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Strange World

von

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Verwirrt bis ins Mark

Mit geschlossenen Augen stand ich erhobenen Kopfes unter der Dusche und ließ das warme Wasser auf mich niederprasseln. Tief in Gedanken versunken bemerkte ich nicht, dass ich mittlerweile alleine war. Meine Teamkollegen waren alle längst verschwunden. Auch gut. So wurde ich immerhin nicht mehr böse angeguckt, weil ich heute beim Spiel so derbe versagt hatte. War ja wohl auch kein Wunder, dass ich verwirrter war als Joe vor einer Prüfung.
 

Mimi hatte mir geschrieben. Aus heiterem Himmel. Noch immer bebten meine Lippen bei jeglichen Gedanken an ihre Worte. Dabei waren sie total banal.
 

„Hey Tai. Mir tut es leid, dass ich neulich nicht mit dir gesprochen habe. Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir eine Chance geben würdest, mit dir zu reden. Über alles. - Mimi“
 

Mit der flachen Hand schlug ich gegen die nassen Fliesen an der Wand. Es tat ihr leid. Mich nahm die Situation mehr mit, als sie sollte. Zumindest redete ich mir das kontinuierlich ein. Wohl möglich war an meinem „Ich liebe dich“, dass ich Mimi nach unserem vergnüglichen Abend am Telefon gesagt hatte, mehr dran, als ich dachte. Als ich wollte.
 

Ich hatte meinem besten Freund und meiner Schwester wie ein kleiner Junge die Ohren vollgeheult. Hatte auf die Erklärung für mein Verhalten gewartet. Wozu war ich den mit dem sexiest man alive befreundet, wenn er mir nicht sagen konnte, warum ich nur so hirnverbrannt war. Mir nicht sagte, wie man mit Frauen umging. Und wozu hatte ich eine Schwester, wenn sie mir nicht sagen konnte, was diese Frau mit mir gemacht hatte, das ich so was einfach raushaute?
 

Doch nun war es Zeit endlich meinen Problemen als Mann zu begegnen. Vor allem alleine. Das ich Mut besaß, musste ich wohl niemandem mehr beweisen. Doch das war ein Thema, in dem ich alles war, nur nicht mutig. Und schon gar nicht, wenn es um eine tickende Zeitbombe namens Mimi ging. Im wahrsten Sinne des Wortes.
 

Wir hatten uns für 18 Uhr am Eingangstor des Sportplatzes verabredet. Meine erste Bürgerpflicht erfüllend schrieb ich den wichtigsten Personen sofort - Matt und selbstverständlich auch Kari. Sora musste ich nicht extra schreiben. Ich war mir sicher das Matt und sie sowieso wieder wie ein Kaugummi zusammenklebten und das süße, perfekte Paar spielten, das sie ja nun mal auch waren. Gott, wie ich die beiden beneidete. Wie sie seit Jahren in ihrer tiefen Liebe zu einander badeten und mich im Schatten ihrer glitzernden, regenbogenfarbenen Polly-Pocket-Insel wohnen ließen. Sprich: die beiden waren sterbensglücklich und ich war der eifersüchtige beste Freund, der wie ein schmollendes Kleinkind ständig auf dem Platz war und gegen den Pfosten schoss. Aber das sollte gar nicht Thema sein. Es ging nämlich mal um mich. Mich ganz allein. Und es hatte mit Liebe zu tun.
 

Meine Mutter wäre zu Tränen gerührt wenn sie wüsste, dass ihr Sohn endlich mal so was Ähnliches wie Herzschmerz hatte. Sie hatte sich ja sowieso schon immer gefragt, ob ich tatsächlich in die Kategorie „männlich, 40, wohnt noch bei Mama“ gehören würde oder doch mal meinen Arsch hochkriegen würde. Nun, heute Abend wäre meine Gelegenheit. Oder eben nicht. Wer wusste es schon.
 

