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In/adäquat

OneShot- & Drabble-Sammlung [Various] - New: YULLEN
von

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Kontrast [Lavi x Kanda]


 

. . .B i t t e r SWEET.

Er hatte Süßes noch nie ausstehen können.

Damals nicht und heute nicht, und das wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit.

»Yū-chan?«

»Hör auf, mich so zu nennen!«

Lavi hielt ihm grinsend eine Erdbeere vor die Nase.

»Willst du auch eine?«

»Nein.«

»Ach, komm schon. Mach Aaaa

»Vergiss es!«

»Warum?«

»Weil ich Süßes nicht ausstehen kann.«

»Aber immer nur Sobanudeln zu essen, ist auch nicht wirklich gesund, findest du nicht?«

Kanda entriss ihm grummelnd die rote Frucht.

»Na schön, wenn du dann endlich die Klappe hältst?!«

...

»Und?«

»Sie war bitter.

...mit einem süßen Nachgeschmack...«

'Cause it's a bittersweet symphony this life...

. . .N e e d LESS.

Ich bin kein Verbündeter.

»Yū-chaaaan!«

»Nenn mich nicht so, verdammt!«

»Jaja, wie auch immer«, winkte Lavi ab, »ich wollte nur Bescheid sagen, dass Komui eine Mission für uns beide hat.«

»Für uns beide?« Kanda seufzte entnervt. »Das hat mir gerade noch gefehlt.«

Nur um die Geschichte aufzeichnen zu können...

»Hab dich nicht so. Ich bin froh, mit dir eine Mission machen zu dürfen.«

»Che, warum das?«

Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

...bin ich am Geschehen beteiligt.

»Ich mag dich nun mal.«

»...mir wird schlecht.«

Lavi grinste.

Ein Bookman... braucht kein Herz.

»Ich hab‘ dich auch lieb, Yū-chan.«

Es schmerzt...

. . .N e e d FUL.

Ein Bookman... braucht kein Herz.

»Yū, magst du mir nicht Schwertkämpfen beibringen?«

»Vergiss es!«

...

»Oi! Lass deine Pfoten von Mugen!«

»Sei nicht immer so grantig.«

Das war es, was der Alte zu mir sagte.

»Warum willst du Schwertkämpfen lernen?!«

»Hm... Dann hätten wir ein gemeinsames Hobby.«

»...wäre ja noch schöner...«

Doch wenn ich deine Stimme höre...

»Yū-chan?«

»Was denn noch?«

Und dir in die Augen sehe...

»Wie fühlt es sich an, sein Herz zu brauchen?«

»...w-was?«

»Ach... vergiss es.«

Dann weiß ich...

»Idiot... jeder braucht ein Herz.«

Auch ein Bookman braucht ein Herz.

»Danke, Yū...«

Für Menschen wie dich.
 

___
 

Hier ein paar Drabbles zum Pairing.^^

Wird hin und wieder erweitert.
 

Fujouri


 


 

Das Ende [Lavi x Kanda]

Erst das Ende offenbart die Wahrheit
 


 


 

Wenn ich mich zu dir lege und in deine treuen Augen seh‘,

dann tut mir dieses Ende mehr als alle and’ren Enden weh.

-:-:-:-:-:-:-
 


 

Nein. Er konnte es nicht wahrhaben. Wollte es nicht wahrhaben. Wollte nicht wahrhaben, dass all das ein derartiges Ende nehmen musste. Dass ein solches Opfer einzig für eine Mission gebracht werden musste. Dass der Tod eines Exorzisten… sein Tod so furchtbar unnötig gewesen war. Der Tod einer verhassten Person... die in Wahrheit so viel mehr gewesen war.

Lavis Tod.
 

Kanda sank auf die Knie und atmete schwer. Sein schwarzes Haar fiel ihm wie ein zerrissener Schleier vors Gesicht. Die Spitzen trafen den ehemals weißen Schnee, in den jetzt roter Lebenssaft gesogen war. Aus der klaffenden Wunde in Kandas Brust floss Blut, ununterbrochen, und es fiel ihm schwer, bei Bewusstsein zu bleiben. Die Sicht verschwommen, die Sinne betäubt. Der Überlebenswille - dahingeschwunden.

Das Einzige, was er klar wahrzunehmen vermochte, war der Mann vor seinen Augen. Feuerrotes Haar breitete sich wirr auf der Schneeebene aus und ein lebloser Ausdruck zeichnete die Gesichtszüge. Zwischen den Lidern starrte ein grünes Auge in den wolkenverhangenen Himmel - es hatte seinen einstigen Glanz verloren. Schneeflocken fielen herab und legten sich auf das Gesicht, auf dem sie sofort wieder schmolzen und die Wangen entlang hinunter perlten.

Jeglicher Lebenshauch war aus Lavi geschwunden. Sein toter Körper lag regungslos in der Winterlandschaft und wartete darauf, vom Schnee begraben zu werden.
 

Yū packte mühevoll sein Katana und stemmte es in den Boden, um sich daran abzustützen. Er zog sich mit Mugen langsam zu seinem Kameraden heran, schleppte sich Zentimeter für Zentimeter nach vorn. Er starrte konfus in Lavis Gesicht. Es erzählte von erbitterten Kämpfen, von Vergänglichkeit, vom Ende - von Erlösung.

Kanda fiel in seiner Zerschlagenheit das stichgrüne Auge auf, das zwischen den Lidern heraus ins Nichts sah. Selbst jetzt, im Angesicht des Schlussaktes, wirkte es so ruhig, so sorglos, so besonnen; so unfassbar treu und herzig. Wie sehr Kanda dieses Auge verabscheut hatte. Wie sehr er diesen Ausdruck doch gehasst hatte.

Er hatte so vieles an Lavi gehasst. Seine unbekümmerte Art, sein immerzu freundliches Lachen, sein stetiges Grinsen, seine nervenraubende Stimme. Nicht zu vergessen diese dumme Augenklappe, die er täglich trug, die bescheuerte Haarfarbe… - er hatte Lavi nie ausstehen können. Dem war er sich schon immer bewusst gewesen. Immer, bis auf den heutigen Tag.
 

Er rückte ein Stück näher an Lavi heran und ließ die Hände zu Boden sinken. Er inhalierte eisige Luft, und die Kälte brannte in der Kehle. Er sog sie gierig ein, klammerte sich an den Schmerzen fest, die ihm -lebe!- ins Gedächtnis feuerten. Aus der Wunde sickerte Blut - weiter - voran - kein Halt -, und das Leben erkaltete und floss zu Boden, vermengte sich mit Schnee, erstarb zwischen den Eiskristallen.

Yūs Aufmerksamkeit galt Lavi. Schuld zerfraß ihn förmlich. Er biss die Zähne zusammen.

Dass Lavi gestorben war, war ihm zuzuschreiben. Er biss fester. Es schmerzte.

Akuma - zu viele. Ein zu hoher Level - keine Chance. Selbst zu zweit, mit vereinten Kräften, hatte keine Hoffnung bestanden. Doch der Einzige, der in dem Kampf kläglich versagt hatte, war er gewesen. Er, Kanda, der es zwar fertig gebracht hatte, die Feinde ein für allemal auszulöschen, doch nicht schnell genug gehandelt hatte, um einen Angriff, der auf Lavi gerichtet war, zu verhindern. Er hätte ihn verhindern können. Er hätte ihn retten können. Doch alles, was er letztlich getan hatte, war die Prioritäten der Mission zu wahren - die Aufgabe eines Exorzisten, sich selbst zu exekutieren. Pflicht: Das Äquivalent zur Selbstmalträtierung. Ein unaufhaltsamer Prozess, der Kanda erst jetzt sein wahres Gesicht offenbarte.
 

»Yū…«

Kanda konnte Lavi seinen Namen aussprechen hören. Als er auf die trockenen Lippen sah, zerriss sich die Utopie mit einem Mal entzwei und hinterließ Fragmente von Wirklichkeit.

. Das war es wohl gewesen, was er an Lavi am wenigsten hatte ausstehen können. Immerzu hatte er ihn mit seinem Vornamen angesprochen; eine penetrante, unverzeihliche Angewohnheit, die in Kanda den Zorn auflodern ließ. Selbst auf seine mehrfache Aufforderung, er solle es gefälligst unterlassen, ihn so zu nennen, hatte Lavi nie gehört. Und wie oft hätte Kanda ihm in solchen Momenten am liebsten sein großes, grinsendes Maul gestopft und ihm eine Lektion erteilt. Doch… was würde er jetzt nur dafür geben, um diesen abscheulichen Namen noch ein letztes Mal aus diesem Mund zu hören?
 

Kanda spürte allmählich, wie auch seine Lebensgeister ihn zu verlassen drohten. Jegliche Kraft in ihm schwand und seine Arme brachen unter ihm zusammen, als hätte man sie ihm mit einem einzigen Schwerthieb abgeschlagen. Blut strömte unerbittlich aus seiner Verletzung; immer weiter breitete es sich um ihn herum aus, bis er in einer einzigen dunkelroten Lache seines flüssigen Lebens lag.

Direkt neben ihm ruhte Lavi. Er lag gerade auf dem Rücken, der eine Arm schlaff über dem Körper, der andere nach vorn gestreckt. Die Hand reglos, die Finger blau und starr - und Kanda so nah. Die Nähe wollte Wärme versprühen, aber mehr als eine Einbildung schuf sie nicht.

Kanda lächelte.

Gleich würde er es Lavi gleichtun und hier sein Leben lassen. Eine Wiederbegegnung sprach gegen das Mögliche, doch für diesen einen Moment tat es gut, daran zu glauben. Festzuhalten. Dass die Schmerzen nun endlich ein Ende nehmen würden. Schmerzen von Verlust und Reue. Selbstverachtung und Versagen. Das Blut rann weiter. Die Verletzung spürte er nicht.

Jemanden zu verlieren, den man hasst, ist der größte Schmerz, den das Leben zu bieten hat. Hass zeugt von Wichtigkeit. Wichtigkeit vermag man erst dann aus dem Hass zu bergen, wenn man die Zeit mit den Augen der Vergänglichkeit betrachtet.

Lavi war tot. Verloren. Vergangen. Der Zeiger tickte, aber die Welt stand still.
 

Kanda drehte sich mühevoll auf die Seite. Er tastete sich durch den Schnee, bis seine Hand die Lavis fand. Er umschloss sie. Ein letztes Mal verlor er sich im grünen Auge, das ihn stechend ansah, stechend und leer - ein Ausdruck, den Kanda im Gedächtnis behalten und mit in die Ewigkeit nehmen würde.

Ihm wurde bewusst, dass er diesen Mann noch nie gehasst oder verachtet hatte. Nichts dergleichen, aber gefühlt hatte er trotzdem. Etwas. Das ihm jetzt die nötige Kraft gab, um die Linie des Seins zu übertreten.

Er schloss die Augen. Öffnete den Mund und formte einen letzten Satz, mit dem er sich dem Ende entgegenstellen würde:
 

»Nenn mich ab sofort … Lavi.«
 


 

-:-:-:-:-:-:-

Fürchte dich nicht, denn ich hab‘ keine Angst.

Unsere Zeit nimmt dem Ende den Sinn,

weil ich in deinem Herzen unsterblich bin.
 

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Mein allererster Beitrag zu diesem Fandom & Pairing. Das Teil ist echt alt und deshalb leicht überarbeitet. Ich entschuldige mich für den Fehler mit der ständig wechselnden Erzählperspektive – damals hatte ich von sowas keine Ahnung. |D

Die kursiven Textpassagen sind vom Lied A.usgesperrt von Samsas Traum.

Anyway, I hope u like it. :3
 

Fujouri

Happy Birthday, Yū! [Lavi x Kanda]

Es würde niemals jemandem gelingen, all das aufzuzählen, was Kanda Yū nicht ausstehen konnte - es war und blieb unmöglich. Aber wenn es etwas gab, das er am allerwenigsten ausstehen konnte, dann war es dieser eine gottverdammte Tag, mit dem letztlich jeder Mensch auf Erden konfrontiert wird, jedoch mit dem Unterschied, dass die meisten diesen einen gottverdammten Tag mochten, in der Regel sogar feierten.

Kanda Yū gehörte nicht zu dieser Fraktion.

Von welchem Tag die Rede war, stand außer Frage. Der gesamte Schwarze Orden wusste darüber Bescheid. Kanda wünschte sich schon seit Jahren, dem wäre nicht so. Aber dieser Misere konnte er nicht entfliehen. Sie nicht vergessen, nur mit Mühe verdrängen. Und selbst das würde nichts an der Tatsache ändern, dass Kanda Yū in drei Tagen Geburtstag hatte.
 


 

-:-:-:-:-

04. Juni 1800-irgendwas: Ein beschissener Tag.
 

Der Morgen war hereingebrochen. Die Exorzisten begaben sich aus ihren Zimmern, um sich ihren altbekannten Pflichten zu stellen. Und Kanda war einer davon. Mürrisch lief er den Gang des Hauptquartiers entlang, in Richtung Cafeteria – die Richtung, die alle Exorzisten einschlugen.

»Guten Morgen, Kanda-kuuun~ ♥«, flötete Jerry munter und wedelte mit einem hölzernen Kochlöffel herum. Kanda stieß einen genervten Seufzer aus. »Und, was darf’s sein?« Der Chefkoch war Yūs Ignoranz schon lange gewohnt.

»Die Antwort darauf solltest du mittlerweile wissen…«, entgegnete Kanda trocken und setzte einen ungeduldigen Blick auf.

»Ich will nur auf Nummer Sicher gehen.« Gleich darauf wandte er sich ab und brüllte »Einmal das Soba-Menü!« in die Runde.
 

Wenn Kanda sich nicht gerade auf einer Mission befand, begann für ihn ein Tag wie jeder andere auch: Mit einem nervigen Gedrängel auf dem Weg zur Cafeteria, einem anschließend noch viel nervigeren Gedrängel in der Cafeteria, dicht gefolgt von dem wohl einzigen Lichtblick des Tages, der momentan in Form eines mit Soba gefüllten O-wan auf einem Tablett vor ihm stand und nur darauf wartete, von ihm verspeist zu werden. Wenn es da nicht noch die vierte Alltäglichkeit gäbe, die seinen Geduldsfaden jedes Mal aufs Neue überzustrapazieren drohte.

»Yū-chaaaan~!« Kanda hasste diese Stimme.

»Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mich nicht so nennen sollst?!«

»Gut gelaunt wie immer, neh?« Lavi setzte sich zu ihm an den Tisch. Er grinste keck. Das hasste Kanda beinahe noch mehr.

»Hab‘ gehört, Komui hat heute keine Mission für dich.«

»…und was hat dich das zu kümmern?« Kanda nahm die Essstäbchen zur Hand und begann sich der dritten und - vor allem - um einiges angenehmeren Alltäglichkeit zu widmen. Lavi hatte allerdings nicht vor, die Konversation hier enden zu lassen. Sein Grinsen wurde breiter, als er den Kopf schief legte und bittere Tatsachen artikulierte:

»Du hast übermorgen Geburtstag, Yū...«

Kanda sah kurz zu Lavi auf, ließ mit einem »Che…« seine Gleichgültigkeit sprechen und wandte den Blick wieder ab. Lavi ließ nicht locker: »Freust du dich denn gar nicht? Du wirst doch achtzehn, oder? Hey, das ist doch ein richtig cooles Alter!«

Kandas Augenbraue zuckte bedrohlich. Lavi wusste, wie man ihn möglichst schnell und möglichst intensiv zur Weißglut treiben konnte.

»Yuuu~, hörst du mir denn gar nicht zu? Achtzehn, verdammt, achtzehn!«

Kanda fragte sich augenblicklich, wie es einem Menschen so schwer fallen konnte, für einen Moment die Klappe zu halten. So schwer war das doch nun wirklich nicht.

»Yū, wir müssen das unbedingt feiern, hörst du?« Kandas Abneigung verstärkte sich. Lieber würde er sich mit Mugen höchstpersönlich erdolchen, als seinen Geburtstag zu feiern.

»Yuuu!!«

Geduldsfadenreißgefahrmaximum überschritten.

»Halts Maul, verdammt! Und hör auf, mich so zu nennen!«

Lavi hob grinsend die Hände und stand von seinem Platz auf. »Wouuh, ganz ruhig, Yū-chan! Bist wohl mal wieder mit dem falschen Fuß aufgestanden, was?«

Er lief um den Tisch herum, stellte sich Kanda gegenüber und streichelte ihm über den Kopf, in dessen Gehirn sich augenblicklich Mordpläne der übelsten Sorte anstauten.

»Ich kann dir leider nicht mehr länger Gesellschaft leisten, hab‘ noch was mit dem Panda zu erledigen… Also bis dann!«

- Lang ersehnte Musik in Yūs lavistimmengeschädigten Ohren. Hätte er Lavis Anwesenheit noch eine Sekunde länger über sich ergehen lassen müssen, hätte er die Mordpläne in die Tat umgesetzt. Aber zum Wohle aller entschied das Schicksal, es heute erstmals bei einem bis zur Grenze getriebenen Kanda zu belassen. Dieser strich sich, kurz nachdem Lavi verschwunden war, die langen Haare glatt - Lavi hatte sie völlig aus der Form gebracht.

Fakt Nummer Eins war, dass Kandas Morgen grundsätzlich beschissen begann. Fakt Nummer Zwei war, dass Lavi der Hauptverantwortliche dafür war. Er verlieh dem Wort „beschissen“ eine noch viel intensivere Bedeutung.
 


 

-:-:-:-:-

05. Juni 1800-irgendwas: Ein noch beschissenerer Tag.
 

»Yū-chaaaaan~!«

Ganz genau das war es, das den Tag noch beschissener als den vorherigen machte. Erschrocken durch den Lärm, riss Kanda die Augen auf. Das erste, was er mit diesen zu sehen bekam, war ein freches Grinsen, eingebettet in ein altbekanntes Gesicht, das sich schon vor Jahren tief in seinem Hirn verankert hatte. Er hasste es.

»...was zur…?!« Sein zuvor verschlafener Blick spiegelte jetzt bloße Fassungslosigkeit wider. Lavi hatte es sonst immer vorgezogen, Yū beim Frühstück in den Wahnsinn zu treiben. Heute war es anders gekommen. Lavi hatte sich in sein Zimmer geschlichen, war auf sein Bett gestiegen und hatte sich über ihn gebeugt. Um noch unnötiges Salz in die Wunde zu streuen, begann Lavi ihm mit dem Zeigefinger in die Wange zu pieken.

»Du elender…«

Kandas Blick war von Mordlust geprägt. Mit geballter Faust schlug er nach Lavi. Dieser wich dem Angriff gekonnt aus und machte keine Anstalten, von Kanda herunter zu gehen.

»Ach, Yū-chan, ich steh‘ auf deine Art, mir einen guten Morgen zu wünschen!«, flötete Lavi. »Ich dachte, ich weck‘ dich lieber. Du bist schon ziemlich spät dran. Komui wartet in seinem Büro auf dich.«

Ja. Wie schön für ihn. Und was hatte ihn das zu interessieren? Ja, ganz genau. Gar nichts. Und trotzdem mischte er sich immer und immer wieder in seine Angelegenheiten ein.

»Du Bastard… geh gefälligst von mir runter!« Kanda holte mit seinem Bein nach einem kräftigen Tritt aus, aber Lavi schaffte es gerade noch, rechtzeitig aufzuspringen. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und das Grinsen ließ er zu einem sanften Lächeln werden.

