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One litre of Tears

~100 fanfiction challenge~
von

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002. Middles

002. Middles
 

Die Augen öffnend, starrte sie an den Lattenrost des oberen Bettes. Aya drehte ihren Kopf zur Seite, blickte auf ihren Wecker, welcher Aufstehzeit versprach. Eine ganze Stunde früher als sie sonst auf den Beinen war.

Sich langsam aufsetzend, stützte sie sich an der Bettkante ab und erhob sich langsam und schweren Schrittes.

Tippelnd erreichte Aya ihren Schreibtisch, auf dem noch ihre Federtasche vom Vorabend lag. Diese in die Hand nehmend, hob sie ihre Schultasche auf den Stuhl und legte die Sachen vorsichtig hinein.

Was würde sie wohl heute erwarten? Wenn sie daran dachte, dass ihr endlos lange Treppenstufen bevorstanden, das wiederholte Zuspätkommen zum Unterricht, das Ausbleiben des Sportunterrichtes und des Basketballclubs...

Aya hatte es satt. Wie viel musste sie noch aufgeben? Reichte es nicht schon, dass sie all diese für andere Menschen so normalen Dinge nicht mehr tun konnte? Reichte es nicht, dass sie einen Menschen verloren hatte, mit dem sie hätte glücklich werden können? … Nein das war falsch, vermutlich wäre sie auch im Falle vollkommener Gesundheit nicht glücklich geworden. Und eigentlich... konnte sie noch eine ganze Menge Dinge tun. Es brauchte nur seine Zeit. Sie brauchte ihre Zeit.
 

Inzwischen war es zur Routine geworden, dass ihre beiden Freundinnen Mari und Saki am Schultor warteten. Die beiden waren so liebenswert... Jeden Tag halfen sie Aya ins Schulgebäude, schoben sie im Rollstuhl die Gänge entlang oder trugen ihre Sachen voraus – und das alles ohne sich auch nur ein einziges Mal zu beschweren. Wenn Aya ihre Freunde nicht hätte... würde sie trotz allem nicht mehr dem nächsten Morgen entgegenblicken können. Freunde ließen selbst das größte Unwetter vergehen oder boten einem zumindest mit einem Regenschirm Schutz.

Doch als die Älteste der Ikeuchi Geschwister an diesem Tag in die Gesichter der beiden sah... stimmte etwas nicht. Etwas war anders als sonst. Saki und Mari schienen von einer Sache bedrückt zu sein und konnten nicht mehr das Lächeln lächeln, welches Aya immer wieder fröhlich stimmte. Sie sprachen kurz mit Ayas Mutter, so wie jeden Morgen, verabschiedeten diese und hakten sich bei ihrer Freundin ein. Still schweigend gingen sie den langen Weg zum Schulgebäude entlang.

Gehörte dies auch dazu?

In Aya begann der Gedanke aufzukeimen, dass auch ihre Freunde es langsam leid wurden, sich um sie zu kümmern. Natürlich taten sie dies freiwillig, Aya hatte sie nie darum gebeten, und auch wurde dieser immer wieder zugesichert, dass es in Ordnung wäre. Sie hatte diese netten Gesten fortan immer mit einem Lächeln erwidern wollen, aber nun... schien alles auf einmal einzustürzen. Die kleine heile Welt, die ihr noch geblieben war, löste sich nach und nach auf und Aya wusste nicht wie sie auch nur im Entferntesten an den verbleibenden Rest festhalten konnte. Sie konnte nur hoffen, dass es überhaupt möglich war und dass sie nicht miterleben musste, wie sich ihre Freunde von ihr entfernten und aus ihrem Leben gingen.

Dass sie heute einen Arzttermin hatte und somit früher nach Hause musste, kam Aya demzufolge nur recht. So würde sie den beiden zumindest für den Rest des Tages nicht zur Last fallen können...

Sich zum Ausgang schiebend, hielt Aya jedoch nach wenigen Sekunden in ihrem Rollstuhl an. Das Heft – das Heft mit den Aufgaben für morgen lag noch unter ihrem Schülerpult! Vorsichtig wendend, rollte sie zurück zum Treppenansatz. Sich mit beiden Händen am Geländer hochziehend, schleppte sie sich Stufe für Stufe hoch, musste zwischendurch immer wieder pausieren, um genug Kraft für die übrigen paar Meter zu haben. Die Gewichte an ihren Knöcheln ließen Aya zwar sicherer gehen, allerdings waren sie in Bezug der Treppe auch recht hinderlich.

Es dauerte eine Weile, bis sie den Klassenraum erreichte. Vor diesem zunächst etwas nach Luft ringend, legte sie die Hand an den Türgriff, verharrte jedoch, als sie von drinnen eine Stimme vernahm, welche gerade ihren Namen verlauten ließ. Worum ging es da?

Und mit einem Schlag, nur in ein paar Sätzen verfasst, war alles klar... Die Klasse sorgte sich darum, wie es mit ihnen weitergehen sollte, wenn Ayas Zustand so anhielt, wenn er sich verschlimmerte. Was sie machen sollten. Dass es doch keine Lösung wäre, Aya weiterhin hier die Schule besuchen zu lassen...

Also doch.

Hatte sie sich nicht getäuscht.

