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Fake Freak's Kiss

von

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Sinneswandel

So, Kapitel 13 ist endlich fertig. XD Ich bin mir mit dem Kapitel nicht so ganz sicher. Tobias hat hier phasenweise so was... unmännliches...? » Naya, lest selbst, viel Spaß dabei. ^_^
 

Irgendetwas veranlasste Tobias dazu, sein Handy ganz tief in seiner Reisetasche verschwinden zu lassen, nachdem er zwei Nachrichten von Monami einfach ignoriert hatte. Gut, es war nicht wirklich "irgendetwas". Tobias machte sich im Moment sehr ungern Gedanken über Monami, weil sein seltsames Gehirn derzeit alles, was mit ihr zu tun hatte, verdrehte. Und er wollte die verwirrenden, negativen Sichtweisen ihrer Art nicht haben, schließlich war sie seine Freundin und er liebte sie.

Das Handy wurde also ausgeschaltet und verbannt. Für einen Moment spielte Tobias sogar mit dem Gedanken, es über Bord zu werfen, aber dafür war es ihm dann doch zu teuer gewesen. Außerdem hatte er das dumpfe Gefühl, dass Felix ihn kurzerhand hinterher geworfen hätte und die Vorstellung gefiel ihm überhaupt nicht.
 

An Deck war es windig. Tobias saß in der Plicht in steuerte das Schiff, während ihm der Wind um die Ohren pfiff. Neben ihm saß Ben und rieb sich unablässig über die Arme. Ihm war ganz offensichtlich kalt, was Tobias nicht nachvollziehen konnte. Sicher, es war ziemlich frisch wegen des Windes, aber kalt war etwas anderes. Die Empfindung konnte allerdings auch daran liegen, dass Tobias diesen Wind liebte. Er hatte das Leben auf dem Schiff vermisst wie nichts anderes.

Sie waren jetzt seit vier Tagen in den Niederlanden. Wenn sie von Bord gingen, um Einkäufe zu erledigen, die Gegend zu erkunden oder die sanitären Anlagen aufzusuchen, zeigte Ben sich neugierig, weil er sich gern in fremden Ländern umsah. Er stellte Felix und Tobias viele Fragen und zwang sie hin und wieder, Umwege zu gehen, damit er die Seitengassen betrachten konnte. Auf dem Schiff jedoch war er sehr still und auch ein wenig nervös, was wohl mit seiner Anfälligkeit für Seekrankheit zu tun hatte. Allerdings hatte er bisher noch keine Anzeichen von Übelkeit gezeigt.

Tobias betrachtete Ben mit einem Anflug von Besorgnis, denn dass Ben wirklich eiskalt war, wurde allmählich unübersehbar. "Sag mal, willst du dich nicht dicker anziehen?", fragte Tobias, während Felix sich ihm gegenüber setzte. Er hatte die Segel eingeholt, weil der Wind gedreht hatte und nun für ihre geplante Fahrtrichtung ungünstig wehte. Der Motor lief bereits.

Ben schüttelte den Kopf. "Ich hab nicht mal 'nen Pullover mitgenommen", gestand er. Tobias sah Ben ungläubig an. "Das war ein Witz, hoffe ich?", sagte er mit warnendem Unterton, doch Ben schüttelte erneut den Kopf. "Ich hab echt nur Sommerklamotten mit." Tobias stöhnte auf und bat Felix, die Pinne zu übernehmen.

Zwei Minuten später hatte er Ben seine Segeljacke über die Schultern gelegt. "Zieh sie an", sagte er. "Die hält tierisch warm, kein Witz." Ben schob seine Arme in die Ärmel und sah dann an sich herunter. Die Jacke war außen weiß, innen dunkelblau und der Reißverschluss war mit einem türkisfarbenen Streifen eingefasst. "Voll der Stilbruch", stellte Ben fest. "Wir sind im Urlaub, da darf man das", grinste Tobias. "Hauptsache, du erfrierst mir hier nicht." Ben schenkte ihm ein Lächeln, das irgendwie verlegen wirkte. "Thank you", murmelte er. Tobias spürte, dass ihm die Röte in die Wangen stieg, und winkte rasch ab. "Da nicht für", grinste er dümmlich, dann übernahm er die Pinne wieder.