»Du änderst dich nie, Yū…«
 

Nach einem längeren Hin und Her befanden sich die beiden endlich in der Cafeteria. Kanda atmete tief aus, als sich der einzige Lichtblick am Ende des Tunnels - auch Alltag genannt - vor seiner Nase befand. Es hatte eine ganze Weile gedauert, Lavi aus seinem Zimmer zu scheuchen, damit er sich in aller Ruhe hatte umziehen können.

»Ach, Yū-chan, jetzt tu nicht so, als ob ich ein Mädchen wär‘… Wir sind doch unter Männern!« war das wohl lächerlichste Argument gewesen, das ihm je zu Ohren gekommen war. Aber Lavi hatte die Entgegnung »Verdammt, verschwinde endlich!« herzlich wenig gekümmert. Kanda war nicht drum herum gekommen, Gewalt anzuwenden, Lavi am Kragen zu packen und mit einem festen Stoß geradewegs aus dem Zimmer zu befördern, die Tür hinter sich zuzuknallen und vorsichtshalber abzuschließen. Er war der Ansicht, dass so viel Penetranz gesetzlich verboten werden sollte.
 

»Du solltest dich vielleicht etwas beeilen, Komui war-«

»Ich weiß, dass er wartet, ist mir egal«, unterbrach Kanda und ließ sich beim Genießen seiner geliebten Zaru Soba alle Zeit der Welt. »Wie wäre es, wenn du dich stattdessen beeilst und endlich verschwindest?«

»Ach, das ist nicht nötig. Der Alte und ich haben heute mal ‘nen Tag frei. Ich kann dir also bis zum Ende Gesellschaft leisten.«

Ein weiteres Argument dafür, weshalb dieser Tag beschissener war als der vorherige. Das war definitiv keine Musik in Kandas Ohren. Aber das, was jetzt kommen würde, wäre eine hochgradige Beleidigung an das Wort „Musik“, würde man es damit auch nur in Verbindung zu bringen wagen.

»Morgen wird ordentlich gefeiert! Ich meine, man wird schließlich nur einmal achtzehn, nicht wahr?« Lavi strich eine dünne Haarsträhne von der Stirn hinters Ohr. Kanda machte ein abwertendes Gesicht. »Che… Die Party kannst du alleine feiern.«

Er hatte fertiggegessen, die Stäbchen neben dem O-wan aufs Tablett gelegt und stand jetzt auf. Er machte sich auf den Weg zu Komuis Büro. Lavi schlurfte ihm hinterher.

»Ach komm, bei dem täglichen Akuma-Abgemetzel könntest auch du mal ein wenig Spaß und Abwechslung vertragen.«

Kanda konnte sich nicht erklären, wie ein Mensch derart hartnäckig sein konnte. Plötzlich fiel ihm ein ausschlaggebender Grund ein, der die Hoffnung hervorrief, Lavi endlich zum Schweigen zu bringen:

»Meine Mission wird sowieso länger als zwei Tage dauern. Also vergiss diesen Schwachsinn endlich.«

Damit hatte Kanda nicht ganz Unrecht. Es kam äußerst selten vor, dass es einem Exorzisten möglich war, für das erfolgreiche Abschließen einer Mission weniger als zwei Tage zu benötigen. Und selbst wenn er es vorher schaffen sollte, würde er absichtlich länger wegbleiben, um Lavis dummen Kindereien aus dem Weg zu gehen. Das stand außer Frage.

»Hm…«

Lavi begleitete Yū bis zu Komuis Schreibtisch. Nachdem der Auftrag erklärt und erteilt worden war, machte sich Kanda - ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren - auf den Weg. Lavi sah ihm nachdenklich hinterher.

»Komui?« Der Abteilungsleiter sah von seiner Kaffeetasse auf. »Was gibt’s, Lavi?«

»Du weißt doch bestimmt auch, dass Yū morgen Geburtstag hat, oder?«

»Ja, klar, wir vermerken die Geburtstage aller Exorzisten“, versicherte er. »Warum die Frage?« Lavis Ausdruck ließ Zweifel sprechen. »Naja… Meinst du, er wird morgen von seiner Mission zurück sein?«

Komui faltete die Hände ineinander und lächelte. »Du hast selbst mitbekommen, dass es sich bei dem Auftrag um keine Langzeitmission handelt. Bei jemandem mit Kandas Fähigkeiten kann ich mir schon vorstellen, dass er das bis morgen hinbekommen hat. Aber...«, er pausierte kurz, »...du weißt doch selbst, dass er sich nichts aus sowas wie Geburtstagen macht.«

Lavi kratzte sich am Hinterkopf, schien nachzudenken. Dann antwortete er: »Ja, klar, ist ja kaum zu übersehen. Aber… vielleicht könnten wir ja doch etwas…«
 


 

-:-:-:-:-

06. Juni 1800-irgendwas: Die Überschreitung jeglicher Formen der Beschissenheit.
 

Yū saß auf der Kante des kleinen Bettes, das ihm in der Gaststätte, in der er sich niedergelassen hatte, zur Verfügung gestellt worden war. Sein Koffer lag offen auf dem Boden. Das Innocence erstrahlte neben einem Stapel ordentlich zusammengefalteter weißer Hemden. Die Sonne verschwand allmählich am Horizont und der Himmel nahm eine orangerote Farbe an, die den Raum in ein schummriges Licht tränkte. Kandas Blick wanderte auf die Uhr, die sich gegenüber von ihm an der Zimmerwand befand. 18:26Uhr. In vierzehn Minuten würde der letzte heutige Zug abfahren, der ihn zum Schwarzen Orden zurückbrächte. Würde er sich jetzt auf den Weg machen und ein wenig Tempo einlegen, könnte er ihn mit Sicherheit noch bekommen. Kanda dachte nach. Wollte er wirklich noch heute beim Hauptquartier ankommen? Ihm war bewusst, dass beinahe jedem Mitglied des Ordens sein Geburtstag bekannt war. Und noch viel mehr war ihm bewusst, dass ihm jeder noch so unwichtige Idiot die Hand reichen und alles Gute wünschen würde. Jedes Jahr dieselbe Leier. Bisher hatte er es schon zweimal geschafft, der Sache mithilfe einer Mission aus dem Weg zu gehen. Der heutige Tag könnte das dritte Mal bedeuten - wenn da nicht dieser Quatschkopf Lavi wäre. Zwar war Kanda sich sicher, jeder würde sich wünschen, dass er ein wenig mehr Geburtstagsstimmung an den Tag läge, doch bisher war Lavi der Einzige gewesen, der derart penetrant gewesen war, um etwas zu erreichen. Beschämend, dachte Kanda. Sinnlos, bescheuert - und verdammt nett.
 

Mit einem mürrischen Blick verließ Kanda den Zug und machte sich auf den Weg zum Hauptquartier. Mittlerweile wünschte er sich, er könnte, wenn er in den Himmel sähe, eine aufgehende Sonne am Horizont erblicken, die ihm verdeutlichen würde, dass er die Bedeutung des sechsten Junis ein drittes Mal umgangen hatte. Stattdessen ärgerte er sich über das abendliche Firmament, an dem man wegen der dichten Wolken nur wenige Sterne erspähen konnte. Der Tag hatte noch kein Ende genommen. Und im Hinblick auf das, was Kanda gleich bevorstünde, würde er auch nicht so schnell ein Ende finden. Noch war es nicht zu spät. Yū hatte noch immer die Möglichkeit, die Nacht in der Stadt zu verbringen, statt sich sofort zurückzubegeben. Aber nachdem er den Zug beinahe verpasst hatte und quasi um sein Leben gerannt war, um ihn noch zu erwischen, sah er von dieser Möglichkeit ab. Er konnte sich selbst nicht erklären, was genau ihn dazu geritten hatte, schon heute zurückzukehren. Vielleicht war es die leise Hoffnung, dass man ihn wohlmöglich doch nicht mit Geburtstagsglückwünschen überfallen würde. Vielleicht waren es die Soba, die statt irgendeinem mittelklassigen Bauernfraß am nächsten Morgen auf ihn warten würden. - Oder es war Lavis enttäuschtes Gesicht, das ihm noch immer im Kopf herumspukte und ihn hierher zurückgetrieben hatte.

Kanda schüttelte den Kopf. Der Grund tat jetzt nichts zur Sache. Fest stand, dass er sich dem Tag nun stellen musste; daran führte nichts mehr vorbei.

Er stampfte in Richtung Schwarzen Orden. Nachdem er dort angekommen war und ihn durch den Haupteingang betreten hatte, herrschte eine Totenstille. Er lief den langen Gang weiter entlang und besah misstrauisch dessen Leere - weder jemand von der Forschungsabteilung noch einer der Finder waren anwesend. Kanda fragte sich abrupt, wohin alle verschwunden waren. Vielleicht hatte es irgendeinen Notfall gegeben. Oder es war schon so spät, dass alle zu Bett gegangen waren.

Kanda verwarf seine Vermutungen wieder. Hier befanden sich immer Leute, die die Nacht durcharbeiten mussten. Als er bei Komuis Büro ankam, musste er feststellen, dass sich auch hier keine Menschenseele vorfinden ließ. Langsam wurde ihm das Ganze ungeheuer.

Er war kurz davor, die Abwesenheit der anderen für sich auszunutzen und sofort schlafen zu gehen, entschied sich dann aber, einen Abstecher in die Cafeteria zu machen - vielleicht hatte es ja wirklich einen Notfall gegeben und es wäre klüger, nach den anderen zu sehen. Er öffnete die Tür und betrat den großen Raum. Es war stockdunkel. Er grummelte und tastete die Wand neben dem Eingang nach dem Lichtschalter ab. Volltreffer. Er betätigte ihn - und bereute es.
 

»HAPPY BIRTHDAY, KANDA!!!«
 

Bunte Luftschlangen flogen durch den Raum, wovon eine in Kandas langer Haarpracht hängen blieb. Über ihm war ein großes Schild angebracht worden, auf dem mit farbenfrohen Buchstaben „Happy Birthday“ zu lesen war. Die gesamte Mitgliedschaft des Schwarzen Ordens stand ihm jubelnd gegenüber - und inmitten der Menge die Person, die mit großer Sicherheit für die Misere verantwortlich war. Kanda würde Lavi den Kopf abreißen, sobald dieser Wahnsinn zu Ende war. Die Überschreitung jeglicher Formen der Beschissenheit hatte soeben begonnen.

»Che… Was zur Hölle soll das werden?«

Komui kam auf ihn zu und klopfte ihm grinsend auf die Schulter. »Wir feiern jetzt deinen Geburtstag, was denkst du denn?«

Kanda sah alles andere als erfreut über diese Information aus. »…ich komme gerade von einer Mission. Ich bin müde. Ich will ins Bett. Also lasst mich in Ruhe!«

»Ach, komm schon, Kanda, du bist immerhin achtzehn geworden! Wenn man das nicht feiert, was dann?“

»Am besten gar nichts«, murrte Yū und wollte gerade die Arme verschränken, als auf einmal der Teufel höchstpersönlich auf ihn zugestürmt kam, mit dem altbekannten, teuflisch breiten Grinsen. Kanda wäre am liebsten ausgewichen, aber dafür war es bereits zu spät. Lavi hatte beide Arme ausgebreitet. Statt vor ihm stehen zu bleiben, stürzte er sich auf ihn, schloss die Arme um seinen Körper und drückte ihn fest an sich.

»Alles Gute zum Geburtstag, Yū-chaaaan~!!«

Am liebsten hätte er Lavi mit einem kräftigen Stoß von sich weggedrückt, aber er blieb nur wie angewurzelt stehen und ließ die - im wahrsten Sinne des Wortes - atemberaubende Umarmung über sich ergehen. Das war - eindeutig - zu viel für ihn.

»Lass mich los, Lavi…!«, keuchte er mühevoll. Sein Gesicht wurde an Lavis Schulter gedrückt, was Sprechen und - vor allem - Atmen ziemlich erschwerte. Zu seinem Verwundern ging Lavi seiner Aufforderung nach, löste sich von ihm, behielt jedoch weiterhin die Hände auf seinen Schultern.

»Gomen, Yū, ich weiß ja, dass du nicht viel für deinen Geburtstag übrig hast, aber ihn überhaupt nicht zu feiern, wäre doch ziemlich schade gewesen, hm?«

»Nein, das wäre es nicht“, zischte Kanda, „Ich hab‘ mir schon gedacht, dass du so ein Theater veranstalten würdest…«

Lavi besah den anderen unter verwirrtem Blick. Er unterdrückte ein Grinsen, als er fragte: »Wenn du’s dir gedacht hast, warum bist du dann hergekommen...?«

Kanda verstummte. Shit. Eine verdammt berechtigte Frage. Und verdammt noch mal auch eine, auf die er selbst keine richtige Antwort hatte. Wenn er genauer darüber nachdachte, hatte er sogar eine Antwort darauf, aber würde er diese laut äußern, würde Lavi wohl Freudensprünge machen und ihn ewig damit aufziehen.

»Ich hatte den Auftrag erledigt, also bestand kein Grund mehr, mich noch länger dort aufzuhalten«, log Kanda und wandte sich ab. Lavi ließ nicht locker. »Oder weil du deinen Geburtstag doch feiern wolltest, gib’s doch zu!«

»Pah, mit Sicherheit nicht!« Und das stimmte auch. Eine Party zu seinen Ehren war etwas, auf das Kanda neben all der Dinge, auf die er keine Lust hatte, am allerwenigsten Lust hatte.

»Naja, wie auch immer«, beendete Lavi die Diskussion, »Jedenfalls bin ich verdammt froh, dass du doch noch gekommen bist!« Eine darauffolgende Geste wies Kanda darauf hin, dass Lavi ihn ein weiteres Mal zu umarmen drohte. Yū verhinderte dies schnell, indem er ihn am Handgelenk packte und von sich wegdrückte.

»Ja, okay, ist gut jetzt!“, knurrte er, „Kann ich jetzt endlich gehen?!«

»Quatsch, wo denkst du hin? Ich hab‘ dir ja noch nicht mal dein Geschenk gegeben!«

Kandas Augen weiteten sich. »…welches Geschenk?«

Lavi lief auf Jerry zu, der ihm etwas überreichte, das Kanda nicht sehen konnte. Dann lief er wieder zu Yū zurück und hielt ihm das wohl Seltsamste unter die Nase, was er je zu sehen bekommen hatte.

»Tadaaa! Das hier ist Jerrys und mein Soba-Special-Deluxe-„Kuchen“, einzig und allein für dich! Mitsamt Kerze sogar!«

Kanda starrte auf den riesigen, quadratisch geformten Berg Soba-Nudeln, in dessen Mitte eine kleine entzündete Kerze steckte.

»…Soba-Special-was?!«, hakte er irritiert nach, während er zwischen Lavi und dem „Kuchen“ abwechseln hin- und hersah.

»Naja… ich kenn‘ nur zwei Hobbys von dir, und weil ich auf die Schnelle kein Akuma zum Abschlachten auftreiben konnte, dachte ich, das wär‘ was für dich!«

Kanda zögerte. Er musste das alles erst einmal auf sich wirken lassen. Selbst als er das merkwürdige Geschenk entgegennahm, stand ihm die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben. Ihm wurde klar, dass das eindeutig das wohl Einmaligste und Außergewöhnlichste war, was man ihm je geschenkt hatte. Aber nichtsdestotrotz auch recht amüsant und brauchbar, wie er sich selbst eingestehen musste. Bevor er etwas dazu sagen konnte, hatte Lavi einen Arm um seine Schulter gelegt und dirigierte ihn jetzt zu den anderen. Er ließ es - wenn auch widerwillig - zu.

»Auf in den Kampf, Yū!«

»Auf in den Kampf zu was?!« Verächtlich besah er Lavi von der Seite.

»Wir werden uns jetzt ordentlich besaufen!«, entschied Lavi, der deutlich in Partystimmung war und ein breiteres Grinsen aufgesetzt hatte als für ihn üblich.

»Che… Vergiss es.«

»Och, was ist denn, Yū-chan?« Ein Provokationsversuch. »Sag bloß nicht, du verträgst nichts…?« Kanda zog eine Augenbraue hoch. »Wie war das?! Mehr als du vertrag‘ ich auf jeden Fall!«

»Dann beweis es doch!«, forderte Lavi ihn auf, und um den Willen der Bewahrung jeglicher Männlichkeit blieb Kanda nichts anderes übrig, als darauf einzugehen.
 

-:-o-:-
 

Der kleine Zeiger der Uhr befand sich auf der VI. Das grelle Licht der Morgensonne flutete durch die Fenster in die Cafeteria und blendete die Augen zweier Männer, die sich als einzige im Raum befanden und an einem Tisch gegenübersaßen. Oder - besser gesagt - gegenüberlagen, denn zu einem aufrechten Sitzen waren beide nicht mehr fähig.

»Yū-chaaaan~...«

»…ha?«

»Das sollten wir dringend mal wiederholen!«

»Nein, sollten wir nicht. Mir geht’s scheiße, verdammt!«

»Das ist der Sinn des Alkohols!«

»Dann ist der Sinn scheiße…«
 

Kanda ging es ziemlich dreckig. Und es würde nachwievor dabei bleiben, dass er Geburtstage - insbesondere seinen eigenen - nicht ausstehen konnte. Dennoch hatte Lavi es geschafft, ihm durch seine Bemühungen ein ganz besonderes Gefühl zu geben, das die Überschreitung jeglicher Formen der Beschissenheit ein wenig in den Hintergrund drängte - und für das er ihm sehr dankbar war.
 

Das Gefühl, zu Hause zu sein.
 


 

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06. Juni 1800-irgendwas: Vielleicht doch kein ganz so beschissener Tag.
 


 

                                                                                                   . . . ende.
 

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Weil ich den OS eigentlich mag, hab‘ ich mir mal die Zeit genommen, ihn ein wenig zu überarbeiten. Ich hoffe, so liest er sich besser.^^
 

Liebe Grüße

Fujouri

Fragmente einer Erinnerung [Lavi x Kanda & Alma]

Wenn Damals und Jetzt kollidieren
 


 

This world is dark...
 

»Yū! Schnell, schau mal, was ich kann!«

Kanda wandte sich um und verschränkte die Arme; einzig seine Augen verrieten Aufmerksamkeit. Alma grinste, als er seine gespreizten Hände auf dem Boden platzierte und den Körper nach oben schwang - ein Handstand.

»Wie erstaunlich. Das kann ja sonst keiner«, merkte Kanda ironisch an und runzelte die Stirn. Alma erklärte sich sofort: »Nein, warte, gleich kommt’s!«

Jetzt zog er einen Finger nach dem anderen zurück, bis nur noch seine beiden Zeigefinger den kleinen Körper nach oben stemmten. Yū hob eine Augenbraue. Es verging kein Wimpernschlag, da brach Almas Kerzenposition auch schon wie ein zerfallendes Kartenhaus in sich zusammen, und der Kleine rieb sich den Kopf, den er sich angestoßen hatte. »Au... vorhin konnt‘ ich‘s noch...«

In Almas Augen schwappten die Tränen über, ehe er auf den Gedanken kommen konnte, sie zurückzuhalten. Kanda seufzte genervt.

»Du Heulsuse kriegst mal wieder überhaupt nichts hin. Gib nicht immer mit deinen scheiß Kunststückchen an, wenn du sie nicht mal richtig beherrschst!«

Alma richtete sich auf und stellte sich seinem Kameraden gegenüber. »Pah, als ob du es besser könntest!«

»So einen Mist brauch‘ ich nicht zu können. Jemals was von richtigem Kämpfen gehört?!«

Almas Tränen flossen weiter. Er packte Yū am Kragen und bemühte sich, seine Augenbrauen diesmal ganz besonders bösartig zu verkrampfen, um einen aufgebrachten Eindruck zu hinterlassen. Sein Geheule zerstörte jegliche Authentizität daran.

