewegungen nahm ich die Stäbchen in die Hand und begann lustlos in meinem Essen herum zu stochern.

Mehrere Albträume hatten mich in der letzten Nacht Stunde um Stunde aus dem Schlaf gerissen und verhinderten meine so dringend benötigte Nachtruhe.

Träume aus meiner Vergangenheit hatten mich heimgesucht und mich mit Schrecken daran erinnert, dass ich mit meiner Mutter schon einmal hier gewesen war, hier in Kyōto.

Der Griff um meine Stäbchen verstärkte sich und mit aller größter Mühe verdrängte ich jegliche Erinnerungen an meinen Traum in mein Unterbewusstsein.

Beinahe lustig… wenn ich darüber nachdachte, was ich schon alles an diesen Ort verbannt hatte, würde es sicher nicht mehr lange dauern, bis der Speicher überlastet war und ein ‚Error’ in Neon Buchstaben vor meinem inneren Auge aufleuchten würde.

Ich schob es einfach auf die Müdigkeit, dass mein Gehirn heute Morgen nichts als Unsinn verzapfte.
 

Nach dem Essen – von dem ich kaum etwas zu mir genommen hatte - verkündeten unsere Lehrer, was das heutige Ziel unseres Ausflugs sein würde und es schüttelte mich.

Unsere Reise führte nach Shimogyō-ku, bekannt für den Kyōto Tower und die Shijōstraße, um die - besonders an der Kreuzung mit der Kawaramachistraße -, das belebteste Einkaufsviertel der Stadt lag. Das bedeutete, sehr viele Passanten und sehr, sehr enge Gehwege… wie gesagt, mir graute es schon jetzt davor…

Unglücklicherweise dauerte die Busfahrt nicht lange und wir stiegen am Hauptbahnhof von Kyōto aus, um uns von dort in Richtung Kyōto Tower durch zu kämpfen.

Und ein Kampf war es wirklich! Auf den Fußgängerwegen herrschte fürchterliches Gedränge, nicht selten war mir jemand auf den Fuß getreten – der würde morgen sicherlich mit blauen Flecken übersäht sein - und es brauchte eine halbe Ewigkeit, bis wir endlich diesen blöden Turm erreicht hatten. Wirklich… man hätte meinen können, sämtliche Einwohner Kyōtos wären an diesem Morgen in Shimogyō-ku unterwegs…
 

Während des gesamten Weges zum Tower war ich darum bemüht gewesen, in Kazukis Nähe zu laufen, um diesen ein wenig zu betrachten, auch wenn das bei diesen Menschenmassen kaum möglich gewesen war.

Ich besah mir seine schlanken, eleganten Beine, seinen starken, breiten Rücken und blieb mit meinen Augen an seinen weinroten Haaren hängen, welche sich leicht im Takt des Windes bewegten.

Ja, selbst von Hinten bot er einen faszinierend, schönen Anblick und mein Herzschlag beschleunigte sich ungewollt.
 

Wir betraten schließlich den Turm und fuhren mit dem Aufzug die 100 Meter nach oben auf die Aussichtsplattform. Hier oben wehte ein ziemlich starker Wind und die Temperatur schien unvermittelt um einige Grade gesunken zu sein, ganz so, als wäre man plötzlich in einen über großen Kühlschrank gestiegen.

Unsere Führerin, welche unter ihrem dicken Wintermantel nur einen dünnen Rock trug, rieb sich zitternd die Hände, während sie begann ihren Vortrag zu halten. Sicherlich fragte sie sich, welche Menschen schon auf die Idee kamen, bei diesen winterlichen Temperaturen einen Ausflug zu machen…
 

„Wir befinden uns hier nun auf der Aussichtsplattform, welche sich in genau 100 Meter Höhe befindet. Der Fernsehturm ist 131 Meter hoch und wurde 1964 von…“
 

Ich hörte gar nicht weiter zu, stellte meine Ohren auf Durchzug, was hier oben nicht sonderlich schwierig war – verstand man durch den Wind doch sowieso nur die Hälfte des Vortrags – und ließ meinen Blick über die Stadt schweifen.

Wirklich ansprechend war der Anblick nicht. Der Himmel war trist und grau, verlieh diesem Ort etwas Düsteres und schaffte es nicht, meine Aufmerksamkeit länger als ein paar Sekunden zu fesseln.
 

Stattdessen bemerkte ich aus den Augenwinkeln, wie Kazuki, der nur unweit von mir entfernt stand, immer wieder mit den Augen in meine Richtung schielte und versuchte, dabei möglichst unauffällig zu sein. Fast hätte ich über sein Verhalten gelacht und als ich meinen Kopf in seine Richtung drehte, wandte er seinen Blick schnell ab. Ich seufzte, war ich doch selbst schuld an der jetzigen Situation.

Gefühlte zwei Stunden später verließen wir endlich den Tower – ich hatte es tatsächlich geschafft, die Worte der Führerin komplett auszublenden – und setzten unseren Weg fort. Während wir uns erneut durch das Gedränge an Menschen boxten, blieb mein Blick des Öfteren an den Schaufenstern der Einkaufsmile hängen, welche wir gerade passierten.
 

Bald war Weihnachten… und Kazuki hatte in zwei Wochen auch noch Geburtstag! Ich wollte ihm auf jeden Fall ein Geschenk kaufen, wenn ich auch noch nicht genau wusste was… doch ich würde ihm damit sicher eine Freude machen.

Mein Blick glitt zu einem weiteren Schaufenster und ich blieb stehen. Zum Glück hielten auch die Lehrer gerade an, um sich neu zu orientieren, sodass ich nicht Gefahr lief zurück gelassen zu werden. Zwei Dinge hatten meine Aufmerksamkeit erregt und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

Ja, das waren genau die richtigen Geschenke für den Rothaarigen! Mein Geld dürfte dafür gerade noch reichen und dann hätte ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Mit einem kurzen Blick auf meine Lehrer, welche immer noch in ihrem Gespräch vertieft schienen, betrat ich das Geschäft, nahm mir die zwei Gegenstände, die ich haben wollte und stellte mich an die Kasse. Schnell hatte ich alles bezahlt, verließ das Geschäft wieder und sah mich um. Oh oh… ich schluckte trocken.

