Chap6
Seufzend lasse ich meinen Kopf im Nacken hin und her kreisen.
Krampfhaft versuche ich mir die letzte Nacht zu erklären.
//Es war der Alkohol…er hat mich bestimmt verwechselt….//
Anders kann ich mir da keinen Reim draus machen. Ein Klopfen reißt mich aus meinen Gedanken.
„Tooru….wie lange willst du noch duschen? Ich muss aufs Klo!“
Kaoru hat schon das dritte Mal geklopft. Als er heute Morgen wach geworden ist, war als ob nichts gewesen wäre.
Er war gemein und abweisend wie immer, aber ich habe mir das ganz bestimmt nicht eingebildet. Mein Hintern ist mein Zeuge.
Tropfend verlasse ich die Dusche, nachdem ich das Wasser abgestellt habe.
Ich schnappe mir ein Handtuch und wickel es mir um die schmal Hüfte, schließe die Badtür auf. Sogleich kommt auch der Schwarzhaarige reingestürmt, schiebt mich ungeduldig raus und sperrt die Tür hinter mir ab.
Nass stehe ich nun da und starre die Tür an.
Ich bin so verwirrt. Ganz in Gedanken trockne ich mich ab, ziehe mich an und begebe mich zum Frühstück.
Kaoru und seine Leute sitzen an einem Tisch. Die sitzt auch dabei. Ich sitze allein.
Immer wieder schaue ich zu Kaoru rüber, runzel nachdenklich die Stirn und seufze leise vor mich hin.
//Ich sollte ihn mal drauf ansprechen…//
Nach dem Frühstück warte ich, bis er in unser Zimmer kommt, aber er kommt nicht allein.
Einer seiner Freunde ist in seinem Schlepptau. Sie albern rum und reißen Witze.
Ich fasse Mut und traue mich.
„K…Kaoru….“, fange ich leise an.
Er sieht mich übermäßig böse an. Ich soll wohl nichts falsches sagen in Anwesenheit von dem Typen.
Er hebt fragend eine Augenbraue.
„Könnte…ich dich vielleicht mal…unter vier Augen sprechen?“, frage ich leise und sehe ihn an.
Er grinst nur blöd. „Nein…“, meint er trocken und verlässt den Raum, lässt mich droppend zurück.
So kann das doch nicht weiter gehen.
Ich gehe ihm nach. Auf dem Flur halte ich ihn auf, indem ich seinen Arm festhalte. Ruckartig dreht er sich um, stößt mich weg. So heftig, dass ich den Halt verliere und auf meinem Allerwertesten sitze. Ich verzerre etwas das Gesicht. Die Nummer in der Nacht sitzt mir noch in den Knochen.
„Was fällt dir ein mich anzufassen, Schwuchtel!“, brüllt er in einer Lautstärke, dass alle aus ihren Zimmern kommen und dem Schauspiel zugucken wollen.
„Nenn mich nicht so….“, entgegne ich ihm. Meine Stimme ist etwas zittrig. Ich habe noch nie das Wort gegen ihn erhoben, aber das ist mir jetzt egal. Soll er mich doch zu tode prügeln. Auch Die ist auf dem Gang und schaut uns verwirrt zu.
Langsam stehe ich wieder auf, schlucke den Schmerz im Hintern runter und sehe ihn eindringlich an.
„Wieso hasst du mich nur so? Wieso tust du mir nur immer wieder so einen Mist an. Ich hab dir doch nie etwas getan.“
Das schien ihm zuviel Aufmüpfigkeit zu sein.
Er holt aus und verpasst mir einen Faustschlag auf die Nase.
Ich taumel, halte mir die Hand vors Gesicht, doch ich bleibe stehen.
Ich will mir das nicht mehr bieten lassen.