Den Kopf gegen den Türrahmen lehnend, versuchte Aya die aufkommenden Tränen zu unterdrücken und ruhig zu bleiben. Durfte sie etwa nicht hier bleiben? Waren etwa wirklich alle der gleichen Meinung? Alle?

In jenem Moment wünschte sie sich nichts lieber, als einen Menschen, der gegen die Meinung aller sprach. Einen einzigen Menschen, der sie in den Schutz nahm. Doch.... gab es etwa keinen?

Ihre Klassenkameradin Tomita Keiko forderte nun auch Mari und Saki auf zu sprechen. Wie nicht anders zu erwarten hielt Mari eindeutig zu ihrer kranken Freundin, sie erklärte den anderen Ayas Lage so gut wie möglich, versuchte ihr Bestes, dieser zu helfen! Und Saki... sah es nicht anders, aber im Gegensatz zu Mari war sie zartbesaiteter und aus ihrer wankenden Stimme sprach Leid, Schmerz und ein Hauch der Verzweiflung. Sie wollte immer für Aya da sein, aber selbst... vernachlässtigte sie sich so sehr, dass sie Angst hatte, die Prüfungen nicht zu schaffen oder dass sie nicht mehr an Clubaktivitäten teilnehmen konnte.

Also doch...

Die Augen schließend wäre Aya in diesem Moment am liebsten wieder umgekehrt, einfach wieder verschwunden, als hätte sie dies alles nicht mitbekommen. Doch selbst wenn sie es gewollt hätte, bewegten sich ihre Beine kein Stück.

Ihr Herz war so schwer... als würde diese Schwere ihre Füße fest am Boden lassen.

„Hinterhältig“, erklang auf einmal eine tiefe Stimme und durchbrach somit die aufkommende Stille, „Findet ihr es nicht ziemlich verschlagen, ihr die heile Welt vorzuspielen und euch dann über die Situation zu beschweren?“

Asou-kun... er war es, der gerade das Gerede der anderen angriff! „Keine Sorge, das macht nichts, alles in Ordnung – Wenn ihr so sprecht, wie ihr es jetzt in ihrer Abwesenheit tut, dann hättet ihr von Anfang an nicht so freundlich sein sollen!“

„Asou, ich weiß, was du sagen willst, aber nun ist gut-“, versuchte der Lehrer zu unterbrechen, wurde aber bereits von Asou über den Mund gefahren, „Sie sind doch auch nicht besser!“

„W-Was?! A-Also, das ist ja wohl-“

„Warum haben Sie ihr nicht von Anfang an gesagt, was Sache ist? Es ist nicht so, dass sie euch alle nicht versteht! Ihr müsstet nur einmal mit ihr reden und sie würde versuchen einen Weg zu finden, der die beste Lösung für alle verspricht! Wenn Sie es ihr ins Gesicht gesagt hätten, dann würde sie auch den Mut aufbringen können, sich der Sache zu stellen“, wandte sich Asou seinem Mentor erneut zu und ließ auf dessen Gesicht somit einen Ausdruck des Schuldgefühls aufkommen. Ein weiteres Schweigen erfüllte den Raum. Asou war gerade dabei sich umzudrehen und wieder zu seinem Platz zu gehen, nachdem er sich erhoben hatte und provozierend einige Schritte auf den Lehrer zugegangen war – als er Aya hinter der Tür sah.

„Ikeuchi...“ Die Köpfe aller flogen zur Tür.

Nun konnte sie sich nicht mehr verstecken.

Aya schob tief einatmend die Tür auf und lächelte entschuldigend. „Ich... habe nur etwas vergessen... bitte beachtet mich nicht weiter...“ Den Blick zum Boden gerichtet, kämpfte sie sich tapfer zu ihrem Platz vor, vorbei an Mari – die größte Hürde. Zu gerne hätte sie all die Worte und Gefühle ausgesprochen, die ihr in diesem Moment das Herz zuschnürten, doch stattdessen nahm sie einfach nur ihr Heft unter dem Pult hervor und begab sich erneut zum Klassenzimmer hinaus.

Ja... anscheinend gehörte dies auch dazu...

Anscheinend war es ihr wirklich nicht möglich, ihr normales Leben aufrecht zu erhalten und vermutlich hatten ihre Klassenkameraden dies noch früher erkannt als sie selbst. Dennoch... hatten sie in Anbetracht beider Seiten geschwiegen und versucht das beste aus der Situation zu machen...

Sich nun wieder am Treppengeländer festhaltend, ruhte Aya für ein paar Sekunden und atmete tief durch. Nein, sie würde dem Schmerz in ihr nicht nachgeben. Nicht jetzt...

Mit einem Male schallten schnelle Schritte durch den leeren Korridor, die in kurzer Zeit immer näher kamen. Aya horchte auf und sah mit einem Mal Asou in die Augen, welcher ihr wohl gefolgt war. Verwirrt, was er wohl von ihr wollte, blickte sie ihn einfach nur an.

Asou sagte nichts, ging an ihr vorbei und hockte sich am Treppenansatz hin.

„Steig auf“, waren die einzigen Worte, die er sprach, während er darauf wartete, dass er sie huckepack nehmen konnte.

Ein einziger Mensch, der sie beschützte oder ihr zumindest half...



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