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Katz und Maus

von

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Schuster, bleib bei deinen Leisten

Nachdenklich glitt Varis' Blick über Alanas verzweifelte Gesichtszüge. Mit hasserfüllten Augen, die hin und wieder einen feindseligen Blick in Varis' Richtung warfen, erzählte sie stockend, wie ihre Mutter vor vier Jahren von einem Auftragskiller ermordet worden war. Der Auftraggeber war ein Kaufmann gewesen, dessen Annäherungsversuche recht harsch abgewiesen worden waren.

Varis versuchte, sich zu erinnern. Doch vier Jahre sind eine lange Zeit und ein recht gewöhnlicher Auftrag wie dieser blieb als einer von vielen nicht so einfach im Gedächtnis hängen. Wieder glitten Varis' Augen über Alana, die mit hängenden Schultern auf dem Bett saß. Jedenfalls für jemanden wie ihn.

Dieses Mädchen und ihr Vater hatten nach diesen Geschehnissen schnell einen Pfad eingeschlagen, den Varis nur zu gut kannte: Sie wollten Rache. Der Kaufmann war schnell gefunden, hatte blutig für seine Tat büßen müssen und noch vor seinem Tod alles ausgeplaudert, was er wusste. Und er wusste mehr, als er hätte wissen sollen.

Vier Jahre lang hatte der Mann seine Tochter gedrillt, bis er genügend Hinweise hatte, die ihn schließlich zu Arkas führten. Er benutzte einen angeblichen Auftrag, um den so verhassten Caer Govàh zu sich nach Ekmar zu locken und schickte seine Tochter aus, sich von ihm begleiten zu lassen.

Mehr hatte Varis nicht mehr aus ihr herausbekommen. Ihr beharrliches, anklagendes Schweigen hing schwer im Raum und ihr Blick ließ nun nicht mehr von der wieder entzündeten Kerze ab. Immer wieder tastete sie mit einem leisen Wimmern mit der linken Hand über den gebrochenen Arm, als hoffe sie, sich den Bruch nur eingebildet zu haben.

Varis saß auf einem der Stühle, das Messer in der Hand und ließ seine Augen nun über den reich verzierten Griff wandern. Ein verächtliches Schnauben entrang sich seiner Kehle, als er die ganzen verschlungenen religiösen Glückssymbole betrachtete. Das war eindeutig das Messer eines Amateurs – wer mit seinen Waffen wirklich umzugehen weiß, braucht kein Glück.

Langsam kehrte Varis' Blick zu Alana zurück. Die vier Jahre, die sie in dieses Training gesteckt hatte, waren rein vergeudet. Sie mochte vielleicht mit einer Klinge herumfuchteln können, doch ihr fehlte die Kaltblütigkeit, die Bereitschaft und die Übung, sie auch richtig einzusetzen. Dass sie ihn unter Drogen gesetzt hatte, hätte ihr allerdings trotzdem beinahe zu ihrer heiß ersehnten Rache verholfen, musste Varis sich zähneknirschend eingestehen. Er war unvorsichtig gewesen, viel zu leichtsinnig und ihnen blind in die Falle getappt.

Immer noch spürte er die Nachwirkungen dieser seltsamen Spezialmischung, die in seinem Met gewesen war. Doch als er seine Muskeln kurz anspannte, stellte er mit großer Erleichterung fest, dass sie nur noch mit kaum merklicher Verzögerung reagierten. Gelassen lehnte er sich also auf seinem Stuhl zurück und ließ seinen Blick nachdenklich schweifen. Er hatte nun die Waffe, konnte seinen Körper endlich wieder kontrollieren und seine Gegnerin hatte einen gebrochenen Arm. Drei zu Null für Varis. Zur selben Erkenntnis war wohl auch Alana gekommen, deren Gesicht einen immer resignierteren Ausdruck zeigte.

Wieder glitten Varis' Augen über Alana. Ihre Geschichte hatte ihm irgendwie einen leichten Stich versetzt, konnte er sich doch nur zu gut in ihre Lage versetzen. Er selbst war auf der Suche nach Rache und sah seinen eigenen blinden Zorn und brennenden Vergeltungsdrang in ihren Augen blitzen.

Und doch war es anders. Varis konnte den Unterschied auch genau beim Namen nennen: Arkas. Er hatte Varis beigebracht, was es hieß, jemandem das Leben zu nehmen.

Dieses Mädchen hier hatte wohl noch nie jemanden umgebracht. Ein wenig mit Waffen herumfuchteln, das hatte sie gelernt und das konnte sie. Aber das war nicht genug. Nicht genug, um es mit ihm aufzunehmen – auch wenn ihre Falle gut gestellt war.

Schließlich räusperte sich Varis und durchbrach die Stille, die Stirn gerunzelt und den Blick starr auf Alana gerichtet.