Die permanente Nähe zu Ben hatte Tobias' Probleme keineswegs abgemildert. Viel eher wurde die Spannung in ihm immer schlimmer. Tobias mochte die seltsamen Gefühle, die er in Bens Nähe empfand, nicht klar benennen. Der Gedanke, dass er sich in Ben verliebt haben könnte, erschien ihm unerträglich, deshalb boykottierte er ihn, wann immer er ihm in den Kopf schlich. Tobias liebte Monami und damit hatte sich die Sache. Zumindest wollte Tobias das so. Er war immer hetero gewesen, daran konnte sich doch jetzt nicht einfach etwas ändern!
 

In den nächsten beiden Tagen verschlimmerte sich Tobias' Gefühlslage nur noch mehr. Er konnte schon gar nicht mehr schlafen, wenn Ben neben ihm lag. Der breite Fußraum zwischen ihnen stellte keine Schutzschicht mehr dar. Bens ruhiger Atem machte Tobias wahnsinnig, genau wie das unverständliche Gemurmel, dass er hin und wieder im Schlaf von sich gab.

Die Nacht von Samstag auf Sonntag wurde allmählich zum Sonntag Morgen, als Tobias sich aus seinem Schlafsack schälte und an Deck krabbelte. Er brauchte eine Pause von diesem ständigen Kribbeln in seinem Bauch und die nächstliegende Lösung dafür war Abstand.

Tobias begab sich also zum Bug des Schiffes und setzte sich dort im Schneidersitz aufs Deck. Der Wind war wie gewohnt kalt und blies nicht allzu sanft, doch er fühlte sich angenehm an. Tobias geriet in einen Dämmerzustand zwischen wach und müde. Zum Einen weckte die Kälte die Geister, zum Anderen war es noch viel zu früh, um wirklich wach zu sein. Darüber hinaus hatte Tobias kaum geschlafen. Es war ein vertrauter Zustand, den er in vollen Zügen genoss.

Am Horizont, der sich Tobias als eine lange Linie aus schwarzblauem Wasser präsentierte, breitete sich allmählich ein silberner Streifen aus, der die Sonne ankündigte. Der Himmel wechselte schon von Rosa zu Hellblau und dunkel war es auch nicht mehr.

"Wenn du mich nicht aufwecken wolltest, bist du grandios gescheitert." Tobias zuckte zusammen und drehte sich um. Der schöne Dämmerzustand war verschwunden. Ben kam unsicher und auf allen Vieren zu ihm gekrochen und lächelte ihn schlaftrunken an. "Konntest nicht mehr schlafen?", vermutete er. Tobias nickte einfach.

Ben hatte eine Wolldecke bei sich, die er jetzt um Tobias' Schultern legte. "Ich wollt mir schon immer mal mit dir 'nen Sonnenaufgang ansehen", gab er amüsiert zu. Tobias lächelte unwillkürlich, während Ben sich direkt neben ihn setzte und sich ebenfalls mit der Decke bedeckte. Wieder spürte Tobias das seltsame Kribbeln in seinem Bauch, doch es hätte einen ziemlich seltsamen Eindruck auf Ben gemacht, hätte er sich ihm jetzt entzogen. So blieb er einfach sitzen und betrachtete den Horizont. Inzwischen sah man bereits die Rundung der Sonne über dem Meeresspiegel auftauchen.

"Früher hab ich immer gedacht, die Sonne würde aus dem Wasser kommen", murmelte Tobias. "Ich wusste schon, dass die Sonne ein Feuerball ist, deshalb hab ich sie mir als riesige Kerze vorgestellt, die Nachts einfach gelöscht wird, indem man sie ins Wasser taucht. Und morgens wird sie wieder angezündet."

Ben lachte leise. "Niedliche Vorstellung", stellte er fest. Tobias lächelte verlegen. Aus einem inneren Puls heraus ließ er seinen Kopf auf Bens Schulter sinken. Ben tat nichts dagegen. Er legte sogar den Arm um Tobias' Schultern und lehnte seinen eigenen Kopf gegen Tobias'. So saßen sie da und betrachteten die aufgehende Sonne.

Tobias genoss den Wind, der mit seinen Haaren spielte. Im Urlaub war er im Gegensatz zu Ben zum Stylen viel zu faul. Ben verlor dafür allmählich die Lust am Rasieren. Das war etwas, das Tobias nicht lassen konnte. Er hasste es, wenn seine Gesichtsbehaarung allzu spürbar wurde. Und sichtbarer Bartwuchs war ein absolutes Sakrileg. Monami hatte ihn mit Schleifpapier verglichen, nachdem sie ihn an ihrem letzten gemeinsamen Morgen geküsst hatte, das hatte brutal an seinem Ego gekratzt. Seitdem war Tobias noch gründlicher mit dem morgendlichen Rasieren.

