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Der Vergessene König

von

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Der Wasserstein

Danai!«, Zachary stürzte zum Wasser, nur um zu sehen, wie der geschuppte Fischschwanz in den dunklen tiefen verschwand. Sogleich waren Anwar und Tehiyok zur Stelle, um ihn davon abzuhalten, gleich hintendrein zu springen. Während sie ihn hielten, tobte der junge Halbdämon, wie es ein richtiger nicht hätte besser tun können, und es war den beiden nicht lange möglich, ihn aufzuhalten. Doch es reichte dazu, das Azra zwischen sie trat und mit lauter, herrischer Stimme stille befahl.

»Azra! Warum hast du sie dazu getrieben, allein zu gehen?!«, fuhr Zachary den Wolf unbeeindruckt an, und wirkte dabei so gefährlich und dämonisch, das es Anwar kalt den Rücken hinab lief. Tehiyok machte gar ein paar Schritte zurück.

Wie hättest du ihr helfen mögen, Zachary? Sie ist nun einmal die Einzige, die so tief hinabtauchen kann, du wärst doch schon auf einem Bruchteil der Strecke jämmerlich ersoffen! Sie dagegen wird es schaffen, glaub an sie, knurrte der Wolf, doch Zachary war nicht zufrieden. Er holte tief Luft, um weiter zu wettern, doch in diesem Moment zog etwas anderes ihre Aufmerksam auf sich. Im Norden fuhr eine schwarze Lichtsäule auf, bewegte sich einen Augenblick suchend in der Luft, fuhr dann in den See hinein, ohne auch nur eine Welle zu schlagen.

Während sie noch voll verblüffen und staunen dastanden, fuhr ein gleißend weißer Lichtschein aus Anwars Stein, und verschwand ebenso im See, ohne das Wasser im Mindesten zu bewegen, wie das schwarze Licht auch.

Jetzt hat sie Hilfe, meinte der Wolf mit gleichgültiger Stimme. Auch das Lichterschauspiel selbst schien ihr gleich gewesen zu sein, als hätte er es schon unzählige Male gesehen. Jetzt sind die Angst und die Hoffnung bei ihr, nun ist sie weder allein, noch Hilflos, denn der Gläserne und der Schattende werden gut auf sie acht geben. Ein einfaches Unterfangen, den dort unten gibt es nichts mehr, was ihr ein Leid zufügen könnte.

»Und sie ist trotzdem allein. Dabei habe ich ihr doch versprochen, sie nicht mehr allein zu lassen…!«, voller Trauer blickte Zachary auf das Wasser hinaus.

»Was hast du getan? Wann?«, fragte Anwar und eine seltsame Fassungslosigkeit bemächtigte sich seiner Stimme.

Verwundert blickte Zachary seinen Freund an. Wie hatte sein bester Freund nichts davon mitbekommen können? Hatte er es denn nicht erzählt? Hatte er wirklich nie von den Treffen nur zwischen ihm und Danai erzählt? Er beantwortete sich seine Frage sofort selbst. Natürlich hatte er es nicht getan. Er hatte diese kostbare Zeit in seinem Herzen eingeschlossen, wissend, das Anwar damit nichts zu schaffen hatte. Nie.

»Zachary!«, war das Neid, was er in den Augen las? Aber wie nur konnte das sein? Das sein bester Freund ihm etwas nicht gönnte, was ihm dieses seltsame Gefühl von innerer Zufriedenheit verschaffte? Er verstand es nicht. In seiner Welt gab es keine Eifersucht auf das Glück eines anderen. Neid und Missgunst lagen nicht in der Natur der Dämonen, so seltsam es auch anmuten mochte, und sein menschliches Erbe war nicht genug, um ihn solche Empfindungen spüren zu lassen.

»Wir haben uns ab und zu getroffen und geredet. Es… macht einen Unterschied, ob ich mir dir die Worte wechsel, oder mit ihr. Sie versteht Dinge, die dir fremd sind, die du wohl nicht verstehen würdest…«, versuchte er zu erklären.

»Du hättest es versuchen können«, fand Anwar.

»Aber ich… Anwar, ich habe es versucht! Bevor Danai kam, aber du hast es nicht verstehen können. Anwar, es ist ein Unterschied, ob du dich selbst und aus freien Stücken ausschließt, oder ob es andere tun, nur weil du anders bist. Du… kannst es nicht verstehen. Sie schon, denn sie ist auf eine sehr ähnliche Art und Weise anders… und auch ausgeschlossen«, versuchte Zachary zu erklären.