Da war keiner mehr. Wo waren die anderen? Ich lief in die Richtung, in die wir eben sowieso gehen wollten, doch ich erkannte niemanden. Ich blieb stehen, umringt von einer riesigen Menschenmenge und starrte hilflos in den Himmel. Das… war gar nicht gut!
 

~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~
 

Ich fluchte was das Zeug hielt, während ich orientierungslos durch die Straßen lief. Hätte ich doch wenigstens zugehört, worin unser nächstes Ziel bestand, dann wäre mir immer noch die Möglichkeit geblieben, mich durch zu fragen, aber so?

Ich hatte keinen blassen Schimmer wo ich hin musste! Noch dazu hatte ich nicht mehr genügend Geld dabei, um mir ein Taxi zu nehmen und zur Herberge zurück zu fahren.

Wobei selbst das nicht funktioniert hätte, da ich weder wusste, in welcher Straße sich unsere Unterkunft befand, noch kannte ich deren Namen…
 

Mist aber auch! War doch wieder einmal klar, dass das ausgerechnet mir passieren würde! Was sollte ich jetzt tun? Ich kannte mich in dieser Stadt nicht aus, wusste nicht wo ich hin musste und hatte keine Möglichkeit mit den anderen in Kontakt zu treten. Da hatte mich ja mal wieder in eine tolle Situation manövriert…

Irgendwann – ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, nur, dass es bereits dunkler wurde – ließ ich mich erschöpft auf einer Bank nieder und beobachtete müde die Passanten, welche sich gestresst von dem ganzen vorweihnachtlichen Trubel, genervt und ungeduldig durch das Gedränge kämpften. Irgendwie taten sie mir ja Leid, doch ich hatte jetzt nicht die Zeit mir um andere Gedanken zu machen, steckte ich doch gerade selbst in einer sehr ungünstigen Lage.

Ich war doch wirklich selten dämlich… meine Ignoranz gegenüber meiner Umwelt würde mich irgendwann noch mal in Teufels Küche bringen, wenn ich mich nicht sogar schon dort befand!

Ich seufzte frustriert, ehe meine Aufmerksamkeit plötzlich von etwas anderem abgelenkt wurde. Was war das für eine Melodie? Die kam mir doch seltsam bekannt vor…

Ich sah mich um, suchte nach der möglichen Ursache für diese Musik und bemerkte, dass mich einige vorbeigehende Menschen mit argwöhnischen Blicken anstarrten.

Hatte ich was im Gesicht, oder warum glotzten die so? Ich überlegte fieberhaft, was der Grund ihres Starrens sein konnte, da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das war mein Handy! Ich hatte vollkommen vergessen, dass ich es dabei hatte. Schnell griff ich in eine meiner Hosentaschen und zog das kleine Gerät heraus, doch noch bevor ich abheben konnte, hatte der Anrufer bereits wieder aufgelegt. Ich schaute auf das Display und schmunzelte leicht.
 

»fünf Anrufe in Abwesenheit von Kazuki«
 

Wann hatte der Rothaarige denn angerufen? Das musste ich wohl überhört haben, was jedoch nicht besonders schwer war, wenn man bedachte, dass aus jedem zweiten Laden irgendwelche weihnachtliche Musik dudelte und es somit beinah unmöglich war, etwas anderes als diesen Krach wahrzunehmen.

Ich drückte die Rückruftaste, hielt das Handy mit zittrigen Fingern an mein Ohr – es war mittlerweile wirklich sehr kalt geworden – und musste nicht sehr lange darauf warten, dass abgenommen wurde.
 

Takeshi?“ kam es mir sogleich verzweifelt aus der anderen Leitung entgegen und ein angenehmes Kribbeln breitete sich in meinem Körper aus. Wie hatte ich diese Stimme vermisst…
 

„Ja…“
 

Wo bist du, verdammt?“ Oh, da schien sich wohl jemand wirkliche Sorgen um mich zu machen.
 

„Keine Ahnung… bin wohl etwas vom Weg abgekommen.“, meinte ich mit ruhiger Stimme und auch er schien sich zu beruhigen.
 

Du bist doch wirklich…
 

„Unglaublich, ich weiß.“ Ich hörte sein warmes Lachen und musste ebenfalls lächeln.
 

Hm und wie finden wir dich jetzt?
 

„Tja… du könntest mir sagen, wo ihr seid und ich frage mich bis zu euch durch…“
 

Warum nimmst du kein Taxi?
 

„Nicht genug Geld dabei…“
 

Ein seufzen drang durch die Leitung, dann sprach der Rothaarige jedoch weiter.
 

Ok… mal sehen. Die anderen sind zum Bahnhof zurückgelaufen, weil sie sich dachten, dich vielleicht dort zu finden. Shiro und ich wurden gebeten, beim Kyoto Tower nach zu sehen, aber da du nicht dort warst, sind wir gerade wieder auf dem Rückweg zum Bahnhof. Denkst du, du findest den Weg dorthin?
 

„Sicher.“
 

Gut, dann rufe ich kurz Herrn Ogawa an und sag ihm bescheid, dass du auf dem Weg bist.
 

„Mach das…“
 

Dann bis gleich.
 

„Ja… bis gleich.“
 

Ich steckte das Handy wieder in meine Hosentasche, nahm die Tüte mit Kazukis Geschenken in die Hand und machte mich auf den Weg zum Bahnhof.

Ich hatte Glück, dass ich mich ganz in dessen Nähe befunden hatte, denn so war es nur ein Marsch von höchstens fünfzehn Minuten. Als es galt, nur noch eine Straße zu überqueren, konnte ich auf der anderen Seite der Straße, auf dem Bahnhofsvorplatz schon Herrn Ogawa und Herrn Kato ausmachen, während die restlichen Schüler relativ verstreut da standen und sich unterhielten.

Ich blieb stehen, wartete darauf, dass die Fußgängerampel auf grün wechselte, als ich ungläubig die Augen auf riss.

Da, auf der anderen Seite der Straße stand… da stand meine Mutter! Wie konnte das sein?

Sie hatte ihre stechend, grünen Augen auf mich gerichtet, die Tüte glitt mir aus der Hand und entgegen aller Vernunft machte ich zwei Schritte auf die Straße, ließ den Verkehr völlig außer Acht.

