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Tanaras

von

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Kapitel 4

Ich friere unvorstellbar, als wir in tiefster Nacht die vielen, engen Pfade hinaufgehen. Ich habe ja immer noch nichts weiter als mein Nachthemd und die Schlappen an. Gefesselt bin ich nicht mehr, dafür blitzt hinter mir immer kurz Kais Schwert auf, wenn der Mond für wenige Sekunden hinter den Wolken hervorkommt. Brr, hoffentlich bin ich nicht bereits erfroren, wenn wir ankommen. Obwohl... was wird wohl schlimmer sein? Von diesem Dämon in Stücke gehauen zu werden oder langsam einzuschlafen, um nie mehr aufzuwachen?

"Hey, nicht einschlafen, Pisser, lauf gefälligst schneller!", ruft Kai und reißt mich aus meinen Gedanken. Sofort bewege ich mich einen Schritt schneller, nun weiß ich wie sich ein zum Tode Verurteilter fühlen muss, wenn man ihn zum Galgen bringt. Wie ironisch, dass es gerade der Sündedämon eines solchen Verurteilten ist, durch dessen Hand ich voraussichtlich sterben werde. Wie soll ich ihm überhaupt helfen? Er verrät mir nicht mal, was genau er sucht.

"Wir sind gleich da. Komm bloß nicht auf die Idee, noch irgendn Laut von dir zu geben, klar, Knirps? Ich reiß dir sofort die Birne ab, kapisch?!"

"J- ja..." Nur das wollte ich noch loswerden, nun bin ich wie zuvor wieder still. Oh, wieso können die Götter mir nicht helfen? Womit hab ich so ein Schicksal bloß verdient?
 

Nur wenig später sind wir am Kloster angelangt. Kai schaut sich das Gebäude an, als sähe er es zum ersten Mal, aber er lässt mich nicht aus den Augen und sein Schwert hält er auch noch immer griffbereit. "Wo gehen wir rein, ohne entdeckt zu werden?", fragt er leise. Ich zucke kaum merklich mit den Schultern, während ich fieberhaft nach einer Antwort suche. Sicher werden sie Wachen am Eingang aufgestellt haben, durch eines der Fenster einzusteigen wäre sowieso zu riskant und ansonsten sehe ich keinen Eingang. Ich entscheide mich dafür, zu entgegen "Durch ein Fenster, aber sie werden uns sicher trotzdem bemerken..." Wenigstens ehrlich möchte ich zu ihm sein, viel Sinn hat es ja nicht mehr zu lügen.

"Gut, du gehst voran. Los!", zischt er und drängt mich zu einem Fenster. Ich hieve mich mühevoll hoch und steige mit höchster Vorsicht ein. Kai kommt leichter herein, er ist ja auch um einiges größer. Ich höre ein leises Schnarchen aus den Betten, puh. Aber was nun? Wir können uns zwar zur Tür schleichen, aber dahinter liegt doch gleich wieder die große Eingangshalle. Kai denkt nicht nach, sondern schleift mich einfach hinterher. Er schaut durch einen kleinen Türspalt und befindet die Lage wohl für sicher. Nanu? Hier ist ja niemand. Der Raum ist zwar hell erleuchtet, aber nirgends kann ich jemanden ausmachen.

"Ts, sind wohl alle pennen gegangen... Volltrottel.", meint Kai abwertend und geht weiter. Es ist wirklich niemand da, es gibt ja wenig Winkel, wo sie sich verstecken können und die habe ich bereits mit dem Auge abgesucht. Auch hier im Warmen der Halle fröstle ich noch, vielleicht liegt das an dem großen Loch im Dach, durch das man noch immer den schwarzen Himmel erblicken kann. Ich bitte meinen Entführer "Kann ich schnell in mein Zimmer und etwas zum Anziehen holen? Bitte."