»Pah, natürlich! Und, was willst du schon Ahnung vom Kämpfen haben, mit deinen blöden langen Haaren?! Siehst damit aus wie ein Mädchen!«

»...wie war das?!« Kanda riss sich los und ballte die Hände. Seine Miene verfinsterte sich, als er dem anderen die Faust ins Gesicht schlug. Immer noch diese lästigen Tränen. Es wurden immer mehr. Alma schlug zurück. »Du bist so ein Mistkerl, Yū!«
 

Der Alltag nahm seinen Lauf...
 


 

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…and it’s so hard to breathe.
 

»Yū! Oi, Erde an Yū-chan!«

Kanda schreckt auf. Den Kopf, den er mit der flachen Hand abgestützt hat, hebt er an und sieht in ein dümmlich grinsendes Gesicht, das niemand anderem als Lavi gehört.

»Was zur Hölle willst du?!«

»Ach, du sahst so in Gedanken versunken aus. Ich dachte, ich reiß‘ dich mal wieder in die Realität zurück.« Mit einem aufdringlichen »Über was hast du gegrübelt, Yū-chaaan~?« setzt Lavi noch eins drauf.

»Hör endlich auf, mich so zu nennen, Baka Usagi!« Yū steht auf und wendet sich ab. »Ach, und ich hab‘ nur darüber nachgedacht, wie ich dich am schnellsten und schmerzvollsten in deine Einzelteile zerlegen könnte. Zufrieden? Und jetzt lass mich in Ruhe!«

Lavi setzt seinen altbekannten Schmollmund auf, der Kanda nur noch rasender macht.

»Ach Yū-chan, sei doch nicht immer so grantig zu mir. In Wirklichkeit hast du mich auch lieb. Ich weiß es genau!«

Die Regel bestätigt sich wie von selbst. Yūs Wutader bemächtigt sich seiner Stirn und pocht dagegen; so nimmt Lavi den Prozess, dem er sich hilflos ausgeliefert fühlt, zumindest wahr. »Sag das noch einmal und ich bring dich um, ich schwör’s dir!«

Er weiß genau, dass er es damit nur noch schlimmer macht, aber einen provokativen Kommentar kann Lavi sich einfach nicht verkneifen. Hat er noch nie gekonnt.

»...du hast mich lieb, Yū-chan. Komm, gib’s zu!«

Kanda lässt Lavi gar nicht lange warten, zückt sein Mugen und macht sich zum tödlichen Angriff bereit. »...ich hasse dich, Baka!«

»Ach, das meinst du nicht so«, bemerkt Lavi schnell noch, bevor er die Beine in die Hand nimmt und sich aus der Gefahrenzone rettet.
 

Der Alltag nimmt seinen Lauf...
 


 

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But in this instant,...
 

Kanda saß vor der Tür und hörte Almas qualvollen Schreie, die ab und an im Keim der Schmerzen erstickten. Yū hatte die Beine angezogen und mit den Armen umschlungen. Bei jedem Mucks, den Alma auf der anderen Seite der Tür von sich gab, zuckte er kurz zusammen. Er spürte noch immer die Resultate der Synchronisierungstests, die wenige Momente zuvor an ihm vollzogen worden waren. Aber das war ihm egal. Er atmete schwer und ertrug seine eigenen Schmerzen, nur um sich auf die Almas besser konzentrieren zu können. Er kauerte sich noch mehr zusammen und biss sich auf die Unterlippe. Kurz darauf schmeckte er den metallischen Geschmack von Blut auf seiner Zunge, aber er ignorierte es. Er fuhr resigniert durch sein schwarzes Haar und strich eine Strähne, die auf seiner verschwitzten Stirn klebte, weg. Er meinte Almas Herzschlag zu hören, dabei war es nur sein eigener. Er fasste sich an den Kopf und kniff die Augen zusammen. Jeder Alptraum hatte einmal ein Ende. Aber auch nur dann, wenn es sich nicht um einen reellen handelte. Und schon gar nicht, wenn man ein Apostel war. Denn dann bestand das ganze Leben aus einem einzigen Alptraum. Einer dunklen Welt, in der jeder Atemzug wie Feuer in der Kehle brannte.

Im Raum hinter ihm wurde es still. Kanda hörte das Herz schlagen und das Blut gegen die Schläfen pochen, und dann wurde der Griff nach unten gedrückt und die Tür, an der er lehnte, geöffnet. Er stand schnell auf und rannte nach draußen, ehe Alma ihn hier vorfinden konnte.
 

»Yū, was machst du hier draußen? Ist dir nicht kalt?«

Alma tapste über den steinigen Boden und zog den Rotz, der aus seiner Nase lief, hoch. Seine Wangen waren gerötet und seine Augen glänzten verdächtig.

»Dasselbe könnte ich dich fragen, Heulsuse.«

Kanda stand an der Wand gelehnt und heuchelte Desinteresse vor, wie er es in Augenblicken wie diesen immer tat. Alma stellte sich zu ihm und fragte: »Ist alles in Ordnung, Yū? Diese Versuche setzen dir doch auch ganz schön zu.«

»Che, natürlich nicht! Mir geht’s blendend, im Gegensatz zu einer gewissen Flasche, die immer noch am Rumflennen ist!«

Almas Arm war schwer verletzt. Er hielt die Wunde mit der Hand zu, aber stoppen konnte er die Blutung nicht. Yū hatte den Blick darauf gerichtet, ohne seinen eigenen Verletzungen Beachtung zu schenken. Seine Wangen wurden auf einmal ganz heiß, und ehe er sich fragen konnte, warum, hatte Alma ihn erstaunt angestarrt und ihm die Antwort geliefert:

»Weinst du, Yū?«

»W-was?!«

Kanda wischte sich über das Gesicht und spürte Wassertropfen an seinem Arm. Er riss die Augen auf und sah sich hektisch um, in der Hoffnung, ihm falle dadurch schneller eine Ausrede ein. Schließlich erklärte er: »Baka, die Kälte beißt in den Augen. Ich steh‘ hier schon ‘ne ganze Weile rum. Ist doch klar, dass die Augen da irgendwann zu tränen anfangen. Du bist aber auch dumm wie Stroh!«

Alma grinste dümmlich und schien es mal wieder besser zu wissen.

»Das hätte ich jetzt an deiner Stelle auch gesagt. Meine Wunden sind nicht so schlimm wie deine, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.« Das Grinsen verschwand nicht. Yūs Nerven hingegen schon. Dieser Kommentar hatte jegliche Register geschlagen.

»Che, wer hat je behauptet, dass ich mir Sorgen mache? Erzähl keinen Quatsch! Und überhaupt, mehr als zu heulen oder wie ein Idiot zu grinsen kannst du auch nicht, was?! Echt, ich hasse dich!«

Almas Augen weiteten sich und das Grinsen verschwand mit einem Mal. Noch ein paar Tränen bildeten sich und liefen über seine Wangen. Er wischte sie weg, doch wurden sie sofort durch neue ersetzt. »Yū, du Arsch! Ich dachte, wir wären Freunde oder Leidensgenossen oder sowas, aber du musst ja immer so gemein sein!«

Mit einem abwertenden »Che!« gab Kanda dem anderen den nötigen Rest, und dieser holte mit der Faust zu einem Schlag aus, um mal wieder eine Keilerei in Gang zu setzen. Aber noch bevor er Yū traf, brachen seine Knie unter ihm zusammen und er fiel zu Boden. Seine Verletzungen waren schlimmer als erwartet.

»Ach, scheiße! Ich hasse das! Jetzt kann ich dir nicht mal deine Fresse polieren, obwohl du’s verdammt nochmal verdient hättest!«

Kanda sah seinen Kameraden aus herabschätzenden Augen an. Dann bückte er sich zu Alma nach unten, als sich plötzlich die restlichen Wunden an seinen Beinen öffneten und er sich mit den Händen abstützen musste, um nicht vollkommen zu Boden zu sinken. Er biss die Zähne aufeinander und schluckte die Schmerzen runter. Rumflennen tat hier nur einer und das war mit Sicherheit nicht er!

»Ou man, wir sind ganz schön am Arsch, was, Yū?«

Alma brach in ein schallendes Gelächter aus und Kanda horchte aufmerksam auf. Eigentlich hatte er jetzt mit literweisem Tränenerguss gerechnet, doch diesem Kerl fiel tatsächlich nichts Besseres ein, als stupide drauf loszulachen.

»Was ist so lustig, verdammt?! Wir sind verletzt und bluten und haben Schmerzen und das ist deine Antwort darauf?!«

Alma rang nach Luft und kämpfte um Worte. »...ja, hey, ich meine... wenn ich nicht lache, heul‘ ich nur wieder... außerdem liegen wir hier dumm rum und wollen uns schlagen... aber wir können nicht, weil wir kurz vorm Verrecken sind... also-«

Sein Satz erstickte in einem weiteren Lachkrampf, der wohl von seinen eigenen Worten hervorgerufen worden war. Etwas Idiotischeres war Yū in all den Jahren seines Lebens noch nicht untergekommen, stellte er abrupt fest. So unglaublich idiotisch, dass er einfach nicht anders konnte, als sich gehen zu lassen.
 


 

when I laughed along with you,…
 

Kanda schmunzelte und versuchte verzweifelt das aufzuhalten, was sich in ihm anzubahnen drohte. Aber dann konnte er es nicht mehr länger halten und er lachte einfach los. Genauso schallend und banal wie sein Gegenüber, der wohl größte Idiot und beste Freund, den er seither hatte.

Alma schnaufte laut und hielt sich den schmerzenden Bauch. »Du widersprichst dir voll! Jetzt auf einmal lachst du!«

Kanda atmete tief ein, um sich wieder einzukriegen. Er rieb sich die Tränen, die diesmal nicht aus Sorge entwichen waren, aus den Augen. »...ich sag‘ doch, ich hasse dich! Wegen dir tut jetzt alles nur noch mehr weh!«

Seine Wunden schmerzten und in seine Kehle drang frische Luft. Sie war kühl und brannte kein einziges Mal. Das Atmen fiel leichter als zuvor. Ein berauschendes Gefühl aus Glück und Wahnsinn.
 


 

I felt that breathing just got little more easier.
 

»Yū?«

»Was denn noch?«

»...bitte lass mich hier nie allein, ja?«

»Che... als ob ich ‘ne andere Wahl hätte.«

»Danke...«
 


 


 

Alma. It was 193 days later that I destroyed you.

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But in this instant,...
 

»Oi, Yū-chan! Ist alles in Ordnung?«

Kanda reißt die Lider auf und darf nach dem Aufwachen als erstes Lavis besorgtes Gesicht zu sehen bekommen. Sein Herzschlag gleicht einem Presslufthammer, und er scheint noch immer nichts Halbes und nichts Ganzes erfasst zu haben. Das Atmen fällt schwer.

»Warum zum Teufel weckst du mich?! Ich wusste von vornherein, dass es ein Fehler war, mit dir auf ‘ne Mission zu gehen!«

»Jetzt reg dich nicht auf«, beschwichtigt Lavi ihn, »du hast dich die ganze Zeit wie ein Bekloppter im Bett hin und her gewälzt. Hast du ‘nen Alptraum gehabt?«

Bei dem Schlagwort fällt Yū wieder alles ein. Er fasst sich an die Schläfen, während sich Lavi auf die Bettkante setzt. Er kann sich nicht verkneifen, Kanda sanft über den Kopf zu streicheln. Sein Lächeln ist geprägt von Idiotie und Besorgnis zugleich. »Alles wird gut, Yū-chan, war doch nur ein Traum gewesen.«

Kanda greift nach Lavis Handgelenk und stoßt es von sich weg. Sein Blick spiegelt pure Erzürnung wider. »Was soll der Scheiß?! Kannst du mich vielleicht mal in Ruhe lassen oder muss ich dich erst an dein Bett fesseln, damit du dein Maul hältst?!«

»Ja, los, beiß mich, kratz mich, gib mir Tiernamen... fessel mich ans Bett!«, witzelt Lavi und macht die Situation damit nicht gerade besser. Humor und Yū sind zwei Dinge, die nicht wirklich miteinander harmonieren.

»Du willst sterben, oder?« Kanda schenkt Lavi einen Todesblick, der sich gewaschen hat. Dabei spielt er mit dem Gedanken, seine Hand zur Faust zu ballen und sie Lavi ins Gesicht zu schlagen. Das Déjà vu bereitet ihm noch mehr Kopfschmerzen.

»Naja... vielleicht sollten wir versuchen zu schlafen, immerhin müssen wir morgen früh raus.«

»Ach, was du nicht sagst!«, meint Yū und rollt mit den Augen, um der Ironie noch einen Hauch mehr Ausdruck zu verleihen, »jetzt verschwinde endlich von meinem Bett!«

»Jaja, ist ja schon gut!“ Lavi hält inne und denkt kurz nach. »Außer...«

Kanda hebt eine Braue und wartet ab.

»...steht das Angebot mit dem ‚ans Bett fesseln‘ noch? Ich meine, wenn du das nicht machst, könnte es sein, dass ich keine Ruhe gebe... das hast du selbst gesagt!«

Yū trifft mit einem Schlag die Erkenntnis, dass dieser Typ, der noch immer auf seinem Bett sitzt, der wohl größte Idiot ist, der ihm je untergekommen ist. Wieder ein Stechen im Kopf. Als besagter Typ dann auch noch laut zu lachen anfängt, schwappt das Fass der Déjà vus endgültig über und Kanda bleibt nichts anderes erspart, als dem Ganzen schnell ein Ende zu setzen. »Jetzt halt’s Maul und verpiss dich endlich!«

»Okay, okay!« Lavi hält mit dem Gelächter inne und springt auf, bevor Yū auf die Idee kommt, Gebrauch von seinem Katana zu machen. Als er rüber in sein Bett verschwindet, führt er die Misere allerdings mit einem Kichern fort. Statt ihn erneut aufzufordern, die Klappe zu halten, dreht sich Kanda nur stumm auf die Seite und zeigt dem anderen die berühmte kalte Schulter. Er möchte nicht, dass Lavi ihn lächeln sieht.
 


 

when I laugh along with you,…
 

Das Fenster steht offen und kühler Nachtwind dringt in das Zimmer. Die Luft rauscht durch Yūs Atemwege und erfrischt seine Kehle statt zu brennen. Er schließt die Augen und denkt an das Jetzt. Dabei erinnert er sich an das Damals. Das Atmen fällt leichter als zuvor. Ein berauschendes Gefühl aus Glück und Wahnsinn.
 


 

I feel that breathing just get little more easier.
 

»Yū-chan?«

»Was denn noch, Baka...?«

»Gehen wir das nächste Mal wieder zusammen auf ‘ne Mission? Ohne dich ist’s langweilig.«

»Che... wenn Komui es so anfordert, bleibt mir ja keine andere Wahl.«

»Danke...«
 


 


 

Lavi. It is just now that I realize I love you.

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E n d e
 


 

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Die Parallelen zwischen Lavi und Alma bezüglich Kanda sind so offensichtlich, dass sie das Pairing „KandaxLavi“ voll bestätigen. xD Finde ich. Ich hab den OS leicht überarbeitet. Ich hab ihn damals direkt nach dem Erscheinen von Chap 190 geschrieben. Ich hoffe, er hat euch gefallen.^^
 

Fujouri

Born to create DRAMA [Kanda x Drama]

            ♫♪ ‘cause (s)he’s such a Drama Queen~
 


 

»Du bist die Drama Queen des Schwarzen Ordens.«
 

Kanda legte die Essstäbchen penibel geradlinig neben den vollen O-wan. Er sah auf, erzürnt - direkt in Lavis Grinsen. »…halt’s Maul.«

»Siehst du, genau das meine ich.« Lavi beobachtete gespannt die Entwicklung, die Yūs Augenbrauen immer dann machten, nachdem man ihn gereizt hatte. Langsam, aber zielsicher verkrampften sie sich und begannen schräg nach oben zu verlaufen. Lavi fand, dass Kandas Blick in diesem Stadium einen ganz besonders dramatischen Eindruck erzeugte. Allen konnte man hinter dem großen Berg Essen lediglich zwischen den Lücken erkennen, die Speisereste und aufeinandergestapelte Teller bildeten. Nichtsdestotrotz gab er seinen Senf dazu:

»Wenn man mal bedenkt, was für einen Aufstand er eben wegen der Soba gemacht hat…«

»Ja, der arme Ersatzkoch«, meinte Lavi und sah zu Genanntem herüber. Dann seufzte er und wandte sich Kanda zu. »Neh, Yū-chan, willst du dich nicht bei ihm entschuldigen?«

»…nenn mich nicht bei meinem Vornamen, Baka Usagi!« Er sprang auf und zog Mugen aus der Scheide. »Was habt ihr überhaupt für ein Problem?! Entweder ihr seid ruhig oder ihr verschwindet von meinem Platz!«

Er richtete die Schwertspitze auf Lavis Nasenwurzel. Allen rollte mit den Augen, während Lavi auf den Punkt schielte, an dem das Metall seine Haut traf.

»Die Frage lautet eher, was du für ein Problem hast… Ba-Kanda.« Allen grinste schelmisch, und das wusste Yū trotz des ganzen Geschirrs, das ihm die Sicht versperrte.
 

»Was ist denn hier schon wieder los?«
 

Als Allens Blick der Stimme folgte, konnte er Lenalee erspähen, die sich jetzt mit ihrem Frühstückstablett zu ihnen gesellte. Sie sah abwechselnd zwischen Lavi und Kanda hin und her. Dann verstand sie. Sie kicherte leise in sich hinein, ehe sie fragte: »Och, waren die zwei wieder gemein zu dir, Kanda?«

Die Fürsorge, die Lenalees Stimmklang wie eine Schleimspur hinter sich herzog, ließ Yū vor Ekel erschaudern. »Misch dich nicht ein!«, herrschte er sie an.

»Ja, ja, schon gut, ich hab‘ nichts gesagt.« Sie setzte sich neben Allen und fügte sich dem täglichen Déjà-vu-Erlebnis, das die drei in ihr verursachten. Kanda zog Mugen wieder zurück, hockte sich in aufrechter Position auf seinen Platz und ahnte, dass das Thema für die anderen beiden noch lange nicht abgehakt war.

»Wenn ich mal so darüber nachdenke, lässt sich Yūs ›Dramaness‹ über die gesamte Woche hinweg zurückverfolgen.«

»Noch weiter«, korrigierte Allen seinen Kumpel, und Lavi nickte kurz.

»…›Dramaness‹?«, wiederholte Lenalee verständnislos und bemühte sich zugleich, Kandas feindlichen Blicken auszuweichen, die sie wie Bomben auf sich einzuschlagen spürte.

»›Dramaness‹«, bestätigte Lavi und sprach seine Worteigenkreation wie das Selbstverständlichste auf der Welt aus. »Yū ist doch unsere Drama Queen. Und eine Drama Queen hinterlässt ›Dramaness‹. Denk mal über die letzte Woche nach, dann weißt du, was ich meine.«

Lenalee hatte ihre Gabel zwischen die Zähne geklemmt und begann mit den Fingern am Griff zu spielen, während sie grübelnd an die Decke sah. Kanda, über den bisher fast ausnahmslos in der dritten Person gesprochen worden war, krallte die Hand um die beiden Essstäbchen und drückte so fest zu, dass die Konturen der Knöchel unter der Haut hervortraten. Zeitgleich biss er sich auf die Unterlippe und hatte zum Glück noch eine Hand frei, um sich an die Schläfe zu greifen. Somit führte er alle drei Tätigkeiten aus, die seinem Gefühlszustand Ausdruck verleihen konnten - und mit denen für gewöhnlich nur schlechte Romane bespickt sind.