Das war einfach nicht möglich! Es war genau wie damals, als… Ich blinzelte, rieb mir die Augen und auf einmal war sie verschwunden. War das nur Einbildung gewesen? Musste es wohl, denn wie mir gerade auffiel, sah sie noch genau so aus wie zu jener Zeit…

Mir blieb keine Zeit weiter darüber nach zu denken, denn aus heiterem Himmel hörte ich das Hupen eines Autos und die entsetzen Stimmen mehrer Passanten.

Alles geschah wie in Zeitlupe, doch trotzdem war ich nicht in der Lage, das Kommende zu verhindern. Ich drehte meinen Kopf nach rechts und sah mit entsetzen den LKW, der unaufhaltsam auf mich zu raste und das unnatürlich laute Quietschen von Reifen, als der Fahrer versuchte eine Vollbremsung hinzulegen, drang an meine Ohren.

Mein Körper erstarrte in seiner Bewegung und meine Beine verweigerten mir den Dienst. Wie war das nur möglich? Das hier war eine genaue Wiederholung der damaligen Ereignisse, als ich mit meiner Mutter vor Jahren in Kyoto gewesen war… Was hatte das nur zu bedeuten? Wurde ich bestraft? Dafür, dass ich meine Vergangenheit vergessen und wieder ein neues Leben beginnen wollte? War es mir nicht vergönnt, glücklich zu sein?

Jedes Mal, wenn es in meinem Leben bergauf zu gehen schien, wurde ich mit Geschehnissen aus der Vergangenheit konfrontiert, wurden mir neue Steine in den Weg gelegt… Warum nur?

Würde ich diesmal wirklich sterben? Würde ich Kazuki verlassen müssen? Ich wollte nicht. Das durfte es einfach noch nicht gewesen sein!
 

Oh man, diese ganze Situation war gerade so was von grotesk! Anstatt mir Sorgen zu machen, dass mein Leben gleich enden würde, dachte ich eher daran, dass ich Kazuki nicht verlassen wollte… Selbst kurz vor dem Tod war mein Gehirn noch dazu im Stande, blödsinnige Gedankengänge zu verfolgen…

Völlig unerwartet legten sich plötzlich zwei Arme um mich und zogen mich ruckartig von der Straße, gerade noch rechtzeitig, um den LKW an mir vorbei brausen zu sehen und die panischen Schreie umstehender Leute zu hören.

Der Schwung war jedoch so groß gewesen, dass sowohl ich, als auch mein Hintermann aus dem Gleichgewicht gerieten und unsanft zu Boden fielen.
 

Um uns herum bildete sich so gleich eine Menschentraube, doch der Schreck saß mir so tief in den Knochen, dass ich die Umgebung kaum wahr nahm und nicht einmal die Wunde bemerkte, die ich mir bei dem Sturz zugezogen hatte.

Meine Augen waren einzig auf den LKW gerichtet, der nun endlich zum Stillstand gekommen war, registrierten, wie der Fahrer ausstieg und mit bleichem Gesicht auf mich zu kam.
 

„Alles in Ordnung mit dir, Junge?“, fragte er dann mit zittriger Stimme und hielt mir die Hand hin. Man sah auch ihm den Schreck deutlich an.
 

„Ja… alles ok.“, antwortete ich schließlich heiser, während ich ebenso zittrig seine Hand ergriff und mich auf meine wackeligen Beinen ziehen ließ.

Fast hätte ich den Halt verloren, doch da spürte ich bereits einen festen Griff um meine Hüfte. Ich wandte meinen Kopf etwas nach hinten und erst jetzt bemerkte ich, wer mich da aus der Schusslinie geholt hatte.

Ich ließ die Hand des Fahrers los, während Kazuki um mich herum ging und sich genau vor mich stellte, dabei jedoch nicht vergaß, mich weiterhin zu stützen.
 

„Du bist ganz blass im Gesicht… ist auch wirklich alles ok? Bist du verletzt?“
 

Seine Stimme war kaum mehr als ein raues Flüstern und seine blauen Augen musterten mich besorgt. Er musste gerade reden… er war doch nicht minder blasser als ich!
 

„Mir geht es gut, denke ich… da-“ Doch noch bevor ich den Satz beenden konnte, wurde ich in eine feste Umarmung gezogen.
 

„Du Idiot!“ Seine Worte waren wieder nur geflüstert und sein Atem kitzelte mein Ohr. „Mach das nie wieder, hörst du?“
 

Er drückte mich noch etwas fester, verzweifelter an sich und erst da bemerkte ich, was ich wirklich angerichtet hatte.

Schuldgefühle drohten mich zu überschwemmen und meinen Verstand einzunehmen.

Ich war so ein verfluchter Egoist! Ich hatte nur daran gedacht, dass ich Kazuki nicht verlassen wollte… Keine einzige Sekunde war mir in den Sinn gekommen, wie schlimm es für ihn sein musste, mich zu verlieren, welche Ängste er gerade hatte durch stehen müssen…

Ohne zu zögern erwiderte ich seine Umarmung und ignorierte die Leute, die sich um uns herum befanden und leise anfingen zu tuscheln. Nicht ich war es, der jetzt Halt brauchte… sondern er!
 

„Es tut mir Leid.“, erwiderte ich schuldbewusst, lehnte mich etwas mehr in die Umarmung und zog den Rothaarigen gleichzeitig näher zu mir.
 

Was sollte es schon, dass wir gerade von einer nicht geringen Anzahl von Zuschauern bei unserem Tun beobachtet wurden, darüber konnte ich mir auch später noch Gedanken machen…

Kurze Zeit standen wir noch so da, bis Herrn Ogawa sich durch die Menschenmenge zu uns herüber gekämpft hatte und nun atemlos vor uns stand.

Wir lösten uns von einander und sofort fing das aufgeregte Gerede meines Lehrers an.
 

„Takeshi, um Himmels willen! Ist alles in Ordnung, bist du verletzt?“
 

„Nein, mir geht es gut…“, erwiderte ich nun schon zum dritten Mal und mein Lehrer seufzte erleichtert auf, begann jedoch sofort mit einer Standpauke.
 