Matt schrieb mir, ich solle bei der Wahrheit bleiben. Die Wahrheit, die er kannte, war die, dass ich mir sicher war, dass ich mir nicht sicher war. Das ich überstürzt Gefühle offenbart hatte, die nicht existierten. Nachdem ich allerdings Mimi auf der Geburtstagsfeier von Matt sah, wie sie mich achtlos in der Ecke sitzen ließ und stattdessen Koushiro anhimmelte, als wäre er eine schicke Handtasche, war ich mir nicht mehr klar darüber, ob ich nicht doch etwas fühlte. Das ich sie vielleicht doch etwas zu sehr mochte. Denn das sie mich ignoriert hatte, tat weh. Sehr weh. Zu weh für jemanden, der eigentlich nichts fühlte. Mimi hatte nicht mal Tschüss gesagt. Das gab mir den Rest.
 

Kari riet mir auf mein Herz zu hören. Mein Herz schrie nach Antworten, die mein Gehirn nicht hatte. Logisches Denken war nie meine Stärke gewesen, und seien wir mal ehrlich, wann hatte das in Sachen Liebe schon mal geholfen? Als hätte ich Ahnung davon.
 

Ich stellte endlich das Wasser ab und vergrub mein Gesicht in meinem schneeweißen Handtuch. Die letzten Tage waren für mich der reinste Horror gewesen. Denn je länger ich mit meinen Gedanken alleine war, desto länger stand ich vor der schier unmöglichen Aufgabe, mich mit diesen Dingern auseinander zu setzten, die Frauen haben. Nein, ich meinte nicht ihre Brüste. Ich redete von Gefühlen. Komplettes Neuland für mich.
 

Während ich mich langsam anzog versuchte ich mich innerlich zu sortieren. Bloß keine Hoffnungen machen, Yagami, dachte ich, achtlos meine Sachen in die Sporttasche schmeißend. Worauf hoffte ich denn? Darauf, dass Mimi mir in die Arme fiel und wir... ja was? Ein Paar wurden? Ich schüttelte den Kopf, ließ mich auf die Bank der Umkleidekabine fallen und seufzte aus tiefster Seele. Das ging nicht. Ich liebte sie nicht und sie mich nicht. Oder?
 

Nein, nichts oder. Schlag es dir aus dem Kopf, Yagami, dachte ich, meine Tasche schulternd. Außerdem wollte ich das doch auch nicht. Sie war Koushiro verfallen, als läge ein Fluch auf ihr. Niemals hätte ich... Was dachte ich denn da nur schon wieder? Noch vor Tagen hatte ich Matt vorgejammert, wie blöd ich mich fühlte, weil ich Mimi meine angeblich nicht vorhandenen Gefühle gestanden hatte. Am Telefon nochmal zur Erinnerung. Im Affekt. Eigentlich.
 

Mein Herz schlug mit jedem Schritt, den ich aus den Umkleidekabinen raus auf das Feld und zum Eingangstor ging, schneller. Lauter. Unerträglich dröhnte es in meinen Ohren. Das sollte mir nicht so viel ausmachen. Wirklich nicht. Ich war nicht verliebt. Und das mir Mimi gleich den Korb des Jahrhunderts geben würde, das würde mir nichts machen. Sollte es nicht. Ich war ein starker Mann, und mit meinem endlosen Witz würde ich das schon überleben. Irgendwann war immer das erste Mal, dass einem das Herz gebrochen wurde. Auch wenn ich mir einredete, keins zu haben. Zumindest keins, das gebrochen werden konnte. Schließlich liebte ich Mimi ja nicht.
 

Draußen war es bewölkt, passend zu meiner Stimmung. Ich trottete meines Weges und wünschte, ich könnte den Trübsal abschütteln und wieder der alte, witzige Tai sein. Der hatte aber anscheinend beschlossen an der Situation nicht teilzunehmen, und sein „Ich bin gleich wieder da“-Schild aufgestellt. Und auf Anrufe reagierte er auch nicht. Mistkerl.
 

In der Ferne, es kam mir vor wie etliche Kilometer, sah ich sie. Mimi. Wer hätte gedacht, dass sie tatsächlich mal pünktlich, ja sogar vor jemanden, am Treffpunkten ankam. Vielleicht war ich ihr ja doch nicht ganz so unwichtig, wie ich dachte. Wie immer war sie top modisch gekleidet, zumindest vermutete ich, dass das gerade der letzte Schrei war. Ich trug was mir passte, sie trug was gerade in war. Und teuer. So sah ihr aufwendig besticktes, dunkelrotes Kleid und die gelbe Jacke dazu nämlich aus. Woher ich wusste, dass das Kleid aussah, wie es aussah? Weil Mimi es schon einmal getragen hatte. Auf Matts Geburtstagsfeier. Dort, wo ich den halben Abend verbracht hatte, sie zu beobachten und zu mustern. Solange bis es mir das Herz zu schnürte und ich den restlichen Abend auf unserem Balkon damit zu brachte zu atmen. Wo mir Sora ab und an über den Rücken gestrichen hatte, weil sie Mitleid hatte. Wie immer, die gute Seele.
 

