Zum Inhalt der Seite

Katz und Maus

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Vom Regen in die Traufe

Mit einem alles übertönenden Prasseln ergoss sich der Regen über die Landschaft. In dichten Fäden fielen die Tropfen vom Himmel und ließen den Blick verschwimmen.

Langen Schrittes stapfte Varis so energisch die Straße entlang, dass das schlammige Wasser nur so nach allen Seiten spritzte. Den braunen Umhang, der vor Nässe ganz dunkel gefärbt war, hatte er eng um sich geschlungen und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen.

Den ganzen Tag war ihm keine Menschenseele begegnet, weder auf dem ganzen Weg draußen zwischen den Feldern, noch hier, wo sich die Straße zwischen den verschwommenen Schemen der Häuser wand. Normalerweise war um diese mittägliche Zeit viel los in Laradon, doch bei dem herrschenden Wetter hatten sich alle längst ein warmes, trockenes Plätzchen gesucht.

Finster blickten Varis' grüne Augen unter der Kapuze hervor und versuchten, den dichten Regenvorhang zu durchdringen, konnten aber kaum erkennen, was vor ihnen lag.

Zum Glück kannte er den Weg gut genug, um sich trotz der eingeschränkten Sicht zurechtfinden zu können. Zielstrebig bog er in eine abzweigende Straße ein und zählte die durch den Regen ziemlich gleich aussehenden Häuser bis zum achten ab.

Ohne inne zu halten sprang er über den Zaun des schmalen Vorgartens und drängte sich unter die überdachte Haustür. Noch während er mit einer Hand die nasse Kapuze zurückschob, klopfte er mit der anderen kräftig an.

Obwohl der Umhang dick war und normalerweise viel Nässe abhalten konnte – gegen diese Sturzbäche hatte er nicht lange ankämpfen können. So hingen Varis' kinnlange braune Haare in einem feuchten, wirren Durcheinander von seinem Kopf und auch die Kleidung, die er trug, klebte ihm inzwischen am Leib.

Langsam ungeduldig werdend klopfte Varis energischer. Er sehnte sich nach einem warmen Zimmer und trockenen Kleidern.

„Wer zur Hölle -“ Schwungvoll war die Tür aufgerissen worden. „Oh, du bist's.“

„Ja, ich bin's.“ Varis musterte die Gestalt, die immer noch in der Tür stand und sich nun durch die hellbraunen Haare fuhr. Sein Blick wanderte über die dieses Mal schwarze Augenbinde, das leuchtende freie blaue Auge und das übliche breite Lächeln. „Kann ich endlich reinkommen, Arkas? Es ist eiskalt und ich bin bis auf die Knochen nass.“

„Ja, das seh ich.“ Grinsend trat der Angesprochene einen Schritt zur Seite und Varis schlüpfte dankbar an ihm vorbei in den Hausflur.

„Hast du was Trockenes für mich?“, erkundigte er sich, während er den Umhang von den Schultern gleiten ließ.

„Klar. Leg das nasse Zeug einfach auf einen Stapel, ich häng' das später an den Ofen. Und nun endlich raus aus den Sachen, du holst dir noch den Tod, mein Junge.“ Arkas zwinkerte ihm grinsend zu und verschwand dann über die Treppe nach oben.

Wenig später saß Varis in Arkas' etwas zu großen Sachen neben dem Ofen und rubbelte mit einem Handtuch über seine Haare. Arkas stellte neben ihn eine dampfende Tasse Tee und zog sich dann einen Stuhl heran. Schwungvoll setzte er sich verkehrt herum darauf und verschränkte die Arme auf der Lehne.

„Nun erzähl, wie läuft's zur Zeit?“

„Wie immer.“ Varis rubbelte energisch weiter.

„Ich hab gehört, dass du den Herzog von Eeron als letztes Opfer hattest.“

Varis brummte nur und schwieg. Er hätte sich denken können, dass Arkas bereits von diesem Auftrag Wind bekommen hatte. Immerhin war er alles andere als unauffällig über die Bühne gegangen.