»Das lässt sich alles in Fallbeispiele gliedern«, murmelte Lavi, und auch er starrte jetzt gedankenversunken ins Leere. Allen kratzte noch die letzten Reste an so manchem Tellerrand ab, ehe er es den anderen gleichtat.
 

Die letzte Woche…
 


 

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FALL 1:

Die Sache mit dem Haarband
 

»Oi, Lavi.« Das lange Haar hätte theatralisch im Wind geweht, würde Kanda sich nicht in einem Raum mit geschlossenen Fenstern aufhalten. »Wo zum Teufel ist mein Haarband?! «

Lavi sah aufmerksam von seinem Buch auf, schluckte, dann zuckte er mit den Schultern. »Keinen Schimmer. Musst es wohl verlegt haben.«

»Ich verlege meine Haarbänder nicht«, verneinte Kanda schroff, »zumal das schon das vierte diese Woche ist. Los, jetzt rück sie schon raus, Baka, ich weiß, dass du sie hast!«

Ein Seufzen drang aus Lavis Kehle, wie so oft, wenn Yū die berühmte Fliege zum Elefanten mutieren ließ. Er schlug sein Buch zu, stand auf, schob den Stuhl an den Tisch heran und überkreuzte die Arme vor der Brust. Dann grinste er. »Und was führt dich zu dieser Annahme?«

Die Frage stank nach Rhetorik. »Das weißt du genau.«

Lavis Grinsen wurde süffisanter. Er lief ein paar Schritte auf Kanda zu und musterte dessen Blick. »Komm schon, sprich es aus!«

»Che, für wen hältst du mich?!«, raunte Yū und wich mit deutlich verbissener Miene zurück. In Gedanken verfluchte er sich dafür, Mugen gerade nicht bei sich zu tragen.

»Okay, dann muss ich dir wohl auf die Sprünge helfen…«

»Oi, Lavi, ich bring‘ dich um, wenn du-« Die Drohungen waren vergebens. Lavi hatte bereits die Arme ausgebreitet und war Kanda gefährlich nahe gekommen.
 

»Mit offenen Haaren bist du einfach soo~ schnuffig, Yū-chan!«
 

Fast hätte Lavi ihn in eine Umarmung höchsten Grades geschlossen, doch Kanda wich so geschickt aus, dass man meinen könnte, er hätte jahrelang nur dafür trainiert. Seine geballte Faust schrie geradezu danach, sich einen Platz in Lavis Gesicht zu reservieren, aber prompt entschied Kanda, sich nicht die Hände schmutzig machen zu wollen. Wo kämen wir denn da hin.

»Aber!« Lavi hob den Zeigefinger. »Ich hab‘ deine Haarbänder trotzdem nicht.«

»Ach«, machte Yū und verdrehte die Augen, »und wer dann?!«

»Frag doch Alleeen~«, säuselte Lavi, schob den Stuhl ein Stück zurück, setzte sich und nahm wieder sein Buch zur Hand. Kanda sah ihm stumm dabei zu, und als er erkannte, dass aus dem Quatschkopf nicht mehr rauszuholen war, pfiff er Luft durch die Zähne und machte sich dramatischen Schrittes auf zum nächsten Anhaltspunkt.

Lavi hatte das Buch so nahe vors Gesicht gehalten, dass Kanda das verdächtige Grinsen entgangen war.
 


 

-

»He, Lena« Es kam nicht oft vor, dass er ihren Namen abkürzte. Und wenn, dann hatte es noch nie etwas Gutes zu bedeuten, »gib mir‘n Haarband.«

Lenalee hob eine Augenbraue. »Was?«

»Ein H-a-a-r-band, hörst du schlecht?!« Kanda konnte von Glück reden, dass er noch keins mit dem Klemmbrett übergezogen bekommen hatte. Lenalee gab sich stur.

»Pff, frag wenigstens danach!«

»Jetzt mach nicht so einenn Aufstand.« Yū konnte sich nicht erklären, warum Frauen immer aus allem ein Drama machen mussten. Er rang sichtlich mit sich selbst, ehe er endlich fragte: »…kannst du mir ein Haarband leihen?«

»Nein.« Lenalee wandte sich ab und setzte den Weg zum Büro ihres Bruders fort. Kandas Wutader machte sich pochend bemerkbar. »Oi!«

Mit den großen Schritten, die er machte, hatte er Lenalee schnell wieder eingeholt. Sie stampfte energisch weiter und krallte beide Hände fest um den Henkel ihres Koffers. Sie schien nicht minder fassungslos. »Wie wär’s, wenn du deiner Frage noch ein kleines ›Bitte‹ anhängst?«, betonte sie und machte vor dem Eingang des Büros abrupt halt.

»Che, willst du mich erniedrigen?!«

Lenalee schluckte den großen Kloß im Hals runter, den sie Kandas Begriffsstutzigkeit zu verdanken hatte. »…sowas nennt man nicht Erniedrigung, sondern Höflichkeit. Idiot.«

Nach diesem Machtwort riss sie die Tür auf, schlug sie hinter sich zu und ließ Yū wie bestellt und nicht abgeholt auf dem Gang zurück. Beinahe biss sich Kanda die Lippe blutig.
 


 

-

Allmählich gingen ihm die Verdächtigen - die sich im Übrigen auf zwei Personen beschränkten - aus. Als er zuvor bei Allen gewesen war und diesem sein Schwert, das er nur dafür aus seinem Zimmer geholt hatte, an die Kehle gehalten hatte, war auch dort der Erfolg ausgeblieben. Angesichts dieser erbärmlichen Haarpracht konnte Allen ohnehin nicht viel mit Yūs Haarbändern anfangen. Als Kanda eben das klar wurde, war für ihn offensichtlich, dass das Sprichwort ›Alle Wege führen nach Rom.‹ jetzt seine Bestätigung fand.

schnuffig - am - Arsch!
 


 

-

»LAVI!«

»Ich hab‘ sie nicht - wirklich!« Kanda hatte Lavi am Kragen gepackt und gegen die Wand gedrückt. »Als ob ich dir das abkaufen würde!«

Ehe er sich versah, hatte Kanda ihn grob hinter sich hergezerrt. »Yū-chaaaan~… jetzt mach nicht so ein Theater wegen ein paar Haarbändern«, stöhnte Lavi und stolperte fast über seine eigenen Füße.

»Dann rück sie raus, und ich lass‘ dich in Ruhe!«

»Aber ich hab‘ sie doch gar ni-« Lavi verstummte, als er bemerkte, welche Richtung Kanda gerade eingeschlagen hatte - er war auf dem Weg zu seinem und Bookmans Zimmer. »D-Das würd‘ ich lieber bleiben lassen, wenn ich du wäre.«

»Was du nicht sagst.« Kanda konnte es kaum abwarten, die Zimmertür mit einem gekonnten Tritt aus der Halterung zu befördern, Lavi zu entlarven und ihn daraufhin eigenhändig ins Jenseits zu befördern. Ersteres tat er auch, ohne zu zögern. Alles Weitere konnte er jedoch, als er das Geheimnis um das mysteriöse Verschwinden seiner Haarbänder lüftete, getrost von der Liste streichen.
 

»Drei… zwei… eins…«

»…EBAY?!«

Erst jetzt schrak Bookman auf. Dass die Tür wenige Sekunden zuvor in ihre tausend Einzelteile zerschmettert worden war, hatte er vor lauter Auktion gar nicht mitbekommen.

»K-Kanda, es… ist nicht das, wonach es aussieht!« Schier verzweifelt keifte er seinen Schüler an: »Lavi, hab‘ ich dir nicht gesagt, du sollst es vor ihm geheimhalten?!«

»Ich hab‘ getan, was in meiner Macht steht, Pandalein«, log Lavi und ging vorsichtshalber in Deckung, als Yū wutentbrannt zu ihm herübersah. »Du wusstest das? Und hast nichts gesagt?!«

Lavi legte den Rückwärtsgang ein. »Naja, weißt du… im Grunde hab‘ ich ja nichts damit zu tun… und so. Ich denke, ihr zwei solltet das lieber unter euch ausmachen… ihr wisst schon - wie man das unter richtigen Männern, die Haarwuchsmitteln und Haarbändern nacheifern, nun mal ausmacht. Also…« Unsicher lächelnd übertrat er die Türschwelle. »See ya!«

Dann sprintete er davon.

»Verräter!«, brüllte Bookman ihm noch nach, warf anschließend einen Blick auf den Monitor, und seine Augen begannen zu strahlen. »Tschaka, schon wieder eins verkauft! Diese Fangirls ersteigern wirklich jeden Mist!«

Kanda starrte über Bookmans Schulter hinweg auf den Bildschirm und las die Beschreibung des Artikels:
 


 

»Möchten Sie sich Ihrem Lieblingscharakter aus D.Gray-man ganz besonders nahe fühlen? Sind Ihnen Poster in Lebensgröße, Schlüsselanhänger und D.Gray-man-Actionfiguren noch nicht genug? Dann bieten Sie jetzt für ein originales Yū Kanda-Haarband! Lassen Sie sich dieses einmalige Angebot nicht entgehen und schlagen Sie noch heute zu!

Viel Spaß beim Bieten. ♥

(Versand nur innerhalb Englands, Versandgebühren entfallen beim Ersteigern von zwei Exemplaren.)«

»Du verdammter…«

Kanda zog Mugen aus der Scheide. Das Fenster stand offen. Das lange Haar wehte theatralisch im Wind. Um nicht zu sagen: dramatisch.

»Bitte gönn mir doch mein monatliches Haarwuchsmittel! Du weißt ja gar nicht, wie schrecklich es ist, kaum Haare auf dem Kopf zu haben!«

»…und gleich wirst du wissen, wie schrecklich es ist, gar keine Haare auf dem Kopf zu haben!«
 


 

. . . .

Als Lavi sich spät am Abend zurück in sein Zimmer wagte, fand er neben dem üblichen Chaos einen bis aufs Äußerste zerstörten Monitor und einen inmitten dessen Glasscherben kauernden Bookman vor. Auf seinem kahlgeschorenen Schädel spiegelte sich der Mondschein wider.
 

Wie dramatisch.
 


 

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FALL 2:

Die Sache mit Jerry
 

»Oi, Jerry.« Kanda machte ein ernstes Gesicht. Allessagend blickte er in das dunkle Augenpaar. »Es ist wieder an der Zeit.«

Jerry rieb sich das Kinn. »Bist du dir sicher?«

»Todsicher.«

»Hmm…« Der Chefkoch des Schwarzen Ordens musterte Kanda in etwa so genau wie ein Stück Fleisch, um zu prüfen, ob es schon durch war. Als alle Zweifel widerlegt waren, nickte er und sagte: »Stimmt, du hast recht. Aber sehen kannst du noch, oder?«

»Geht so«, antwortete Yū, und plötzlich streckte Jerry die Hand nach seiner Stirn aus und strich durch den dichten Pony. »Der könnte dich bei einem Kampf noch das Leben kosten! Der muss schleunigst gekürzt werden. ♥«
 

Wer glaubte, Jerrys Dienste beschränkten sich einzig auf das gute Essen, das er Findern und Exorzisten auf den Tisch zauberte, war nicht auf dem aktuellsten Stand. Jerry war ebenso zuständig für den gepflegten Haarschnitt der Ordensmitglieder. Und Kanda war, was das betraf, einer seiner treuesten Kunden.
 

»Ich schneid‘ erst mal deine Spitzen, okay? Die sehen verdächtig nach Spliss aus.«

»Schneid aber nicht zu viel ab!«, drohte Kanda, während er mit zwei Fingern durch eine lange Strähne fuhr. Diese Haarpracht war schließlich sein Ein und Alles - neben Mugen und Soba, versteht sich.

»Du könntest auch mal ‘ne ganz neue Frisur ausprobieren~« Jerry griff nach einem Modemagazin mit den angesagtesten Frisuren des neunzehnten Jahrhunderts. Er schlug es auf und blätterte darin herum, bis ihm etwas gefiel. »Diese Seitenscheitel zum Beispiel sind jetzt der letzte Schrei!«

»Ja. Ein Hingucker.« Kanda rollte mit den Augen. »Nein, ich passe.«

»Na gut. Wie du willst.« Endlich nahm Jerry die Schere zur Hand und machte sich an die Arbeit. Kanda saß kerzengerade auf dem Stuhl und rührte sich keinen Millimeter. Sogar aufs Atmen verzichtete er so gut wie eben möglich, um dem perfekten Schnitt bloß nicht entgegenzuwirken. Das wäre ja dramatisch.
 

»Yū-kun! Endlich hab‘ ich dich gefunden!«
 

Die Tür wurde aufgerissen und der Marshall Froi Tiedoll stolperte höchstpersönlich in den Raum. Er wirkte gehetzt und in Eile, aber ebenso überglücklich. Jerry schnippelte seelenruhig weiter. Kanda staunte nicht schlecht über das plötzliche Auftauchen seines Meisters, hielt aber weiterhin still.

»Oh, was für eine Überraschung! Willkommen zurück, Marshall Tiedoll ♥«, flötete Jerry.

»Gensei…! Was machen Sie hier?«

»Ich bin hier wegen ein paar wichtiger Manuskripte, die ich Komui überbringen muss. Und da dachte ich, ich schaue bei der Gelegenheit gleich mal, wie es meinen Lieben geht.«

Tiedolls Augen glänzten verdächtig. »Hach, wir haben uns so lange nicht gesehen, Yū-kun! Ist irgendwas Aufregendes passiert? Warst du viel auf Reisen? Hast du endlich ein Mädchen kennengelernt? Bist du-«

»Zu allem: Nein. Und bitte lassen Sie diesen Spitznamen«, grummelte Kanda. Mit Tiedolls schmierig-fürsorglicher Teilzeitpapa-Persönlichkeit konnte er nun wirklich nichts anfangen. Und erst recht nicht, wenn seine Haare dabei auf dem Spiel standen. Jerry ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und hatte die Spitzen schon bald von ihrem Spliss befreit.

»So~, hinten bin ich soweit fertig«, kündigte er an, und Kanda atmete auf. Nun konnte sich sein Meister allerdings die Freiheit nehmen, ihm ausgiebig den Kopf zu tätscheln.

»Derselbe Griesgram wie immer, was?«

»H-Hören Sie auf damit…«

Würde es sich nicht um seinen Meister handeln, hätte Yū deutlich anders darauf reagiert. In dem Fall beschränkte er sich darauf, die Wut herunterzuschlucken und sich auf den eigentlichen Ernst der Lage zu konzentrieren. »Mach jetzt den Pony, Jerry.«

»Nun gut, ich sehe, du bist beschäftigt. Dann mache ich mich mal wieder auf den Weg. Marie ist ja leider auf Mission, aber da lässt sich nichts machen.« Tiedoll bewegte sich in Richtung Tür, hielt dann aber inne. »Übrigens sucht Lenalee nach dir.«

»Ist es denn wichtig?«

»Das weiß ich nicht.« Tiedoll räusperte sich. »Aber eine Dame lässt man nicht warten.«

»Mir egal. Sagen Sie ihr bloß nicht, wo ich bin, falls sie Ihnen entgegenkommt!«

Mit einem nicht überhörbaren Seufzen öffnete Kandas Meister die Tür und ließ ihn und Jerry allein.
 


 

-

»Verschieb das auf später. Die Mission hat Vorrang.«

Kanda hätte sich gleich denken können, dass Tiedoll ihn verpetzen würde. »Und wie soll ich kämpfen, wenn mein Pony mir die Sicht versperrt?!«

»Ich kann dir eine Haarspange leihen, und du klemmst ihn dir zurück.« Bei dem Gedanken, wie endlos lächerlich das wohl aussehen würde, begann Lenalee zu schmunzeln. Zumal sich ihre Haarspangen auf die Farben Lindgrün und Violett beschränkten.

»Es dauert nicht mehr lang«, versicherte Jerry, aber Lenalee ließ nicht locker.

»Das wird zu knapp, euer Zug kommt gleich!«

Yūs Augen zuckten. Jerry fuhr mit einem feinen Kamm durch seinen Pony. »Euer? Wer denn noch?«

»Lavi und Allen«, sagte Lenalee und ahnte bereits, dass es ein Fehler gewesen war, diese Namen genannt zu haben.

»Che.« Das hätte sie problemlos mitsprechen können. »Mit den Idioten gehe ich nicht auf Mission, das kann sich dein Bruder aus dem Kopf schlagen!«

»Ja, ja«, seufzte Lenalee, »jetzt mach bitte keine Szene und steh auf.«

Jerry straffte die Haare mit dem Kamm und ließ seinen Blick über die Arbeitsfläche wandern. »Vergiss es.« Nach kurzer Pause fügte er noch »Und wenn hier jemand ‘ne Szene macht, dann du« hinzu.

Bisher hatte Kanda noch nicht gewagt, Lenalee auch nur eines Blickes zu würdigen. Erst als er ihre Fingernägel bedrohlich über einen altbekannten Gegenstand schaben hörte, schielte er aus dem Augenwinkel zu ihr herüber. Er sah das Klemmbrett. Mit einem Mal bereute er, was er gesagt hatte. Derweil hatte Jerry gefunden, wonach er gesucht hatte - die Schere.

»Achtung, Kanda-kun, jetzt wird es ernst!«

Er spannte das Ponyende zwischen zwei Fingern. Dann nahm er einen tiefen Atemzug und setzte die Schere an.

»Kanda… du ignoranter…!«

»Jerry, STOPP!«
 


 

-

»Ist mal was anderes«, stellte Jerry in aller Zuversicht fest.

»Sieht irgendwie süß aus«, lachte Lenalee und drückte das Klemmbrett mit beiden Händen gegen ihren Oberkörper - beinahe so, als würde sie es umarmen. Kanda schien nicht allzu begeistert vom Endergebnis. Sprachlos starrte er in den Spiegel. Jerry war deutlich nervös, als er den Unfall zu rechtfertigen versuchte:

»N-Naja, immerhin würde dieser Schnitt erstklassig zum Seitenscheitel passen… das würde bestimmt toll an dir aussehen…«

Yū realisierte, dass sich nicht mehr viel an seinen Haaren retten ließ. Sein Pony war nun… schief. Um nicht zu sagen, die reinste Katastrophe oder - wie es die Jugendlichen von heute schimpfen würden - ein Emopony. Das einzig Positive daran war, dass Kanda zumindest wieder auf einem Auge sehen konnte. Zufriedener stimmte ihn diese Feststellung trotzdem nicht.
 

»Lenalee…«

»J-Ja…?«

»Dein Klemmbrett« Plötzlich sprang Kanda vom Stuhl auf und lief geradewegs auf eine ziemlich verängstigt dreinblickende Lenalee zu. Ehe sie sich versah, riss er ihr das Mörderinstrument à la Klemmbrett aus den Händen und beendete seinen Satz: »hast du heute zum letzten Mal benutzt!«

Das Krachen von entzweibrechendem, massivem Karton hallte durch den Raum. Nachdem er die erste Tat begangen hatte, stampfte Kanda an Lenalee vorbei und verrichtete die zweite an Jerry, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll.