Anwar antwortete nicht mehr. Jetzt war er es, der sich ausgeschlossen fühlte, weil seine besten Freunde etwas verband, was nichts mit ihm zu tun hatte. Es hatte so lange nur Zachary und ihn gegeben, mit Danai hatte sich ihre Freundschaft erweitert.

Er hätte immer so weiter gehen mögen, wieso nur machten sie es so leichtfertig und gleichgültig zunichte? Es war einfach nicht fair. Und dabei hatte er nicht einmal das Bedürfnis, Danai die Schuld zu geben. Obwohl sie erst so viel später dazu gekommen war, war seine Freundschaft mit ihr gleichbedeutend wie die, zu den jungen Halbdämonen.

Er drehte sich um und ging. Er wollte für einen Moment seine Ruhe haben, um über alles nachdenken zu können.

»Anwar!«, Zachary wollte ihm folgen, doch Tehiyok hielt ihn zurück.

»Ich denke, Anwar will einen Augenblick für sich sein. Liebeskummer ist eine schreckliche Sache, vor allem, wenn der Konkurrent der beste Freund ist«, meinte er.

»Liebeskummer?«, erkundigte sich Zachary verwundert.

»Natürlich. Hast du den Neid in seinen Augen nicht gesehen? Und die Blicke, die er Danai zuwirft? Er liebt sie, mich wundert es, dass du es nicht erkannt hast. Es ist ziemlich deutlich«, fand Tehiyok.

Oh ja, Anwar liebt. Aber nicht Danai. Und hiermit hat es auch nichts zu tun, mischte sich Azra ein.

»Womit dann?«, wollte Zachary wissen.

Er fühlt sich verraten. Von euch beiden. Du hast Danai Dinge erzählt, die du ihm nicht gesagt hast, und auch Danai hat dich weit mehr ins Vertrauen gezogen, als ihn. Er ist einfach enttäuscht. Gib ihm einen Moment Zeit, die braucht er, um sich darüber klar zu werden, wie er mit diesem Verrat umgehen will, erklärte der Wolf.

Zachary zögerte einen Moment, nickte dann aber. Dann schaute er wieder aufs Wasser hinaus. Es dauerte nicht lange, da gewahr er einen Schatten. Sogleich war er Feuer und Flamme, denn er erkannte seltsamerweise sofort, dass es Danai war. Es wunderte ihn ein wenig, das sie so schnell zurückkam, aber er machte sich darüber keine Gedanken, sondern war mit einem Satz im Wasser und schwamm ihr entgegen.

Kurz bevor sie die Wasseroberfläche durchbrach, geschah noch einmal, was vorhin schon ihre Augen erblickten. Ein schwarzer Lichtstrahl, gefolgt von einem weißen stoben hinauf und verschwanden in der Ferne.

»Danai!«, begrüßte Zachary sie stürmisch und umschlang sie fest. Ihr schien nichts geschehen zu sein, sie wirkte gar ausnehmend zufrieden.

»Oh Zachary, es tut gut, dich wieder zu sehen«, für das junge Mädchen war es immer noch so, als wäre sie Tage fort gewesen, obgleich es kaum eine Stunde war. Deswegen wunderte sich Zachary auch, doch er fragte nicht weiter. Stattdessen schwammen sie gemeinsam ans Ufer zurück, wo Tehiyok schon wartete. Sogleich wurde sie mit allerlei Fragen bestürmt, doch sie winkte lachend ab.

»Wo ist Anwar?«, fragte sie stattdessen, während sie aus dem Wasser stieg. So trocken, als wäre sie nie im See schwimmen gewesen. Ein weitere Zauber des besonderen Wassers. »Ich erzähle erst, wenn auch er dabei ist.«

»Ja, Danai, das ist so eine Sache. Ich glaube, Anwar ist ein wenig böse auf uns«, meinte Zachary und erzählte mit wenigen Worten, was geschehen war.

Das Mädchen hörte dabei aufmerksam zu, stand dann aber auf und überlegte einen Moment. »Ich denke, dass ich mit ihm sprechen sollte… Es ist nicht recht, dass er sich zurückgesetzt fühlt«, fand sie und ging zögernd in die Richtung, in die der weiße Lichtstrahl verschwunden war.

Zachary wollte ihr folgen, doch Tehiyok hielt ihn auch hier zurück. Anwar indes kam Danai schon entgegen, den als der Drache zurückgekehrt war, hatte er gewusst, das sie zurück war und nun gab es eben wichtigeres, als beleidigt zu sein.

»Anwar, ich habe von Zachary gehört, was passiert ist, und ich möchte mit dir reden«, begann sie, ohne sich mit der Begrüßung aufzuhalten.