Als ich hörbar auf den Steinboden vor dem Sportplatz ankam, drehte sie sich um und sah mich lächelnd an. Wieder dieses Lächeln. Angespannt bis in die Haarspitzen holte ich Luft.
 

„Na?“, sagte ich und hoffte schwer, dass ich cool klang. Damit sie wusste, dass mir das hier absolut nichts machte. Ihr Lächeln wurde breiter, und sie legte ihren Kopf schief.
 

„Hey... Schön das es geklappt hat.“
 

„Klar doch.“
 

Mimi sah mich eine Weile an. Der Wind umspielte ihr Haar, was sie immer wieder zurecht zupfte. In ihren Augen konnte ich Euphorie sehen, etwas, dass ich schon lange nicht an ihr mehr gesehen hatte. Generell wirkte sie wieder viel fröhlicher, so viel ausgeglichener. Die Mimi, die wie ein Schatten ihrer Selbst ihrem Ex-Freund hinterher trauerte, schien fort zu sein. Oder sie schauspielerte einfach so gut, dass selbst ich es nicht mehr erkannte. Schwach lächelnd kratzte ich mir an den Kopf und wartete. Sie hatte mich angeschrieben, also müsste sie auch anfangen.
 

„Ich will mich entschuldigen.“, begann sie leicht nervös an dem Saum ihrer Jacke spielend. Ihre Stimme klang ruhig und klar, das komplette Gegenteil zur sonst hitzigen und oft patzigen Art Mimis. Ich entschloss mich meine nicht mehr vorhandene Coolness durch lässiges am Torgatter lehnen zu unterstreichen.
 

„Wofür?“, fragte ich und stellte mich dumm. Das konnte ich am besten. Sie sah von ihren Händen hilfesuchend auf, und hoffte scheinbar, ich würde ihr hier entgegen kommen. Sie unterstützen, so wie ich es bislang ja immer getan hatte. Aber dieses Mal tat ich das, was ich in der Schule schon immer am besten konnte: Nichts. Stattdessen starrte ich sie erwartungsvoll an. Ihre Nervosität stieg offensichtlich.
 

„Für alles. Die Party neulich... Ich habe dich einfach... ausgeblendet. Das war nicht fair und echt unfassbar albern... Wir sind schließlich keine Kinder mehr.“
 

Ich hob die Augenbrauen erstaunt hoch und bemühte mich, nicht spontan loszulachen. Wir waren keine Kinder mehr? Wenn das hier nicht der größte Kindergarten überhaupt war fraß ich ein Besen. Da ich mit meinen Aussagen allerdings vorsichtig sein sollte, behielt ich den Spruch für mich. Ich schnaubte.
 

„Du hast nicht mal Hallo gesagt...“
 

„Ich weiß.“
 

„Und verabschiedet hast du dich auch nicht von mir.“
 

„Ich weiß.“
 

„Nicht mal...“
 

„Ich weiß, Tai!“, zischte sie. Da war sie wieder. Die Zicke. Ein Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen, als ihre anfängliche, glückliche Fassade bröckelte, und ihr wahres, schnippisches Ich wieder zum Vorschein kam. Zähne knirschend beobachtete sie mich und ich hätte schwören können, das sie mich mit ihrem Blick töten wollte. Zu meinem Glück blieb ich am Leben, als sie sich abwandte.
 

„In letzter Zeit mache ich Dinge, auf die ich nicht besonders stolz bin. Es ist als wenn ich komplett durchgedreht bin. Alles steht Kopf. Und ich ziehe dich mit in mein Chaos... Das ist unfair...“ Sie leckte sich über die Lippen und strich sich erneut die Haare aus dem Gesicht. Nun schien sie auf eine Reaktion zu warten.
 