„Na Kami sei Dank! Das hätte leicht schief gehen können… Du kannst froh sein, dass dein Freund rechtzeitig da war! Wenn nun einem von euch etwas passiert wäre? Achte zukünftig bitte auf den Verkehr, verstanden?“
 

„Ja…“
 

„Na gut… dann lasst uns jetzt gehen, der Bus wartet schon.“
 

~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~
 

Endlich waren wir in der Jugendherberge angekommen! Nach dem Zwischenfall vorhin hatten die Lehrer beschlossen, heute früher zurück zu

kehren und uns den Rest des Tages oder besser abends frei zu geben. Mir war gar nicht bewusst gewesen, wie lange ich eigentlich in der Stadt umher geirrt war…

Auf jeden Fall hatten alle jetzt die Möglichkeit zu tun, worauf sie Lust hatten und ich war gleich auf mein Zimmer gegangen, um mir frische Klamotten zu holen und anschließend im Bad zu verschwinden. Die Tüte mit Kazukis Geschenken hatte ich gleich in meiner Tasche verstaut.
 

Ich war froh, dass außer mir sonst niemand hier war, das Badezimmer hatte nämlich mehrere Duschen und nach Gesellschaft stand mir im Moment nicht der Sinn.

Ich besah mir die kleine Schürfwunde an meiner rechten Hand, welche ich mir wohl bei dem Sturz vorhin zugezogen hatte. Sie schmerzte kaum, was wohl auch der Grund war, wieso sie mir im ersten Moment gar nicht aufgefallen war. Erst vorhin, nachdem wir schon im Bus saßen und die Aufregung sich etwas gelegt hatte, hatte ich sie bemerkt. Aber besorgniserregend war sie nicht, weshalb ich beschloss, sie einfach zu ignorieren und endlich unter die Dusche zu steigen.

Als das Wasser auf mich herab prasselte, um den Schreck und die Kälte endgültig aus meinem Körper zu vertreiben, war ich mit meinen Gedanken bereits abgedriftet.

Seit dem ‚beinah Unfall’ vorhin, war Kazuki mir nicht mehr von der Seite gewichen, gerade so, als ob jeder weitere Schritt mich erneut in solch eine Lage bringen würde.

Etwas übertrieben war seine Reaktion ja schon… aber ich konnte ihn irgendwo auch verstehen. Ich wollte lieber gar nicht daran denken, was gewesen wäre, hätte der LKW uns beide erwischt. Die Vorstellung, ich hätte überlebt und er… nein! Ich sollte schleunigst an etwas anderes denken, oder besser noch, an gar nichts…
 

Durch die Dusche aufgewärmt, verließ ich das Badezimmer wieder und betrat das Zimmer, welches ich mir gezwungenermaßen mit Takumi teilte. Selbiger schien sich wieder woanders auf zu halten, wofür ich sehr dankbar war. So, wie ich auf seine Gesellschaft verzichten konnte, konnte er anscheinend auch auf meine verzichten. Ergänzten wir uns nicht super? Traumhaft…

Erschöpft von dem anstrengenden Tag und dem Schlafmangel der ganzen letzten Tage, legte ich mich in das bequeme Bett, deckte mich zu und schaltete das Licht aus. Es war mir egal, dass ich mich noch nicht umgezogen hatte, alles was jetzt noch wichtig war, war die Augen zu schließen und mich dem wohl verdienten Schlaf hinzugeben.
 

Menschen, überall Menschen… wo war ich hier? Ich spürte den harten Untergrund unter meinen Füßen, vermutlich Asphalt, sah rechts von mir verschiedene Häuser und Geschäfte und erkannte, dass ich mich auf einem Gehweg befand.

Die Leute drängten sich an mir vorbei, alles war schnell und hektisch, ich wurde angerempelt, zur Seite gedrückt und auf einmal hatte ich Angst von der Menge mitgerissen zu werden.

Von Panik ergriffen versuchte ich einen Ausweg zu finden, dieser erdrückenden Masse zu entkommen und plötzlich stand ich alleine da. Ich atmete erleichtert aus, doch schon im nächsten Augenblick hielt ich wieder die Luft an.

Was war da vorne los? Eine Menschentraube hatte sich gebildet und ich konnte nicht erkennen, was vor sich ging. Die Umgebung kam mir seltsam bekannt vor…

Ich lief los, erkämpfte mir einen Weg durch die Menschenmenge, als ich abrupt stehen blieb. Da war eine Fußgängerampel, sie war rot… eine Person stand auf der Straße, blickte geschockt nach rechts. Mein Herz setzte aus… das war ich!

Jetzt wusste ich, weshalb mir die Umgebung so vertraut schien… Es war die Stelle, an der ich heute beinah überfahren worden wäre! Plötzlich spürte ich einen Luftzug und eine weitere Person rannte an mir vorbei. Die weinroten Haare nahmen meinen Blick gefangen und sofort wusste ich, um wen es sich dabei handelte.

Kazuki stürmte zu dem Jungen auf der Straße, als auf ‚mich’ zu und ich konnte nichts anderes tun, als zu zuschauen. Meine Beine bewegten sich kein Stück, als wäre ich genauso gelähmt, wie mein ‚Ich’, welches dem LKW entgegen sah.

Mit schrecken musste ich zu sehen, wie Kazuki den Jungen packte, mit ihm herum wirbelte und selbigen zurück auf den Gehweg schubste, während er selbst noch immer auf der Straße stand. Oh nein, was tat er da? So würde er…

Ich sah den LKW und keine Sekunde später wurde der Rothaarige von diesem erfasst und durch die Luft geschleudert, ehe er hart auf dem Boden aufschlug.

Vor Schreck hatte ich die Augen geschlossen, was jedoch nicht das knackende Geräusch verdrängte, als der LKW über den am Boden liegenden Körper drüber fuhr.

Mir drehte sich der Magen um und ich presste mir eine Hand auf den Mund, um mich nicht zu übergeben. Meine Knie gaben nach und ich stürzte zu Boden, versuchte krampfhaft, die aufkommenden Tränen zu unterdrücken.

Das durfte nicht wahr sein, das war ein Albtraum! Kazuki war nicht… er war nicht…

Ängstlich öffnete ich die Augen, doch ich konnte nichts erkennen. Ein Schleier hatte sich vor meine Augen gelegt und hinderte mich daran, zu sehen, was los war.

Nur verschwommen nahm ich Gestalten wahr, die sich auf der Straße angesammelt hatten und etwas vor mir verbargen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich los kroch und mir einen Weg durch die Menschentraube bahnte. Ich zitterte am ganzen Körper, schaffte es kaum, mich aufrecht zu halten und immer wieder erschien dieser Satz in meinem Kopf, unaufhörlich wie eine Endlosschleife.
 

