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Licht und Finsternis

von

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Das Vorspiel

Kapitel 1: Das Vorspiel
 

„Das Beste daran ist, das Vorspiel in die Länge zu ziehen. Dann macht es hinterher viel mehr Spaß“, meinte Seth.

„Ich bevorzuge die schnelle Nummer. Das andere ist viel zu kindisch“, sagte sein Gegenüber und setzte dabei ein gefährliches Lächeln auf. Er hatte eine Narbe, die über seinem rechten Auge verlief. Seine Haare waren schwarz und lang, zusammengebunden zu einem Zopf.

„Du weißt nicht, was gut ist, Kryl. Erst wenn du die Frauen so richtig in Fahrt bringst, kannst du nachher von einem hervorragenden Abend sprechen. Ohne das alles ist es doch eher lieblos und genießen kannst du es ja dann wohl auch nicht, oder willst du mir das etwa einreden?“ Seth verschränkte die Hände hinter seinem Kopf, lehnte sich auf dem Sessel zurück und warf Kryl einen fragenden Blick zu.

„Ich würde sagen, jeder hat seine eigene Art und Weise. Das Endprodukt ist sowieso immer dasselbe. Aber, was du wirklich mal ausprobieren solltest, sind Männer. Das wäre ein völlig neues Erlebnis für dich. Ständig nur Frauen, wird das nicht etwas langweilig?“

„Nein, überhaupt nicht. Außerdem würde mein Vorspiel bei Männern nicht den gewünschten Effekt erzielen. Glaub mir, ich habe es schon einmal ausprobiert. Und Männer sagen mir auch nicht so zu, das ist einfach nicht mein Geschmack.“ Seth verzog angewidert das Gesicht.

„Jedem das Seine. Aber man sieht ja eindeutig, wer der Stärkere von uns beiden ist. Dieses ganze Mädchenblut scheint wohl nicht sehr nährreich zu sein.“ Kryl erhob sich von der Couch und baute sich vor Seth auf. Seine Arme bestanden fast nur aus Muskeln, genau wie sein restlicher Körper. Dazu schien er fast zwei Meter groß. Seth dagegen sah daneben klein und schlaksig aus. Bei dem Anblick seines Freundes konnte Seth sich jedoch ein Grinsen nicht verkneifen. „Weißt du, Kumpel, dass du aussiehst, wie eine von diesen griechischen Statuen? Groß, muskulös und natürlich total blass. Man sollte dich im Museum ausstellen.“ Bevor Kryl ihn mit seinen großen Händen schnappen konnte, war Seth mit einem eleganten Sprung über die Sessellehne aus Kryls Reichweite entschwunden. Mit einem weiteren Sprung stand er schon hinter Victoria, die gerade das Zimmer betreten hatte. Diese Frau konnte man nie übersehen, denn mit ihrem knallroten engen Kleid fiel sie überall auf.

Sie hatte die Arme verschränkt und sah ziemlich genervt aus. „Ihr solltet mit euren Spielereien aufhören, sonst können wir das Wohnzimmer, genau wie die Küche letzten Monat, mal wieder renovieren.“

„Aber wir sind doch völlig harmlos, Süße“, flüsterte Seth ihr ins Ohr. Dabei strich er ihre kurzen roten Haare aus dem Weg.

Blitzschnell packte Victoria sein Handgelenk, um seine Hand wegzudrücken. Sie bedachte ihn mit einem finsteren Blick aus ihren ebenfalls roten Augen. „Nimm deine dreckigen Finger von meinen Haaren, Seth.“ Eine Sekunde später hatte sie sich wieder unter Kontrolle, entfernte sich ein Schritt von Seth und meinte: „Und harmlos nenne ich etwas Anderes, wenn Kryl wie ein wildgewordener Gorilla hinter dir herrennt und dabei alles und jeden, das ihm im Weg steht, einfach umnietet.“

„Hey“, rief Kryl empört. „Ich niete nicht jeden im Haus um, Red. Nur die, die nicht schnell genug weg sind. Außerdem hat der Meister unsere Spielereien nicht verboten. Er findet sie amüsant, hat er mir gesagt.“

„Ja, ich weiß“, seufzte Victoria resigniert. „Aber ich stehe direkt unter dem Meister, also hast du mir genauso zu gehorchen wie ihm.“

„Das glaubst auch nur du, Schätzchen. Vergiss nicht, dass du nicht der einzige Liebling des Meisters bist“, verkündete Seth mit einem frechen Grinsen auf dem Gesicht.