"Wär's nicht schöner, so jetzt mit Monami zusammen zu sitzen?", fragte Ben leise. Tobias sah das amüsierte Zucken seiner Mundwinkel und verzog das Gesicht. Er hatte keine Lust, sich jetzt über Monami zu unterhalten, deshalb schwieg er einfach. Die Sonne brach den Kontakt zum Horizont ab. Tobias schmiegte seinen Kopf enger an Bens Hals und blickte zu seinem stoppeligen Kinn hoch. Bens Hand streichelte sanft über seine Schulter, aber Ben selbst schien es gar nicht wahrzunehmen.

"Hey, Koala, antworte doch mal", sagte er leise und neigte seinen Kopf, um Tobias ansehen zu können. "Ich bin zufrieden", murmelte Tobias. Sein Blick war auf Bens Lippen geheftet, die sich nun zu einem Lächeln verzogen. Warum sahen die plötzlich so verlockend aus? Tobias biss sich auf die eigenen Lippen und wandte den Blick ab. Das ging doch nicht. Er war hetero und damit hatte sich die Sache. Woher kam dieser Gedanke, Ben küssen zu wollen? In Gedanken schüttelte Tobias den Kopf und ignorierte die Frage seiner inneren Stimme, wie lang er sich noch etwas vorzumachen gedenke.

"Du gibst dich mit mir zufrieden in einer Situation, die man am liebsten mit der Liebsten verbringen würde?", nervte Ben weiter. Er machte es bestimmt nicht mit Absicht, trotzdem machte er Tobias wütend. "Sei doch einfach mal still, Ben!", fauchte der und hob ruckartig den Kopf. "Sonnenaufgänge muss man genießen und das macht man schweigend!"

Eine äußerst peinliche Stille entstand und Tobias brauchte ein paar Sekunden, um zu merken, in was für eine Position er sich da gebracht hatte. Erst, als Bens Atem seine Lippen berührte, kam Tobias wieder zur Besinnung und wollte sich wieder an Bens Schulter zurückziehen, doch Ben war schneller. Rasch hatte er Tobias noch näher an sich herangezogen und ihn geküsst. Es war ein flüchtiger Kuss, der Tobias allerdings eine neue Auszeichnung für die am schönsten gefärbte Tomate einbrachte.

Reflexartig stieß er Ben von sich und rutschte von ihm weg, bis er das Netz der Reling im Rücken spürte. Ben blickte ihn schweigend und völlig ausdruckslos an. "Was...", setzte Tobias an, biss sich auf die Zunge. "Warum...", fing er neu an und merkte, dass er gerade nichts gescheites zustande bringen würde, deshalb schwieg er und starrte Ben einfach nur an.

Über dessen Lippen zuckte ein Lächeln. "Sorry, Koala", sagte er, ohne wirklich reuevoll zu klingen. "Aber du hast dich mir so angeboten, da konnte ich einfach nicht widerstehen. Ich weiß, dass du mir das jetzt übel nimmst." Tobias schwieg. Nahm er ihm das übel? Es ärgerte ihn schon ein bisschen, dass Ben die Situation einfach ausgenutzt hatte, aber der Kuss an sich hatte ihn kein bisschen gestört. Und genau das verwirrte ihn jetzt zutiefst, obwohl es nach der Entwicklung seiner Gefühlssituation in den letzten Tagen alles andere als verwirrend hätte sein dürfen.

"Ich nehm's dir übel, wenn der nächste genau so kurz wird." Tobias stockte und biss sich wieder auf die Zunge. Er hatte gesprochen, ohne zu denken. Jetzt breitete sich Unglauben auf Bens Gesicht aus. "Hast du das gerade gesagt?", fragte er. "Hab ich?", entgegnete Tobias unsicher. Wieder schwiegen sie, dann fing Ben an zu zittern, bevor er schließlich in Gelächter ausbrach.

Tobias zuckte heftig zusammen, als Ben lachend zu ihm herüber krabbelte. Und plötzlich war er wieder ganz nah. Tobias' Atem stockte. "Ben, was machst du...?", wagte er zu fragen. Auf einmal lag Bens Hand auf seiner Wange und dann waren sie wieder da, Bens Lippen. Tobias unterließ es, sich zu wehren. Dennoch erwiderte er den Kuss nur zaghaft, obgleich es ihm gefiel. Einen Mann zu küssen war schon eine eigenartige Sache und "Schleifpapier" war gar keine so schlechte Beschreibung für ein unrasiertes Gesicht, doch in Tobias' Kopf machte sich noch ein ganz anderer Gedanke breit, den er am liebsten gar nicht denken wollte.