‚Lass ihn nicht tot sein’

‚Lass ihn nicht tot sein’

‚Lass ihn nicht tot sein’
 

Als ich mich bis zur Straße durchgekämpft und freien Blick auf das Geschehen hatte, riss ich entsetzt die Augen auf. Ein Schrei verließ meine Kehle, doch im selben Moment drehte ich den Kopf zur Seite und übergab mich.

Blut… da war überall Blut und Kazuki, er… Wieder stülpte sich mein Mageninhalt nach außen und heiße Tränen flossen mir über die Wangen.
 

„Nein!“, flüsterte ich ungläubig.
 

„Nein, nein, nein, NEIN!“
 

Meine Stimme war immer lauter geworden, bis ich zum Ende hin nur noch geschrieen hatte und dann erblickte ich sie. Sie stand auf der anderen Seite der Straße und lächelte mich kalt und voller Abscheu an. Meine Mutter…
 

„Das hast du jetzt davon! Siehst du, was du angerichtet hast?“
 

Nein, das war nicht meine Schuld…
 

„Ohne dich, hätte dein Freund nicht sterben müssen. Daran bist nur du Schuld, du und deine verfluchte Existenz!“ Nun schrie sie.
 

„Nein…“
 

„In deinem ganzen Leben hast du anderen nur Unglück gebracht! Wärst du damals gestorben, wären viele Menschen jetzt noch am Leben!“
 

„Das ist nicht wahr!“
 

„Aber jeder bekommt das, was er verdient, nicht wahr? Und Kazuki musste als erstes daran glauben, nur weil du so egoistisch bist! Sieh ihn dir an. Sieh ihn dir genau an und verzweifele an deiner Existenz!“
 

Unweigerlich sah ich auf das Etwas am Boden, dass einmal Kazuki gewesen war… und schrie erneut auf.
 

Doch der Schrei war mir bis in die Realität gefolgt und erfüllte nun den gesamten Raum. Mein Atem ging Stoßweise, mein Herz schlug unnatürlich schnell, hämmerte schmerzhaft gegen meine Brust und meine Stirn war schweißnass. Zitternd ließ ich meinen Blick umher schweifen, doch nichts als Dunkelheit umfing mich. Wo war ich?

Ich setzte mich auf, zog die Knie an meinen Körper, denn zu mehr war ich nicht fähig und schaute mich erneut um. Nur langsam kam Licht in die Dunkelheit meiner Gedanken und verriet mir, dass ich mich noch immer in der Herberge befand und das ich gerade einen Albtraum hatte. Doch diese Erkenntnis reichte nicht aus, um mich zu beruhigen. Wo war Kazuki? Ging es ihm gut?

Bilder aus meinem Traum schossen in meinen Kopf und ich spürte Übelkeit in mir aufwallen. Sofort presste ich mir die Hand auf die Lippen und unterdrückte ein Würgen. Ich musste ihn sehen! Ich musste wissen, ob es ihm gut ging!

Auch wenn es lächerlich und vollkommen idiotisch war, wie ich mich gerade aufführte… aber ich musste wissen, dass er in Sicherheit war! Meine Gedanken rasten, fuhren Achterbahn und immer noch zitternd griff ich nach meinem Handy, welches ich vor dem Schlafen gehen, auf dem kleinen Nachttisch abgelegt hatte.

Als das Display aufleuchtete, konnte ich fast nichts erkennen und alles war verschwommen, was wohl daran lag, dass mir noch immer Tränen über die Wangen liefen.

Wieso machte mich dieser Traum nur so fertig? Mit kalten, zittrigen Fingern tippte ich eine kurze SMS, brauchte mehrere Anläufe sie fertig zu stellen und schickte sie an Kazuki ab.
 

»Hey… bist du noch wach?«
 

Kurze Zeit später piepste es bereits.
 

»Ja, wieso?«
 

»Geht… es dir gut?«
 

»Ja, was soll schon sein? Ist bei dir alles in Ordnung?«
 

Das reichte mir noch nicht… ich wollte ihn sehen, wollte mich selbst davon überzeugen.
 

»Nein, ich… Albtraum…«
 

Oh man, ich benahm mich wie ein kleines Kind…
 

»Verstehe… ok warte, ich komme zu dir. Welche Zimmernummer hast du?«
 

»5«
 

Obwohl mir nach diesen kurzen SMS eigentlich klar sein müsste, dass es ihm gut ging, wollten sich mein Körper und mein Geist einfach nicht beruhigen!

Ich wischte mir mit dem Ärmel über die Stirn, kauerte mich in die hinterste Ecke meines Bettes und wartete. Kurze Zeit später wurde bereits leise die Tür geöffnet und das schwache Licht des Flurs schien in das Zimmer.

Ich zuckte zusammen und mein Blick richtete sich auf die Gestalt in der Tür, welche natürlich Kazuki war. Ich sah seine Hand, die nach dem Lichtschalter tastete und Panik ergriff mich.
 

„Nicht!“, schrie ich lauter als gewollt und erschrocken richtete sich der Blick des Rothaarigen auf mich.
 

Ich wusste nicht, wie viel er bereits durch das Licht im Flur erkennen konnte, aber ich wollte nicht, dass er mich in dieser Verfassung sah.
 

„Ok.“, meinte er daraufhin mit beruhigender Stimme, betrat gänzlich den Raum und schloss die Tür.
 

Jetzt war das Zimmer wieder vollkommen in Dunkelheit getaucht und nur mein schneller, stockender Atem war zu hören.

Kazuki bewegte sich geschickt zu meinem Bett und schließlich spürte ich, wie die Matratze ein Stück nach gab, als er sich auf selbiges setzte.
 

„Takeshi?“, flüsterte er leise und ich schreckte unnötiger Weise zusammen.
 

Ich war nicht in der Lage zu antworten, also drückte ich auf eine Taste des Handys, sodass das Display erneut aufleuchtete und er wusste, wo ich saß.

Ich konnte fühlen, wie er nun nach hinten an die Wand robbte und sich wohl dagegen lehnte. Immer noch war es still im Raum und ich wusste nicht, was ich jetzt tun sollte. Er nahm mir die Entscheidung ab.
 