Victoria zuckte kurz zusammen und ein leises Zischen war zu hören. „Nur weil er dich mag, heißt das noch lange nicht, dass du hier irgendetwas zu sagen hast. Ich bin immerhin-“ Eine Bewegung ließ Victoria inne halten. Ein Falke kam aus dem Flur ins Zimmer geflogen. Er drehte eine Runde über ihren Köpfen, flog noch einmal um die Lampe herum und landete schließlich auf der Sofalehne. Kaum dass er festen Halt unter seinen Krallen hatte, streckte er seinen linken Flügel aus und fing an, mit seinen Schnabel jede einzelne seiner Federn zu putzen.

„Horus?“, fragten alle Drei gleichzeitig und schauten den Falken verwirrt an. Auf seinen Namen hin krächzte Horus einmal laut auf.

„Sollte Rak’shir nicht erst in einem Jahr oder so zurück sein?“ Seth schaute Victoria an.

„Eigentlich schon“, meinte sie. „Das ist wirklich merkwürdig. Sonst kommt er nie früher wieder als angekündigt. Es muss irgendetwas passiert sein.“ Victoria blickte auf die gegenüberliegende Wand und schien eher mit sich selbst zu reden als mit den Anderen. Tief in Gedanken versunken verharrte sie einige Sekunden so. Dann war sie plötzlich wieder ganz klar, drehte um und verließ den Raum. Im Hinausgehen sagte sie noch: „Ich werde mich mal erkundigen, was los ist – ihr bleibt hier, verstanden?“

Seth und Kryl starrten auf die Stelle, wo Victoria noch kurz zuvor gestanden hatte. „Jetzt ist sie weg“, stellte Kryl sachlich fest. Daraufhin stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen. „Dann können wir ja da weitermachen, wo wir eben gestört wurden.“ Ohne eine weitere Vorwarnung schoss Kryl nach vorne, die Arme ausgestreckt, um Seth zu packen. Seth war jedoch um einiges schneller als Kryl, der sich mehr auf seine Muskelmasse verließ. So entschwand Seth geschickt Kryls Attacke und war keine Sekunde später schon auf der Flucht quer durch das Haus. Kryl ließ sich das nicht gefallen und spurtete hinterher. Dabei ignorierte er alles, was ihm auf dem Weg in die Quere kam.
 

Victoria eilte den langen Flur entlang zum Zimmer des Meisters. Nicht einmal ein paar Sekunden nach ihrem Verlassen aus dem Zimmer hörte sie es schon wieder Klirren und Scheppern. Victoria konnte über diese beiden Kindsköpfe nur die Augen verdrehen. Sie dachten nicht einmal einen Moment nach, was das frühe Erscheinen von Rak’shir bedeuten könnte.

Rak’shir war kurz nach Victoria zu dem damals noch sehr kleinen Clan gestoßen. Somit war er einer der ältesten Mitglieder. Jedoch hielt er sich nicht oft bei ihnen auf. Rak’shir verbrachte sein unsterbliches Leben damit, häufig auf Reisen zu sein. Dabei bevorzugte er das Alleinsein, wenn man seinen Freund Horus nicht dazuzählte. Victoria fragte sich häufig, was er eigentlich so auf seinen langen Reisen tat. Denn meistens war er ein paar Jahre unterwegs. Für einen Vampir mochte das vielleicht keine zu lange Zeitspanne sein, doch stellte Victoria sich das ziemlich einsam und auch langweilig vor. Wenn Rak’shir dann mal zu Hause war, verbrachte er die meiste Zeit in der Bibliothek, die er eigenhändig angelegt hatte. Victoria hatte ihm aus reinem Interesse einfach mal einen Tag lang zugesehen und wäre dabei fast eingeschlafen, was für einen Vampir schon eine Höchstleistung war. Victoria schlief vielleicht zwei oder drei Stunden im Monat.