Seine Hände verweigerten ihm fast den Dienst, als er Ben widerwillig von sich schob und betreten den Kopf sinken ließ. "Koala, was...", fing Ben an, doch Tobias unterbrach ihn sofort. "Ben, ich bin mit Monami zusammen", flüsterte er. Ben wich ein wenig von ihm zurück. "Verstehe", sagte er verletzt. "Und du lässt dich trotzdem von mir küssen, findest du das lustig?" Tobias schüttelte den Kopf und fühlte sich mit einem Mal völlig hilflos. "Ben, du verstehst nicht", sagte er, rang verzweifelt nach Worten, um Ben davon abzuhalten, ihn jetzt zu verachten. "Ich... Das gerade... Ben, ich hab Gefühle für dich, aber Monami... Ich kann nicht auf zwei Partys gleichzeitig tanzen."

Erneutes Schweigen. Tobias wagte kaum, Ben anzusehen. Als er sich endlich dazu durchringen konnte, blickte Ben ihn wieder ungläubig an. Es war der Blick eines Menschen, der etwas einfach nicht wahrhaben wollte und fieberhaft darüber nachdachte. "Hast du das gerade gesagt?", fragte er erneut. "Was denn?", murmelte Tobias leise. "Dass du Gefühle für mich hast", flüsterte Ben. Tobias stockte, wiederholte in seinem Kopf noch einmal, was er gesagt hatte, und stellte fest, dass er das tatsächlich gesagt hatte. "Hab ich", nickte er verlegen.

Ben fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht und atmete tief durch. Für einen Augenblick knabberte er an seinem Piercing, dann fragte er ernst: "Seit wann?" Tobias überlegte, was er auf die Frage sagen sollte. So genau wusste er das gar nicht. Schließlich entschied er sich für den Augenblick, an dem sein Gefühlschaos angefangen hatte. "Hat sich seit dem Freitag Abend bei mir entwickelt", antwortete er langsam. "Als ich diesen Albtraum hatte. Du weißt schon..." Ben nickte still. Er schien wirklich ernsthaft über etwas nachzudenken. Die Haut um sein Piercing herum sah schon ziemlich mitgenommen aus.

"Warum hast du dich nicht gleich von Monami getrennt, als du gemerkt hast, dass du dich in jemand anderen verliebst?", wollte Ben wissen. Seine Stimme klang so erdrückend ernst, dass Tobias sich kaum traute zu antworten. "Ich hab's ja nicht wirklich gemerkt. Außerdem wollte ich mir auch nichts eingestehen. Du weißt schon, hetero, Mädchenaufreißer und so", seufzte er und kratzte sich im Nacken. Die ersten Menschen liefen an der Second Try vorbei. Felix würde wohl bald aufwachen. Warm wurde es auch schon, jetzt, wo die Sonne am Himmel stand.

"Ich hab nur gemerkt, dass ich mich seltsam fühle, wenn du in der Nähe bist", fuhr Tobias leise fort. "Und als du mich gerade geküsst hast... Naja, es hat sich so... schön angefühlt." Tobias zuckte die Achseln. Ben lächelte müde und setzte sich neben ihn, schlang den Arm wieder um seine Schultern und küsste ihn auf die Schläfe. Tobias versteifte sich sofort, weil er an Monami denken musste. Er konnte sie so nicht behandeln, das war einfach falsch.

"Was ist?", wollte Ben wissen. "Monami", erwiderte Tobias kopfschüttelnd. "Ich kann das nicht, bevor ich das nicht mir ihr geklärt hab. Und am Telefon geht das gar nicht, das macht man nicht." Ben seufzte. "Also noch 'ne ganze Woche warten?", fragte er mit einem Hauch von ironischer Frustration in der Stimme. Tobias lächelte wehmütig. "Immerhin kommt sie schon morgen nach Hause. Das heißt, wenn wir nach Hause kommen, kann ich gleich mit ihr reden." Ben grummelte leise, dann seufzte er schwer. "Na gut, ich hatte mich ja eigentlich schon damit abgefunden, dass das nie was wird, also kann ich auch noch 'n bisschen warten", gab er nach. "Aber das hier darf ich, oder?" Er wackelte ein wenig mit dem Arm, der auf Tobias' Schultern lag. Tobias nickte schmunzelnd. "Klaro."

