Zum Inhalt der Seite

22+1 Tage

Und wenn schon.
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Für den es sich lohnt

A war tot.

Fassungslos standen B und L vor dem offenen Sarg, mit jeweils einer weißen Lilie in der Hand.
 

Die beiden Jugendlichen sahen sich nicht besonders ähnlich; lediglich die Größe und die Hautfarbe hatten sie gemeinsam. Ansonsten waren sie recht verschieden - während L ziemlich teilnahmslos aussah (obwohl er es nicht war) und lässig ungerade mit den Händen in den Hosentaschen dastand, bewahrte der andere Junge zwar Haltung, aber das Gesicht, in das dunkelbraune Locken fielen, war schmerzverzerrt.
 

Warum B Schuldgefühle hatte, sich sein Geist veränderte und wie er danach zu dem wurde, was später allgemein als der 'Strohpuppenmörder' bekannt geworden war, ist eine Geschichte für einen anderen Tag...
 

Fakt ist, dass an jenem zwei Jungen in dem kahlen, ungeschmückten Raum standen, in dem in einem hübschen, edlen Rosenholzsarg ein Kollege von ihnen lag. Und dieser war nur für B gestorben, nachdem er sein Leben diesem gewidmet hatte.
 

Verstohlen linste L B von der Seite an, sah ihm beim Zerbrechen zu.
 

Es war so unnötig, so erbärmlich in den Augen des jungen Genies. L seufzte, stellte sich direkt an den Sarg und legte der Leiche die Blume in die linke Hand.

So eine Verschwendung von Talent, dachte er trocken.

Er fühlte sich betroffen, sehr sogar... Aber nicht durch den Verlust eines Arbeitskollegen, sondern durch den Grund seines Todes.
 

Freundschaft, Liebe... Für den 15-jährigen L Lawliet vollkommen abstrakte Begriffe.
 

"Auf Wiedersehen..." Das Flüstern kam von Beyond, der nun direkt neben ihm stand, dem Toten die Blume in die rechte Hand gab und dem eine einzelne Träne über die Wange rann.
 

L musste ein Schnauben unterdrücken. "B", sagte er, "wir haben gerade einen unserer fähigsten Leute verloren. Reiß dich zusammen, damit wir dich nicht auch noch verlieren."

Ihm würde es auch in Zukunft nie gelingen, die Verachtung in seiner Stimme zu unterdrücken, sofern er sie für jemanden empfand.
 

Ohne B und der Leiche As noch einen letzten Blick zuzuwerfen, drehte sich der damals schon größte Detektiv aller Zeiten um und verschwand aus dem Raum, ließ den Lebenden und den Toten allein. Nicht einmal ein Echo seiner Schritte blieb zurück, denn er sah es nicht als notwendig an, A die Ehre zu erweisen und Schuhe zu seiner Beerdigung anzuziehen.
 

Was ihm jedoch entgangen war, war der hasserfüllte Blick auf Beyond Birthdays Augen.
 

Am selben Abend noch saß L an seiner Arbeit, neben ihm sortierte Watari einige Akten. Sie verharrten in völliger Stille, lediglich das Knuspern von Ls Keksen zwischen seinen Zähnen war gelegentlich zu hören.
 

Nach einiger Zeit ließ L die Finger von der Tastatur und sah Watari an. Fest entschlossen blickte er dem älteren Herrn in die Augen. "Mr Wammy, Sie können sich darauf verlassen, dass Sie mich nie wegen... so etwas verlieren", verkündete er ernst und nicht ganz ohne Stolz.
 

Watari sah ihn aber besorgt und gänzlich ohne Stolz an.

"Lawliet... es gibt einige Dinge, für die sich das Sterben lohnt", sagte der ehrenhafte Mann leise.
 

Skeptisch hob L eine Augenbraue. "Ja. Gerechtigkeit."
 

"Irgendwann wirst du einen Menschen finden, der dich etwas anderes lehrt", antwortete Mr Wammy sanft.

Voller Unglauben wandte sich L ab, sagte vor Respekt zu seinem Mentor aber nichts.
 

Nein, das werde ich nicht...

_______
 

Nachdem L seine Pfannkuchen wortlos aufgegessen hatte, während Raito fernsah - nein, versuchte, fernzusehen - setzte sich der Meisterdetektiv mit zu seinem Freund auf die Couch.

Dieser sagte nichts, sah nicht auf, starrte apathisch auf den Bildschirm, der irgendeine blödsinnige Sitcom zeigte.
 