Mit immer eiligeren Schritten bewegte sie sich vorwärts. Wenn Rak’shir zu früh kam, musste irgendetwas passiert sein. Bisher war es nur einmal passiert und da war in Griechenland schon fast der Notstand ausgebrochen. Victoria fragte sich, was wohl passiert sein konnte. So schlimm wie damals war es hoffentlich nicht. Selbst für einen alten Vampir waren das Bilder des Grauens gewesen. Victoria hatte sie nie wieder aus ihren Kopf löschen können. Seth und Kryl konnten davon nichts wissen. Sie waren damals noch nicht im Clan gewesen. Kryl war mittlerweile etwa 300 Jahre dabei, obwohl er schon um einiges älter war. Und Seth war erst seit kurzem dabei. Vielleicht etwa 30 Jahre. Victoria hatte ihn immer noch nicht akzeptiert. Er wurde sogar mit jedem Jahr ein wenig frecher, so kam es ihr immerhin vor. Deshalb waren die Beiden wohl auch so unbesorgt. Sie verbanden mit dem frühen Erscheinen von Rak’shir nichts. Sie fanden es höchstwahrscheinlich nur ein wenig merkwürdig, weiter nichts.

Endlich war Victoria angekommen. Es hatte zwar nur einige Sekunden gedauert und doch war es Victoria wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen. Sie befand sich im Vorraum, wo man sich normalerweise beim Meister anmeldete, doch sie hatte das nicht nötig, zumindest nicht in einer solchen Situation. Sie steuerte auf die große, aus Holz bestehende, Tür zu. Einen Moment bevor sie den Metallgriff greifen konnte, stellte sich ein Vampir dazwischen. Er diente hier als Wache, Victoria hatte nicht den leisesten Schimmer, wie er hieß.

„Geh mir aus dem Weg“, befahl sie.

Der Vampir bewegte sich nicht von der Stelle. „Es tut mir leid, aber der Meister hat ausdrücklich befohlen, dass ihn zurzeit keiner stören soll.“

„Was soll das heißen? Du weißt doch wohl, wer ich bin, oder?“ Sie sah ihn mit einem vernichtenden Blick an.

Victoria kam es so vor, als ob er ein paar Zentimeter kleiner wurde, was ihr ein äußerst befriedigendes Gefühl von Genugtuung bescherte. Mit neuer Zuversicht wollte sie nach der Klinke greifen, doch der Vampir ging ihr immer noch nicht aus dem Weg. Ein leises Zischen drang aus ihrer Kehle. „Was soll das?“, fragte sie, mit jedem Wort den aufkommenden Zorn in ihr mehr unterdrückend.

„Es tut mir leid, aber der Meister hat gesagt, es darf niemand, wirklich niemand, diesen Raum betreten.“

Damit ließ sich Victoria nicht so leicht abspeisen. Wenn sie wollte, könnte sie diesen mickrigen Vampir in einer Sekunde außer Gefecht setzten. Schon alleine wegen der Frechheit, sie mit den anderen Vampiren unter einen Hut zu stecken, hätte er es ohne weiteres verdient.

Der Vampir merkte, dass Victoria sich wohl nicht mehr lange beherrschen konnte und spielte seinen letzten Trumpf aus. Er streckte seinen Arm aus und zeigte auf die gegenüberliegende Wand. „Sie durften auch nicht dabei sein.“

Direkt danach erklang ein hohes kurzes Kichern. Victoria zuckte zusammen und drehte sich langsam um. Dort saßen zwei kleine Mädchen, vielleicht elf oder zwölf Jahre alt. Die Zwillinge lächelten Victoria zu. „Hallo Victoria“, begrüßten sie sie synchron.

Die Zwillinge Nekra und Loima waren die persönlichen Berater des Meisters. Sie saßen immer rechts und links neben ihm und sie waren nie – wirklich nie – bei einer Besprechung aus dem Raum geschickt worden, zumindest nicht, soweit Victoria wusste. Dabei machte es obendrein nicht viel Sinn, denn sie wussten wahrscheinlich so oder so, was in diesem Raum vor sich ging.

Victoria überwand ihre Abscheu und trat einen Schritt auf die Zwillinge zu. „Was geht darin vor sich?“, wollte sie erfahren.

„Wir sitzen hier draußen“, erklärte Nekra sachlich.

„Woher sollen wir also wissen, was da drin passiert?“, fragte Loima unschuldig und legte dabei den Kopf etwas schief.

„Sagt es mir. Sofort!“, schrie sie. Victoria war kurz davor, jemanden den Kopf abzureißen.