Ben griff nach der Decke, die vor ihnen auf das Bootsdeck gerutscht war, und legte sie um sie beide. Tobias lehnte den Kopf wieder gegen Bens Schulter, spürte das kratzige Kinn an seiner Stirn und konnte sich einfach nicht daran stören. Bis Felix aufwachte und an Deck kletterte, blieben Tobias und Ben so sitzen. Um sie herum wurde der Hafen immer lebhafter. Menschen kletterten aus ihren Schiffen auf die Stege und begaben sich Richtung Sanitäranlagen, ein paar Kinder spielten neben den Schiffsboxen Ball.

Als Felix schließlich aus seiner Kabine kam, war Tobias fast wieder eingeschlafen. Ben hatte ihm einfach zu oft den Schlaf geraubt. Ben war es auch, der ihn jetzt aus seinem Halbschlaf rüttelte. Felix wünschte ihnen verschlafen einen guten Morgen und wollte dann wissen, ob sie zuerst duschen oder frühstücken wollten.

"Duschen", antwortete Tobias müde. "Muss erst mal wach werden, bevor ich 'nen Löffel halten kann." Felix lachte und kletterte wieder unter Deck, um das Duschgeld zu holen.

"Zwei Duschgulden für jeden", sagte er, als er Tobias und Ben je zwei Fünfzig-Cent-Stücke in die Hand drückte. "Gulden?", wiederholte Ben verwirrt. "Vor dem Euro gab's in den Niederlanden Gulden", erklärte Tobias, der sich in der Position des Wissenden unheimlich wohl fühlte. "Und einmal Duschen kostete einen Gulden." "Achso", grinste Ben. "Duschcent klingt ja auch scheiße." "Guter Schüler", nickte Tobias. Ben lachte.

Nach dem Duschen gab es Frühstück. Ben hatte eine ausgesprochene Liebe für Vla entwickelt und schaufelte den zu flüssig geratenen Pudding fleißig in sich hinein. Felix, der Vla nicht mochte, aß lieber Brote. Tobias hielt sich wie Ben an Vla, war dabei allerdings nicht halb so gierig. Ben hatte bei seiner ganzen Fresserei etwas von einem Kleinkind. Besonders, als er sich total voll kleckerte. Tobias ließ es sich nicht nehmen, Ben auszulachen, was Felix unweigerlich ansteckte. Ben schabte sich mit dem Löffel den Pudding vom T-Shirt und ignorierte Tobias und Felix konsequent, was diese zum Anlass nahmen, ungestört weiter zu lachen.
 

Nach dem Frühstück verließen sie den Hafen wie gewohnt. Ben, der wohl inzwischen das Gefühl hatte, während des Auslaufens permanent im Weg zu sein, hatte sich in die Achterkabinen verzogen.

Erst, als sie auf See waren und Tobias und Felix gemütlich in der Plicht saßen, kam Ben wieder an Deck und setzte sich neben Tobias.

"Bleiben wir wirklich noch 'ne ganze Woche?", fragte er. Tobias fragte sich, ob es bei der Frage um die Aussprache mit Monami oder um die Abneigung gegen Schiffe ging, wagte aber nicht, diese Frage in Felix' Gegenwart auszusprechen. "Keine Lust mehr auf Segeln?", fragte dieser schmunzelnd. Ben schüttelte den Kopf. "Ich gewöhne mich langsam dran. Nur hat Tobias von dieser Sache erzählt... Wie nennt man das? Krängung?" "Ach, ja!", lachte Felix. "Keine Sorge, Tobi spuckt gern große Töne, seit er einmal über Bord gegangen ist. Er hat selbst eine Heidenangst vor schief liegenden Schiffen. Ihr könnt euch also zusammen unter Deck verkriechen, wenn es dazu kommt, was übrigens unwahrscheinlich ist."

Ben sah Tobias zum wiederholten Male an diesem Morgen ungläubig an. Tobias, der sich enttarnt und von seinem Vater hintergangen fühlte, wandte sein scharlachrotes Gesicht von Ben ab und dem Meer zu. Mit seinen großspurigen Witzen über krängende Schiffe wollte er tatsächlich von seiner eigenen Angst ablenken. Dass er mit neun Jahren von der fast schon kenternden First Try gefallen war, war alles andere als eine schöne Erinnerung. Tobias war damals noch kein allzu guter Schwimmer gewesen und hatte sich auch noch geweigert, eine Schwimmweste zu tragen. Und so hatte es ihn über die Reling ins Meer geschleudert und ein zufällig vorbei kommendes Motorboot hatte ihn vor dem Ertrinken gerettet, weil Felix zu lange gebraucht hatte, um die First Try wieder in Tobias' Nähe zu bringen. Wenn man sich darauf befand, glaubte man kaum, wie schnell so ein Schiff war.

