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Bleeding Love

von

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Gefrorenes Herz

Closed off from love

I didn't need the pain

Once or twice was enough

And it was all in vain

Time starts to pass

Before you know it you're frozen
 

Ich stand vor dem Spiegel und zog noch einmal die Wimperntusche nach. In ein paar Minuten würde mich Jessica abholen, um mich in einen der angesagtesten Nachtklubs der Stadt zu schleppen. Ich hatte keine Lust dazu, denn was soll ich dort? Mir war so gar nicht nach feiern zu Mute.

Schließlich war es gerade erst knapp zwei Wochen her, dass ich meinen Freund – Entschuldigung, Exfreund – mit einer blonden, langbeinigen, breitmäuligen Tussi erwischt hatte. In unserem Bett! War es denn wirklich so leicht, meine Gefühle mit Füßen zu treten? Hatte jemand das Recht dazu, mir so weh zu tun, dass ich mir wünschte zu sterben?

Ich lehnte seufzend die Hände auf die Ränder des Waschbeckens und schaute mich im Spiegel an. Die Haare könnten einen neuen Schnitt gebrauchen, schließlich hatte ich die letzten Wochen trauernd in meiner Wohnung verbracht und wohl etwas zu wenig auf mein Äußeres geachtet. Meine Wangen waren eingefallen und trotz der Schminke sah ich ein bisschen blass aus.

Vielleicht hätte ich in den letzten Wochen doch etwas mehr und ausgewogener essen sollen. Andere machten Frustessen, mir blieb jeder Bissen im Hals stecken, wenn ich nur an das dachte, was ich dort vor zwei Wochen gesehen und gehört hatte. Das Gestöhne, Geseufze, die ineinander verschlungenen Gliedmaßen – auch jetzt musste ich mich zwingen das Würgen zu unterdrücken.

Ich ging die Inventur in meinem Inneren weiter durch. Ich schaute in braune, nichts sagende Augen, ich war zu klein, um Aufmerksamkeit zu erregen und mein Busen war zu flach. Vielleicht war ich nicht hässlich, doch irgendwas musste ich an mir haben, dass es geradezu erlaubte mich zu betrügen, zu verlassen und zu hintergehen.
 

Ich wischte die Tränen aus den Augenwinkeln und fluchte leicht vor mich hin, als ich merkte, dass ich meine Wimperntusche verschmiert hatte. Ich beseitigte das schwarze Zeug unter meinen Augen mit einem Taschentuch so weit wie es nötig war, während ich versuchte ruhig zu atmen. Nur nicht durchdrehen! Ich würde nie wieder einem Mann vertrauen, denn Mark hatte es mir gründlich versaut.

Er war der erste Mann gewesen, in den ich wirklich ernsthaft verliebt hatte, von dem ich gedacht hatte, dass ich mit ihm den Rest meines Lebens verbringen könnte und er hatte mich betrogen und mein Herz völlig zerfetzt. Ich war schon wieder kurz davor in Tränen auszubrechen, doch da klingelte es an meiner Haustür.

Das musste Jessica sein und einen Moment war ich regelrecht froh, dass sie mich zu diesem Ausflug zwang, hätte ich mich doch sonst wieder mit einer extra großen Packung Taschentücher auf das Sofa verzogen, hätte alte Fotos beschaut und mich in den Schlaf geweint. Das Bett im Schlafzimmer hatte ich nicht mehr benutzt, seit ich Marc darin mit dieser Blondine hatte turnen sehen.

Nichts gegen blonde Frauen, Jess war auch strohblond, aber diese aufgetakelte Nutte, die mir meinen Freund ausgespannt hatte, trieb mich alleine bei dem Gedanken daran in den Wahnsinn. Nein, eigentlich war es eher Marc, den ich verfluchte. Denn auch wenn er mir mein Herz gebrochen hatte, liebte ich ihn immer noch und ein Teil von mir hasste mich dafür, dass ich ihn aus unserer Wohnung geworfen hatte, die wir uns seit drei Monaten geteilt hatten, aber offiziell nur auf meinen Namen lief. Wäre ja noch schöner gewesen, wenn er mich betrogen hätte und ich dann auf der Straße gestanden hätte.

Oh, Marc! Der Anblick von ihm und diesem Miststück, hatte mein Herz zu Eis erstarren lassen und in tausend Stücke zersplittert. Manchmal wünschte ich mir, dass ich genauso in Stücke zerspringen und sterben könnte.
 

Ein erneutes Klingeln riss mich aus meinen Gedanken und ich merkte erst jetzt, dass ich immer noch vor dem Spiegel stand. Außerdem war meine Wimperntusche schon wieder verschmiert, hatte ich anscheinend wieder angefangen zu weinen, ohne es selbst mitzubekommen. Aufseufzend wischte ich mir einmal übers Gesicht und rannte zur Tür, um sie zu öffnen.