Als Kanda die Tür hinter sich zuknallte, sank Lenalee in die Knie und betrauerte… nicht Jerry.

»…warum… musste er dich nur zerstören…?«

Sie war den Tränen nahe.
 


 

. . . .

Nach wenigen Tagen hatte Kandas Pony mysteriöser Weise wieder die perfekte Länge. Gerüchten zufolge hatte er sich an Bookmans Haarwuchsmittel zu schaffen gemacht, was er als sein gutes Recht empfand, da dieses immerhin von seinen Haarbändern finanziert worden war. Die Stelle, die zu lang gewesen war, habe er angeblich eigenhändig mit Mugen gekürzt.

Für Jerrys Job wurde auf Allens Bitte hin schnell Ersatz gefunden. Kanda kam, was das anging, mit einer Verwarnung davon.

Und Lenalee hatte sich noch am selben Tag ein neues Klemmbrett gekauft…
 

Wie dramatisch.
 


 

-:-:-:-:-:-

FALL 3:

Die Sache mit der Mission
 

a) Der Schlafplatz:
 

»Che, als ob ich draußen schlafen würde.«

Trotzig lief Kanda den schmalen Feldweg entlang und störte sich nicht im Geringsten daran, die Hand vor Augen nicht mehr erkennen zu können. Es war stockfinstere Nacht. Allen und Lavi waren es allmählich leid, Yū kompromisslos hinterherzudackeln. Allen blieb als erster stehen und zog einen Schlussstrich - oder versuchte es zumindest:

»Wir übernachten jetzt hier, ob es dir passt oder nicht, Kanda. Wer weiß, wie weit es noch bis zum nächsten Gasthaus ist.«

»Allen hat recht…«, schloss Lavi sich an, »außerdem tun mir die Füße weh. Ich will gar nicht wissen, wie viele Kilometer wir schon gelaufen sind.«

»Jammert mir nicht die Ohren voll!« Kanda stampfte weiter und ignorierte, dass sich die anderen beiden nicht mehr vom Fleck rührten. Erst, als Allen in die Vollen ging, hielt er inne.

»Oooch, hat Kandalein etwa Angst im Dunkeln?«

»Oder davor, dass ihn böse Monster fressen, wenn er schläft. Keine Sorge, Yū-chan, wir beschützen dich doch~«

Die Nacht war rabenschwarz. Schwertkämpfer sind geübt darin, sich wie Raubkatzen an ihre Beute heranzupirschen und blitzschnell zuzuschlagen. Lavi und Allen konnten inmitten der Dunkelheit lediglich das Sirren von Stahl vernehmen. Sie wussten sofort, dass es sich dabei nur um Kanda handeln konnte, der soeben sein Innocence ausgepackt hatte.
 

»Mugen… - Hatsudo!«
 


 

-

»Nie wieder mit Ba-Kanda auf eine Mission.«

»Nie wieder mit Yū-chan auf eine Mission.«

Beide seufzten in etwa zeitgleich, rappelten sich dann auf und ließen sich vom Wirt in das einzige Zimmer, das noch frei war, geleiten. Zumindest waren sie nach zwei weiteren Stunden Fußmarsch bei einem Gasthaus angekommen, das zwar einen schäbigen Eindruck machte, aber - so hofften sie - Kanda von weiteren Amokläufen abhalten sollte.

»Hier steht ja nur ein Bett«, merkte Lavi ahnungsvoll an, als sich die drei in das kleine Zimmer begaben. Mit skeptischem Blick schielte er zu Allen herüber, doch bevor dieser aus Lavis Mimik schlau wurde, lief Yū schnurstracks an beiden vorbei, entledigte sich seines Mantels und setzte sich aufs Bett. Jetzt, als es bereits zu spät war, verstand Allen. Kanda spürte hasserfüllte Blicke an sich haften. Ohne Mühe ignorierte er sie.

»Hey, Kanda, was soll das werden?!« Eigentlich hätte Allen sich die Frage getrost sparen können.

»Was hast du jetzt wieder für ein Problem?«

»Na, was wohl? Du hast-«

»Lass gut sein, Allen.« Lavi klopfte ihm auf die Schulter. Er kannte Yū lang genug, um einschätzen zu können, ab wann jegliche Bemühungen an Sinn verloren. Allen schaute fassungslos drein, schüttelte den Kopf und machte es sich auf dem Boden bequem. Oder auch nicht.
 


 

-

»Oi, Moyashi!«

Ein Tritt gegen den Hinterkopf weckte Allen so sanft wie das Geräusch einer Bohrmaschine. »…h-hast du sie nicht mehr alle?!«, keifte er und rieb sich den schmerzenden Kopf. »Was willst du?!«

»Nimm du das Bett.«

»W-Was?« Allen glaubte, er höre schlecht.

»Du kannst es auch bleiben lassen, Hauptsache, du verschwindest aus der Ecke, du bist mir nämlich im Weg!«

Grummelnd fragte Allen: »Und was bewegt dich zu dieser selbstlosen Tat?«

»Das Bett«, begann Kanda, »ist unbequem. Und es stinkt. Nach Leiche oder sowas. Keine Ahnung. Jedenfalls kann darin kein normaler Mensch schlafen.«

»Aha.« Zweifelnden Blickes stand Allen auf und räumte den Platz. Eigentlich kam es ihm gerade recht, dass Yū ›Die Prinzessin auf der Erbse‹ inszenierte, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass das Bett unbequemer als eine modrige Ecke auf dem Boden wäre. Und das war es auch nicht. Allen streckte sich ausgiebig, ehe er sich auf die Matratze legte, die weiß Gott nicht nach Leiche stank. Doch nach wenigen Sekunden, nachdem er die Augen geschlossen und sich in Schlafposition begeben hatte, wurde er erneut gestört:

»Das nächste Mal übernachten wir draußen.«

»…ich glaub‘s nicht, du warst doch dagegen!«

»Che! Hätte ich ahnen können, dass wir stattdessen in ‘nem mickrigen Einzelzimmer enden?!«

Als zu allem Übel Lavis Schnarchen in Kandas Gehörgänge drang, war es endgültig aus mit der Hoffnung auf Ruhe und Frieden. »Schnauze, Baka Usagi!«
 

Allen musste sich korrigieren. Nicht ›Die Prinzessin auf der Erbse‹, sondern ›Die Drama Queen auf Erden‹.
 


 

-

b) Die Nahrungsbeschaffung:
 

»So einen Bauernfraß esse ich nicht.«

»Stell dich nicht so an, Yū. Ist doch ganz normales Essen.« Der nächtliche Tritt, den Lavi Kanda zu verdanken hatte, war weitaus heftiger als der ausgefallen, den Allen hatte einkassieren müssen. Die Stelle war zu einer kleinen Beule angeschwollen und bereitete Lavi Kopfschmerzen. Auf Yūs Nörgeln am frühen Morgen konnte er demnach verzichten.

»Wenn wir schon zu dritt in ein viertklassiges Einzelzimmer gesteckt werden, kann man ja zumindest was Anständiges zu essen erwarten.«

»Schoba, hm?«, murmelte Allen mit vollem Mund. Als er runtergeschluckt hatte, fügte er hinzu: »Was anderes isst du doch sowieso nicht.«

»Che«, machte Kanda und stand mit einem Mal auf. Dann schnappte er sich seine sieben Sachen und verschwand geradewegs durch die Eingangstür nach draußen. Lavi und Allen sahen einander stirnrunzelnd an.

»Diese Zicke…«
 


 

-

Da Kanda die Ego-Route eingeschlagen hatte, hatten die anderen beiden das Gasthaus verlassen, ohne auf ihn zu warten. Und - zugegeben - es fühlte sich beinahe schon befreiend an, die Drama Queen vorläufig nicht mehr am Hals zu haben. Allen atmete aus.

Die Freude verging ihnen jedoch wieder, als sie die nächste Stadt erreichten, die auf Komuis Karte eingezeichnet war.
 

»Das sind doch keine Soba, verdammt! Und Sie nennen sich Asia-Koch?!«
 

Wie es der Zufall so wollte, fanden die beiden ihren verlorengegangenen Kameraden an einem kleinen Asia-Stand vor, der sich nahe dem Stadttor befand. Können verlorengegangene Dinge nicht verlorengegangen bleiben?

»Los, Allen, lauf schnell weiter, wir tun einfach so, als hätten wir ihn nicht geseh-«

»Oi, Moyashi, Baka Usagi!« - Zu spät. »Ihr habt ja ganz schön lange gebraucht.«

»In your face«, dachte Allen, aber als er einen Blick auf Lavis Beule warf, verging ihm der Wunsch nach einem dummen Kommentar auf der Stelle wieder.

»Und, sobamäßig wohl doch nicht so fündig geworden«, merkte Allen stattdessen an, als Kanda vom Stand zu ihnen gelaufen kam.

»Che«, machte er wieder und wandte sich ab. Zickig wie eh und je. Allen klatschte zweimal in die Hände, bevor er sie ausbreitete. »Komm schon, Kanda, wirf den Konversationsball!«

»Schnauze.«

Lavi schielte zum Asia-Stand, auf dessen Tresen eine zerbrochene Schüssel lag. Der Verkäufer dahinter sah aus, als hätte er ein Gespenst gesehen. Lavi seufzte. »Was erwartest du auch von Asia-Köchen in Schweden?«

»Dann soll er sich nicht so nennen«, sagte Yū und lief weiter in die Stadt hinein - wenn auch mit knurrendem Magen.
 

Wie dramatisch.
 


 

-:-:-:-:-:-

FALL 4:

Die Sache mit-

X

»KLAPPE, MOYASHI!!«

Alle Anwesenden in der Kantine hatten ihre Aufmerksamkeit auf einen sehr wütenden Kanda gerichtet. Dieser war aufgeschnellt, und seine Finger lagen verdächtig auf dem Griff seines Schwertes. »Die Hälfte davon ist sowieso erfunden!«

»…ist sie nicht«, murmelte Allen, während Lenalee die Handfläche so fest auf ihren Mund presste, dass diese taub wurde, nur um nicht lauthals loszulachen. Durch die bloße Erinnerung an die letzte Woche stiegen ihr Tränen in die Augen. Lavi grinste frech. »Du kannst auch wieder einen riesen Aufstand machen. Aber damit bestätigst du deine ›Dramaness‹ nur.«

»Ich will Lenalee noch die Sache von vorhin erzählen«, warf Allen ein und besah Lenalee, die sich allmählich wieder eingekriegt hatte. Mit dem Ärmelsaum wischte sie sich die Tränen von den Wangen.

»Wenn es nicht zu lustig ist«, kicherte sie mit hochrotem Gesicht. Dass einem vor lauter Lachen die Luft wegbleibt, beweist, dass es doch nicht so gesund sein kann, wie alle immer behaupten. An Yūs Todesblick hatte sie sich mittlerweile gewöhnt. In seinen geweiteten Augen spiegelte sich eine Zeitbombe, als Allen ansetzte: »Aaaalso, die Sache mit dem Ersatzkoch…«

In diesem Moment balancierte besagter Ersatzkoch ein Tablett mit einem O-wan voll Soba an den Tisch der vier Exorzisten. Als er es vor Kandas Nase abstellte und das andere, kaum angerührte Tablett abräumte, stellte er sich stramm und salutierte buchstäblich.
 

»Tut mir nochmals leid, Kanda-sama! Ich hoffe, es ist jetzt alles zu Ihrer Zufriedenheit!«
 

Der what-the-fuck-Blick blieb bei keinem aus.

»S-Sama?!«, wiederholte Lavi und musterte das Gesicht des Kochs. Es triefte vor Angstschweiß. Lenalee meinte zu glauben, dass Allen sich die Erzählung nun sparen konnte - das sagte bereits alles aus. Yū nahm die Stäbchen zur Hand und kostete vom zweiten Anlauf. Der Ersatzkoch krallte die schweißnassen Finger in seine Schürze. Er suchte Kandas Blick. Er fand ihn. Mitsamt einer Ladung ›Dramaness‹.

»Diese Soba sind…« - »Sind?« - »…zu…« - »Zu was, Kanda-sama?«

- »…zu SALZIG, verdammt noch mal, wie kann man nur so unfähig sein?! Wer hat Sie hier überhaupt angestellt?!«

»Neh, Yū-chan… ist doch nicht so dramatisch… kannst sie ja nach Belieben nachwürzen.«

Jetzt stand der Explosion nichts mehr im Wege. »Wie oft soll ich’s dir noch sagen?! Nenn-mich-nicht-beim-VORNAMEN!«

Der O-wan voll Soba landete in Lavis Gesicht. Lenalee sprang auf und ging auf Distanz, während Allen sich hinter seiner selbsterrichteten Geschirrmauer versteckte.
 


 

. . . .

Als sich der Lärm legte, kroch Lenalee unter einem der wenigen Tische hervor, die noch nicht entzweigebrochen waren. Als sie sich umsah, fand sie eine rundum verwüstete Kantine vor, in deren Überresten auch so mancher Finder reglos dalag. Lavi und Allen waren bereits über alle Berge. Und der Ersatzkoch - nun ja. Der musste nun ersetzt werden.
 


 

Wie dramatisch.

-:-:-:-:-:-

the dramatic end.
 

____
 

1. Die Idee mit dem Haarband rührt vom Special in Band 19 (da wurd‘ Ebay auch angedeutet)

2. Dieser OS verfolgt nicht die Absicht, eine einheitliche Erzählperspektive oder so etwas wie „Schreibstil“ & „Niveau“ vorzuweisen.

3. Er ist nur durch dieses Video (http://www.youtube.com/watch?v=Pzl86IjTpHI) entstanden - deshalb ist er auch abgemeldet und abgemeldet gewidmet. ;D

4. Er ist voll DRAMA, män!

5. Wer es schafft, hierzu ein konstruktives Review zu schreiben, hat meinen Respekt.

6. Es hat Spaß gemacht. Euch hoffentlich auch.^^
 

Liebe Grüße,

Fujouri

Die Pflichten eines Bookman [Lavi x Kanda]

Der Ort, an dem man dich braucht
 

»Ich sagte, du sollst verschwinden!«

»Das kannst du so oft sagen, wie du willst. Ich werde trotzdem bei dir bleiben.«
 

Nach jedem Satz, den Kanda herausquälte, folgte ein Keuchen. Dass Lavis Auge auf das jämmerliche Bild gerichtet war, das er momentan abgab, war ihm einfach unerträglich. Er überlegte, sich das Kopfkissen zu krallen und es in Lavis Gesicht zu feuern. Aber vermutlich wäre die Mühe umsonst - als ob sich dieser Quatschkopf allein damit vergraulen ließe. Kanda warf den Arm vor die Stirn, schloss die Augen, versuchte Lavi zu ignorieren. Vergebens.
 

»Jetzt lass nicht den starken Mann raushängen. Du kannst nicht verleugnen, dass du krank bist.«

»Ich bin nicht krank!«

»Nein, überhaupt nicht.« Lavi seufzte. »Du hast ja nur Kopfschmerzen und Fieber und Husten und Halsschmerzen, aber krank bist du nicht, schon klar.«

Kanda sah zur Seite. »Na gut, vielleicht habe ich ja… eine Erkältung oder sowas. Was weiß ich, ist auch halb so wild. Wenn du mich endlich allein lässt, wird es mir schon gleich viel besser gehen!«

»Aber jemand muss sich doch um dich kümmern, Yū-chaaan~«, nörgelte Lavi. Er kniete vor Kandas Bett auf dem Boden und hatte die Arme verschränkt auf die Matratze gebettet. Dabei lächelte er ein überaus schmierig-fürsorgliches Lavi-Lächeln, schlimmer noch als das freche, das er sonst immer zu lächeln pflegte. Kanda setzte einen seiner Todesblicke auf. Endlich war ihm das optimale Argument eingefallen:
 

»Che, als ob du dich als Bookman um andere sorgen dürftest.«
 

Eine Weile lang verharrte Lavi in seiner Position, starrte Kanda an, welcher sich der Wand zugedreht und Lavi die kalte Schulter präsentiert hatte. Er hustete mehrfach. Das Kratzen im Hals war zu stark, um es zu unterdrücken. Dann hörte er, wie Lavi aufstand, die Tür öffnete und aus dem Zimmer verschwand. Kanda seufzte erleichtert auf, schlug die Augen zu, zog die Bettdecke bis zum Kinn und erkannte kurzerhand, dass es ihm durch Lavis Verschwinden nicht besser ging.
 


 

-:-:-:-:-
 

»Schlechte Nachrichten, Kanda-kun! Mugen ist total sabotiert, ich werde es nie im Leben reparieren können. Das heißt, dass du dich ab heute nicht mehr als Exorzist bezeichnen darfst. Mein Beileid.«
 

»Was?! Komui, du unfähiger Bastar-«
 

»Beleidige meinen Bruder nicht!«
 

»Woher kommen auf einmal die ganzen Klemmbretter?!«
 

»Tut mir leid, aber wir haben keine Soba mehr.«
 

»Das ist wohl ein schlechter Scherz!«
 

»Du warst zu langsam, Ba-Kanda.«
 

»MOYASHI!! Friss mir meine Soba nicht weg!«
 

»Komurin Version 3.0, mach dich zum Angriff bereit!«
 

»Ziel: Kanda. Yū. Auftrag: Muss. bestraft. werden. Grund: Keine. Ex-is-tenz-be-rech-ti-gung.«
 

»Oi, soll das eine Verschwörung werden?!«
 

»Nicht ganz, Yū-chan.«
 

»L-Lavi?«
 

»Das ist deine Bestrafung dafür, dass du dir nicht von mir helfen lässt.«
 

»Hä? Wo zum Teufel ist da der Zusammenhang?!«
 

»Es gibt keinen.«
 

»U-Und warum…«
 

»Komurin, Attacke!!«
 


 

-
 

Kanda riss die Augen auf. Er setzte sich aufrecht hin und blinzelte benommen. Die Decke lag zusammengeknäult am Fußende des Bettes. Hatte er sie von sich weggetreten? Er fasste sich an die Schläfen. Eine Flut von Satzfetzen schoss mit einem Mal durch sein Gehirn. Er schüttelte den Kopf und begriff allmählich.

Das nennt man also einen Fiebertraum. Absolut inhalts- und zusammenhanglos, einfach nur dumm und ein kleines bisschen… angsteinflößend. Kanda wischte sich den Schweiß von der Stirn, warf sich zurück aufs Kissen und starrte an die Decke. Er dachte über den letzten Part des seltsamen Traumes nach. Inmitten all der Inhaltslosigkeit meinte er darin einen Hauch von Botschaft erkannt zu haben. Wieder schüttelte er den Kopf. So ein Quatsch. Natürlich war es richtig gewesen, Lavi abzuwimmeln, um nicht zu sagen, dass es sich dabei um Selbstschutz handelte. Und natürlich war es richtig gewesen, dabei in die Vollen zu gehen und Lavi an seinen bescheuerten Beruf zu erinnern, den er ständig zu vergessen schien. Kanda hätte es nicht besser machen können.
 

Er schälte sich aus dem Bett.
 


 

-:-:-:-:-
 

»Wo willst du hin?« Lavi legte die Zeitung beiseite.

»Trainieren«, entgegnete Kanda barsch und lief in Richtung Haupteingang des Schwarzen Ordens. Seine Sicht verschwamm mit jedem Schritt, den er tat, ein bisschen mehr. Seine Schläfen pochten vor Schmerzen. Er biss die Zähne zusammen.