Bens Blick wurde unerträglich, genau so wie Felix' Grinsen. "Ich leg mich hin", knurrte Tobias und kletterte unter Deck, ohne auf eine Reaktion zu warten.

Dass Ben jetzt von seiner Angst vor schief liegenden Schiffen wusste, gefiel Tobias nicht. Es war ihm unheimlich peinlich. Besonders, nachdem er sich so sehr an Bens Angst geweidet hatte. Jetzt stand er da wie der letzte Depp.

Murrend ließ Tobias sich auf die rechte Sitzbank fallen und zog sich ein Sitzkissen als Kopfkissen heran. Ein elendes Gefühl machte sich in ihm breit.

Eine gefühlte Ewigkeit lag er so da, hörte Ben und Felix an Deck lachen und war sich sicher, der Grund dafür zu sein. Er verstand nicht, was sie sagten. Als das Gelächter abklang, ging die Tür auf. Bens Kopf lugte herein. "Hey, Koala, gestattest du, dass ich reinkomme?", fragte er. Tobias sah ihn grimmig an, nickte aber. Irgendwie fühlte er sich hier unten ziemlich einsam.

"Was genau ist los, Koala?", wollte Ben wissen und setzte sich zu ihm. Tobias blieb liegen, sah Ben nicht an. "Ist egal", behauptete er. Ben schnaubte amüsiert und kraulte Tobias sanft im Nacken. Tobias reckte sich seiner Hand ganz instinktiv entgegen. "Nanu?", machte Ben belustigt. "Hat mein Koala sich in ein Kätzchen verwandelt?" Tobias murrte leise ob dieser Frage. "Koala bleibt Koala", murmelte er, auch wenn er sich dabei dumm vorkam. Ben kicherte und kraulte einfach weiter. Tobias schloss genüsslich die Augen.

"Also, Koala, was ist so schlimm daran, dass du genau so eine Angst vor krängenden Schiffen hast wie ich?", erriet Ben scheinbar mühelos Tobias' Problem. Tobias errötete, schmiegte den Kopf enger ins Kissen und schwieg. Ben kitzelte ihn hinterm Ohr und lachte, als Tobias quiekend zusammenzuckte. Tobias schämte sich tierisch für die eigenartigen Geräusche, die er von sich geben konnte. Sein Gesicht war bestimmt schon wieder von einem satten Tomatenrot.

"Nun komm schon, Koala, red mit mir", flüsterte Ben, die Lippen ganz nah an Tobias' Ohr. "Es ist doch nicht schlimm. Denkst du etwa, du wüsstest von allen meinen Ängsten?" "Aber du machst mir keine Angst damit", murmelte Tobias peinlich berührt. Ben lachte, während seine Hand Tobias wieder zu kraulen begann. "Mach dir doch nicht so einen Kopf, Koala. Ich hab dich auch lieb, wenn du genau so ängstlich bist wie dein Hase."

Sie wurden von Felix unterbrochen, der nach Tobias rief. Tobias verabschiedete sich also wehleidig von Bens Hand und stand auf, streckte sich gähnend und kletterte dann an Deck.

"Yo?", machte er. Das bisschen Liegen hatte ihn schon wieder müde gemacht. Felix hielt ihm sein Handy hin. "Mama schickt 'ne SMS, aber ich muss auf den Verkehr achten", erklärte er. Tobias nahm unwillkürlich schmunzelnd das Handy und betrachtete das Display. Es war tatsächlich eine SMS von Dana.

"Sie will wissen, wie es uns so geht und ob schon jemand ertrunken ist", fasste Tobias den mit unzähligen Liebesgrüßen und panischen Fragen versehenen Text zusammen. "Schreibst du zurück?", fragte Felix. "Oder nimmst du eben die Pinne?" "Ich nehm die Pinne", entschied Tobias. Felix konnte besser mit der Angst seiner Frau um "ihre Jungs" umgehen.