„Du sollst eine ganz schöne Sauerei angerichtet haben.“

Varis ließ das Handtuch sinken und erwiderte Arkas' trügerisch sanften Blick gelassen. Er hörte allein am scheinbar harmlosen Tonfall den versteckten Tadel. „Na und?“

„Na und?“, äffte Arkas ihn nach und sein Auge funkelte plötzlich gefährlich. „Das nennst du noch professionell? Die halbe Leibgarde hast du dahingemetzelt!“

„Sie tauchten plötzlich auf.“, verteidigte Varis sich ruhig. Er wusste selbst, dass er in dieser Nacht zu viel Blut vergossen hatte, aber es hatte sich nun einmal nicht verhindern lassen.

„Natürlich. Und damit kann man ja auch nicht rechnen, dass die Leibwächter eines Herzogs auch so etwas wie eine Nachtschicht haben.“

„Was willst du denn? Er ist tot. Auftrag erledigt.“ Varis nahm die Tasse und pustete auf den immer noch dampfenden Tee.

„Ja, er ist tot. Und wie elegant du das gelöst hast. Bemerkenswert.“

„Eleganz war kein Teil des Auftrags. Der Herzog sollte sterben und wenn sein Tod Aufsehen erregt – umso besser.“

„Umso besser? Klar! Mach ruhig noch mehr auf dich aufmerksam, mein Junge.“

„Mich hat ja niemand gesehen. Zumindest niemand, der jetzt noch am Leben ist. Wer den Mord in Auftrag gegeben hat, ist ebenfalls nicht festzustellen, weil sehr viele Leute etwas gegen den Herzog hatten und das eher so etwas wie ein gemeinschaftlicher Auftrag war.“

„Du meinst eine Art Hinrichtung?“

„Wenn du es so ausdrücken willst.“ Varis zuckte mit den Schultern und nippte an der Tasse.

„Varis Namreth – oder sollte ich besser sagen: Der berüchtigte Caer Govàh – als Rächer der Unterdrückten?“ Arkas legte spöttisch den Kopf schief.

„Sie haben mir einen Auftrag erteilt und ich habe ihn ausgeführt. Welche Motive dahinter stehen ist unwichtig.“ Varis bemühte sich weiterhin um einen betont gelassenen Tonfall. Er wollte sich nicht provozieren lassen, nicht wegen so etwas.

„Aber wie du den Auftrag ausführst – das ist wichtig!“ Arkas sprang auf und stieß dabei den Stuhl um. Während dieser noch mit einem lauten Scheppern zu Boden krachte, begann Arkas vor Varis auf und ab zu gehen. Wild mit den Armen fuchtelnd fuhr er fort. „Hast du denn gar nichts gelernt von mir? Wenn du so viel Aufsehen erregst, kommen sie vielleicht noch auf deine Spur!“

„Wie sollten sie? Ich habe mich auch tagsüber nicht im Ort blicken lassen. Es weiß niemand, dass ich dort war.“ Er machte eine kurze Pause und nahm einen weiteren Schluck Tee. „Was regst du dich eigentlich so auf? Ist doch alles keine große Sache.“

„Keine große Sache?“ Arkas war stehen geblieben und ragte nun vor Varis auf, die Hände in die Hüften gestemmt. „Verdammt noch mal, du hast mit der herzoglichen Leibwache die Wände neu gestrichen! Was hast du dir dabei gedacht? Du bist Profikiller und kein Metzger!“

„Hätte ich sie bitten sollen, früher Feierabend zu machen?“ Langsam ging Varis' Geduld zur Neige. Er wollte sich von Arkas nicht am Zeug flicken lassen. Immerhin wusste er genau, dass die ganze Geschichte zwar nicht gerade elegant gelöst, aber doch nötig gewesen war. „Ich kann auch nichts dafür, wenn sie sich im ungünstigsten Augenblick zu einem spontanen Kontrollbesuch in die Gemächer ihres Herrn begeben!“

Einen Augenblick funkelten sie sich gegenseitig an. Varis' Augen blickten angriffslustig, Arkas' immer noch vorwurfsvoll.