„Das bei dir alle Schrauben locker sind, weiß ich ja...“, scherzte ich, meine Hände in meinen Hosentaschen vergrabend. Erst Sekunden später merkte ich, wie verletzend meine Worte klangen. Aber sollte ich mich ernsthaft schlecht fühlen? Sie hatte mich komplett ignoriert, nicht nur auf der Party. Sie hatte mir auch Tage danach nicht eine Nachricht geschickt, also auch keinen Gedanken an mich verschwendet. Dafür hatte ich fast ununterbrochen an sie gedacht.
 

„Danke. Das macht es mir leichter mich zu erklären. Wirklich.“, entgegnete sie fast emotionslos und verschränkte die Arme abwehrend vor ihrer Brust. Ich winkte ab.
 

„Sorry. Gerade hast du noch selbst gesagt, wir seien keine Kinder mehr, und dann mach ich den kleiner-Junge-Move...“, gab ich zu.
 

„Schon okay... Ich habe es wohl nicht anders verdient.“ Wir tauschten ein schwaches Lächeln aus und die Stimmung zwischen uns lockerte sich allmählich wieder. Dennoch, die einst so enge Freundschaft zwischen Mimi und mir war durch diese Situation, diese vermeidlichen Gefühle, ins Schwanken geraten. Wir standen an der Klippe zum tosenden Meer, und der Teil, auf dem wir standen, war kurz vorm Absturz.
 

„Ich bereue nicht, dass wir miteinander geschlafen haben Tai. Kein Stück. Es war wunderbar und... ich habe mich sehr wohl mit dir gefühlt. Es war wunderschön...“ Fast verträumt sah sie in den grauen Himmel und ließ einige Sekunden verstreichen, ehe sie weitersprach. „Du bist für mich ganz besonders. Ich hab schon länger... von dir geschwärmt, okay? Ich bin ehrlich...“ Sie wurde rot, aber so ganz konnte ich ihren Worten noch keinen Glauben schenken. Wut stieg in mir auf.
 

„Dafür, dass du von mir schwärmst, bist du ganz schon abhängig von Izzy.“, unterbrach ich sie, und versetzte ihr damit wahrscheinlich den Todesstoß. Doch zu meinem Erstaunen lachte sie, rieb sich die Stirn. War sie verrückt geworden?
 

„Ja oder? Wie fanatisch ich ihm nachgerannt bin und ihm nachgeheult habe.“, stellte sie enttäuscht von sich selbst fest. Mimi war wie verwandelt. Noch vor einiger Zeit hatte sie heulend in meinen Armen gelegen, jammernd darüber, dass sie ihren Ex nicht vergessen konnte. Trotzdem immer wieder versprechend, sie würde sich jetzt ändern. Scheinbar hatten die letzten Tagen der Funkstille genau das bewirkt? Fragend zog ich die Augenbrauen zusammen. Vor mir stand Mimi Tachikawa in ihrer alten Frische. Aufgeweckt, fröhlich, voller Energie. Nicht das ich mich nicht freute, dass sie ihren Kummer scheinbar hinter sich lassen konnte. Aber was bedeutete das jetzt für mich? Für uns?
 

„Weißt du noch, als ich dir versprochen habe, dass ich mich ändern werde?“, fragte sie mich, plötzlich mit Tränen in den Augen, das Lächeln noch immer auf den Lippen. Verwundert nickte ich. War Mimi vielleicht schizophren? So schnell wie sie die Gemütszustände wechselte konnte doch irgendetwas mit ihrer Psyche nicht stimmen. In den Wechseljahren konnte sie ja wohl nicht sein, oder? Oder kriegten das 17-jährige auch?
 

„Ich hab mich geändert. Habe losgelassen.“ Sie leckte sich über die Lippen und lachte schwach. „Izzy und ich, dass ist Vergangenheit. Und das habe ich endlich verstanden.“ Die Tränen liefen ihr heiß über die Wangen und es zerriss mir das Herz. Diese Frau schaffte es einfach immer wieder einen um den Finger zu wickeln. Mimi umgab eine unfassbare Magie, die ich scheinbar nicht entkommen konnte. Und ihr innerlich die rote Karte zu geben, schien mich nicht davor zu bewahren.
 