"Mir egal, mach, was du willst. Aber ich komm mit, sonst kommste noch auf falsche Gedanken." Obwohl hier keine Menschen-, geschweige denn Elfenseele ist, laufe ich trotzdem auf Zehenspitzen zu meinem Zimmer. Ich öffne die Tür nur zu einem Spalt, damit nicht zu viel Licht hereinfällt. Mit eingezogenem Bauch und angehaltenem Atem zwänge ich mich durch den Türspalt. Danach öffne ich leise den Schrank. Wieder schlafen Fresarus und die anderen, da bin ich ja beruhigt. Hätte ich das gestern doch auch bloß getan, dann wäre ich zwar hier, aber nicht in dieser Lage. Hastig tausche ich mein Nachthemd und die Schlappen gegen mein übliches Gewand und die braunen Schuhe aus, dann verlasse ich das Zimmer auch schon wieder. Das wird das letzte Mal gewesen sein, dass ich es gesehen habe.

"Biste endlich fertig? Oder willste noch eben ne Massage oder n warmes Essen?", fragt Kai sarkastisch. Von wegen 'mir egal', er steht unter Zeitdruck. Vielleicht ist ihm genauso unwohl wie mir. Wer weiß?

"Na los, setz dich in Bewegung, verdammt. Wo geht's tiefer rein?"

"Unten an der Treppe gibt es eine Tür.", antworte ich wahrheitsgemäß, aber aus seinem Blick kann ich schließen, dass er mir nicht ganz glaubt. "Und du verarschst mich auch nicht?", fragt er msstrauisch.

"Ich schwöre bei den Gotthei-" Er unterbricht mich gleich wieder "Auf sowas geb ich eh einen Scheiß, musste erst gar nicht schwören. Du weißt ja, was dir blüht, wenn du mir in den Rücken fallen willst." Ich wünschte, er würde aufhören, ständig darauf anzuspielen, dass er mich umbringt. Vielleicht hätte ich doch lügen sollen... mein Leben hängt bereits am seidenen Faden, das der anderen nicht, wenn ich ihn in eine Falle locke. Grob packt Kai mich am Handgelenk und zerrt mich mit zu der Tür, die er brachial aufstößt. Leise aber auch schnell laufen wir die schmale Wendeltreppe dahinter hinunter, bis wir auf Höhe des ersten Untergeschosses sind.
 

Was? Schon wieder niemand hier? Hier ist doch etwas faul, sie können doch nicht alle abgehauen sein ohne die ganzen Bewohner, die jetzt friedlich in ihren Betten schlafen? Und selber schlafen sie bestimmt auch nicht alle, mindestens dieser Hadeban müsste hier doch irgendwo auf der Pirsch sein!

"Sag mir, was die Mistkerle aushecken!", befiehlt Kai, doch ich entgegne nur ein stotterndes "K- keine Ahnung!" Er packt mich grob am Kragen und schaut mich scharf an. "Keine Ahnung am Arsch!", brüllt er mir ins Gesicht, während sein schlechter Atem mich die Luft anhalten lässt.

"Du weißt sicher was, du bist einer von denen! Was meinste, wieso ich dich hergebracht habe?!"

"Um diesmal sicher zur Hölle zu fahren, Dämon."

Gleichzeitig wenden Kai und ich erschrocken unsere Köpfe zu der großen Doppeltüre, hinter der das Treppenhaus liegt. Aschel Hadeban steht mit allen Hohepriestern und noch ein paar bewaffneten Männern dort. Seine Züge zeigen den Anschein eines spöttischen Lächelns, während die Mienen der anderen allesamt bitterernst und unbewegt, wie das Gesicht einer Statue, sind.

"War mir doch klar, dass ihr euch nur irgendwo verkrochen habt, miese Feiglinge." Kai spuckt neben sich auf den Boden. Ich bin noch immer völlig verwirrt. "Aber wie soll das sein? in der Halle war niemand und draußen auch nicht!"