„Der Meister würde uns bestimmt tadeln, wenn wir dir geheime Informationen zukommen ließen.“

Das gibt es ja wohl nicht, dachte Victoria. Erst Seth und Kryl und nun auch noch die Zwillinge. Keiner erkennt mich hier in diesem Haus als das an, was ich bin, dachte Victoria.

„Doch natürlich. Nämlich die Vampire, die Angst vor dir haben“, antwortete Nekra auf ihre Gedanken hin.

„So wie der da.“ Loima streckte den Arm aus und zeigte auf die Wache. Dieser zuckte kurz zusammen und man sah ihm deutlich an, dass er panisch wurde. „Es ist nur die Frage, vor wem er mehr Angst hat: Vor dir oder vor deinem Daddy?“

Von Victoria war nun nur noch ein tiefes Knurren zu hören, das immer lauter wurde. Sie kochte innerlich vor Wut und musste sich an irgendjemanden abreagieren. Ihr Blick fiel auf die Zwillinge, die sie immer noch so unverschämt angrinsten. Doch selbst in diesem Zustand wäre Victoria noch lange nicht verrückt genug, um sich an den Zwillingen zu vergreifen. Sie drehte sich um und ging auf die Wache zu. Dieser verteidigte immer noch den Eingang, auch wenn er nun leicht zitterte.

„Aus dem Weg“, knurrte Victoria. Die Wache bewegte sich kein Stück. Das störte Victoria jedoch jetzt nicht mehr. Mit einer Bewegung ihres Arms warf sie ihn ohne Mühe zur Seite. Anschließend stieß sie die schwere Holztür auf, sodass sie in viele kleine Splitter zersprang.

„Victoria?“ Der Mann, der vor ihr im Sessel saß, sah sie überrascht an. Durch seine langen weißen Haare und ein paar Falten im Gesicht sah er schon älter aus. Doch seine Stimme war die eines jungen Mannes, außerdem war sie angenehm sanft und ruhig. „Was machst du denn hier, mein Liebes?“ Es klang keinerlei Vorwurf in der Frage mit. Vielmehr hörte es sich so an, als ob er wirkliches Interesse an der Antwort hatte. Er erwähnte nicht einmal die nun vollständig zerstörte Tür.

Victoria schämte sich plötzlich, als sie ihren Meister vor sich sah, der ihr so liebevoll entgegen kam, dass sie ausgerastet war, dass sie nicht mehr wusste, was sie sagen sollte. „Ich ... es tut mir leid, dass ich gestört habe.“ Sie drehte sich um und wollte schon wieder den Raum verlassen.

„Nein, es ist nicht schlimm. Wir sind gerade fertig geworden.“

Erst jetzt bemerkte Victoria Rak‘shir, der nur ein paar Schritte neben ihr stand. Als sie ihn anschaute, sagte er: „Sei gegrüßt, Victoria. Es ist schön, dich mal wieder zu sehen.“

„Ebenfalls Rak‘shir. Es ist schon viel zu lange her“, antwortete sie höflich. Wieder einmal, so wie jedesmal, war Victoria überwältigt von Rak‘shirs äußeren Erscheinungsbild. Selbst für einen Vampir war er außerordentlich schön.

In dem Moment kamen die Zwillinge an Victoria vorbeigeschlichen. Sie bewegten sich so elegant, dass es schon fast so aussah, als ob sie schwebten. Sie ließen sich links und rechts vom Meister auf den Boden nieder. „Wir haben die Wache schon losgeschickt.“

„Das ist gut. Seth und Kryl müssen das auch unbedingt hören. Außerdem sollten wir keine Zeit verlieren.“ Er streichelte den Zwillingen über den Kopf, die sich daraufhin an seine Beine schmiegten.

Victoria versuchte dieses Bild so gut es ging, zu ignorieren. Gleichzeitig musste sie noch die drängende Frage, was eigentlich los war, unterdrücken. Der Meister hätte sie nur gebeten zu warten. So stand sie ungeduldig in der Ecke, mit einer Hand fest das Kreuz haltend, was an ihrem Hals hing.
 

Seth lief mit einer solchen Geschwindigkeit durch die Flure, dass ihn ein Mensch wohl nur als Luftzug wahrgenommen hätte. Kryl hingegen hätte man eher an den Lärm bemerkt, den er verursachte. Denn er achtete weder auf Kommoden und Lampen noch auf andere Vampire. Immerhin trug er keine Verletzungen davon. Er war hart wie ein Fels.