„Takeshi… komm her.“
 

Er sprach ganz ruhig und seine Stimme war so sanft, dass mir heiße und kalte Schauer über den Rücken liefen. Dennoch löste sich meine Starre augenblicklich, ich tastete mit meiner Hand nach ihm und als ich seine Schulter berührte, vergaß ich alles um mich herum und warf mich förmlich in seine Arme.
 

„Schhh… ist ja gut.“
 

Er legte seine nun ebenfalls um mich und seine Finger streichelten beruhigend über meinen Rücken. Meine Hände hatte ich in sein Oberteil gekrallt und stumm liefen mir Tränen über die Wangen. Das Zittern hörte nach einer Weile endlich auf und schließlich beruhigte ich mich wieder etwas. Kazuki war in Sicherheit… ihm ging es gut, das war alles, was mir gerade wichtig war.

Ich fühlte mich so geborgen in seiner Umarmung, seine Wärme lullte mich ein und ließ mich erschöpft die Augen schließen. Eine ganze Zeitlang blieben wir in dieser Position, ich zwischen Kazukis Beinen kniend, mein Gesicht an seiner Brust verborgen, meine Hände in sein Oberteil gekrallt - welches durch die Tränen sicher schon völlig nass war - und seine Arme auf meinem Rücken. Irgendwann brach er jedoch die Stille.
 

„Willst du mir davon erzählen?“, flüsterte er leise und ich erwiderte erst mal nichts.
 

Sollte ich? Vielleicht half es mir ja… Ich räusperte mich kurz, als ich heiser anfing zu erzählen.
 

„Ich… habe von dem Unfall heute Mittag geträumt. Also… es war ja nicht direkt ein Unfall… aber beinahe. In dem Traum hast du mich nicht einfach nur von der Straße weggezogen, du hast uns beide herum gewirbelt und mich auf den Gehweg geschubst, während du selbst auf der Straße stehen geblieben bist und… von dem LKW erfasst wurdest.“
 

Bei dem Gedanken versagte mir kurzzeitig die Stimme und ich räusperte mich erneut.
 

„Ich sah dich auf der Straße liegen und… es war einfach schrecklich! Und dann sah ich meine Mutter auf der anderen Straßenseite… so wie heute auch und-“
 

„Warte, du hast deine Mutter gesehen?“
 

„Ja… zumindest habe ich das geglaubt, es wahr wohl nur Einbildung gewesen…“
 

„Bist du deshalb einfach so auf die Straße gelaufen?“
 

„Ja…“
 

„Verstehe.“
 

„Dasselbe ist mir schon mal passiert… vor vielen Jahren, an genau dieser Stelle… Damals hatte meine Mutter wirklich auf der anderen Straßenseite gestanden und ich wollte zu ihr rennen, wurde dann aber von einem Auto erfasst und kam ins Krankenhaus.“
 

„Das ist… unheimlich irgendwie.“
 

„Ja…“
 

Seine Arme schlossen sich fester um mich.
 

„Keine Sorge, es ist ja nichts schlimmeres passiert und wir leben beide noch.“
 

„Ja, aber es wäre meine Schuld gewesen, wenn dir etwas passiert wäre!“
 

„Hey, das ist doch Blödsinn und wenn… es würde mir nichts ausmachen für dich zu sterben…“
 

Ich hob ruckartig den Kopf und sah ihn an, zumindest glaubte ich das, konnte ich in der Dunkelheit doch nicht wirklich etwas erkennen. Meinte er das ernst?
 

„Sag so was nicht leichtfertig! Man wirft nicht einfach so sinnlos sein Leben weg!“
 

„In deinem Fall wäre es aber nicht sinnlos… nicht für mich!“
 

Ich sah ihn überrascht an, auch wenn er es nicht sehen konnte. Sollte ich ihn fragen warum?

Aber dann würde er sicherlich das antworten, wovor ich mich schon die ganze Zeit versuchte, zu drücken. Doch soweit kam es gar nicht, denn plötzlich spürte ich seine Hand, die mir zärtlich ein paar verirrte Strähnen aus dem Gesicht strich.

Behutsam strich er mit seinem Finger über meine Wange, beseitigte die Tränenspur und verweilte dort. Mein Atem beschleunigte sich wieder und unweigerlich krallten sich meine Hände noch mehr in den Stoff seines Oberteils.

Eine Bewegung ging durch seinen Körper und im nächsten Moment spürte ich seine warmen, weichen Lippen auf meiner Stirn, was einen Schauer durch meinen Körper jagte.

Ich hielt die Luft an und wartete darauf, was weiter passieren würde, doch nichts geschah. Seine Lippen entfernten sich wieder und er lehnte seine Stirn gegen meine.
 

„Takeshi… du bist für mich im Moment der wichtigste Mensch. Ich will nur, dass du das weißt.“
 

Ich erwiderte nichts und er seufzte.
 

„Sollen wir etwas frische Luft schnappen gehen?“
 

„Ja, eine gute Idee…“
 

Ich löste mich aus seiner Umarmung, stand vom Bett auf und wischte mir mit dem Ärmel über das Gesicht, um auch die letzten Tränenspuren zu beseitigen.

Kazuki erhob sich ebenfalls und beide verließen wir ohne größere Unfälle das Zimmer. Da er bereits in Schlafklamotten war, beschloss er, sich umzuziehen und ich verschwand kurz im Bad um mir das Gesicht zu waschen.

Der Anblick, der mich im Spiegel erwartete, war grauenhaft. Meine Augen waren gerötet und meine Nase lief, wie bei einem Rotzlöffel! So würde ich Kazuki sicher nicht unter die Augen treten, auch wenn er das elend sicher schon gesehen hatte.

Ich putzte mir schnell die Nase, spritzte mir noch ein wenig Wasser ins Gesicht und verließ den Raum wieder. Der Rothaarige lehnte bereits neben der Tür und lächelte mich freundlich an. Beide liefen wir ins untere Stockwerk, wo sich kaum noch Schüler aufhielten und öffneten die Tür zu dem kleinen Garten.

Wir spazierten den kleinen Weg entlang, ich atmete die kühle Nachtluft tief ein und auch wenn sie in den Lungen brannte, befreite sie meinen Geist. Schweigend ließen wir uns dann auf einer Bank in der Nähe des kleinen Teichs nieder.

Der Himmel war sternenklar, was zwar durchaus schön anzusehen war, jedoch leider auch zur Folge hatte, dass die Temperaturen weit im Minusbereich lagen.