"Oh, das war ganz einfach.", erklärt Aschel, "Nach dem Angriff haben wir sofort alle Auszubildenden weiter hinunter bringen lassen, damit sie sicher sind. Und dann waren wir es, die in ihren Betten 'schliefen'." Ich habe Recht behalten, wir sind augenblicklich entdeckt worden, als wir eingebrochen sind. Aber eines ist mir noch immer nicht klar: "Aber wieso seid ihr dann nicht schon herausgekommen, als wir spätestens in der großen Halle waren?" Aschel lächelt sanft, auch dies erläutert er "Weil wir nicht wollten, dass Kai Tanaras wieder fliehen kann. In der Halle ganz oben war das sehr einfach, er musste nur durch das Dach und war sofort wieder draußen. Wir haben euch lediglich in Sicherheit gewogen, damit ihr nach weiter unten vorstoßt und wir dem Dämon dort jede Fluchtmöglichkeit versperren können."

"Glückwunsch, Exe, kannst dir als Belohnung gleich n paar Ohrfeigen abholen." Wozu das Wortspiel, frage ich mich, doch zum Nachdenken bleibt wenig Zeit, denn die 'Exe' entgegnet "Lieber ein paar Ohrfeigen, als ein Schwert im Leib, wie du es bekommen wirst." Bei dem Wort 'Ohrfeige' deutet er ansatzweise auf sein noch immer blaues Auge. Aber er scheint es bereits behandelt zu haben, die Schwellung ist nicht viel schlimmer als gestern.

"Dann komm doch her mit deiner Verlierertruppe, ein Schwert reicht für euch alle!" Sie nehmen seine Einladung gerne an und rücken heran. Ich hänge immer noch mit den Füßen in der Luft, doch einen Augenblick später fliege ich plötzlich sogar.

"Und euren Pisser hier könnt ihr zurückhaben, ist sowieso nutzlos!" Ich pralle in eine Reihe von Priestern, während der Rest unbeirrt weitergeht. "Au, mein Kopf...", stöhne ich und werde zur Seite gestoßen, als die anderen sich wieder aufrappeln. Werde ich denn inzwischen von wirklich jedem herumgeschubst?!

"Geh weiter nach unten ins fünfte Untergeschoss, dort sind alle anderen Auszubildenden auch.", sagt ein Priester kurz zu mir, dann stürzt er sich ebenfalls in den Kampf. Kais zahlreiche Beschimpfungen und viele Kampfes- oder Schmerzensschreie hallen durch den großen Raum. Perplex sitze ich neben der Tür und sehe mit an, wie sich Kai scheinbar selbst gegen diese Massen von Gegner durchschlägt. Plötzlich werden alle Priester weggeschleudert und landen übereinander in kleinen Haufen auf dem Boden. Manche sind an den Füßen oder Armen von Fesslungspapieren gefesselt. Sie waren eher für Kai bestimmt, aber er muss ausgewichen sein. Nur Aschel, ein paar der Hohepriester und Kai stehen noch aufrecht. Aber so unverletzt ist Kai nicht, an vielen Stellen läuft sein Blut in dünnen Linien an seiner Haut und seiner Kleidung herab. Auch Hadeban ist leicht verwundert, sein Rangzeichen wird vom Blut überdeckt. Kai keucht und greift erneut an, Aschel blockt. die Hohepriester entfernen sich ein Stück, um möglicherweise einen gemeinsamen Angriff vorzubereiten, aber der Sündedämon riecht die Lunte, springt zu einem von ihnen und sticht zu. Reflexartig schaue ich weg, ich will nicht sehen, wie dieses Monstrum Bekannte von mir umbringt!

"Hey, Langohr, deine blöden Freunde da sind allesamt ziemlich schwach, kann das sein? Wo hast du die aufgetrieben?" Aschel Hadeban ist nicht erzürnt über diese Aussage, er beantwortet Kais Frage lediglich "Sie haben freiwillig geholfen, für deinen Kopf gibt es eine sehr große Summe, wusstest du das? Wir haben Steckbriefe mit einer genauen Aussehensbeschreibung von dir im ganzen Land verteilen lassen, Zefix war sehr gesprächig, wie es darum ging."