Der Raum hatte etwas Beklemmendes an sich. Spiegelte ihre Gefühlslage zu hundert Prozent wider - keine Fenster, leise, ein kleines, elektrisches Licht brannte, keine Bilder, keine Pflanzen.
 

Niedergeschlagen, mit dem Wissen, dass sie beide verloren hatten, saßen sie nebeneinander.

Raito knirschte mit den Zähnen. Von wegen, L Lawliet, wir haben keine 22 Tage für uns mehr. Nicht so, Wir schaffen es nicht. Und wenn schon... Was hätten wir von den 22 Tagen? Wenn es sowieso nicht mehr so sein kann wie früher, die unbeschwerte Freundschaft...
 

Plötzlich sagte L leise, eindringlich: "Was haben wir von den 22 Tagen, wenn es sowieso nicht mehr so sein kann wie früher, die unbeschwerte Freundschaft? Das einzige, was dich von den anderen für mich abgehoben hatte... Wofür ich..." Zerknirscht ballte er seine Hände zu Fäusten, zerknitterte weiter seine sowieso schon zerknitterte Jeans.
 

Überwältigt - und doch irgendwie, als ob er es erwartet hätte - verflogen sofort alle Zweifel Raitos, ob seine Tat das Richtige gewesen ist.

Es war das Richtige gewesen.

Seine braune Augen wanderten zu den schwarzen, die lasen, dass sie wieder einmal dasselbe dachten.
 

Auf den blassen Lippen des Schwarzhaarigen erschien das verzerrte Lächeln, bei dem in Raitos Brust schmerzhaft etwas riss. "Vielleicht", sinnierte er, "sind wir nicht für unbeschwerte Freundschaft geschaffen. Wir brauchen den Hass dazu, den Reiz, gewinnen zu wollen... sozusagen die Leidenschaft."
 

L wusste selbst nicht genau, was er da sagte, aber er wusste, dass es stimmte.

Wortlos stand er auf, es war zwar erst 20 Uhr, aber er ging ins Bett. Er musste nachdenken, wie immer, und ließ einen ziemlich verwirrten jungen Mann auf der Couch zurück. Einen verletzten jungen Mann.

­­_______
 

Die Bettlaken rochen nur nach ihm selbst.

Das Zimmer, dass ziemlich gut eingerichtet war, mit warmem Holz und schwerem Stoff, hellbeige Wände, dunkler Teppich, mit gold verzierten Vorhängen, hatte seinen Reiz verloren.

Es war leer, wenn nur L darin war.
 

Dieser atmete tief die nur nach ihm riechende Luft ein und sehnte sich nach seinem Duft.

Vergebt mir. Ich habe euren Selbstmord nie verstanden, und jetzt begehe ich selbst einen. Genau wie ihr aus Leidenschaft. Wegen jemand anderem. Sind wir einfach immer von vornherein so kaputt gewesen, dass wir mit unseren Gefühlen nicht klarkommen konnten und es im Selbstmord ausartet, im Verrat gegenüber unserem Leben, der Gerechtigkeit?

Vergebt mir, A und B, dass ich euch voreilig verurteilt habe. Das scheint mein größter Makel zu sein.

Ihr beidet hattet nie 22 Tage miteinander, die ihr hättet nutzen können. Ich schon.

Und ich bin so blöd, dass ich kaputtgehe, bevor ich lernen kann, wie man fühlt...

...nein. Ich werde Raito lieben. Ich hätte auch euch lieben sollen, ihr seid in gewisser Weise klüger gewesen als ich.

Es tut mir so leid.

Ich hoffe, ihr habt euch gefunden. Dort, wohin Raito und ich nie hinkommen werden.

_______
 

Warum ist er jetzt einfach so abgehauen? Erst mal zeigen, dass er genauso denkt wie ich, genauso fühlt wie ich...

Raito schaltete den Fernseher aus, ging selbst in sein Zimmer, das exakt genauso eingerichtet war wie Ls.

Wie das, in dem er wochenlang geschlafen hatte.
 

Doch es war so leer ohne seinen Geruch.
 

Raito legte sich in sein Bett und zog sich die Decke über den Kopf.

Hörte, wie Ryuk lachte.

Hörte, wie Ryuk plötzlich aufhörte zu lachen.

Hörte, wie seine Tür aufging.
 