„Und du bist sicher, dass dich niemand gesehen hat?“

„Absolut.“

Arkas nickte. „Gut.“ Er bückte sich, stellte den Stuhl wieder auf und setzte sich. „Und sonst, wie geht's?“ Sein Gesicht war plötzlich wieder die Ruhe selbst, den Mund umspielte das übliche gut gelaunte Grinsen.

Varis brauchte einen Moment länger, um sich wieder zu fassen. Er hasste es, wenn Arkas so etwas mit ihm abzog. Dieser Mistkerl hatte ihn nur aus der Reserve locken wollen! Brummend hob er also nur die Schultern und schlürfte weiter seinen Tee. Warum fiel er jedes Mal wieder darauf herein?

„Beleidigt?“ Arkas grinste noch breiter. „Kaum zu glauben, dass du auch noch menschliche Gefühlsregungen zeigen kannst.“

Eine ungemütliche Stille schloss sich an. Varis trank seine Tasse mit einem Zug leer, stellte sie ab und lehnte sich dann zurück, die Arme vor der Brust verschränkt. Nein, er war nicht beleidigt. Ein wenig sauer – ja. Aber er kannte Arkas und seine Art schon so lange, dass er ihm wegen solcher Sachen gar nicht mehr richtig böse sein konnte.

„Übrigens“, begann Arkas plötzlich. „Ich hab einen Auftrag für dich.“

Varis stöhnte leise. Er hatte eigentlich gehofft, ein paar Tage Auszeit nehmen zu können.

„Also eine Art Auftrag jedenfalls.“

„Wie meinst du das?“

„Naja...“, suchte Arkas nach Worten.

Sein Gegenüber starrte ihn prüfend an. Dass Arkas nach Worten rang, war äußerst selten. Normalerweise war er nie um eine Antwort verlegen und hatte keinerlei Scheu, die Dinge beim Namen zu nennen.

„Also, es ist so“, begann er schließlich. „Du sollst niemanden töten. Das heißt, erst mal nicht.“

„Arkas! Red endlich Klartext.“

„Es geht um Alana.“

„Und wer soll das sein?“, hakte Varis misstrauisch nach, als Arkas erneut eine Pause machte.

„Ein Mädchen.“

„Ach was. Komm endlich zum Punkt, verdammt!“

„Schon gut, schon gut. Ich hab sie vor ein paar Tagen im Wirtshaus kennengelernt. Und sie sucht verzweifelt nach jemandem, der sie heil nach Ekmar bringt.“

Varis runzelte die Stirn. „Und dabei hast du an mich gedacht?“

„Es ist nicht weit, aber die Straße dorthin ist ziemlich gefährlich.“

„Dann soll sie sich einen Söldner anheuern.“

„Ach, Varis. Hast du denn überhaupt kein Herz? Das junge Ding ist schon total verzweifelt. Sie will sich keinem Söldner anvertrauen, weil sie schon so viel Schlechtes über sie gehört hat.“

„Da vertraut sie sich lieber einem wildfremden Mann an, den sie in der nächstbesten Kneipe getroffen hat?“ Varis' Misstrauen wuchs immer weiter. Was sollte dieser Unsinn?

„Du sollst sie ja nur mitnehmen. In Ekmar wartet dann ein richtiger Auftrag auf dich.“

„Warum sagst du das nicht gleich? Aber das Mädel bleibt hier.“ Er hatte keine Lust, das Kindermädchen zu spielen.

„Eben deswegen. Warum willst du sie nicht mitnehmen? Sie ist richtig süß.“

„Dann begleite du sie doch, wenn du so von ihr angetan bist.“ Mit düsterem Blick lehnte Varis sich vor. Langsam aber sicher wurde diese Diskussion lächerlich.