„Mimi...“
 

„Nein, nein. Es ist gut. Wirklich.“, sagte sie grinsend und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Das ist gerade der ultimative Befreiungsschlag. Vor dir die Wahrheit zu sagen, und reinen Tisch zu machen tut gerade so gut. Ich will auch mit dir Frieden schließen. Ich will endlich wieder Mimi sein.“ Sie seufzte aus tiefster Seele. Ein leichtes Lächeln huschte über meine Lippen und ich konnte spüren, dass es ihr wirklich besser ging. Das das hier ihr wirklich gut tat. Alles was ich wollte, war Mimi wieder fröhlich zu sehen. Das lag mir bei all meinen Freunden am Herzen. Doch bei Mimi war es anders. Es war mein größter Wunsch sie wieder Lachen zu sehen. Genau das hatte ich erkannt, als ich mit Kari gesprochen hatte. Ich hätte alles getan, um Mimi aus ihrem Tal der Tränen zu holen. Alles. Und wenn ich mit ihr schlafen musste. Warte mal musste? Nein. Das klang unfassbar falsch.
 

„Ich hatte ein... sehr ausführliches Gespräch mit Koushiro und... wie sich herausstellte hatten wir beide Probleme mit der Beziehung abzuschließen. Die ganze Nacht haben wir... geredet. Und irgendwie löste sich endlich der Knoten in meinem Herzen. Es war als hätte jemand einen Vogel aus dem Käfig gelassen damit er frei sein konnte. Ich war noch nie so erleichtert gewesen. Und er auch.“ Mimi lächelte selig vor sich hin während ich meine ganz eigenen Schlüsse zog. Die Art wie sie redete verriet mehr, als sie wollte. Die beiden hatten Abschiedssex gehabt. Das konnte sogar ich aus ihrem Stottern herauslesen. Aus mir unerklärlichen Gründen fühlte ich mich betrogen. Aber wenn ich mir das anmerken ließ, dann würde sie denken, dass tatsächlich etwas an meinem Liebesgeständnis dran war. Wenn sie das nicht sowieso schon dachte. Vielleicht redete sie deswegen so verblümt und wickelte mich in Watte. Aber das war Mimi. Sie hätte mir doch auch einfach früher in die Eier treten können. Ich schnaubte wütend und erinnerte mich an Sayachi. Über sieben Ecken hatte ich erfahren, dass Izzy und Sayachi nicht mehr zusammen waren. Das zog mich nur noch mehr runter. Freie Bahn um die alte Liebe wieder aufleben zu lassen, was?

Am liebsten wäre ich gegangen. Das hatte ich nicht nötig, dass musste ich mir nicht anhören. Das quälte mich. Es fiel mir schwer neben meiner Wut zu erkennen, dass ich Mimi zumindest nicht uninteressant fand.
 

Gott war ich dumm gewesen zu glauben, dass das hier vielleicht in irgendeiner Form gut ausging. Das Mimi und ich einfach wieder mit einander umgehen konnten, wie Freunde. Aber das wühlte alles in mir auf, machte mich rasend. So viel zu, dass ich nichts fühlte. Genau das hatte ich doch Matt noch Tage zuvor noch gesagt? Was war nur los mit mir?
 

„Koushiro und ich wollen jetzt wieder Freunde werden. So wie früher.“, sage Mimi und riss mich aus den Gedanken. Ich sah sie mit zusammen gekniffenden Augen an. Alles an mir bebte.
 

„So? Das ist ja großartig... Sind wir dann hier fertig?“, zischte ich, meine Tasche neu schulternd. Mich zum gehen aufmachend, packte Mimi mich an Arm und riss mich zu ihr herum. Wütend starrte ich in ihre erschrockenen Augen.
 

„Tai? Bitte geh nicht weg... Lass uns reden, bitte!!“, flehte sie und ich riss mich von ihrem Griff los. Einige Minuten vergingen, in denen wir uns beide anstarrten, aber keiner etwas sagte. Sie begriff, dass ich verstanden hatte, was sie eigentlich gesagt hatte. War wohl doch nicht so dumm, wie immer alle von mir dachten, hm?
 

„Tai... bitte...“, hauchte sie und griff erneut nach meinem Arm, und lehnte sich dagegen. Ich konnte nicht weg. Würde ich mich jetzt lossagen, würde sie fallen. Auch wenn die Schadenfreude in mir großen Spaß daran gehabt hätte. Gott, wie ich den Spaßvogel in mir vermisste.
 