Wie ich Jessica kannte, war sie nämlich kurz davor die Feuerwehr und Notarzt zu rufen, weil sie dachte ich läge mit aufgeschnittenen Pulsadern und Medikamentenüberdosis in der Badewanne. Und wenn ich es mir recht überlegte, hatte ich in ein, zwei meiner schwachen Momente wirklich daran gedacht.

„Let’s get ready for paaarty!“, schrie mir Jess entgegen, kaum dass ich die Tür geöffnet hatte und hielt, triumphierend wie ein Weltmeister seinen Pokal, eine Flasche Sekt in die Höhe. Doch sofort wurde ihr Gesicht ganz sanft und mitfühlend, als sie mich sah und in diesem Moment musste ich mich zusammenreißen, nicht aus Freude über so eine gute Freundin loszuflennen.

Ja, ich war in letzter Zeit sehr nahe am Wasser gebaut, obwohl ich sonst eher die optimistische und fröhliche Person war. Mit dem was ich an Tränen produzierte, könnte ein ganzer, afrikanischer Kleinstaat bewässert werden.

Ich fand mich in einer liebevollen Umarmung wieder und es tat gut, so eine Freundin zu haben. Ich hatte es Jess die beiden Wochen nicht gerade einfach gemacht.
 

„Oh, Kleines. Er ist es nicht wert. Wollen wir die Party sausen lassen und uns lieber „Ghost“,“Pretty Woman“ oder „Stadt der Engel“ ansehen und eine Familienpackung Eis verdrücken?“, fragte Jessica, während sie mich immer noch umarmte und einen Moment war ich versucht auf ihren Vorschlag einzugehen. Doch dann bekam ich es mit meinem schlechten Gewissen zu tun.

Jess machte sich solche Mühe mich aufzuheitern und wie dankte ich es ihr? Ich würde diesen dämlichen Club besuchen und wenn ich nur einen Cocktail nach dem anderen trinken und den Tänzern zugucken würde.

„Nein, ich will hier mal raus. Du hast Recht, ich kann hier nicht vor mir hinvegetieren und alles schleifen lassen“, erklärte ich und sofort ließ Jess mich los, um mich freudestrahlend anzusehen. Sie drückte mir die Flasche Sekt in die Hand und fing an in ihrem Handtäschchen zu suchen. Nach wenigen Augenblicken, die ich etwas verstört zugesehen hatte, zog sie ein Taschentuch hervor und begann damit in meinem Gesicht herum zu wischen.

„So können wir dich nicht gehen lassen. Du willst doch hübsch aussehen. Wir zwei werden die heißesten Feger im ganzen Laden sein und alle Männer werden sich die Hälse nach uns verrenken“, prophezeite Jessica und ich hätte skeptisch meine Augenbrauen hochgezogen, wenn sie nicht so gefährlich nah an meinem Auge mit ihrem Taschentuch hantiert hätte.

Ich glaubte ihr gerne, dass sich alle Männer nach ihr umsehen würden, schließlich trug sie einen Minirock und ein sehr freizügiges Top, das sie aber auch gut ausfüllte. Meine Freundin war die geborene Partymaus, stand als erstes auf der Tanzfläche und verließ sie als Letzte, dabei brauchte sie noch nicht mal Alkohol. Ich hingegen war zwar keine graue Maus, brauchte aber immer etwas Anlaufzeit, bis ich mich zum Tanzen und flirten durchringen konnte.
 

„Gut, schnapp dir deine Jacke und auf geht’s!“, jubelte Jess und scheuchte mich eindringlich in Richtung Garderobe. Ich lächelte zaghaft, aber ehrlich, über den Übermut meiner Freundin. Sie hatte ja auch Recht. Es wurde langsam Zeit, dass ich mich wieder aufraffte und lebte. Außerdem lief nach diesem Wochenende mein Urlaub aus, dann müsste ich sowieso wieder das Haus verlassen.

Aber so oft ich mir auch innerlich immer wieder sagte, dass Marc ein Arschloch und ich besser ohne ihn dran war, änderte es doch nichts daran, dass ein kleiner Teil von mir ihn noch liebte. Der Rest hasste ihn, zumindest versuchte ich es.

Ach verdammt, ich würde mich heute Nacht amüsieren.

Alkohol trinken, tanzen und vielleicht auch ein kleines bisschen flirten, wenn mein Herz das aushielt und ich nicht in Tränen ausbrach. Ich schnappte mir meine Jacke, zog sie über mein zwar hübsches, aber nicht aufreizendes Top und folgte Jessica nach draußen.
 