„Ich bin ihr doch viel zu alt.“

„Du sollst sie auch nicht flachlegen, sondern heil nach Ekmar bringen!“

Arkas lachte und hob abwehrend die Hände. „Ich hab noch zu tun hier, mein Junge. Sonst würde ich sie ja wirklich hinbringen. Nun komm schon, hab Erbarmen. Sie zahlt auch gut.“

„Ich brauch' das Geld nicht.“

„Wann willst du dann überhaupt los?“, wechselte Arkas abrupt das Thema. „Heute in einer Woche wirst du in Ekmar erwartet.“

Varis zuckte brummend mit den Schultern. Er hatte keine große Lust mehr, hier zu bleiben und sich von Arkas am Ende doch noch das Mädchen aufschwatzen zu lassen. „Sobald der große Regenguss vorbei ist und meine Sachen trocken sind.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Jerra
2009-05-04T19:57:43+00:00 04.05.2009 21:57
Also, dann will ich mich mal an die Arbeit machen und dem einsamen Temelchen hier mal Gesellschaft leisten : )

Nun denn... Kapitel 1 mag ich sehr gern, wie du weißt. Das liegt nicht nur an der immerguten Kombi Varis-Arkas, sondern auch insgesamt erzählst du hier sehr dynamisch und mitreißend =D
Aber der Reihe nach... Der Anfang, die Schilderung des Wetters und wie Varis da die Straße langstapft und sich dabei offenbar keine Sorgen darum macht, ob seine eh schon nasse und dreckige Kleidung noch nasser und dreckiger wird, kommt echt gut. Man kann sich richtig seinen missmutigen Blick vorstellen <3

Der folgende Dialog ist einfach nur wieder mal göttlich *-* Varis, auf der einen Seite der trotzige Junge, der sich zu rechtfertigen sucht, auf der anderen Seite der Profi, der nicht einsieht, warum er sich überhaupt rechtfertigen soll. Und Arkas, der ihn versucht, aus der Reserve zu locken und ihn am Ende mal wieder schön drankriegt - wobei ich mir nicht so sicher bin, ob er diese Vorwürfe wirklich nicht ernst gemeint hat. Vielleicht weiß er auch einfach, dass Varis alt genug ist, um auf sich aufzupassen und erfahren genug, sich so etwas von seinem (ehemaligen?) Meister nicht mehr sagen zu lassen.
Alles gipfelt jedenfalls in meinem Lieblinssatz schlechthin:
> „Verdammt noch mal, du hast mit der herzoglichen Leibwache die Wände neu gestrichen! Was hast du dir dabei gedacht? Du bist Profikiller und kein Metzger!“
<3

Und weiter geht's.
> „Da vertraut sie sich lieber einem wildfremden Mann an, den sie in der nächstbesten Kneipe getroffen hat?“ Varis' Misstrauen wuchs immer weiter. Was sollte dieser Unsinn?
Da hat Varis mit seinem Misstrauen schon sehr recht. Eigentlich alles keine Argumente, die Arkas da anbringt. Hätte sich Varis mal auf seinen Instinkt verlassen und abgelehnt... (aber das junge Ding hat Arkas um den Finger gewickelt, oder wie? ; ) wer kann da schon ablehnen. Und wenn Arkas sagt hopp, dann muss Varis springen)

Das Ende vom Kapitel kommt bissl abrupt, wie mir gerade auffällt. Aber das macht ja nix, es geht ja gleich weiter... : )
Von:  Temel
2009-04-15T15:19:16+00:00 15.04.2009 17:19
Erstaaaaaaaaaaaa! :-)

Hmmm.... ich hätte im Forum n Thread mit Erwartungen dieses Adultteils aufmachen sollen, na gut, dann jetzt eben erste Kommentare...
Macht auf jeden Fall Bock zu lesen, geschrieben gewohnt im Varisstil, Charaktere bekannt, ne prologartige Situation......
Aber: wo bleibt das Adultige? Die Splasherszenen (bis auf den Rückblick mit der wandfarbenfreundlichen Wache) , das wilde Rumgevögele, der Wechsel der Szene in einem Fetischclub.... *luft hol*
Na gut, is ja das erste Kappi... *kleinlaut werd*
Mann, lad SCHNELL hoch! Ich will alles lesen!
Der f**** das Mädchen doch oder? Oder? (Bin ich gerad aufgeheizt? Muss davon liegen, dass das Wetter heut so schön is....)

Weitaaaa!


Zurück