»Ich weiß nicht, was es zu erklären gibt. Ihr wolltet mich nicht bei euch haben, das ist okay«, antwortete er voll Bitterkeit, doch Danai schüttelte entschieden den Kopf.

»So ist es nicht, und das weißt du auch. Zachary und mich verbinden nun einmal manche Dinge, meine Gedanken darüber mag ich lieber mit ihm teilen, das ihr wahr. Aber es gibt auch Dinge, die er niemals verstehen würde, und dann habe ich eben dich«, versuchte sie zu erklären, doch Anwar wollte nicht verstehen.

»Wenn er allein dir also nicht reicht, dann gibt es als zweite Wahl ja immer noch mich, ja?«, fuhr er sie stattdessen an.

»Nein, so ist es nicht! Anwar, bitte, lass und reden wie zwei vernünftige Menschen«, bat sie, und er nickte zögernd. Es war nicht fair von ihm, sie jetzt schon so böse anzufauchen, ohne sie vorher wenigstens anzuhören.

»Dann erklär mir, was es ist, was ich nicht verstehen kann«, forderte er.

»Das Gefühl, von jemanden gefürchtet zu werden.«

»Gefürchtet werden?«, er schaute sie verblüfft an.

»Ja. Menschen haben Angst vor dem, was sie nicht verstehen, und wie bitte sollten sie verstehen, was es ist, was mich zum Meermenschen macht? Sie verstehen auch nicht, wie Zachary aussehen kann, wie ein Dämon, und dabei so freundlich und aufgeschlossen ist, wie man es sich nur wünschen kann. Sie versuchen es nicht zu zeigen, doch man kann dieses nicht-verstehen und diese Angst in ihren Augen lesen. Überdeutlich und immerzu. Und wenn die Menschen immer Angst vor einem haben, dann spürt man das einfach, und dieses Gefühl ist nicht schön. Kennst du es denn?«

Sie schaute ihn fragend an, und Anwar schüttelte langsam den Kopf. Angst hatte noch nie jemand vor ihm gehabt.

»Nein, ich kenne es nicht. Aber was hat es mit diesem Versprechen zu tun?«, fragte er weiter.

»Das er mich nicht mehr alleine lassen wird?«, fragte sie und Anwar nickte.

Sie überlegte einen Moment, wie sie es am besten rüberbringen konnte, nickte dann langsam. »Du bist damals krank gewesen. Zachary, Azra und ich waren mit ein paar anderen Dorfkindern im Wald. Sie wollte alle zeigen, wie mutig sie waren, doch ohne Zachary hätten sie sich nicht getraut. Wir haben uns aufgefächert, blieben aber in Rufweite. Du… kennst ja die Löcher, die gelegentlich im Waldboden sind… in eines bin ich hineingestolpert, weil ich mich erschreckt hatte. Natürlich habe ich gerufen, und Cave hat mich auch gehört, doch als er am Rand des Loches stand, da schaute er nur hinab und lachte. Er meinte, er frage sich, ob die Waldbewohner auf Fisch stehen würden, und das wir es ja am nächsten Morgen erfahren würden, und dann ging er einfach fort. Ich bekam schreckliche Angst, nicht unbedingt vor den Waldbewohnern, sondern weil es mich so sehr an damals erinnerte. Ich bekam fast keine Luft mehr, weil ich mich so sehr fürchtete, doch Zachary hat mich mit seinen guten Ohren gehört, und war zu mir gekommen. Ich habe geweint und mich so eng an ihn gedrückt, dass ich ihm weh getan muss, doch er hat bloß gefragt, was mich den so traurig mache. Da erzählte ich ihn von damals. Ich erzählte, wie ich mit meiner Freundin im Wald übernachtete, und als ich am nächsten Morgen zum See kam, da waren alle Meermenschen fort, als hätte es sie niemals gegeben. Und eine davon war meine Mutter, viele waren meine Freunde, gekannt habe ich sie alle. Ich hatte Angst davor, dass auch in Nordwind alle verschwunden sind, wenn ich komme. Da hat er mir versprochen, dass er mich niemals alleine lassen würde«, Danai seufzte traurig. »Er hat sein Versprechen gebrochen. Er hat nicht versucht, mir hinterher zu kommen…«

»Er hat Tehiyok fast die Augen ausgekratzt und mir auch ein paar üble blaue Flecken verpasst, weil wir ihn nicht gelassen haben«, antwortete Anwar und Danai lächelte dankbar.

»Wieso habt ihr mir nichts davon erzählt? Wieso gibt es Dinge, von denen ich nichts weiß?«, wollte er wissen.