Nach etwa zwanzig Minuten Fußmarsch, den wir die ganze Zeit redend und die Sektflasche leerend verbracht hatten, kamen wir an diesem Nachtclub an. Der Laden war noch ziemlich neu, erfreute sich aber größter Beliebtheit und war der Trend unter den Partygängern.

Der Besitzer war noch relativ jung, erst Ende Zwanzig und man munkelte, dass er das Geld für den Kauf und Ausbau auf nicht hundertprozentig legalem Wege erhalten hätte. Andere Gerüchte sagten, dass er ein sehr hohes Erbe von irgendeinem Onkel erhalten hätte, doch musste man das auch nicht wissen, um in dem Laden feiern zu können.

Der Türsteher hatte uns durch gewunken, ohne lange zu zögern. Ich vermutete mal, dass das an Jessica lag, die hemmungslos mit dem Mann flirtete oder aber, dass wir so freundlich und partywütig aussahen. Meine Laune hatte sich erstaunlicherweise erheblich gebessert und fast freute ich mich auf die Feier. Vielleicht lag es ja auch nur an der halben Flasche Sekt, die ich intus hatte.
 

Wie dem auch sei, drei Stunden später standen wir beide auf der Tanzfläche und erstaunlicherweise hatte ich sogar richtig Spaß. Jess blieb in meiner Nähe und tanzte mal mit mir und mal mit einem der Männer. Ich war ihr dankbar, dass sie mich nicht allein stehen ließ, denn im Moment wollte ich von keinem der Herzen brechenden, schwanzgesteuerten Mistkerlen angetanzt werden.

Zu sehr musste ich noch an Marc denken und daran, wie wir uns kennen gelernt hatten. Es war in einer Diskothek gewesen, auch auf der Tanzfläche und sein umwerfendes Lächeln hatte mich völlig aus der Bahn geworfen. Nach nur ein paar Tänzen hatten wir knutschend am Rand der Tanzfläche gestanden und was Marc da mit mir gemacht hatte, grenzte schon an Zauberei.

Ich war im völlig verfallen, war es immer noch. Leise seufzte ich auf, was sich in ein Kreischen verwandelte, als mir jemanden an den Hintern packte. Mein empörter Schrei ging in den wummernden Beats der Musik unter und ich drehte mich wütend um. Nur weil ich hier tanzte, hieß es noch lange nicht, dass ich mich betouchen ließ.

„Hey, Finger weg!“, schimpfte ich, als der Mann erneut nach mir griff und an sich heran zog, die Hände wieder an dieselbe Stelle legte. Der Kerl stand so nah vor mir, dass er den Satz sogar verstanden haben musste, doch scherte er sich nicht darum, grinste nur frech. Lasziv bewegte der Mann seine Hüfte und ich verzog vor Ekel das Gesicht.

Dieser Kerl sollte mich bloß loslassen, denn sonst würde ich ihm mein Knie dort hin stoßen, wo es ihm sehr wehtat. Ich drückte den Mann vor mir weg und riss mich los. Jess sah mittlerweile besorgt zu mir, doch ich machte nur ein Zeichen, dass ich etwas trinken wollte und sie ruhig auf der Tanzfläche bleiben könnte, denn der Mann mit dem sie tanzte, war eindeutig ihr Fall.

Ich drängte mich zügig durch die tanzenden Personen in Richtung Bar und schaute sichernd nach hinten, wo der Mann mir grinsend hinterher schaute und mir eine Kusshand zuwarf.

Angewidert drehte ich mich um und trat an den Tresen. Ich winkte dem Barkeeper, bestellte mir einen Cocktail und lehnte mich wartend mit den Unterarmen auf die Tischplatte.
 

„Ein hübsches Mädchen, so ganz allein hier?“, fragte mich ein Mann von der Seite und ich wandte mich die Augen verdrehend ihm zu. Das war jetzt so ziemlich der schlechteste Anmachspruch aller Zeiten! Ich musterte den Mann abfällig. Mit seinem etwas offen stehendem Hemd und auffälligen Uhr war er eindeutig der Typ, der für jede Frau in seinem Bettpfosten eine Kerbe machte.

Ja, er war gut aussehend, mit seinen breiten Schultern, blonden Haaren und unwiderstehlich blauen Augen und das wusste er allem Anschein nach auch. Aber dieser leicht arrogante Zug um seine Lippen, als er mich anlächelte, ließ meine Alarmglocken schrillen. Vielleicht war ich im Moment etwas übervorsichtig, aber das war ein Mann! Die brachen doch mit Vergnügen Herzen und trampelten darauf herum. Und dieser Kerl sah so eingebildet auf mich herab, der erwartete wohl, dass ich ihm gleich um den Hals fiel.