Lavi sprang vom Stuhl auf. »Bist du verrückt? In deinem Zustand solltest du im Bett bleiben und dich auskurieren!«

»Ach was, Training hilft gegen alles. Ich muss mich ablenken, das ganze Rumliegen ödet allmählich an.«

»Yū!« Lavi packte Kanda am Handgelenk und zog ihn zu sich. Er machte ein ungewohnt ernstes Gesicht. »Ich weiß, dass ich angehender Bookman bin, das brauchst du mir nicht zu sagen. Und ich weiß auch, dass ich mich deshalb nicht um dich sorgen sollte, aber… ich tu’s halt trotzdem. Also nimm‘s gefälligst so hin und lass mich für dich da sein!«

Kanda sah Lavi erstaunt an. Ehe er sich versah, hatte dieser ihn hinter sich her-, in Richtung seines Zimmers, gezerrt. Kanda wunderte sich darüber, weshalb er nicht den Drang verspürte, sich loszureißen und Lavi zu verprügeln. Vielleicht rührte diese Gleichgültigkeit von seinem Unwohlbefinden. Oder der Tatsache, dass es zwecklos war, sich gegen Lavi zu behaupten - dieser setzte seinen Willen so oder so durch.
 

»Leg dich hin, deck dich zu, reg dich nicht wieder künstlich über mich auf und geh erst dann wieder aus dem Bett, wenn ich es dir erlaube!«

»Du hast sie doch nicht mehr alle«, bemerkte Kanda mit hochgezogener Augenbraue, befolgte Lavis ersten beiden Befehle trotzdem und ließ einen deutlich entnervten Seufzer verlauten. Lavi tapste zu ihm ans Bett, kniete sich wieder davor und legte eine Hand auf die heiße Stirn. »Woah, du hast echt hohes Fieber, Yū!«

Kanda zuckte zusammen. »H-Hör auf damit, Baka!«, motzte er und ballte die Hände zu Fäusten. Was wagte dieser Idiot auch, ihn einfach anzufassen? Als ob seine pure Anwesenheit nicht schon schlimm genug wäre.

Lavi ließ die Hand ein Stückchen höher gleiten, fuhr durch den dichten Pony bis hin zum Scheitel und begann mit den Fingerspitzen durch das lange Haar zu kraulen. »Ich hab‘ doch gesagt, du sollst dich nicht künstlich aufregen.« Das typisch freche Lavi-Lächeln kam zum Vorschein. Das gefiel Kanda zumindest besser als das schmierig-fürsorgliche. Er neigte den Kopf leicht zur Seite und atmete entspannt aus. Das Pochen in den Schläfen ließ langsam nach. Einen Moment lang schwiegen beide. Doch Kanda konnte es sich nicht erbitten, einen letzten Kommentar abzugeben:

»Che. Du wirst der miserabelste Bookman, den die Welt je gesehen hat.«

Lavi blinzelte. Dann grinste er breit.
 

»Ja. Vermutlich.«
 

____
 

Oh man, so ein Klischee-Plot, ich schäme mich fast dafür. *lach* Aber es ging schnell zu schreiben und hat Spaß gemacht, und meine Absicht war es sowieso nur, etwas Kurzes, Fluffiges zu schreiben. :3 Die zwei sind so niedlich… hach. <3
 

Liebe Grüße,

Fujouri

Komurine 1.0 [Kanda x Allen]

Stets zu fangirlishen Diensten
 

»Wann kommt Allen endlich zurück? Ich halt‘ das langsam nicht mehr aus!«

»Che. Als ob sich was ändern würde, wenn Moyashi wieder da ist.«

»Würde es! Du musst es tun, Yū-chan. Für uns! Für den Schwarzen Orden!«

»Vergiss es!«
 

Kanda und Lavi saßen auf der Couch in Komuis Büro. Nachdem Lavi ihn an den bevorstehenden Untergang der Welt erinnert hatte, drehte sich Kanda um und starrte über die Sofalehne hinweg auf die Türklinke. Energisch kaute er auf seiner Unterlippe herum. Er stellte sich vor, wie die Klinke nach unten gedrückt werden würde und ein erleichterter Komui in den Raum spaziert käme. Er würde aufatmen und erfreuliche Dinge wie »Ich habe eine andere Lösung gefunden!« von sich geben. Doch als sich die Tür wirklich öffnete, wurde Kanda eines Besseren belehrt - Optimismus war hier eindeutig fehl am Platz.

»Es hilft alles nichts, es gibt nur die eine Möglichkeit«, seufzte Komui und plumpste auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch.

»Steht denn überhaupt nichts Hilfreiches in dieser verdammten Gebrauchsanweisung?!«, raunte Kanda, und wieder malten sich Bilder in seinen Kopf, die schleunigst verdrängt gehörten. Komui schüttelte den Kopf. Mit einem Schmunzeln streute Lavi zu allem Übel Salz in die offene Wunde:

»Feuchte schon mal deine Lippen an, für den Fall, dass dein Schatzi gleich zurückkommt~«

Kandas Augenbraue begann zu zucken. Er ballte die Fäuste. Die Fingernägel kerbten sich spürbar tief in die Handflächen. Doch ehe er die Absicht, aufzuspringen und Lavi das Grinsen aus der Visage zu prügeln, in die Tat umsetzen konnte, war die Tür ein weiteres Mal geöffnet worden, und das Grauen trat höchstpersönlich herein. Die gläsernen Augen zirkulierten wie ein Kettenkarussell. Die massiven Arme fuchtelten wild herum. Der stählerne Mund klappte mit einem Mal auf und setzte den Wahnsinn, mit dem der Schwarze Orden seit geschlagenen drei Tagen zu kämpfen hatte, fort:
 

»Komurine - will - Yullen - FANSERVICE
 


 

. . . . .
 

»Was soll ich mit so dummen westlichen Spielen? Ich hab‘ keinen Bock mehr.«

Kanda klatschte die Karten auf den Tisch und verschränkte die Arme. Auf solchen Mist konnte er getrost verzichten.

»Tja, Pokern ist nun mal nichts für Leute, die sich nur mit roher Gewalt behaupten können.« Allen rollte auffällig mit den Augen, legte sein Blatt auf das Deck und sammelte auch die restlichen Karten ein, um sie auf diesem zu stapeln. Kanda pfiff Luft durch die Zähne. Dass dieser Winzling sich auch ständig mit ihm anlegen musste.

»Forderst du mich jetzt nur noch zum Kartenspielen heraus, weil du weißt, dass du in einem richtigen Kampf verlierst? Che. Mit dieser Mädcheneinstellung wirst du immer ein Moyashi bleiben!« Kanda stand auf und lief an dem Knirps vorbei in Richtung Tür. Er ahnte bereits, dass dieser auf sein letztes Wort bestehen würde. Und das tat er auch.

»Oi, Kanda.« Er wagte, sich ihm in den Weg zu stellen. »Ich heiße Allen! Aber das kannst du dir natürlich nicht merken… Bei dem Bisschen Hirn ist es ja schon ein Wunder, dass du weißt, wie man ein Schwert in der Hand hält.«

»Was hast du da gesagt?!« Kanda zögerte nicht und packte Allen am Kragen. Er starrte ihn feindselig an. Allmählich sollte er sich angewöhnen, Mugen immer bei sich zu tragen - vor allem in solchen Situationen könnte dies sehr hilfreich sein. »Mir reicht es zu wissen, wie ich kleine Mistkerle wie dich in Stücke schlage!«

Allen drehte den Kopf zur Seite und schielte Kanda aus dem Augenwinkel heraus an. Er schien nicht mal minder erschrocken über die Drohung zu sein. »So? Du spuckst immer dieselben dummen Sprüche aus, Ba-Kanda…« Er zog ein arglistiges Grinsen. Das passte Kanda überhaupt nicht in den Kram. Er vergrub die Finger in dem Saum des Hemdes, das der Schwächling trug.

»…MOYASH-«
 

»Heeeey~, meine Lieben!«

Kanda ließ von Allen ab. Dieser runzelte die Stirn. »M-Meine Lieben…?«

»Ich muss euch unbedingt meine neueste Erfindung zeigen!« Komui hatte den Gemeinschaftsraum betreten, und seine Augen strahlten verdächtig. Kanda befürchtete Schlimmes. Als er sich zur Tür wandte, sah er, dass diese einen Spalt breit offenstand. Durch die Lücke lunzte ein großes, glänzendes Auge in den Raum. Die Lider schlugen mehrfach auf und zu, als es Kanda zu erspähen schien. Nun befürchtete er das Schlimmste.

»Los, Komurine, nicht so schüchtern. Sag den beiden ›Guten Tag‹!«

»Komurine?«, wiederholte Moyashi. »Das klingt wie-«

»-Komurin in weiblich, genau!« Komui schlug die Faust auf die offene Handfläche. »Da es mit Komurin immer Schwierigkeiten gab, dachte ich, dass es mit einem Mädchen vielleicht besser laufen würde. Ich habe ihr einen Chip installiert, der auf Haushaltsdienste programmiert ist. Sie kann also nichts kaputt, sondern nur sauber machen. Ist das nicht toll?« Er drehte sich um und machte eine lockende Geste. »Komm schon, Rine-chan. Niemand tut dir was!«

Der Türspalt wurde um wenige Zentimeter erweitert. Die murmelartige Iris bewegte sich von Kanda weg und nahm nun Allen ins Visier. Die Lider fielen mechanisch zu und schnellten anschließend nach oben. Kanda kämpfte mit der Geduld, als er ein weiteres Mal von dem Ding fokussiert wurde. Konnte dieser Schwachmat von Abteilungsleiter seine Zeit nicht ein einziges Mal sinnvoll nutzen? Nein, natürlich nicht. Stattdessen hielt er es für nötig, elende Blechbüchsen zum Leben zu erwecken, mit denen nichts anzufangen war.

Während Kanda sich in Gedanken die nötigen Worte zurechtlegte, um Komui zur Sau zu machen, wurde die Tür mit einem Mal aufgestoßen, und das klobige Etwas rollte geradewegs auf Moyashi zu. Die gläsernen Augen spiegelten Wahnsinn höchsten Grades wider. Die Blechbüchse breitete die Arme aus und packte ihr Opfer an der Taille.

»Oi, was…?!«

Kanda wich einen Schritt zurück. Augenblicklich darauf wurde ihm klargemacht, dass das bei Weitem nicht ausreichte, um das Schlimmste zu verhindern. Ehe er sich versah, hatte der Roboter Moyashi zielgenau auf ihn geschleudert, sodass beide zu Boden fielen. Was sollten diese verdammten Kinkerlitzchen?!

»Runter von mir, Moyashi!«, keifte er mit geballter Faust, die er nur zu gerne in Allens Gesicht sehen würde - aber da hatte er die Rechnung ohne Komurine gemacht.

»Muss - shippen. Will - Yullen - Fanservice!«

»...›Yullen‹?! Was meint sie mit-«

»A-Alles in Ordnung mit dir, Rine-chan?«

»FANSERVICE!!«

...

»Uaah!!«
 


 

*

»Komui. Ernsthaft. Was zum Teufel war das?!«

Nachdem die drei aus dem Raum geflohen waren, hatten sie mehrere Möbelstücke vor die Tür geschoben und sich, an ein Sofa lehnend, davorgesetzt. Kandas Augen waren weit aufgerissen. Noch immer stockte sein Atem.

Dieser Schrotthaufen hatte doch tatsächlich versucht, ihn und Moyashi am Schopf zu packen und ihre Köpfe - um nicht zu sagen: ihre Lippen - gewaltsam gegeneinanderzupressen. Hässliche Bilder übermannten ihn, als er sich vorstellte, wie das Ganze hätte ausgehen können, wären sie nicht schnell genug gewesen. Als er einen Blick auf Allens kreideweißes Gesicht wagte, wusste er zumindest, dass er nicht als Einziger mit einem Schock fürs Leben gebrandmarkt worden war.

»Ich kann mir ihr Verhalten auch nicht erklären. Ich hatte ihr doch eine zartbesaitete Seele installiert...«

Kanda wischte sich den Schweiß von der Stirn. Plötzlich wurde gegen die versperrte Tür geschlagen, und das Sofa bebte bei der Erschütterung. Kanda biss die Zähne zusammen.

»Du solltest mal überprüfen, ob du ihr keine anderen Funktionen eingebaut hast«, sagte Allen mit vorwurfsvollem Unterton. Komui rieb sich das Kinn und starrte an die Decke. Wieder überkam Kanda der Drang, seine Faust in jemandes Gesicht zu schlagen - diesmal jedoch in das Komuis.

»Kannst du nicht einmal irgendetwas richtig machen? Verdammt, du bist der Abteilungsleiter, trag endlich mal ein bisschen Verantwortung!«

»Hey, Ba-Kanda hat das erste Mal in seinem Leben etwas Sinnvolles gesagt!«, rief Allen aus, erkannte aber schnell, dass dies keine gute Idee gewesen war.
 

»Allen - gibt - Kanda - recht. Yullen - Hint! Yullen - Hint!«
 

Metallfäuste polterten gegen die Innenseite der Tür. Die Möbel kippelten durch die Wucht der Stöße. Die Blechbüchse war drauf und dran, sich zu befreien. Auch wenn Kanda nichts mit dem Begriff ›Yullen‹ anfangen konnte, meinte er eine leise, bittere Vorahnung zu haben, was der Grund für Komurines Verhalten war. Allen presste die Hände auf beide Ohren und hätte Kanda beim Ausholen beinahe den Ellenbogen ins Gesicht gerammt.

»Ahh, sie soll endlich aufhören! Stopp das, Komui!«

Komuis Gesichtsausdruck verriet, dass er allmählich erfasste, was es mit der Fehlprogrammierung auf sich hatte. »Na gut, ich lauf‘ schnell in mein Labor und schaue nach, ob ich auch wirklich den richtigen Chip eingebaut habe. Haltet hier die Stellung!«

Bevor Kanda etwas entgegnen konnte, war Komui aufgesprungen und losgesprintet. Allen hielt sich noch immer die Ohren zu, während der Schrotthaufen auf der anderen Seite fröhlich seine ›Yullen‹-Parolen weiterplapperte. Moyashi war wirklich überempfindlich.
 


 

*

»Warum hat das so lange gedauert?!«

»Kanda-kun? Allen-kun?« Komui nahm einen tiefen Atemzug. »Ihr werdet nicht erfreut über meine Nachrichten sein.«

Er kniete sich vor die beiden, die noch immer mit dem Rücken gegen das Sofa drückten, und rollte ein vollgekritzeltes Plakat auf. Die Tür zeichnete bereits einige Risse.

»Das hier ist die Bedienungsanleitung des Chips, den ich... versehentlich installiert habe.«

Nachdem er es hochgehalten hatte, legte er das Plakat auf dem Boden aus. Kanda warf einen flüchtigen Blick darauf. Dann schielte er zu Komui. »Che. Die ist auf Deutsch geschrieben, wie sollen wir das entziffern?«

»Ich hab‘ es Miranda übersetzen lassen.« Komui kramte ein zusammengefaltetes Blatt aus seiner Hosentasche, faltete es auf und legte es neben das Plakat. »Deshalb hat es so lange gedauert.«

Allen beugte sich vor und nahm es zur Hand. Sein Blick huschte unsicher von Komui zu Kanda, ehe er die Aufzeichnungen vorzulesen begann:
 

»Erstens: Ein Roboter, der diesen Chip installiert bekommt, verhält sich sehr schüchtern und erregt wenig Aufmerksamkeit, sofern weder Kanda Yū noch Allen Walker in seiner Nähe sind.«

Kanda zog eine Augenbraue hoch. Warum wurden in einer universellen Gebrauchsanweisung sein und Moyashis Namen erwähnt?

»...zweitens: Sobald eine der eben genannten Personen auf den Roboter trifft, schaltet dieser automatisch in den Yullen-Fangirl-Modus um. Er wird drauf und dran sein, die jeweils fehlende Person ausfindig zu machen und sie der vorhandenen auszuliefern.«

»Was soll dieser ›Yullen-Fangirl-Modus‹? Ich kann mir darunter nichts vorstellen.«

»Ich glaube, das willst du auch gar nicht«, murmelte Komui. »Lies weiter, Allen.«

Moyashi schluckte. »O-Okay... Drittens: Hat der Roboter beide Personen zueinander geführt oder ist von Beginn an auf beide gleichzeitig getroffen, erreicht der bereits aktivierte Modus die zweite Stufe. Diese äußert sich darin, dass der Roboter versucht, die beiden zu...-«

Allen sah aus, als hätte er ein Gespenst gesehen. Das Blatt zitterte in seiner Hand.

»Zu was, Moyashi?!«, bohrte Kanda nach, auch wenn ihm klar war, dass die Antwort alles andere als rosig ausfallen würde. Allen hielt Komui das Blatt hin. »Ich kann das nicht vorlesen. Das ist doch krank!«

Also setzte Komui die Misere fort: »-zu shippen. Zu verkuppeln. Euch zusammenzubringen. Komurine will euch als liebendes Pärchen sehen, Kanda-kun.«

Kanda meinte sich verhört zu haben. »Hä?!«

Allen hatte inzwischen die Hände vors Gesicht geworfen und die Beine angezogen. Die Vorstellung schien ihn sichtlich mitzunehmen.

»M-Moment! Wer zur Hölle programmiert solche Chips? Und warum... Moyashi und- ... bedeutet ›Yullen‹ etwa...?!« Mit jedem Satzfetzen, den Kanda herausbrachte, begann er sich seiner Lage bewusster zu werden. Jetzt verstand er auch Allens Reaktion darauf.

»Ja. Genau das bedeutet es«, bestätigte Komui, »ich weiß auch nicht, wer diesen Chip programmiert hat und wie er in den Schwarzen Orden gelangt ist. Jedenfalls habe ich ihn aus Versehen statt des Haushaltsmädchen-Chips in Komurine eingebaut...«

»Das heißt also im Klartext, es ist mal wieder alles deine Schuld! Du Idiot bist wirklich zu nichts zu gebrauchen!« Als Kanda wutentbrannt aufsprang, brach auf einmal Komurine durch die Tür und schob die Möbelstücke beiseite, um an ihr one true pairing zu gelangen. Ihre Glasaugen blitzten scharlachrot auf.
 

»Komurine - will - Yullen - FANSERVICE
 

Komui und Kanda hatten den verstörten Allen jeweils am Arm gepackt und rannten mit ihm im Schlepptau davon. Zum Glück war die Blechbüchse auf ihren zwei kleinen Rädern relativ langsam.

»Steht in der Bedienungsanleitung auch, wie man dieses Ding aufhält?!«

»Ja!« Die drei rannten in den nächstliegenden Raum und verbarrikadierten sich darin. Komui rang nach Luft, bevor er weitersprach: »Da ich Komurine keine Waffen eingebaut habe, müsste es spielend leicht sein, sie mit Gewalt aufzuhalten... aber das sollten wir lieber bleiben lassen. Laut der Gebrauchsanweisung ist eine Art Bombe im Chip installiert, die hochgeht, wenn man den Roboter angreift, fesselt oder sonst wie gewaltsam von seinem Vorhaben abhält.«

»Na ganz toll! Und wenn nicht mit Gewalt, wie dann?!«

»Mit Fanservice«, antwortete Komui trocken, »du musst Allen vor Komurines Augen... naja - küssen, oder sowas...«

Allen, der bis eben geschwiegen hatte, riss plötzlich die Augen auf. »WAS?! Das mach‘ ich garantiert nicht! Nie im Leben!« Er wandte sich Kanda zu. »Und du lass bloß die Finger von mir!«

»Che. Nichts lieber als das.«

Kanda verschränkte die Arme. Komui sah zwischen den beiden abwechselnd hin und her. »Aber ihr müsst es machen! Der Chip wird dann deaktiviert und wir können ihn entfernen. Komurine wird nicht eher Ruhe geben!«

»Dann lockt Moyashi sie eben an einen verlassenen Ort, zerstört sie und geht bei der Explosion ganz heldenhaft und selbstlos mit drauf. Damit hätten wir sogar zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.« Kanda hielt seine Idee für nahezu brillant. Allen sandte ihm verächtliche Blicke zu.