„Was gibt’s denn noch zu sagen?“, grummelte ich. Sie zuckte zusammen, sah auf und hatte einen leichten Hoffnungsschimmer in ihren Augen.
 

„Koushiro ist weg aus meinem Herzen Tai...“, sagte sie leise und es schien als wolle sie mir etwas damit sagen. Ich schnalzte angewidert mit der Zunge.
 

„Ich werde nicht deine Nummer 2, Fräulein. Das kannst du dir in deine Pradatasche stecken. Such dir einen anderen Fickpartner, mit dessen Gefühlen du spielen kannst.“, fluchte ich aus tiefster Seele und schenkte ihr meine volle Verachtung. Jetzt hieß es nur standhaft zu bleiben. Nein, noch einen drauf zu setzten. Matt riet mir doch bei der Wahrheit zu bleiben?
 

„Und wo wir schon bei der Wahrheit sind: Das ich dir gesagt habe, ich würde dich lieben, stimmt nicht... Das habe ich nur gesagt, damit du dich besser fühlst.“ Sie ließ mich mit aufgerissenen Augen los und stand stocksteif da. Jegliche Emotionen waren aus Mimis Gesicht gewichen und so starrte sie mich leeren Blickes einfach nur an. Und ich starrte zurück. Und von Sekunde zu Sekunde fühlte ich, wie mein Mut und Hochmut sich in Schmerz wandelte. Ähnliches schien in Mimi vorzugehen. Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen. Meine auch. Wie männlich. Es tat uns leid. Was wir getan hatten. Was wir gesagt hatten.
 

„Wichser.“
 

„Schlampe.“
 

Und dann lachten wir. Losgelöst und ausgelassen. Warum auch immer, ich konnte es mir nicht erklären. War es der Wahnsinn der sich in uns breit gemacht hatte? Verdenken konnte man es uns nicht, schließlich hatten wir miteinander gevögelt, uns die Liebe gestanden und uns dann nicht mehr beim anderen gemeldet. Mimi hatte mit Izzy geschlafen. Und ich war in meinem Gefühlschaos ertrunken. Es mochte gemein klingen, aber ihr eins reingewürgt zu haben, tat nach ihrem Knüller schon etwas gut. Trotzdem sollte man nicht Feuer mit Feuer bekämpfen. Das brachte mir nichts. Außer einen Moment der schieren Vergeltung. Und seien wir doch ehrlich: Ich war einfach nicht der Typ, der anderen, die Scheiße gebaut hatten, nur eins reindrückte, damit ich mich einen Moment lang besser fühlte. Wie ich mich kannte, bereute ich so was meist Sekunden später eh.
 

Langsam beruhigte ich mich. Auch Mimi wurde wieder ruhiger. Sie hatte etwas an sich, dass mich leider nicht dazu brachte, sie zu hassen. Im Gegenteil. Ich fand immer mehr Gefallen an den Gedanken, dass meine Gefühle vielleicht echt sein könnten. Auch wenn es lächerlich war. Alles war lächerlich. Ich war lächerlich.
 

„Ich glaube wir hatten einen holprigen Start...“, murmelte Mimi schließlich und machte bei dem Wort „Start“ diese bekloppten Gänsefüßchen in der Luft.
 

„Start? Was für einen Start meinst du?“, harkte ich schnell nach und armte ihre Bewegung nach. Gut so, Yagami, dachte ich. Tue einfach so, als seist du der coole Typ, der du nicht warst. Mimi zuckte mit den Schultern.
 

„Ich hab doch keine Ahnung, wie ich das nennen soll. Unser Sex und unser Liebesgeständnis... In einem alternativen Universum könnte man meinen wir wären fast...“
 

„zusammen?“, beendete ich ihren Satz und wir wurden beide rot. Zumindest vermutete ich, dass ich es auch wurde, weil mir Hitze in den Kopf stieg.
 

„Ja...“ Wir lächelten beide unsicher und ich kratze mich mehrfach am Kopf. Damit war nur noch nicht geklärt, wo wir jetzt standen. Noch immer bebte Mimis Geständnis schwer in meiner Magengegend und das würde ich so schnell nicht vergessen. Ich konnte sehr nachtragend sein. Wir mussten einen Weg finden, wie wir mit einander umgehen würden nach all dem Quatsch.
 