Ich nehme Anlauf, hole aus und schlage ihn. Ich treffe seine Wange. Ein beißender, stechender Schmerz zieht sich durch meine Knochen. Ich hab das Gefühl meine Hand fliegt gleich weg. So einen Schlag abzubekommen tut im Mindesten genauso weh, wie einen auszuteilen.
Allerdings ist das Gefühl dabei anders. Es befreit und engt nicht ein.
Kaoru wäre fast umgefallen, aber konnte sich noch halten.
Er stürzt sich auf mich, drückt mich zu Boden und schlägt fest auf mich ein.
Ich versuche seinen Schlägen auszuweichen. Ich boxe ihm in die Rippen, ziehe an seinen Haaren, wenn ich sie zu fassen bekomme. Das erste Mal in meinem Leben wehre ich mich gegen jemanden.
Alle anderen stehen nun um uns rum und sehen zu. Entsetzt und stumm. Keiner der Lehrer ist anwesend und so kommt es, dass ich am Ende der Schlacht Kaoru zwei Rippen gebrochen habe. Sein Mund ist ganz blutig geschlagen und er hat ein blaues Auge. Ich hingegen hab den Kopf im Nacken. So doll hatte ich noch nie Nasenbluten. Auch ich habe eine angeknackste Rippe und ein Stück von einem Zahn von mir hat wohl das Weite gesucht.
In der Hauseigenen Krankenstation, die sich auf drei kleine Betten und 2 Krankenschwestern im Schichtbetrieb beschränken, sitzen wir beiden und werden von der Gleichen Frau versorgt.
Einer der Lehrer hatte den ganzen Aufstand dann doch bemerkt und uns auseinander gerissen. Im Zimmer auf und ab stapfen und vor sich hinmeckernd, überlegt er, ob er es unseren Eltern sofort melden soll und damit die Fahrt beendet, oder ob er warten soll und wir dann gleich einen Verweis bekommen.
Die Worte wie ‚maßlos enttäuscht’ und ‚so ein netter Junge’ prallen von mir ab.
„Was ist nur in euch gefahren…Könnt ihr euch denn nicht vertragen. Ich weiß ja, dass ihr euch nicht riechen könnt, aber ich dachte wenn ich euch in ein Zimmer stecke würdet ihr euch ein bisschen besser kennen lernen.“ Unser Lehrer setzt eine enttäuschte, wütende und fragende Mine auf.
Ich muss lachen bei diesen Worten, höre aber auch gleich wieder auf. Es tut einfach zu doll weh.
„Was gibt’s denn da zu lachen?!“
„Naja…“, fange ich an, sehe zu Kaoru, der mich mit seinem fiesesten Blick durchbohrt.
„Die Sache mit dem kennen lernen….das hat an sich schon geklappt…, nur bestimmt nicht so wie sie es haben wollten.“, kicher ich leise und ignoriere Kaoru, der mittlerweile schon am kochen ist.
Mr. …. Verlangt nach einer Erklärung. Ich jedoch schüttel nur mit dem Kopf.
„Tut mir leid, aber das ist mir so peinlich, dass ich das bestimmt niemanden in meinem ganzen Leben sagen kann.“, meine ich mit einem schönen sarkastischen Unterton und grinse beide breit an.
Diese Aussage schien Kaoru einen heftigen Schlag verpasst zu haben. Er sieht betroffen zu Boden und seufzt fast unmerklich.
Nach ca. einer halben Stunde sind wir dann beide versorgt und dürfen gehen. Zur Strafe werden wir in andere Zimmer verlegt und dürfen an dem heutigen Ausflug nicht teilnehmen.
Unsere Zimmer dürfen wir auch nicht verlassen.
Ist mir ganz recht. Nach der Prügelei brauche ich erstmal ein bisschen Ruhe.
Nach einer stunde Rumliegen und die Decke anstarren, beschließe ich es noch mal zu versuchen. Ruhig und vernünftig mit Kaoru zu reden wird bestimmt nicht leicht, aber keiner seiner Kumpels ist hier vor denen er den coolen Macker markieren muss.