Tobias setzte sich also, ergriff die Pinne und richtete seinen Blick auf das Wasser vor ihm. Felix schrieb seine SMS und wollte sie abschicken, doch sein Handy weigerte sich offenbar. "Kein Guthaben", stellte er ungläubig fest. "Und ich dachte, ich hätte noch genug..." Nachdenklich betrachtete er das kleine Telefon, dann sah er Tobias an. "Hey, Tobi, hast du noch Geld auf deinem Handy?" Tobias nickte. "Ich hab's seit Tagen nicht mehr angerührt, müsste noch genug drauf sein. Nimm eben die Pinne, ich hol's raus."

Ein ziemlicher Schock erwartete Tobias, als er das Handy einschaltete. Nach und nach trudelten immerhin zehn Kurznachrichten ein, die Monami in den letzten drei Tagen geschickt haben musste. Ältere Nachrichten wurden von seinem Handy gnadenlos gelöscht, aus welchem Grund auch immer.

"Oh, Scheiße", murmelte er und öffnete eine SMS.

"hey, schatz, lebst du noch? schon geld nachgefüllt wegen dir, meld dich doch mal bitte. :( ild, monami"

Tobias schluckte. Das war die älteste SMS, was hatte er also von den nächsten zu erwarten? Unsicher öffnete er die aktuellste SMS. Sie war vor ungefähr zwei Stunden abgeschickt worden.

"du tust mir echt weh, tobias. wenn du dich nicht bald meldest, hat das mit uns keinen sinn mehr. monami

"Kann die SMS an Mama kurz warten, Papa?", fragte Tobias und stellte fest, dass seine Stimme zitterte. "Ich muss dringend telefonieren." Felix nickte.

Tobias wählte Monamis Nummer und hielt sich das Handy ans Ohr. Zum Glück hatte er hier Netz. Es dauerte lange, bis sie abnahm. Tobias wollte schon fast aufgeben, als er das erlösende Knacken in der Leitung hörte.

"Du lebst also doch noch?", wurde er erst einmal angeknurrt. "Was war los?" "Es tut mir leid, Monami", fing Tobias an. Das meinte er sogar ernst. Es war ja nicht so, dass er sie nicht mehr leiden konnte, nur weil er Gefühle für seinen besten Freund entwickelt hatte. Aber was sollte er ihr jetzt erzählen? Die Wahrheit war gerade eine schlechte Idee, zumal Felix vor ihm saß.

"Ich mach mein Handy meistens aus, wenn ich auf See bin", sagte er schließlich. Das war eine glatte Lüge, schließlich musste er für Dana erreichbar sein, genau wie Felix. Tobias konnte froh sein, dass Felix sich nicht dafür interessierte, was er gerade sagte. "Ich mag's nicht, vom Segeln abgelenkt zu werden, verstehst du?", fuhr er fort. Es fühlte sich gelinde gesagt beschissen an, Monami anzulügen, aber es blieb ihm im Moment nichts anderes übrig.

"Und das hättest du mir nicht einfach schreiben können?", fragte Monami verletzt. "Tobias, wenn ich dich störe, dann sag mir das, aber erzähl mir nichts, okay?" Tobias gefiel die Richtung des Gesprächs nicht. Er wollte doch in Ruhe und persönlich mit ihr reden. Von Angesicht zu Angesicht.

"Monami...", sagte er, weil ihm nichts einfiel, was er hätte sagen können. "Nein, Tobias", erwiderte sie kalt. "Ich mag dich. Ach, drauf geschissen, ich liebe dich, das weißt du. Aber wenn das nicht auf Gegenseitigkeit beruht, dann will ich nicht mit dir zusammen sein." "Aber...", fing Tobias an, stockte dann aber. Er konnte jetzt nicht beteuern, dass er sie liebte. Und er wollte sich von ihr trennen, aber doch nicht am Telefon.

"Tobias, ich mach dir folgenden Vorschlag", sagte Monami, als er schwieg. "Ich weiß, dass du ernste Sachen lieber persönlich besprichst. Ich weiß auch jetzt schon, was du mir sagen wirst, aber ich tu dir den Gefallen. Ich lass dich in Ruhe, bis du nach Hause kommst. Dann reden wir. Was hältst du davon?" Tobias glaubte kaum, wie einfach sie es ihm machte. "Ja... Ja, das ist gut!", stieß er hervor. "Danke, Monami." "Lass stecken", entgegnete sie. "Versprich mir nur, dass du mich nicht anlügst, wenn wir reden. Das hab ich verdient, meinst du nicht?" "Ja, das hast du", seufzte Tobias. "Bis dann." "Bis dann." Sie legte als erstes auf. Tobias ließ bedrückt das Handy sinken. Eigentlich war er jetzt schon wieder single. Monami hatte ihm lediglich ein klärendes Gespräch angeboten, keine Chance, persönlich mit ihr Schluss zu machen. Eigentlich hatte sie gerade Schluss gemacht. Und das fühlte sich ziemlich miserabel an, auch wenn es nicht unbedingt daran lag, dass ihm das Herz gebrochen worden wäre.