"Raito-kun... Raito...", wisperte L, kauerte sich wie das kleine Kind, das er war, in Raitos Bett, schlüpfte mit unter die Decke, krallte seine Hände in den Stoff, der Raitos Rücken bedeckte und vergrub sein Gesicht zwischen dessen Schulterblättern.
 

Das Zimmer war nun vollständig.

Und so wunderschön, dass es Raito die Tränen in die Augen trieb, als er sich die Decke vor den Augen wegnahm und den Anblick des Zimmers genoß, die Wärme an seinem Rücken.

Er spürte, wie zwei Arme sich um seine Taille schlangen und blieb bewegungslos liegen.
 

So blieben sie die ganze Nacht im einfallenden Mondlicht liegen.

Das Fenster war offen und bewegte die Vorhänge ein wenig, spielte mit braunen und schwarzen Haaren, die Blätter der Zimmerpflanzen wogen hin und her.

Die Bilder an der Wand waren die einzigen Zeugen dieser Nacht, in der zwei Menschen einfach nur dalagen und einander genossen.

Das Zimmer war wunderschön.

Der Wind wisperte seine Lieder in dieser langen Nacht, genauso wie eine Stimme gelegentlich "Raito..." wisperte und genauso wie der Wind mit den Haaren des jungen Mannes spielte, spielten blasse Finger damit.
 

A/N
 

Ich hoffe, man merkt, dass ich Antithesen sehr gern habe. Dieses Stilmittel passt bei Raito und L sowieso so wundervoll. Vor allem gefällt mir, dass ich Raito "den jungen Mann" nenne und L "das Kind". Tut mir leid, wenn das jetzt eingebildet klingt :D Und die Räume... Ja. Das wollte ich ausdrücken. Ich hoffe, ihr bekommt diese Stimmung genauso mit wie ich sie beim Schreiben mitbekommen habe.
 

Ich freue mich auf Kritik und Lob. (:



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  cosmos
2010-08-05T20:57:32+00:00 05.08.2010 22:57
aw das kapitel fand ich toll, besonders den anfang. man bekommt noch
mal richtig vor augen gehalten wie fremd L gefühle sind und es passt so
gut zu seiner späteren erkenntnis, dass er nun, wie watari es schon
vorausgesehen hatte, auch einen menschen gefunden hat, für den es sich
zu sterben lohnt. >.<
die stimmung des kapitels ist ja im allgemeinen eher traurig, aber diese
veränderung nachdem sie nicht mehr beide einzeln und einsam auf ihren
zimmern sind, sondern zusammen bei raito, ist wirklich schön. (:

lg, cosmos.
Von: abgemeldet
2009-06-24T13:31:13+00:00 24.06.2009 15:31
Waaaa *_____*..ich liebe diese FF.
sie ist so Hammer qeil qeschrieben und alles passt =]
Lq
Hony
Ps. Ariqato für die ENS
Von: abgemeldet
2009-06-21T17:29:05+00:00 21.06.2009 19:29
Sehnsucht! *w*
Ich fande den Anfang etwas irretierent,denn ich weiß nicht besonders viel
über B und A,aber fande es klasse ,dass du sie hier mit eingebracht hast ^.^
Das Gespräch zwischen Wammy und L empfand ich i-wie für etwas sehr Besonderes,denn für mich ist Wammy wie ein Vater für L (:
Raito und L haben die richtige Entscheidung getroffen!So können sie noch
22 Tage lang miteinander sein,ohne in die Gefahr zu laufen sich gegenseitig zu töten ><
Das Ende gefiel mir sehr!Es war schön wie du die Liebe mit den Räumen
dargestellt hast und L auch mal von Selbst zu Raito geht,weil er die
Nähe von ihm braucht ^w^
Freu mich wenn es weiter geht ♥
Von:  Taylor
2009-06-21T12:34:06+00:00 21.06.2009 14:34
anfangs war ich höchst verwirrt was dieser einschub mit A sollte wo ich eh keinen Ahnung von A und B und blubb habe XD
aber so im nachhinein machts dann doch nen gewissen sinn mit dem gspräch zwischen mrs.wammy und L~
ich bin um ehrlich zu sein voll aus der story rausgekommen aber ich offe mit dem nöchsten kapitel komm ich wieder rein~
Von: abgemeldet
2009-06-21T10:23:09+00:00 21.06.2009 12:23
x) Aw, wieder mal ein gelungenes Kapitel..
Immer wieder schön, wenn in FanFictions Liebe auch ohne Sex dargestellt wird/werden kann...
Freu mich schon auf's nächste Kapitel


Zurück