Diese Verfolgungsjadgend durchs Haus konnten ziemlich lange dauern. Sie hörten eigentlich nur auf, wenn sie jemand störte oder wenn einer von beiden keine Lust mehr hatte und dem Gegner dann freiwilligen den Punkt für diese Runde überließ. Demnach zog sich dieses Spiel meist über einen großen Zeitraum hinweg, sehr zum Leidwesen der anderen Clan-Mitglieder. Der Rekord lag bisher bei drei Tagen.

Nun waren die beiden Vampire gerade mal eine paar Minuten bei der Sache – also noch lange keine Anzeichen von Müdigkeit – als Seht plötzlich stehen blieb, sich umdrehte und Kryl abfing, der natürlich nicht darauf geachtet hatte, dass Seth sich nicht mehr bewegte.

„Hast du das gehört, Kryl?“ Seth horchte in die Ferne.

Kryl schüttelte den Kopf. „Nein. Was denn?“

„Du kannst wirklich nur eine Sache machen, oder? Laufen und gleichzeitig auf die Umgebung zu achten ist für dich wohl ein Ding der Unmöglichkeit.“ Seht grinste kurz, das Kryl auf die Anspielung nicht reagierte. „Naja, ist auch egal. Ich habe gewonnen.“

„Was? Du bist mir doch gerade freiwillig in die Arme gelaufen.“

„Nein, das meine ich doch nicht. Von mir aus kannst du den Punkt haben. Ich bekomme ja jetzt drei.“ Seth grinste übers ganze Gesicht.

„Was? Sag bloß-“

„Genau. Vor gerade mal einer Minute. Du hättest es auch hören können, wenn du besser aufpassen würdest.“

Kryl verschränkte die Arme. „Das will ich bezeugt haben.“

„Kein Problem“, meinte Seth. „Wie es aussieht kommt da auch schon ein Zeuge.“

In dem Moment kam ein Vampir um die Ecke, der ziemlich zerzaust aussah. Kryl sprang sofort auf ihn zu. „Ist Red ausgetickt?“, fiel er über ihn her.

„Was?“, fragte der Vampir ziemlich verwirrt und verängstigt.

„Victoria? Hat sie die Beherrschung verloren?“, übersetzte Seth mit ruhiger Stimme, um den armen mitgenommenen Vampir nicht noch mehr zu erschrecken.

„Ach so.“ Man sah deutlich, wie sein Gehirn begann, zu verstehen. „Ja und wie.“ Zur Bestätigung klopfte er sein Hemd ab, um den noch verbliebenen Staub zu entfernen.

„Ha, ich hatte Recht“, platzte es aus Seth heraus. Kryl zog eine beleidigte Miene.

„Gut. Die drei Punkte gehen dieses Mal an dich. Aber freu dich nicht zu früh. Nächste Runde gewinne ich wieder, du halbe Portion.“

„Das glaubst auch nur du.“ Seth offenbarte als Drohung seine scharfen Eckzähne.

„Ähm, entschuldigen Sie“, versuchte sich die Wache bemerkbar zu machen.

Seth drehte sich verwundert zu ihm um. „Du bist ja immer noch hier. Du kannst wieder gehen. Vielen Dank für deine Hilfe.“ Seth klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter.

„Ich bitte um Verzeihung, aber die Zwillinge schicken mich. Der Meister möchte sie beide sofort sprechen.“

„Der Meister will uns sprechen?“, fragte Kryl, worauf die Wache heftig nickte.

„Was will der alte Knacker denn jetzt schon wieder von uns?“, wollte Seth wissen.
 

Seth und Kryl kamen mit einem Lärm herein, der sogar schlafende Hunde geweckt hätte, dabei hatten sie nicht mal eine Tür, die sie hatten auftreten können.

„Hey, der Vogeljunge ist auch mal wieder da“, meinte Kryl.

Rak’shir nickte den beiden zu. „Seth. Kryl.“

„Ja, wir freuen uns auch“, sagte Seth. „Und was verschafft uns die Ehre dieses gemeinsamen Kaffeekränzchens?“

Nun wurde auch Victoria hellhörig. Sie war schon sehr gespannt, was der Meister zu berichten hatte. Vielmehr platzte sie schon fast vor Ungeduld. Sie betete inständig, dass es nichts allzu Schlimmes war. Aber wenn der Meister die wichtigsten Mitglieder des Clans zusammenrief, konnte das nichts Gutes bedeuten.