Ich hatte meine Jacke vergessen und mein Körper hieß die durchdringende Kälte nur sehr ungern willkommen. Sofort schlang ich die Arme um mich, zog mein rechtes Knie an und versuchte so, mich wenigstens etwas warm zu halten, aber vergebens.

Ein erneutes Zittern ging durch meinen Körper, doch wenige Augenblicke später wurde dem bereits ein Ende gesetzt. Kazuki, welcher links von mir saß, hatte seinen Arm um mich gelegt und drückte mich nun an seinen warmen Körper.

Ich genoss die Umarmung, lehnte mich etwas mehr gegen ihn und schloss die Augen, lauschte seinem ruhigen Atem. Immer noch schweigend saßen wir da, genossen die angenehme Stille und mein Herzschlag beruhigte sich allmählich.

Irgendwann wurden meine Gedanken schwer und die Erschöpfung brach wie eine Flutwelle über mich herein, lähmte meinen Körper und schließlich holte mich der Schlaf wieder ein.

Durch eine leichte Berührung wurde ich geweckt, öffnete langsam meine Augen und sah geradewegs in die Kazukis, welche mich liebevoll ansahen. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen.
 

„Hey Schlafmütze, wieder wach?“
 

Seine Stimme war sanft und ruhig und bescherte mir wohlige Schauer. Müde rieb ich mir über die Augen und sah ihn fragend an.
 

„Warum hast du mich geweckt?“
 

„Nun ja, ich dachte mir, dass du es vorziehen würdest, in deinem Bett zu schlafen, anstatt hier auf einer Gartenbank zu nächtigen.“, kam prompt die sarkastische Antwort und ein breites Grinsen zierte nun das Gesicht des Rothaarigen.

„Da könntest du recht haben.“, lächelte ich ihm entgegen und er streckte mir die Hand hin, um mir aufzuhelfen.
 

Ich ließ mich von ihm hoch ziehen, bemerkte jedoch zu spät, dass ich meine verletzte Hand benutzt hatte und zischte leise, als der Schmerz mich einholte.

Kazuki ließ meine Hand sofort los und musterte mich besorgt.
 

„Entschuldige, hab ich dir weh getan?“
 

„Nein… Das kommt von dem Sturz heute Mittag, hab mir die Hand aufgeschürft. Ist nicht weiter schlimm.“
 

Er schien nicht ganz überzeugt, weshalb er meine Hand behutsam zu sich zog und sie einer genauen Musterung unterzog. Seine Finger tasteten sacht über meinen Handrücken und strichen sanft über die Wunde. Ich verzog keine Miene und er schien beruhigt.
 

„Tut mir echt leid! Das ist nur passiert, weil ich dich so ruckartig von der Straße gezogen hab und es nicht mehr rechtzeitig geschafft habe, den Schwung abzubremsen.“
 

Schuldbewusst sah er mich an, doch ich schüttelte nur den Kopf.
 

„Nein… wenn du mich nicht so schwungvoll aus der Schusslinie geholt hättest, würde ich jetzt wahrscheinlich die Radieschen von unten betrachten. Du weißt nicht, wie dankbar ich dir dafür bin!“
 

„Hör auf, du machst mich ja ganz verlegen.“, witzelte er, während er mir durch die Haare wuschelte.
 

„Komm, lass uns reingehen… es wir kalt.“
 

Er gab meine Hand erst frei, als wir das Haus wieder betraten und irgendwie fand ich das sehr schade. Vor meinem Zimmer blieben wir stehen und er lächelte mich warm an.
 

„OK… ich schätze mal wir sehen uns morgen früh. Hoffentlich kannst du jetzt besser schlafen.“
 

Er drehte sich bereits um und ich blickte ihn ungläubig an. Wollte er jetzt einfach gehen?

Das gefiel mir überhaupt nicht! Alles was ich mir jetzt wünschte, war, seine Nähe noch etwas länger spüren zu können. Noch bevor er einen Schritt von mir weggehen konnte, hielt ich reflexartig sein Handgelenk fest.

Er wandte sich mir wieder zu und sah mich überrascht und auch fragend an. Na super! Erst denken, dann handeln…

„Äh… hättest du was dagegen, wenn ich deine Gesellschaft noch etwas länger in Anspruch nehmen würde?“
 

„Nein, natürlich nicht! Willst du noch nicht schlafen?“
 

Seine Augen strahlten vor Freude und ich lächelte ihn kurz an.
 

„Doch… aber nicht alleine. Also… ich meine…“
 

Argh, was stotterte ich mir hier zusammen? Peinlicher ging es wohl nicht mehr… Ich wollte doch bloß nicht wieder alleine zurück in die Dunkelheit! Nur ein wenig Sicherheit, mehr wollte ich nicht.
 

„Du meinst, so wie letztes Wochenende?“, vollendete er meinen Satz und ich sah ihn dankbar an.
 

„Genau.“
 

„Ok, geh schon mal vor! Ich werde mich noch umziehen und komme dann nach.“
 

Ich nickte ihm zu, verschwand in dem kleinen Raum und schaltete die Nachttischlampe an. Schnell schlüpfte ich ebenfalls in meinen Pyjama und kuschelte mich unter die weiche Decke, rückte jedoch so weit zur Wand, dass Kazuki genug platz haben würde.

Dieser kam auch keine zwei Minuten später, legte sich grinsend zu mir ins Bett und schaltete das Licht wieder aus. Ich drehte mich mit dem Gesicht zur Wand und genau wie am letzten Samstag, rückte er nah an mich heran und legte einen Arm um mich herum. Ich war bereits eingedöst, als mir plötzlich noch ein Gedanke in den Kopf schoss.
 

„Kazuki?“, fragte ich leise, da ich nicht wusste, ob der andere schon schlief.
 

„Was ist denn?“, wurde hinter mir geflüstert und der Atem des Rothaarigen kitzelte meinen Nacken.
 

„Was machen wir denn, wenn Takumi zurück kommt?“
 

„Du meinst, wenn er uns beide so sieht?“
 

„Ja…“ Ich zögerte etwas mit meiner Antwort.
 