»Ich bin eher dafür, dass du dich opferst. Jemanden wie dich vermisst sowieso keiner!«

»Ohh, sagt der kleine Moyashi, der sich für den Mittelpunkt der Welt hält! Du bist doch sonst immer so scharf drauf, die Menschheit vor dem Bösen zu retten. Also hier, bitte, das ist deine Chance!«

»Hey, ihr zwei, wir haben keine Zeit für Streitereien!«, mahnte Komui. Als die Aufmerksamkeit wieder auf ihm lag, rückte er seine Brille zurecht und sprach weiter:

»Jetzt geht vor die Tür und bringt es hinter euch. Uns läuft sowieso die Zeit davon, weil ich Allen heute noch auf eine Mission schicken muss.«

»Heute? Wann genau denn? Und mit wem?« Allens Augen weiteten sich, und ein ahnungsvolles Lächeln zeichnete sich auf seine Lippen.

»Lenalee begleitet dich«, sagte Komui schnell und schaute auf seine Armbanduhr. Dann sah er Allen erstaunt an. »I-In einer halben Stunde kommt euer Zug! Verdammt... den müsst ihr kriegen. Die Verbindungen nach Spanien sind am Wochenende immer so schlecht...«

»Ach, müssen wir das? Tatsächlich?« Auf einmal sprang Allen auf. Er schmälerte die Lider, als er Kanda frech angrinste. »Tja, dann... wünsche ich dir mit Komurine eine wunderschöne Zeit, Kanda. See ya!«

»Oi, MOYASHI!«

»Allen-kun, wart-« Zu spät. Moyashi hatte bereits die Tür aufgerissen und sich aus dem Staub gemacht. Durch den offenen Spalt hörte Kanda das bedrohliche Rollen zweier Räder über Linoleumboden. Ein Geräusch mit hohem Wiedererkennungswert. Als er einen Blick auf den Flur wagte und ein rotes Augenpaar aus der Ferne erspähen konnte, schloss er zügig die Tür und setzte sich zusammen mit Komui davor.

Mal wieder waren sie eingesperrt. Wie lange sollte das noch so weitergehen? Bis Moyashi wieder zurückkäme? Kanda hoffte, dass dieser Idiot seinen Hintern so schnell wie möglich zurück in den Schwarzen Orden bewegen würde. Lange würde er den wütenden Fangirl-Roboter nicht ertragen können.

Kanda blinzelte und starrte irritiert ins Leere. Warum zog er in Erwägung, etwas ändere sich an der Lage, wenn Moyashi zurückkehre? Er schüttelte den Kopf. So ein Schwachsinn. Es musste eine andere Lösung geben. Eine durchführbare. Eine nicht mal ansatzweise so widerwärtige. Eine, die Kanda und Moyashi in Kombination gänzlich ausschloss. Irgendeine...
 


 

. . . . .
 

»Hey, vielleicht gibt es eine andere Lösung!« Lavi sprang vom Sofa und hob den Zeigefinger. Kanda sah aufmerksam auf, während sich Komurine vor seiner Nase wild im Kreis drehte und eine Yullen-Endlosschleife startete. »YullenYullenYullenYullen...«

Lavi sprach gegen sie an: »In der Gebrauchsanweisung steht zwar, dass sie Yū und Allen anhimmelt, aber es wird mit keiner Silbe erwähnt, was sie von anderen Pairings hält.«

»...das ist ein interessanter Aspekt.« Komui nickte und stierte Lavi mit scharfem Blick an, ehe er Kanda anvisierte. Diesem gefiel Komuis Gesichtsausdruck überhaupt nicht. Als er sich Lavi zuwandte, wurde es nicht gerade besser. Kanda verkrampfte die Augenbrauen. »Halt. Moment. Was willst du damit sagen?«

»Nun ja...« Lavis Grinsen nahm diabolische Züge an. Er ging einen Schritt auf Kanda zu, der wie versteinert auf der Couch sitzen blieb. »Wenn Komurine dich und Allen mag... dann mag sie vielleicht auch...«

Plötzlich stürmte Lavi los, geradewegs auf Kanda zu, der jetzt aufstand und die Hände wie einen Schild vor sich hielt. »Baka, mach das bloß nicht!!«

Seine Gebete wurden erhört. Als Lavi die Arme ausbreitete und kurz davor war, Kanda in eine Umarmung zu schließen, die über jegliche Freundschaftsgesten hinausgegangen wäre, fuhr die Blechbüchse einen ihrer Arme aus, erfasste Lavi und drängte ihn unsanft zurück.
 

»Yuvi - verhindern. Yuvi - inakzeptabel. Yullen - only! Yullen - only!«
 

»...womit sich deine Vermutung widerlegt hätte, Lavi«, merkte Komui verworren an und faltete die Hände auf dem Schreibtisch ineinander. Kanda wusste nicht, wo ihm der Kopf stand. Erst hatte der Schrotthaufen versucht, ihn und diese elende Moyashi zusammenzubringen, und dann war sogar Lavi auf die Idee gekommen, sich begierig auf ihn zu stürzen. In diesen drei Tagen war eindeutig mehr passiert, als sich mit Kandas Weltbild vereinbaren ließ. Lavi schien sich nicht zufriedenzugeben:

»Und was ist, wenn sie nebenbei noch Hetero-Pairings mag? Wir brauchen Lenalee...«

»NEEIIIN, nicht meine Lenalee!« Komui war kurz davor, in Sturzbachtränen auszubrechen. »Außerdem ist sie mit Allen auf Mission. Wenn sie zurückkommen, soll gefälligst Allen hinhalten, bei ihm sind wir wenigstens sicher, dass es funktioniert!«

»Hm, wo du Recht hast...« Lavi überlegte kurz. »Bei einer so extremen Fangirl-Attitüde kann man fast vermuten, Komurine sei... homophil. Hetero-Pairings lässt sie bestimmt noch weniger zu.«

»Dann bleibt nur noch Allen. In der Bedienungsanleitung steht auch, dass der Chip nach dreitägigem OTP-Entzug auf den Amok-Modus umschaltet...«

»...Allen ist unsere einzige Hoffnung. Wir haben nicht mehr viel Zeit.«

»FANSERVICE
 

Langsam reichte es. Kanda konnte sich dieses Geschwafel nicht mehr länger anhören. Er stampfte in die Mitte des Büros, zog Mugen und richtete die Spitze auf Komuis Stirn.

»Oi. Ihr hirnrissigen Schwachköpfe. Ist euch eigentlich klar, dass ihr die ganze Zeit denkt, über meinen Kopf hinaus entscheiden zu können?!« Er drehte sich um und schwang das Schwert über Lavis Schopf, ehe er es ihm an die Kehle hielt. »Glaubt ihr allen Ernstes, ich zieh‘ so eine Nummer mit Moyashi ab, nur damit diese verdammte Blechbüchse endlich Ruhe gibt?« Abschließend führte er Mugen an Komurines metallene Schläfe. »Che! Lieber mach‘ ich dieses Ding hier und jetzt zu Schrott und jag‘ damit das ganze Gebäude in die Luft!«

»Bist du verrückt geworden?! Willst du uns alle umbringen?!«

»Eher sterbe ich, als Moyashi zu... - ihr wisst schon!«

Der Schrotthaufen drehte sich trotz Mordandrohung im Kreis und trällerte erquickt vor sich hin: »YULLENYULLENYULLENYULLENYULLENYULLEN~«

»Halt’s Maul!«, brüllte Kanda und holte mit dem Bein nach einem Tritt aus. Jetzt würde er diesem Wahnsinn ein für allemal ein Ende bereiten. Bestimmt war die Sache mit dem explodierenden Chip nur ein dummer Scherz des verrückten Erfinders - immerhin schien dieser aus Deutschland zu kommen, und dass alle Deutsche einen Dachschaden haben, war bei Weitem nichts Neues mehr.

»Halt, Kanda!!«
 

Und er hielt tatsächlich. Nein, falsch. Er wurde aufgehalten. Komurine hatte ihn am Bein gepackt und mit gewaltiger Kraft in die Ecke gefeuert. Fassungslos rappelte er sich auf.

»W-Was...?! Ich dachte, das Teil kann nicht kämpfen...«

Noch bevor Komui über eine mögliche Ursache nachdenken konnte, lieferte Komurine die Antwort:

»Zweiundsiebzig-Stunden-Frist - abgelaufen. Amok-Modus - aktiviert. Komurine - muss - zerstören. Zerstören. ZERSTÖREN

Lavi fasste sich an den Kopf. »Neihiin, es hat begonnen! Allen, wo bleibst du nuur~?!«

Die Blechbüchse fuhr ihre Arme aus und fuchtelte damit blindlings herum, zerberstete die Fensterscheibe, zerbrach einen Blumentopf, schlug tiefe Risse in die Decke. Komui hatte sich auf den Boden geworfen. Lavi und Kanda starrten schweigend auf das Monster, das soeben erwacht war. Die Augen leuchteten in einem intensiven Rot, der Mund war weit aufgerissen, die Stimme klang tief, rau und... irre. Jetzt wünschte sich selbst Kanda Moyashi auf der Stelle wieder zurück. In einem Kampf müssen Opfer gebracht werden. Das hatte er Moyashi bereits auf ihrer ersten gemeinsamen Mission gesagt. Und er glaubte bis heute an seine Worte. Selbst angesichts der Tatsache, inwiefern er als Opfer hinhalten musste.

In seinem Kopf drehte sich alles.
 

Komurine rollte über den geduckten Komui hinweg aus dem Raum. Scheinbar hatte sie die Absicht, den gesamten Schwarzen Orden auf den Kopf zu stellen und in jedem noch so kleinen Zimmer zu wüten. Lavi packte Kanda am Handgelenk und zog ihn mit sich.

»Los, Yū-chan, hinterher! Sie darf nicht noch mehr Schaden anrichten!«

Komui keuchte schwer. »Haltet sie auf... irgendwie... für den Schwarzen Orden...!«
 


 

*

Die Kantine war ein einziges Schlachtfeld. Finder kauerten unter Tischüberresten, Jerry versteckte sich zitternd hinter der Theke und Krory hatte sich Lavi und Kanda angeschlossen, die praktisch nichts gegen die Bestie ausrichten konnten. Würde Komurine attackiert werden, würde sie zurückschlagen. Würde sie kurz davor sein, den Kampf zu verlieren, würde sie sich selbst in die Luft jagen. Die Situation war schier aussichtslos.

Der amoklaufende Schrotthaufen schlug den Weg zur Forschungsabteilung ein. Dorthin durfte er keinesfalls gelangen. Die Wissenschaftler konnten sich noch weniger als die Finder zur Wehr setzen. Es würde zahlreiche Schwerverletzte, vielleicht sogar den einen oder anderen Toten geben.

»Was sollen wir jetzt tun?«

»Ich weiß nicht... das Gebäude evakuieren?!«

»Dafür ist es schon längst zu spät!«
 

Als sie am Haupteingang vorbeirannten, wurde plötzlich das große Tor geöffnet. Sonnenlicht flutete in den Flur, und Kanda warf die Hand vor die Augen. Es blendete. Er erkannte nichts. Lavi und Krory waren auch stehengeblieben. Als Kanda die Lider schmälerte, konnte er zwei Silhouetten ausmachen, hinter denen das Tor nun zufiel. Die Umrisse nahmen eine Gestalt an. Kandas Herz begann mit einem Mal zu hämmern.
 

»Hey, ihr drei«, erklang Lenalees freundliche Stimme.

»Na, ist das Komurine-Problem gelöst?« Moyashi schien viel zu zuversichtlich. Kanda krallte die Finger in den Stoff seiner Hose. Biss die Zähne zusammen. Spürte Schweiß an den Schläfen entlangperlen. Holte tief Luft. Und dann lief er los.

»Oi... M-Moyashi...«

»Was willst du?«

Kanda machte große Schritte. Seine Wangen glühten. Er blieb vor Allen stehen und murmelte: »...dich.«

Und dann packte er ihn grob am Hinterkopf und drückte die Lippen auf die seinen. Er hielt die Luft an und presste die Augen zu. Der Knirps in seinen Armen war wie zu Stein erstarrt. Weder Körper noch Mund rührten sich. Kanda ließ noch nicht von ihm ab. Als er die Augen wieder öffnete, starrte er in Allens, die weit aufgerissen waren und blanke Erschrockenheit widerspiegelten. Kanda fuhr mit den Fingern durch das weiße Haar. Es fühlte sich weich und seidig und irgendwie gut an. Um sie herum war alles still. Komurine hatte sich bestimmt beruhigt. Allen hing noch immer wie ein Stock in Kandas Umarmung.
 

Allmählich war es genug. Kanda stieß Moyashi von sich weg und wischte sich mit dem Ärmelsaum über die Lippen. Er seufzte und sah in die Runde. Lenalee hatte beide Hände vors Gesicht gelegt. Zwischen den Fingern konnte man erkennen, dass sie hochrot angelaufen war. Krory blinzelte benommen und sein Mund stand offen, während Lavi - wie erwartet - ein ziemlich begeistertes Gesicht machte. Insgeheim stand er wohl auf sowas...

Kanda räusperte sich. »Jetzt alle zufrieden?«

Mit einem Mal wunderte er sich, dass er die Sache relativ gelassen wegsteckte. So schlimm war es gar nicht gewesen. Ein bisschen schlimm natürlich, zweifelsohne! Aber nicht ganz so schlimm wie erwartet. Allen hingegen schnaufte und rang nach Luft. Wieder das kreideweiße Gesicht. Es könnte seinen Haaren Konkurrenz machen.

»...w-warum... Kanda...«, stammelte er und starrte entsetzt zu Boden. Moyashi war wirklich überempfindlich. Kanda gab ihm einen Klaps gegen den Hinterkopf.

»Jetzt wimmer nicht so rum. Hauptsache, dieser Roboter gibt nun endlich Ruhe.«

»Ähm... Yū-chan?« Lavi lächelte bitter. »Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen... aber Komurine ist vorhin einfach weitergerollt. Sie hat gar nicht gesehen, was du eben gemacht hast...«

Die Information traf Kanda wie eine Kugel mitten durch den Kopf. »Was?!«, brachten er und Allen gleichzeitig heraus.

Plötzlich hallte ein Schrei durch den Flur. Er kam aus der Forschungsabteilung. Die Blechbüchse war bereits bis dorthin vorgedrungen.

Kanda schielte Moyashi ahnungsvoll an. Allen schluckte. »N-Nein, Kanda... nein... n-nicht schon wie-«

»Opfer müssen gebracht werden, Moyashi. Lernst du denn nie dazu?!«

Mit diesen Worten packte er Allen an der Hand und stürmte mit ihm in Richtung Forschungsabteilung.

»Woah, das muss ich sehen! Yullen reloaded!«, hörte er Lavi hinter sich ausrufen, welcher den beiden auf der Stelle folgte. Kanda verkniff sich zu schmunzeln.
 

Ausnahmsweise tat es doch mal ganz gut, in der Rolle des selbstlosen Helden zu stecken.
 


 

-:-:-:-:-

the. end.
 

___
 

Ich habe einen Yullen-OS geschrieben. Ich. Habe. Einen. Yullen-OS. Geschrieben! Srsly, in meinem Kopf existiert nur Lavi x Kanda, deshalb war das hier reinste Hirnakrobatik. Aber hey, was tut man nicht alles für seine geliebten Internetkontakte? Nur für Hanayakani und so. :D

Ignoriert bitte die Tatsache, dass Exorzisten ‘ne Explosion überleben können... %D
 

Liebe Grüße,

Fujoshi Fujouri

Spuren im Schnee [Kanda x Allen]

Fünf Jahre. Eine lange Zeit. Aber nicht lang genug, um damit Wunden zu heilen.

Die Zeit hatte Allens Wunden noch nie heilen können. Dabei gibt es doch dieses dämliche Sprichwort, das das Gegenteil behauptet. Daran hatte er immer glauben wollen. Und er tat es auch. Immer noch. Mit Ausnahme eines besonderen Datums, das er auf dem Kalender am liebsten streichen würde, wenn er könnte. Jedes Jahr. Und so auch heute.
 

»Moyashi!«

Allen fühlte sich wie vom Blitz getroffen. Er drehte sich langsam um und schaute in ein wütendes, allzu bekanntes Gesicht. »Lass die Tagträumerei und geh endlich weiter.«

Allen blinzelte. Als er sich umsah, fand er sich in der Kantine des Schwarzen Ordens wieder. Genauer gesagt direkt vor Jerrys Nase, welcher hinter der Theke stand und auf dem leeren Tablett herumtippelte. »Und noch ein dritter Versuch: Was möchtest du essen, Allen-kun?«

»Zaru Soba«, meinte Kanda prompt, zog Allen unsanft zurück und stellte sich vor ihn, »wegen dir warte ich nicht noch länger auf mein Mittagessen!«

Allen öffnete den Mund, aber die Worte blieben aus. Er schüttelte den Kopf. Ihm war ein wenig schwindelig. Als er Jerrys Blick suchte, zuckte dieser mit den Schultern und ging Kandas Aufforderung nach. Etwas anderes blieb ihm bei diesem Kerl auch gar nicht übrig. Aber nicht nur deshalb gab Allen sich kompromisslos geschlagen. Im Normalfall hätte er sich jetzt mit Kanda angelegt. Wahrscheinlich hätte es in einem gegenseitigen Austausch von Todesblicken geendet. Oder Morddrohungen. Vielleicht sogar einem Kampf. Aber diese und andere Späße blieben heute aus.

Allen seufzte und starrte zu Boden. Er hörte, wie Jerry ein beladenes Tablett auf den Tresen stellte. Und dann spürte er prüfende Blicke an sich haften. Er sah auf. Kanda schielte ihn aus dem Augenwinkel heraus an. Als fühle er sich ertappt, wandte Kanda sich sofort um, schnappte nach dem Tablett und lief mit schnellen Schritten an einen freien Platz. Allen schluckte. Auch er fühlte sich ertappt.
 


 

-:o:-
 

»Es tut mir so leid!« Komui verbeugte sich seit den letzten zehn vergangenen Minuten zum etwa fünfunddreißigtausendsten Mal. »Gerade an Weihnachten auf eine Mission gehen zu müssen, ist wirklich schrecklich. Aber es geht nicht anders! Euer Job macht selbst vor Feiertagen keinen Halt. E-«

Bevor er die nächste unbrauchbare Entschuldigung ausspucken konnte, war Kanda ihm ins Wort gefallen. »Ist gut jetzt, ich hab‘ genug davon! Ist doch egal, welcher Tag heute ist. Mission ist Mission.«

Damit hatte Kanda ausnahmsweise recht. Feiertage sollten Exorzisten nicht von Bedeutung sein. Vor allem Weihnachten. Ganz besonders Weihnachten. Allen fasste sich an die Schläfen.