„Also, wie ihr alle sehen könnt, ist Rak’shir schon etwas früher von seiner Reise zurückgekehrt. Leider mit sehr beunruhigenden Informationen. Wie es scheint wurde unser befreundeter Clan in Ägypten vollständig ausgelöscht.“

Rak’shir blickte traurig zu Boden und der Meister sah sehr besorgt aus. Victoria hatte ihn schon lange nicht mehr so voller Sorge gesehen. Da musste noch mehr dahinter stecken als dieses Massaker.

„Vielleicht war es ja ein großer Trupp Dämonenjäger“, schlug Seth unwissentlich vor, der die Ägypter bis jetzt nicht kennen gelernt hatte.

„Die müssen aber verdammt gut gewesen sein. Der Clan war doch nur wesentlich kleiner als unserer“, gab Kryl zu Bedenken.

„Ja, das stimmt, Kryl“, sagte der Meister. „Rak’shir hat auch keine Anzeichen eines Kampfes entdeckt. Und dennoch glauben wir, dass es die Dämonjäger waren. Es gibt da nämlich etwas, was wir euch bisher verschwiegen haben.“ Er tauschte einen wissenden Blick mit Rak’shir. Dieser nickte.

„Auf meinen vielen Reisen habe ich schon einiges gesehen und erlebt“, fing er an und schaute dabei verloren in die Ferne. „Vor etlichen Jahren habe ich tief in einer Höhle von Nigeria eine Schriftrolle entdeckt, die eine Prophezeiung enthielt. Sie besagt, dass eines Tages eine Waffe auftauchen wird, die in der Lage ist, Vampire zu töten. Außerdem stand dort, falls diese Waffe in die Hände unserer Feinde geraten sollte, dass das Ende unserer Gattung bedeuten könnte.“ Er schloss seinen Vortrag, ohne auf die entsetzten Gesichter seiner Kollegen zu achten.

Es war mehr als deutlich, dass alle Drei mehr wissen wollten. Victoria hatte zu viel Respekt, um dazwischen zu reden, bevor der Meister sie nicht um ihre Meinung gebeten hatte. Kryl und Seth war das jedoch ziemlich gleichgültig.

„Was soll das jetzt genau heißen?“, fragte Seth

Zur gleichen Zeit meinte Kryl: „Wir werden natürlich kämpfen.“ Kampfeslustig streckte er seine Faust aus und zeigte zusätzlich seine spitzen Zähne.

Der Meister präsentierte ein kleines Lächeln. „So sehe ich das gerne. Ich würde euch nämlich gerne losschicken, damit ihr rausfinden könnt, wer dahinter steckt.“

„Natürlich. Endlich mal wieder hier raus“, riefen Seth und Kryl gleichzeitig.

Nun erlaubte sich auch Victoria, sich einmal einzumischen. „Meister, wie gedenkt ihr, dass wir vorgehen sollen? Immerhin könnte der Täter nun überall sein.“

„Wir wissen, wo die Waffe ist“, kam es synchron von den Zwillingen. „Sie ist auf den Weg nach Prag.“

„Dann kann es ja sofort losgehen. Wenn die Teufelskinder das sagen, muss es einfach stimmen“, verkündete Kryl und grinste dabei über das ganze Gesicht. Die Vorfreude, endlich mal wieder aus dem Haus zu kommen, überschattete die Tatsache, dass es sich um eine gefährliche Angelegenheit handelte.