„Keine Sorge, der taucht bis Morgen früh nicht mehr hier auf.“
 

„Woher weißt du das?“
 

„Er und noch ein paar andere Jungs schmeißen eine heimliche Party in Shiro’s Zimmer und soweit ich weiß, wollten alle die Nacht durchmachen.“
 

„Aha… ok.“
 

~.~
 

Am Morgen wurde ich durch ziemlich lautes Gepolter geweckt. Verschlafen sah ich mich im Zimmer um und bemerkte Takumi, welcher wohl mit dem Fuß gegen den Bettpfosten geknallt sein musste und sich diesen nun fluchend rieb.

Als ich mir der Tatsache bewusst wurde, dass wir nicht mehr alleine im Zimmer waren, sah ich erschrocken neben mich, doch mit Erleichterung stellte ich fest, dass Kazuki wohl bereits aus dem Raum verschwunden war. Eine ganze Weile sogar schon, denn als ich mit meiner Hand über das Bettlaken fuhr, bemerkte ich, dass seine Wärme bereits verloren gegangen war.

Der restliche Morgen lief relativ ereignislos ab. Alle packten ihre Koffer, wir frühstückten schnell, wobei ich Kazukis Blick immer wieder deutlich auf mir spüren konnte und schließlich versammelten wir uns alle vor der Herberge und warteten auf den Bus.

Auf der Heimfahrt hatte ich mir einen Einzelplatz gesucht, hielt die Augen geschlossen und dachte über dieses Wochenende nach. Nach diesen drei Tagen, besonders aber nach gestern Abend hatte sich etwas Entscheidendes geändert, dessen war ich mir sicher. Ich wusste nicht wieso, aber ich konnte es fühlen.
 

Fortsetzung folgt...
 

~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~
 

Danke fürs Lesen! Über Meinungen und Kritiken würde ich mich sehr freuen. =)
 

Lg Venu



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  _-Haira-_
2010-05-25T02:07:21+00:00 25.05.2010 04:07
Ich habe mir gerade deine FF komplett durchgelesen
und ich bin total begeistert *___*

Ich kann dem was hier an Kommi´s
schon steht nur zustimmen
Du musst unbedingt weiter schreiben (:

GLG
-kruemmelschachtel-
Von:  Myrin
2010-04-04T09:23:18+00:00 04.04.2010 11:23
Ich hab die Geschichte grade von Anfang bis Ende durchgelesen und bin völlig begeistert.
Mir gefällt deine Art zu erzählen, sie stimmt vollkommen mit der Vorstellung des Lesers von Takeshis Charakter überein.
Es ist schön, wie du die Beziehung der beiden sich entwickeln lässt, das ganze geht realistisch langsam von statten und dass Takeshi sich erst allmählich seiner Gefühle bewusst wird, ist sehr passend, wenn man bedenkt, wie er erst langsam wieder auftauen muss.
Kazuki ist einfach ein Schnucki (oh Mann, das reimt sich! O_O), er ist so lieb und süß und ich find's schön, wie er trotz seiner Vergangenheit ein fröhlicher Mensch geworden/geblieben ist.
Besonders gefällt mir, wie stark du auf die zwei Hauptcharas fokussierst. Es gibt nicht viele wirkliche Nebencharas (außer Toru und Koji, die aber ja auch nicht soooo oft vorkommen) und dadurch fühlt man noch viel intensiver mit den beiden.
Schade, dass es noch so lange bis zu 'ner Fortsetzung dauern wird (ich schreib Abi im Mai, kann verstehen, wie das ist mit Prüfungsstress), aber ich bleib dir auf jeden Fall treu und Hauptsache, es geht irgendwann weiter!♥
Von:  MaiRaike
2010-02-15T20:09:09+00:00 15.02.2010 21:09
Mäglicherweise kennt Takeshi ja jetzt das Ziel...

Ich fand Kazuki mal wieder richtig süß. Der Kuss auf die Stirn war bezaubernd...

Ich freu mich auf das nächste Kapitel!
Von:  yukiyo
2010-02-15T19:16:28+00:00 15.02.2010 20:16
Tja...
Dem was hier bereits steht kann ich nur zustimmen.

Haste fein gemacht!*kopf tätschel und keks geb*
Ja, feines Venu!

Jetzt mal im Ernst, es hat mir wirklich gut gefallen. Bei dem Beinahe Unfall war die Spannung kaum zu ertragen und der Alptraum den Takeshi danach hatte, war wirklich übel. Aber wie Kazuki in danach beruhigt hat war wirklich zuckersüß. Wirklich Klasse!
Mach weiter so mein Venu-chan^^

GLG Yuki-chan
Von:  Tine_TeaParty
2010-02-11T19:43:39+00:00 11.02.2010 20:43
ohh... das war ja drama pur ó.O zum glück ist den beiden nichts passiert ^^

der stirnkuss war total süß... viel romantischer als ein richtiger *hach*


und wie sollte es anders sein... mal wieder super toll geschrieben und beschrieben... war einfach schön zu lesen das ganze xD

lg tine <3
Von:  evejean
2010-02-08T18:58:14+00:00 08.02.2010 19:58
tolles kapitel, die beiden sin so ein süßes paar. bin froh das takeshi nur eine schürfwunde vom unfall von getragen hat.
hoffe bald auf mehr ^^

lg eve
Von:  Schutzengel-007
2010-02-08T15:31:38+00:00 08.02.2010 16:31
jah das kapi ist niedlich ^^
und ich dachte erst das der unfall genau so wie in dem traum enden wird..
>_< bin dir dankbar das es nicht so geentet hat !!
der arme hat ja schon genug probleme

und ich liebe kazuki..
der ist so süß <3
allein für diesen kuss *__*
nicht sofort übertreiben oder so..
sondern einfach nur besorgt,verliebt,romantisch

übrigens hatte ich durch dieses kapi ne wunderheilung^^

takeshi ist so niedlich, wenn er versucht seine gefühle zu sortieren <3


Von:  NARUT0
2010-02-08T11:29:05+00:00 08.02.2010 12:29
OMG QQ
Das kapi ist echt totaaaaaal
niedlich QQ
und wieder voll tollig geschrieben und so ><

aber was ich wirklich häftig finde ist der unfall
was wäre wenns wirklich so wie in seinem traum gewesen wäre ...
aber ich glaube und hoffe du wirst es nicth soweit kommen lassen :3
unnnd ich bin froh das die 2 wieder miteinander reden -smile-

und mit dem Lernstress kann ich gut verstehen hab ich momentan auch
also mach dir keine gedanken ^.^

GLG Sebast_chan x3


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