»Ich weiß nicht genau. Ich denke, weil ein Mensch nicht alles wissen kann, vielleicht, weil er auch nicht alles wissen sollte. Weil andere Menschen vergesslich sind und nicht daran denken, es ihnen zu sagen. Es wir wohl viele Gründe geben, ich weiß nicht, welcher der Richtige ist. Aber bedenke: Es gibt auch Dinge zwischen Zachary und dir, von denen ich nichts weiß, so wie es zwischen uns Geheimnisse gibt, die er nicht kennt. Es gibt immer Geheimnisse, immer und überall«, antwortete sie und Anwar stimmte ihr zögernd zu.

»Gehen wir zurück? Dann erzähle ich euch, wie es mir im Wasser ergangen ist«, meinte sie, und Anwar nickte.

Gemeinsam liegen sie zurück, doch die beiden anderen Jungen hatten so gar kein Interesse an ihren Erlebnissen. Das sie Gesund und Munter wirkte reichte ihnen, das bewies Tehiyok, als er zu allererst nach dem Stein frage und Zachary zustimmend nickte. Doch Danai lächelte nur geheimnisvoll und erzählte von Anfang an. Sie berichtete sachlich davon, wie das Licht und das Dunkel zu ihr gekommen waren, und was sie von beiden erfahren hatte, wie sie die Korallenstadt untersucht hatte, und zu guter letzte, auf den Wächter gestoßen war.

»Und wo ist der Stein nun? Hast du ihn nicht bekommen können?«, erkundigte sich Tehiyok, wissend, das es so nicht sein konnte, denn dann hätte Danai gewiss nicht so zufrieden ausgesehen.

Doch sie antwortete nicht gleich, sondern stand auf und ging langsam zum Wasser hinab. Sie setzte sich nieder, lächelte ihren Freunden zu, während sie mit der Hand im Wasser spielte. Dann zog sie die wieder ins trockene, ihr folgte dabei ein Wasserstrahl, der sich unter ihrer Handfläche zu einem großen, nassen Ball zusammenzog. Sie drehte die Handfläche und das Wasser, das hell leuchtete, folgte ihr, während es sich noch weiter zusammenzog. Da stieg eine blaue Lichtsäule aus dem See auf und fuhr in die Kugel, war dabei jedoch so hell, dass sie alle geblendet die Augen schließen mussten.

Als sie wieder etwas sahen, lag ein Stein in Danais Hand, der dem gläsernen von Anwar ähnelte. Nur die Farbe war eine andere. Dieser hier wogte und schimmerte, als wäre es immer noch Wasser. Ja, selbst das Farbenspiel, wenn der Licht as verschiedenen Winkeln kam, und die tausend verschiedenen blau- und grüntöne stimmten mit dem des Wassers überein.

Es war so wundervoll anzuschauen, das sie eben nur dies zu tun vermochten, bis Azra sie aus ihrem ehrfurchtsvollen Staunen weckte.

Damit hätten wir den Zweiten. Der Rest wird deutlich schwieriger, bemerkte er und legte seine Rute so auf den Stein, das sie ihn nicht mehr sehen konnten und wieder in die Wirklichkeit fanden. Man konnte sich selbst nur allzu leicht in den Wellen des Meeres verlieren.

»Wieso werden die kommenden nun schwieriger?«, erkundigte sich Zachary verwundert. »Bisher war doch alles ziemlich einfach.«

Bisher waren ja auch die Träger der Steine Bekannte und Freunde. Nun nicht mehr. Es sei denn, es gibt einen Stein für Miesepeterei und ungestümes Handeln, Azra blickte viel sagend zu Tehiyok, der mal wieder aus der Wäsche blickte, wie sieben Tage Sturmwetter, und zu Zachary, der sich voll Tatendrang schon wieder halb erhoben hatte.

»Haben wir den überhaupt eine Chance, die Steine und ihre Träger zu finden?«, erkundigte sich Danai besorgt.

Die Chance besteht immer, sie ist nur sehr, sehr gering. Azra legte einen Kopf in ihren Schoß.

»Vom Stein der Angst kennen wir doch aber den Ort, und auch den Träger. Den vergessenen König, oder nicht?«, mischte sich Anwar ein.

Dort wartet aber noch immer Ares, und ihr seid noch lange nicht bereit, es mit ihm aufzunehmen. Damit sollten wir überhaupt warten, bis wir einen… strategisch Günstigen Zeitpunkt finden, fand der Wolf.

»Bis die Rebellen angreifen?«, erkundigte sich Zachary und bleckte die Zähne zu einem Lächeln.

Bis die Rebellen angreifen. Geführt vom vergessenen König, bestätigte Azra und lächelte wölfisch zurück.

»Dann sollten wir vielleicht denen einen Besuch abstatten. Wenn wir sie finden...«, fand Danai.



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