„Ich hatte eigentlich vor, dass ihr drei“, er schaute nacheinander von Victoria zu Seth und anschließend zu Kryl, „euch heute Abend noch auf den Weg macht. Rak’shir wird euch begleiten und die Mission auch anführen.“

Victoria war wie erstarrt. Hatte sie das gerade richtig verstanden? Bisher hatte sie immer die Leitung inne gehabt. Zwar hatten die Anderen selten auf sie gehört, doch sie hatte die Gewissheit, dass der Meister sie für geeignet hielt. Und nun erhielt Rak’shir diese vertrauensvolle Aufgabe. Bislang war sie noch nie mit ihm gereist. Er war bei den wichtigsten Missionen immer unterwegs gewesen. Victoria hielt in zwar durchaus für fähig, doch sie war immerhin länger in diesen Clan als er. Sie hatte das Vorrecht auf die Rolle der Anführerin. Das würde sie jedoch jetzt nicht vor den anderen mit ihren Vater ausdiskutieren. Sie würde später wieder kommen. Stattdessen lag ihr noch eine andere Frage auf der Zunge. Sie wandte sich an die Zwillinge. „Wenn ihr schon so genau wisst, wo sich die Waffe befindet, könnt ihr uns doch auch bestimmt sagen, wer hinter dieser grauenvollen Attacke steckt, oder?“ Victoria hatte ein triumphierendes Lächeln auf den Lippen, denn sie wusste, dass die Zwillinge schon längst etwas gesagt hätten, wenn sie irgendetwas gesehen hätten.

Nekra schüttelte den Kopf. „Es tut uns leid, aber wir können nichts sehen.“ Dabei schaute sie den Meister entschuldigend an.

„Wir sehen nur ein merkwürdiges Licht. Mehr ist dort nicht.“ Loima wirkte mit ihren leeren Blick wie an einen anderen Ort, wo sie vermutlich auch war.

Der Meister legte seine Hände auf ihre Köpfe. Er streichelte sanft über ihr Haar. „Das ist nicht schlimm, meine Kleinen. Ihr habt uns wirklich hervorragend geholfen.“

Victoria konnte diesen Anblick nicht länger ertragen und drehte sich, vor Wut kochend, um. „Ich gehe packen“, raunte sie und war dann durch den türlosen Rahmen verschwunden.

Seth hatte ein breites Grinsen auf dem Gesicht. „Weiber“, sagte er nur.

Kryl legte seine Hand auf seine Schulter und sah ihm tief in die Augen. „Wie wär’s mit einem letzten Spielchen, bevor wir losmüssen? Der Verlierer darf ihren Koffer tragen.“

„Abgemacht!“, meinte Seth und war auch schon mit einer blitzschnellen Bewegung aus dem Zimmer verschwunden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Nochnoi
2009-06-03T10:10:03+00:00 03.06.2009 12:10
Meiner Meinung nach ein wunderschöner Einstieg ;)

Allein schon das Gespräch am Anfang, das man so wunderbar missverstehen kann XDD Erst reden die beiden vom Vorspiel und dann auch noch, dass man Männer anstatt Frauen einbeziehen sollte o.ô Tja, Kryl, auch wenn es nur ums Bluttrinken geht, ein bisschen schwul kam das schon rüber XDD

Mir gefallen besonders die Charaktere, die ihr geschaffen habt. Seth ist dreist und sorglos und Kryl ungestüm und nicht gerade helle - und zusammen geben die beiden wirklich ein entzückendes Paar ab XD Ich kann mir förmlich vorstellen, wie die beiden tagelang durch Haus poltern. Und besonders lustig ist es auch, dass Kryl dauernd irgendwelche Spitznamen benutzt XD
Victoria scheint mir aber auch ziemlich cool zu sein. Und offenbar hat sie trotz ihrer Reizbarkeit genügend Selbstbehrrschung, um die beiden eben erwähnten Krachmacher nicht einfach umzubringen ;) Alle Achtung! Ich würde sicherlich völlig ausrasten, wenn jemand drei Tage das Haus auf den Kopf stellen würde.
Die Zwillinge sind auch verdammt genial! Allein ihre ersten Sätze waren toll. Tja, das sind wohl so richtige Zwillinge, mit nem Schuss übernatürlicher Kräfte ;p Schade, dass sie auf die Reise nicht mitkommen, das wäre bestimmt sehr lustig geworden XD Aber okay, sind ja noch Kinder. Dann kann ich verstehen, dass der Meister sie nicht auf solch eine gefährliche Mission schicken will. Zumal wär's ihm sicher sterbenslangweilig, wenn die beiden nicht mehr da wären ;)

So, jetzt bin ich aber wirklich mal gespannt, was nun eigentlich vorgeht. Waren es wirklich Vampirjäger, die den Clan in Ägypten ausgelöscht haben? Und was ist das bloß für eine Waffe?

Ich freu mich schon auf die Antworten ^^

Hab euch lieb
Nochnoi


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