Felix kommentierte nichts, als Tobias ihm sein Handy reichte und die Pinne übernahm. Tobias war dankbar dafür.Er fühlte sich nicht imstande zu reden. Und sich jetzt dumme Kommentare anhören zu müssen, hätte ihm alles andere als gut getan.

Ben, der sich wohl inzwischen einsam fühlte, kam an Deck und setzte sich zu Tobias. "Alles klar?", fragte er leise. Tobias schüttelte nur den Kopf. "Ich erzähl's dir nachher, okay?", flüsterte er. Ben nickte. Als Felix nicht hinsah, küsste er Tobias sanft im Nacken. Tobias erschauerte. Keine Frau hatte ihn jemals dazu gebracht, nur indem sie seinen Hals berührt oder geküsst hatte. Er selbst hatte schon viele sensible Frauenhälse geküsst und liebkost. Vielleicht lag es einfach daran, dass er sich gerade in die Rolle der Frau drängen ließ, was ihn allerdings nicht allzu sehr störte. Besonders, weil Ben ihn wieder kraulte, was er jetzt schon liebte. Felix war damit beschäftigt, Dana zu schreiben, momentan bestand also keine Gefahr, dass er etwas merkte.

Tobias zuckte zusammen, als sich Bens Berührungen veränderten. Er schien auf Tobias' Nacken zu schreiben. Ein "I", ein Herzchen und ein "U", wenn Tobias sich da nicht total verrannte. So klein diese Geste auch war, sie brachte ihn zum lächeln. Ein weiterer Kuss berührte seinen Nacken, dann schickte Felix die SMS ab und Ben zog sich zurück. Tobias hätte fast gemurrt, unterdrückte es aber. Das war bestimmt nicht der letzte Kuss für heute. Der Gedanke gefiel Tobias, obwohl er ihn heute Morgen noch unheimlich gefunden hätte. Die Sache mit Monami war noch nicht geklärt, aber das Ende ihrer Beziehung war ihnen nun beiden klar, was Tobias ungemein erleichterte. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass sie Freunde bleiben konnten. Tobias mochte Monami sehr. Vor allem, weil sie seine Mangaliebe teilte. So einen Menschen wollte er nicht verlieren. Hoffentlich sah sie das ähnlich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  snowwhitedoll
2009-07-27T10:55:32+00:00 27.07.2009 12:55
Whaaaa!
Monami ist sooooo toll *.*
Ich find ja schön, dass er sich seiner Gefühle für Ben bewusst wird...aber bitte, er darf Monami nicht doof behandeln!
(überlass sie mir, ich werd sie schon zu trösten wissen, haha!)

Hach, und Ben ist unglaublich süß <3

Ich freu mich, wenns weitergeht!
^^

hugs
Von:  shot_coloured
2009-06-30T15:26:41+00:00 30.06.2009 17:26
Oh wie schön, ein neues Kapitel. :) Mir gefällt die Richtung in die es geht. :D (Hab ja von Anfang an auf sowas gehofft). Die letzte Szene war ja vielleicht niedlich. :)
Bin gespannt, wie es nun weiter geht! :)

sho_co
Von:  Fine
2009-06-29T12:48:33+00:00 29.06.2009 14:48
Oooohhhhh, wie niedlich!
Hab mich gefreut, dass du ein neues Kapi on gestellt hast.
Ist zwar immer schade, dass du nur einmal im Monat schreibst. Da du aber so schöne und lange Kapis schreibst, ist es schon okay.

Tobias hat sich also tatsächlich in Ben verliebt?
Und Tobias scheint nun am Ziel angekommen zu sein.
Diese kleinen heimlichen Liebesbekundungen und so sind einfach total süß.

Und auch gut, dass Monami anscheinend so verständnissvoll ist.
Also, schreib schnell weiter, ja?
Bis dann
Fine
Von:  Jujika_Sensei
2009-06-29T08:17:43+00:00 29.06.2009 10:17
Muhaha! Ich bin wieder mal die erste. *rumhüpf*
Dein Kapitel ist so schön geschrieben und ich hätte fast mitgeheult. T___T
Mach weiter mit der FF sonst gibts Ärger! Ò__o

x°D


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