„Gehst du eigentlich mit jedem Mann ins Bett, den du töten willst?“ Gerade weil er ihre Motive so gut nachvollziehen konnte, wollte er ihr Schweigen brechen. Mit Erfolg – Alana wandte sich ihm zu, das kurze, hoffnungsvolle Glimmen in ihren Augen unterdrückend und lächelte leicht.

„Nein, nur mit denen, die mir gefallen.“

Varis beugte sich weiter vor und schüttelte resigniert den Kopf. Sie schien tatsächlich zu glauben, dass sie noch eine Chance hatte.

„Spar dir das.“, schmetterte er ihr immer breiter werdendes Lächeln ab. „Ich weiß, dass du nur auf eine Gelegenheit wartest, mich erneut anzugreifen. Das kannst du dir im Übrigen ebenfalls sparen.“

Sofort verschwand das Lächeln, wich einer zornerfüllten Grimasse.

„Spiel dich nicht so auf. Du hattest bloß Glück!“, fauchte sie ihn an.

„Du wirst leider keines haben.“, entgegnete er leise und beobachtete, wie der Hass in ihren Augen ganz allmählich von aufkeimender Panik überschattet wurde. Langsam stand Varis auf, das Messer locker in der Hand und schritt auf sie zu. Dieses Spielchen hier ging schon viel zu lange. Er würde nichts Brauchbares mehr aus ihr herausbekommen und hätte sie schon längst töten sollen. Es war schließlich egal, dass sie etwas ähnliches durchgemacht hatte wie er. Wieso hatte er überhaupt so lange gezögert?

Sie hatte versucht, ihn umzubringen. Sie würde es auch wieder versuchen. Und sie wusste zu viel über ihn.

Gute Gründe, ihrem Leben ein Ende zu bereiten und das Mitleid, das Varis abermals zögern ließ, konnte er sich eigentlich gar nicht leisten. Arkas hätte ihn nun ausgelacht, ihm eine Standpauke gehalten, ihm gedroht, ihn gewarnt und ihn schließlich noch Wochen lang damit aufgezogen. So viele Menschen hatte er bereits auf dem Gewissen, dass sein Zögern dagegen fast lächerlich wirkte. Nur, weil sie mit ihm geschlafen hatte? Oder weil er nachvollziehen konnte, warum sie ihn so hasste, warum sie so auf ihre Vergeltung fixiert war?

Im nächsten Augenblick prallte Alana gegen ihn und riss ihn zu Boden. Sofort kehrte Varis aus seinen Gedanken zurück, fluchte innerlich, als er bemerkte, dass das Messer seinem Griff entglitten war und nun irgendwo neben ihnen liegen musste. Der Angriff war zu unerwartet gekommen, sie hatte diesen einen Moment der Unaufmerksamkeit erkannt und genutzt.

Wild, allem Hass, aller Wut freien Lauf gebend rang Alana mit ihm, ihren schmerzenden Arm völlig ignorierend und trieb ihre Zähne in Varis' Oberarm. Sie ließ nicht los, als er in ihre Haare griff und kräftig zerrend ihren Kopf zurück zwingen wollte. Sie ließ nicht los, als er ihren gebrochenen Arm packte und drehte. Sie ließ auch nicht los, als seine Finger sich um ihren Hals schlossen und zudrückten.

Dann hatte sie keine Wahl mehr.

Mit einer schmerzerfüllten Grimasse packte Varis ihr Kinn und löste den Biss. Sich nun ein lautes Fluchen erlaubend, untersuchte er die blutende Wunde und verband sie dann provisorisch mit einem Tuch. Er würde sie ordentlich behandeln, sobald er ein wenig Distanz zwischen sich und dieses Dorf gebracht hatte. Doch fürs erste wollte er einfach nur weg.

Sauer auf sich selbst, weil er überhaupt auch nur einen Moment lang gezögert hatte, angelte er hastig nach seiner Tasche und zog die Kleidung hervor, die er für gewöhnlich bei seinen Aufträgen trug. Hatte er allen Ernstes die Möglichkeit in Erwägung gezogen, sie am Leben zu lassen? Mit einem verärgerten Schnauben und ein paar geübten Bewegungen schlüpfte er hinein, überprüfte kurz den Sitz seiner Waffen und stopfte dann seine normalen Kleider in die Tasche. Dann schüttelte er den Kopf. Nein, er hätte sie in jedem Fall getötet. Ganz sicher.

Mit einem letzten Blick auf Alanas leblosen Körper wandte er sich dann zur Tür, für einen Moment schaudernd daran denkend, was aus ihm hätte werden können, wenn ihn statt Arkas jemand wie Alanas Vater unter seine Fittiche genommen hätte. Umso entschlossener huschte Varis schließlich die Treppe hinunter, dem Mann entgegen, dem jemand erst noch beibringen musste, was es bedeutete, einen Menschen zu töten.



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