Ich erhebe mich also von dem kuscheligen Bett und gehe langsam los. Ich gehe wirklich recht langsam. Bei jedem Schritt schmerzt meine Rippe.
Vor Kaorus neuem Zimmer angekommen, klopfe ich sachte an, warte bis er mich reinruft und trete ein.
Erstaunt sieht er mich an. „Was willst du denn hier?“, fragt er schlecht gelaunt.
Ich setze mich auf einen der beiden Stühle, die an dem kleinen Tisch an der Wand stehen und sehe ihn an.
„Ich will mit dir reden. Das wollte ich schon vorhin, aber du hast es ja mal wieder vorgezogen mich zu verprügeln….“, meine ich seufzend.
„Es gibt nichts zu reden…ich hab dir nichts zu sagen und ich will auch nichts von dir hören.“
„Das ist mir aber egal…du wirst mir jetzt mal zuhören!“ Ich bin ganz erstaunt über die Festigkeit meiner Worte. Das ich mit ihm mal so reden würde, hätte auch er vermutlich nicht gedacht.
„Willst du mich erpressen? Soll ich dich jetzt nie wieder schlagen, sonst erzählst du allen was ich mit dir gemacht habe als ich besoffen war?“
//das wäre doch mal eine gute Idee…//
Diesen Plan jedoch wieder schnell verwerfend schüttel ich den Kopf.
„Nein….Ich möchte wissen, warum. Das habe ich dich schon vorhin gefragt. Warum verprügelst du mich immer grundlos. Was mich aber am meisten interessiert. Warum hast du…das letzte Nacht….mit mir gemacht? Du kannst doch jedes Mädchen haben. Warum ich?“
//zumal ich ja ein Kerl bin….//
Er sieht auf den Boden, zuckt mit den Schultern. „Ist doch egal….Deine Anwesenheit provoziert mich eben.“
Aus dem soll mal einer schlau werden. Was an mir stört ihn so doll?
Plötzlich steht er auf, kommt auf mich zu. Ich befürchte schon das schlimmste und mach mich auf eine weitere Prügelei gefasst.
Es passiert allerdings gar nichts. Er setzt sich neben mich auf den anderen Stuhl.
„Magst du Daisuke?“, fragt er plötzlich mit einer mir unbekannt sanften Stimme.
Mein Gesicht nimmt die Farbe einer Tomate an.
//was soll das denn jetzt ><//
„Eh…..naja…..er….ist….doch ein….Kerl….“
„Was hat das mit meiner Frage zu tun? Wir hatten doch gestern Nacht Sex….Also kann doch sein, dass du Kerle magst. Hat dir doch gefallen oder nicht?“
In meinem Hals steckt ein fetter Kloß. Ich schlucke ihn schwerfällig runter.
„Also…ich….“, stotter ich rum und gucke peinlich berührt zu Boden. Mal abgesehen davon, dass es in jeder Hinsicht mein erstes Mal war, hat es mir tatsächlich gefallen. Er war zwar ein bisschen grob, aber das konnte ich ja auch nicht ändern.
Ich nicke also ein bisschen. Zu einem Wörtlichen Geständnis hätte ich mich beim besten Willen nicht durchringen können.
„Wieso…interessiert es dich, ob ich Daisuke mag?“, meine Stimme wird nun wieder etwas fester.
„Nur so….du guckst ihn immer so verträumt an.“, meint er Schulter zuckend und guckt mich an.
„Ja…ehrlich gesagt schon…., aber er beachtet mich nicht. Er beachtet mich noch weniger als du.“
Schon seltsam, dass Kaoru mich mit seinen Schlägen mehr beachtet als Die und auch irgendwie traurig.
Der Schwarzhaarige wendet betroffen den Blick weg, was mich ihn fragend ansehen lässt. Weiß er etwa, warum das so ist?