„Liebst du mich denn, Mimi?“, fragte ich aus heiterem Himmel, auf meine bissige Aussage anspielend. Ich musste es einfach wissen. Auch wenn ich die Antwort schon kannte. Allein ihre Körperhaltung verriet mir, dass es ihr nicht einfach viel, mir in die Augen zu sehen um mir ehrlich zu antworten. Sie wollte mich scheinbar nicht noch weiter verletzten.
 

„Schon okay Mimi.“
 

„Ich kann es dir nicht sagen. Ich... weiß es nicht.“, sagte sie und hatte die gesamte Situation perfekt in einen Satz zusammengefasst. Ich wusste es nämlich genauso wenig. Was hatten wir nur angerichtet? Miteinander schlafen und sich dann sagen, man liebe sich. Unfassbar. Und nun standen wir hier und wussten nicht so recht, wie wir mit den Aussagen und Taten von Vergangenheits-Mimi und Vergangenheits-Tai umgehen sollten. Es war als trieben wir in einem Boot auf dem offenen Meer ohne Rettung in Sicht. Ein Meer aus Fragen. Und niemand der eine Antwort wusste. Einen Ausweg.
 

„Was sind wir Tai?“, fragte mich Mimi. Es begann langsam vor sich hin zu nieseln. Mimi hielt ihre Handtasche schützend über ihre Haare, doch ich hatte eine bessere Idee. Ich streifte meine Jacke ab und legte sie uns beiden auf den Kopf. Sie lächelte.
 

„Wir sind bescheuert.“, sagte ich und küsste sie sanft auf die Wange. Ein Test meinerseits, um zu schauen, ob ich etwas fühlte, oder nicht. Ob ich es wirklich nur tat, um sie aufzumuntern. Vielleicht war ich auch einfach nur ein bisschen verschossen?
 

Was aus uns wurde, wusste niemand. Nicht mal der Regen der auf uns niedertropfte und all die Anspannung von uns beiden in die nächsten Gulli spülte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  dattelpalme11
2015-10-26T09:43:06+00:00 26.10.2015 10:43
Ich bin beim letzten Kapitel angekommen! Jetzt heißt es wieder warten :/
Okay, der Titel trifft diesmal sogar auf mich zu...denn ich bin immer noch verwirrt xD
Tai scheint sich irgendwie seine Gefühle schon so ein bisschen ausreden zu wollen, was ich allerdings verstehen kann. Ist so eine Art Schutzmechanismus. Er ist ja nicht blöd und hat ja mitbekommen, dass Mimi wohl immer noch auf Izzy steht xD
Ich glaube in diesem Fall, würde ich mir auch eher einreden, dass ich in die Person nicht verliebt bin, weil es einfach verdammt wehtut, nicht gewollt zu werden.
Mimi verstehe ich an dieser Stelle allerdings überhaupt nicht xD Sie meinte ja letztens noch, dass Izzy noch immer in ihrem Herzen wohnt und jetzt soll er auf einmal weg sein? Ist irgendwie alles sehr seltsam xD
Aber gut, Mimi kommt ja danach xD Mal gucken, ob ich danach schlauer bin o.O
Im Moment scheint es zwischen den beiden echt kompliziert zu sein, oder besser zwischen den drei :O

Ich bin gespannt, was noch so kommen wird. Habe ja bereits gesehen, dass du die Fanfic von 80% auf 60% zurückgestellt hast :O
Es bleibt also spannend ;)

Liebe Grüße :)
Antwort von:  MissBloodyEnd
26.10.2015 14:36
Mensch ich erschreck mich immer fast, wenn ich so viele Kommentare auf einmal bekomme xD...

Das soll natürlich nicht heißen, dass du aufhören sollst zu kommentieren >:D!! Ich danke dir wie immer herzlichst!!

Ich bin mittlerweile von meiner eigenen Geschichte verwirrt xDD!!

Das der Status auf 60% gerutscht ist, hat so seine Gründe :DD. Hab noch ein paar Sachen mit den anderen vor >:)... Hoffe ich setzte die auch um xD...

Liebe Grüße und danke! :) ♥
Von:  _pandakitten_
2015-10-26T07:51:57+00:00 26.10.2015 08:51
glitzernde, regenbogenfarbene Polly-Pocket-Insel!!!!
Antwort von:  MissBloodyEnd
26.10.2015 09:32
jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!


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