Komui hielt sich mit weiteren Rechtfertigungen zurück. Nüchtern wie üblich begann er die Mission zu erläutern. Allen hörte vereinzelte Satzfetzen und verstand sie nicht. In seinen Ohren dröhnten ganz andere Dinge.

Plötzlich stand Komui vor ihm und drückte ihm eine Bezirkskarte in die Hand. ›Norwegen‹ stand dickgedruckt auf der oberen Hälfte. Allen faltete die Karte zusammen, ohne sie genauer betrachtet zu haben, und schob sie in die Jackentasche. Kanda setzte sich in Bewegung, und er tat es ihm gleich.

»H-Hey!«, rief Komui. Sie drehten sich noch einmal zu ihm um. »Passt bitte auf euch auf. Und frohe Weihnachten, ihr zwei!« Er lächelte ein seltenes, väterliches Lächeln. Allens Herz raste. Er wandte sich schnell ab.

»Che«, machte Kanda und verließ das Büro. Allen trottete ihm nach.
 


 

-:o:-
 

Wenn man aus dem Fenster eines fahrenden Zuges sieht, besteht die Landschaft aus dünnen, kunterbunten Strichen. Sie sind endlos lang - sie beginnen nirgends und sie enden nirgends. Wenn es schneit, formen sich selbst die Schneeflocken zu kleinen Strichen, die an der Fensterscheibe vorbeisausen. Ein schönes, bizarres Bild.

Die Welt zog an Allen vorbei. Er hatte den Ellbogen auf die Armlehne und das Kinn auf die flache Hand gestützt. Er spürte, wie sein Handgelenk allmählich taub wurde. Er regte sich nicht.

»Gibt es was Besonderes zu sehen?« Dass Kanda bei einer Zugfahrt auf Konversation aus war, wunderte ihn. »Oder warum glotzt du so aus dem Fenster?«

»Interessiert‘s dich denn?« Lieber eine Gegenfrage als keine Antwort.

»Nicht wirklich. Es nervt mich nur, weiter nichts.« Kanda überschlug die Beine und schloss die Augen. Die Arme waren wie immer verschränkt. Diese Haltung sollte Allen demonstrieren, dass das Gespräch nun zu Ende war. Das wusste er natürlich. Man brauchte Kanda nicht lange und gut zu kennen, um das zu wissen. Es reichte aus, ihn überhaupt zu kennen.

Allens Aufmerksamkeit galt jetzt nicht mehr dem Fenster. Er besah Kandas Gesicht. Weder musterte er es eindringlich noch starrte er gedankenlos in diese Richtung. Er sah Kanda einfach an. Dieser hatte sich leicht schräg gegen das Fenster gelehnt. Eine der Haarsträhnen, die er nicht in den Zopf band, fiel wie Lametta über seine Wange. Durch das gleichmäßige Tuckern des Zuges wehten einzelne Haare über die schmale Nase. Kanda ließ sich davon nicht stören. Er schien eingenickt zu sein. Um all das zu sehen, musste Allen ihn nicht genauestens mustern. Um nicht mehr als all das zu sehen, musste er nicht frei von Gedanken sein. Es war gut so, wie es war.

Allen atmete aus. Er fühlte sich etwas entspannter als zuvor.
 


 

-:o:-
 

Norwegen war kälter als England. Das bewiesen die geografische Lage des Landes, die meterhohen Schneeschichten und nicht zuletzt das Thermometer, sofern Allen eines bei sich hätte.

Als er nach Kanda aus dem Zug stieg, schlang er reflexartig die Arme um den Körper. Es war schweinekalt. Anders ließ es sich gar nicht ausdrücken. Kanda sah ihn verächtlich an. »Du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen.«

Allen war an einem Punkt angelangt, an dem er einer solchen Aussage zugestimmt hätte. Momentan gab es für ihn nichts, das dagegen sprach. Er krallte die Finger tiefer in den Stoff seiner Jacke. Er lief voraus und stapfte durch den Schnee. Es knisterte unter seinen Füßen.

»Halt die Klappe«, zischte er, ohne Kanda anzusehen.
 

»Wir haben uns verdammt nochmal verlaufen!« Kanda lief stur geradeaus und stampfte dabei die Schneedecke platt. Allen tat sich schwer, mit ihm mitzuhalten.

»Wir haben uns nicht verlaufen. Wir... haben nur einen kleinen Umweg genommen«, versuchte Allen sich vergeblich rauszureden. Auf einmal hielt Kanda an, drehte sich um hundertachtzig Grad, schritt geradewegs auf Allen zu und riss ihm die Karte aus der Hand. »Von wegen ›Umweg‹! Du hast uns total in die Irre geführt, gib‘s doch zu!«

»Nein, ich...« Wieder blieben ihm die Worte im Hals stecken. Es half nichts. Selbst zu den alltäglichen Streitereien mit Kanda war er nicht in der Lage. Wie sollte er also fähig sein, eine Karte zu lesen?

Kanda atmete aus. »Ach, ist jetzt auch egal. Wir sollten versuchen, zurück auf den Gehweg zu finden. Dann nützt uns die Karte vielleicht mehr.«

Er ging weiter, jedoch deutlich langsamer als zuvor. Allen blieb einen Augenblick lang stehen und starrte in den bewölkten Himmel. Kanda hatte es aufgegeben, weiter auf ihm herumzuhacken. Er hatte das, was geschehen war, akzeptiert, statt es noch schlimmer zu machen. Das sah ihm ganz und gar nicht ähnlich.

Als Kanda mit einem »Jetzt komm schon!« gegen den tosenden Wind anbrüllte, weiteten sich Allens Augen, und er setzte sich in Bewegung.
 


 

-:o:-
 

Der Wind hatte nachgelassen. Aus der Ferne war Rauch zu sehen. Er stieg wie ein einziger grauer Wolkenklumpen empor. Ein paar Schritte weiter erkannte Allen den dazugehörigen Schornstein. Es hatte zu dämmern begonnen. Kanda und er hatten Glück gehabt.
 

»An Feiertagen haben wir eigentlich geschlossen...«

»Nun lass sie schon rein, Schatz! Du kannst zwei Reisende doch nicht an Weihnachten vor der Tür stehenlassen. Bei der Kälte!«

Eine Dame mittleren Alters drängte sich an ihrem Mann vorbei. »Kommt schon rein, keine falsche Bescheidenheit!«

Allen schielte unsicher zu Kanda. Dieser rollte mit den Augen, ehe er ins Haus trat. Als die Dame sie zu ihrem Zimmer geleitete, liefen sie an einem kleinen, schlicht geschmückten Christbaum vorbei. Die Kerzenlichter flackerten und erfüllten den ganzen Raum. Allen ging nur ungern an ihm vorbei. Er sah so schön aus.
 

»Gute Nacht. Und frohe Weihnachten!«, wünschte die Dame herzlich und schloss die Tür leise hinter sich. Kanda seufzte. Er schien nicht sonderlich angetan von dem ganzen Trara um Weihnachten zu sein. Das Angebot, mit dem Ehepaar zusammen zu speisen, hatte er sofort abgelehnt. Das war Allen nur recht gewesen. Weihnachten hatte nichts Schönes an sich. Und das konnten weder Kerzen noch Christbäume, noch ein gutes Essen ändern. Das war es, was Allen sich einredete.
 

Kanda schloss die Tür ab. Allen zuckte zusammen, als er den Schlüssel klirrend aus dem Schloss zog und in der Hosentasche verschwinden ließ. Dann fixierte er Allen. Dieser wich zurück, bis er sich in eine Ecke gedrängt wiederfand. Kanda hatte sich vor ihm aufgebaut und mit der Handfläche neben dem weißen Schopf gegen die Wand geschlagen. Wie ein Stromschlag jagte der Schreck durch Mark und Bein.

»Was zum Teufel ist los mit dir, Moyashi?!«

Er sah Allen direkt in die Augen. Er studierte sie so genau, dass man meinen könnte, er versuche aus ihnen schlau zu werden. Allen kämpfte innerlich darum, sich abzuwenden. Aber es gelang ihm nicht. Etwas Undefinierbares zwang ihn, Kandas Blicken nicht auszuweichen. Sich ihnen vielleicht sogar entgegenzustellen.

»W-Was meinst du...«, stotterte er und merkte erst jetzt, dass seine Zähne vor Kälte klapperten. Ihm war gar nicht aufgefallen, wie kalt ihm von dem langen Marsch durch den Schnee noch immer war.

Kanda wartete kurz, schien Allens Gesichtsausdruck einzufangen, ehe er weitersprach: »Was wohl? Du benimmst dich schon den ganzen Tag über wie der größte Idiot! Das tust du zwar immer, aber heute... tust du es irgendwie anders! Was auch immer. Und es kotzt mich an! Wenn du dich weiterhin so erbärmlich verhältst, bist du mir nur im We-«

Allen unterbrach Kanda mit einem Schluchzen. Er hatte sich mit dem Rücken fest gegen die Wand gedrückt, als wolle er von ihr verschluckt werden. Er suchte nach Worten für das, was in ihm vorging. Er suchte nach Rechtfertigungen, Entschuldigungen, Erklärungen. Er fand etwas, das alles und doch nichts von all den Begriffen beinhaltete. Und es musste raus.
 

»...Mana ist... g-gestorben...«
 

Durch den Tränenfluss verschwamm die Sicht. Allen meinte zu erkennen, dass Kanda die Stirn runzelte. Er wusste nicht, wer Mana war. Allen musste sich besser erklären. Er schniefte, senkte den Blick und setzte noch einmal an:

»M-Mana... hat mich adoptiert. An Weihnachten. Und drei Jahre später... i-ist dann...«

Er stoppte wieder. Er wusste nicht, wie er es erzählen sollte. Wo er ansetzen sollte. Wie man jemandem so etwas verständlich machen sollte, dem es eigentlich völlig egal war.

Er wagte es, zu Kanda aufzusehen. Dieser hatte die Hand von der Wand zurückgezogen und in der Hosentasche vergraben. Den Kopf hatte er etwas schiefgelegt. Die dunklen Augen schauten in die Allens. Nicht bohrend, nicht stechend, nicht ausdruckslos.

Allen atmete tief durch. Er glaubte, jetzt die richtigen Worte zu finden. Er hörte nicht auf zu weinen. Aber es gelang ihm trotzdem zu sprechen.
 

Er erzählte Kanda, dass Mana sein Ziehvater war. Dass er mit ihm um die halbe Welt gereist war. Dass es nicht immer leicht gewesen war. Dass er glücklich gewesen war. Und dass Mana an Heiligabend, genau drei Jahre, nachdem er ihn adoptiert hatte, gestorben war.

Allen schmeckte Salz. Die Tränen rannen weiter. Er fühlte sich kleiner und verlorener als je zuvor. Aber er schämte sich nicht. Er schämte sich nicht, diesem Ba-Kanda seine größten Geheimnisse preisgegeben zu haben. Im Zusammenspiel mit dem erbärmlichen Bild, das er gerade abgab. Dabei konnte er ihn nicht mal ausstehen. Von Anfang an hatten sie auf Kriegsfuß gestanden. Anders waren sie sich nie begegnet. Anders hatten sie sich nie begegnen wollen.
 

Kanda küsste Allen. Die warmen Lippen brannten auf den kalten. Allen wusste nicht, wie ihm geschah. Der Verstand setzte aus. Die Augenlider waren geschmälert. Es kam ihm vor, als seien sie geschlossen. Er nahm das schummrige Licht wahr, das sich durch die tränenbenetzten Wimpern stahl. Er nahm Wärme wahr. Er nahm Kanda wahr. Sein Körper wurde auf einmal ganz schwer...

»Oi, willst du jetzt bewusstlos werden?!«

Allen rappelte sich auf, bevor er sich seinen weichen Knien geschlagen geben konnte. Auf einmal sah er das Licht, den Raum und Kandas Gesicht klarer als vorher. Er hatte die Augen weit geöffnet. Er schaute an sich herab. Kandas Hand lag auf seiner Taille. Er selbst hatte sich mit dem Rücken noch fester gegen die Wand gepresst. Verständnislos starrte er in die dunklen Augen. »Was... sollte das eben?«

»Du hast nicht aufgehört zu heulen.« Kanda sprach es wie das Selbstverständlichste aus. Dann zog er die Hand zurück, verschränkte die Arme und drehte den Kopf zur Seite. Damit endete das Gespräch. Oder? Allen fühlte sich hilflos.
 

Er tat einen Schritt nach vorn. Näher heran. Er ließ sich fallen. Zumindest kam es ihm so vor. Seine Stirn berührte Kandas Brust. Die Arme hingen reglos nach unten. Suchte er Halt? Allen wusste nicht, was er tat. Aber er wusste, dass es in Ordnung war.

Er beobachtete, wie Kanda die Arme vor sich löste. Er spürte, wie er sie um ihn schloss. Allen atmete leise, aber schnell. Er hörte Kandas Herzschlag, der um so vieles ruhiger und gleichmäßiger war als sein eigener. Das hatte etwas Beruhigendes an sich. Etwas Tröstendes.

Keiner der beiden sagte etwas.
 


 

-:o:-
 

Vielleicht waren mehrere Stunden verstrichen. Vielleicht auch nur ein paar Sekunden. Vielleicht eine Ewigkeit. Vielleicht eine gefühlte.

Vielleicht war es nur Einbildung, als Kanda die Umarmung löste, Allens Hand nahm und sich mit ihm auf eines der schmalen Einzelbetten legte. Als er ihn wieder in die Arme nahm und mit der Hand zaghaft durch das weiße Haar fuhr. Vielleicht war Allen bereits eingeschlafen, als er heißen Atem an seinem Ohr spürte. Vielleicht träumte er nur, dass ihm »Frohe Weihnachten« zugeflüstert wurde. Vielleicht war das, was hier geschah, so unbegreiflich, dass es einfacher war, es auf Träume und Einbildungen zu schieben.
 

Die Zeit heilt keine Wunden. Allen brauchte sich nichts mehr vorzumachen.

Wer Wunden heilt, sind die Menschen, die einem in schlechten Zeiten beistehen.
 


 

Allen schloss die Augen.

-:-:-:-:-:-

the. end.
 

___
 

KITSCH!

„Der Vorleser“ ist noch ziemlich frisch in meinem Hirn, deshalb sieht der Schreibstil so aus, wie er aussieht. Hier hast du bzw. deinen ukigen Uke-Allen, Hanayakani. xD Es hat Spaß gemacht, ihn so zerbrechlich darzustellen, harhar. Bildet einen schönen Kontrast zu seiner nervigen Helden-Mainchar-Attitüde.

Und warum „Spuren im Schnee“? - Weil Metapher oder so. Denkt euch was aus. ;)
 

Frohe Weihnachten und liebe Grüße :D,

Fujouri



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Kommentare zu dieser Fanfic (32)
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Von:  -Raidon-
2012-08-21T23:40:21+00:00 22.08.2012 01:40
Eine echt tolle Geschichte^^
da war alles bei =) der Humor war wirklich gut und ich habe an einigen Stellen gelacht. Außerdem hast du Kandas Charakter echt super hinbekommen ^^
Und dass es Yullen war machte das ganze noch besser XD
weiter so^^
LG
Von:  Mismar
2011-04-11T15:45:12+00:00 11.04.2011 17:45
Hauptsache ich habe gar nicht gemerkt, dass da Songtexte von Samsas Traum sind, dafür, dass ich fast alle alten Songs davon kenne XD
Ne, war aber wieder sehr schön, besonders der Abschluss. Immer alles so schön tiefsinnig, wenn du was schreibst
Von: abgemeldet
2011-01-20T14:33:00+00:00 20.01.2011 15:33
damdam...kein alkohol ist wohl auch keine lösung... *drop*
Von: abgemeldet
2011-01-20T13:06:30+00:00 20.01.2011 14:06
alle achtung, du kannst echt mit worten umgehen °^°
Von:  Hanayakani
2010-12-25T18:24:55+00:00 25.12.2010 19:24

Oh my gosh. x'D
Ich 'verpeste' deine ganze OS-Sammlung noch~ x'D -lach lach-

Du weißt, wie ich mich gefreut hab...
Das war echt voll überraschend!! >/////< Ich hab mich soooo gefreut!!
Der OS ist so süß!
Ich find das so toll, endlich ist Allen nicht der Universal-Held, auch er hat Schwächen, und ES IST KITSCH <333333 -flausch-
Das war soo soo soo süß!!! >///w///<
Ich les ihn immer wieder, weil er ja so toll ist ;///w///;
-schnüff-

Mir hat der OS so von vorne bis hinten sooooo toll gefallen Q//Q
ich freu mich immer noch wie blöd darüber!! <33333

Ich hoffe nur, mein nicht allzu tolles Geschenk wird dir gefallen >////<
Ich hoffe ja, dass er in einem Stück bei dir ankommt!!! D: Ansonsten wär das doof. xD -flausch-

Danke danke danke danke <333
-hug-
Ich hab dich lieb, darling ;////;

Frohe Weihnachten! <3

[/FANGASM]
Von:  Nana--chan
2010-12-25T16:29:52+00:00 25.12.2010 17:29
Frohe Weihnachten ^^
Dafür, dass es Yullen war, ganz gut =)
Ein zerbrechlicher Allen x3
Das Kanda sich überhaupt dafür interessiert hat *grins*

Nya~, weiter so ;)
LG
Von: abgemeldet
2010-11-24T20:30:13+00:00 24.11.2010 21:30
you made my day *lachtränen wegwisch*
meine 3 liebsten stellen:
Allen:"in your face" -> die virstellung das er das denkt finde ich zuuu gut XD
Lavi: "mit offenen Haaren bist du soooo~ SCHNUFFIG, Yu-chan!" -> oh ja, lavi, total zucker XD
Allen klatschte zweimal in die Hände, bevor er sie ausbreitete. »Komm schon, Kanda, wirf den Konversationsball!« -> das ist einfach zu geil: Allen steht da und klatscht in die hände und macht dabei so ein dümmlich grinsendes gesicht, wie wenn man mit nem kind oder nem hund spricht. ja komm, kanda, ja komm :D

so, mehr hab ich nicht zu sagen, die ff ist super und auch direkt in die favo liste und an freunde gegangen.

liebe grüße
das püppchen

wie dramatisch.
Von:  Nana--chan
2010-11-24T08:38:23+00:00 24.11.2010 09:38
Aaah *endlich zum Lesen komm* ^.^
Das Kapitel ist echt süß =3
Sowas muss auch mal sein ^-^
Die beiden sind so genial zusammen - egal was sie wieder 'anstellen' ^^
Wie immer toll geschrieben =D

*Kekse da lass*
Von:  Kalahari
2010-11-22T17:16:52+00:00 22.11.2010 18:16
toller oneshort
sehr unterhaltsam und lustig
dafür, dass ich yullen nicht so mag, war es richtig gut... vllt lags auch einfach nur drann, dass es bei der sache um den roboter ging^^"
Komurine ist wirklich genial, das fangirl in person, ihre hartneckigkeit ist zu bewundern, ebenso wie die verschiedenen stufen, in denen sich durch den orden wütet
also ich würd sagen: humor trifft es SEHR gut^^
LG
Von:  Rabbit
2010-11-10T15:39:46+00:00 10.11.2010 16:39
Awww! Das war zwar wirklich nichts besonderes und ultra aufregendes... Aber dennoch war das Kapitel super niedlich. ♥ ♥

Ich fand natürlich die Szene am besten, in der Lavi Yuus Kopf gekrault hat. <3333
Und Yuus Traum... Hat mir ehrlich schon'nen WTF-Moment beschert! XD


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