Das war es also, seine Rache. Er hat es mir sagen wollen im Gefängnis, er wollte mir von seinem Plan erzählen, alle seine Sündedämonen von Kopfgeldjägern, Exorzisten und geldgierigen Abenteurern umbringen zu lassen, weil sie ihn verlassen hatten. Kai zeigt sich davon aber kaum beeindruckt, er wischt das Blut von seinem Schwert mit einem Fetzen des Gewands, das der tote Hohepriester anhat. "Und? War klar, dass die Ratte uns ebenso in den Rücken fällt, hätte er sonst n Sündedämon des Hinterhalts?"

"Du erstaunst mich, Kreatur, scheinbar kannst selbst du logisch schlussfolgern. Ich war anderer Meinung, nachdem du gleich in der nächsten Nacht erneut hier eindringst, obwohl es dir nur knapp gelungen war, das letzte Mal zu entkommen." Kai stürmt ohne ein Wort auf ihn zu und presst sein Schwert gegen Aschels. "Ich wollte nur sichergehen, dass du noch da bist, wenn ich dir in den Arsch treten will.", keift er, stößt Aschel plötzlich zurück und zerschneidet die Rüstung des Exorzisten, der nun eine weite Wunde am Torso hat. Aschel atmet schwer, aus seinen Mundwinkeln läuft der rote Lebenssaft auch schon. Kai hebt sein Gesicht leicht, um nur noch hochnäsiger zu wirken, als Aschel langsam in die Knie geht vor Schmerzen.

"Du bist entweder mutig oder blöd, zu glauben, du kannst mich umlegen. Du weißt vielleicht besser als ich, wen Zefix schon alles getötet hat und wieviele ich selber auf dem Gewissen hab, kannste dir vielleicht auch denken." Er tritt Hadeban fest ins Gesicht und der Exorzist fällt rücklings um. Zitternd versucht er, mit einem Arm nach den Fesslungspapieren zu greifen, doch da trifft ihn Kais Fuss am Handgelenk und drückt es mit jeder Menge Kraft runter, das erkenne ich an Kais angespannter Miene. Die zwei übrigen Hohepriester beobachten das ganze genauso mit Schrecken wie ich. Nein, das darf er nicht tun! Er darf ihn nicht töten. Ich denke an das, was ich gedacht habe, nachdem ich Kai den Weg hierher geschildert habe. Noch ist es nicht zu spät, noch kann ich etwas tun! Ich springe auf und sprinte auf Kai zu, der zum Todesstoß ansetzt. Erst mitten im Sprung erblickt er mich und seine Augen weiten sich. Er schlägt mir mit der freien Hand in den Bauch und wirft mich zurück. Ich spüre, wie der Schmerz durch meinen ganzen Körper geht, als ich auf dem Boden lande. Ich hebe schwach den Kopf, um zu sehen, was nun passiert. Aschel und Kai kreuzen plötzlich ihre Klingen wieder. Ja, ich habe es geschafft! Kai hat es nicht geschafft ihn zu töten.

"Ich bin vielleicht dumm, gegen dich zu kämpfen, aber du bist mindestens genauso dumm, ihn am Leben gelassen zu haben.", meint Aschel, was Kais Wut weiter steigert. Er baut erneut mehr Druck auf sein Schwert auf, weswegen Aschel zurückweichen muss. Gerade als Kai wieder die Oberhand gewinnt, rappeln sich mit einem Male wieder alle die auf, die vorher noch am Boden lagen.

"Scheiße, jetzt sind die auch wieder wach!!", flucht Kai. Des einen Leid ist des anderen Freund, stelle ich fest, denn Hadeban fragt provokant "Läuft grade nicht alles so, wie du es dir vorstellst, Dämon?" Ehe ich mich versehe, liegt Aschel schon wieder am Boden, Kai hat seine Hand noch zur Faust geballt. Die anderen rennen auf ihn zu. Ich denke, ich folge nun lieber dem Rat des Priesters. Hastig stehe ich auf und laufe zur Tür. Doch noch kurz trifft mich etwas ins Genick und ich höre "Na warte...", bevor ich einer erneuten Ohnmacht unterliege.



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