Ohne ein Wort zu sagen, drehte ich mich zu dem Barkeeper um, da er gerade mit meinem fertigen Cocktail zu mir kam. Ich wollte ihm meine Verzehrkarte geben, damit er den entsprechenden Betrag darauf notieren konnte, doch mein nervender Begleiter machte ein Handzeichen, als der Mann hinter dem Tresen nach der Karte greifen wollte und aus mir unerfindlichen Gründen, zog der Barkeeper seine Hand wieder zurück.

„Das ist der Vorteil, wenn einem ein Nachtclub gehört. Ich kann niedlichen Mädchen Drinks spendieren“, erklärte der Mann und grinste mich frech an. Meine Güte, hier flirtete der Besitzer diese Ladens mit mir! Garantiert suchte er sich jeden Abend eine andere Frau, der er ein paar Drinks spendierte und nachher mit in sein Bett nahm.

Na, immerhin behielt er seine Finger bei sich und war nicht ganz so aufdringlich, wie der andere Kerl auf der Tanzfläche.

„Dann auf ihre Gesundheit und danke für den Drink“, meinte ich und ließ den Mann einfach stehen. Ich sah noch aus den Augenwinkeln, wie er verwundert, aber lachend hinter mir her schaute, dann verlor ich ihn aus dem Blick.
 

„Mel! Melanie, ich hab meinen Seelenpartner gefunden!“, jubelte Jessica laut über die wummernde Musik und hüpfte vor mir auf und ab. Wir hatten noch eine Zeitlang getanzt, doch vor einer halben Stunde hatte ich Jess aus den Augen verloren.

Ich war froh sie wieder zu sehen, hatte ich mich in der Zeit doch ein bisschen einsam gefühlt, auch wenn die vielen Leute um mich herum waren.

„So etwas wie Seelenverwandte gibt es nicht“, antwortete ich auf ihren übermütigen Satz hin auch ein bisschen kühl. Aber auf ihren Schmollmund hin, musste ich doch etwas lächeln.

„Doch, gibt es. Er steht auf die gleiche Musik, kann unwahrscheinlich gut küssen und heißt Hannes … oder Hanno?“, schrie sie mir ins Ohr und ich verdrehte amüsiert die Augen. Ich war wirklich mal gespannt, auf was das mit Jess und ihrem Unbekannten herauslaufen würde, auch wenn ich auf ein Debakel tippte. Schließlich kannte sie ihn gerade mal eine halbe Nacht und ich hatte mit Marc nach zwei Jahren auch falsch gelegen.

„Jess, ich bin müde. Ich gehe jetzt nach Hause. Aber nein, du musst nicht mitkommen, es geht mir gut. Flirt mit dem Mann für mich mit“, meinte ich, nachdem ich Jess zu mir heran gezogen hatte. Einmal schaute mich meine Freundin noch fragend an, doch ich nickte nur beruhigend und machte scheuchende Handbewegungen in Richtung Tanzfläche.

Nach kurzem Zögern drückte mich Jess noch einmal an sich, bevor sie winkend und lächelnd in der Menge verschwand. Etwas wehmütig schaute ich ihr nach, doch dann sagte ich mir, dass ich heute erstaunlich viel Spaß gehabt hatte und dass das doch ein Schritt in die richtige Richtung gewesen war.

Ich würde mir den Rest der Nacht nicht dadurch verderben, dass ich an die Vergangenheit dachte. Zu Hause würde ich schön duschen gehen und dann auf meinem Sofa so lange schlafen, wie ich Lust hatte. Und Morgen, da würde ich anfangen Marcs Sachen, die Fotos und andere Erinnerungsstücke weg zu schmeißen.
 

Entschlossen machte ich mich auf den Weg zur Garderobe und ließ mir meine Jacke aushändigen. Dann wartete ich in der Schlange, bis sich die noch erträgliche Rechnung für meine Verzehrkarte zahlen konnte. Der Abend war gar nicht mal so teuer gewesen. Schließlich konnte ich mich endlich auf den Weg nach Hause machen und wünsche innerlich Jessica noch viel Spaß beim Feiern.

Ich war mit den Gedanken schnell beim nächsten Tag, überlegte mir, wie ich es am Besten anstellte die Sachen zu entsorgen, ohne zusammen zu brechen. Ohne Tränen wurde das nicht abgehen, das war mir schon klar, doch ich hoffte, Jessica als Unterstützung zu bekommen. Zumindest, wenn sie heute Nacht sich nicht zu sehr mit dem Kerl vergnügte. Doch dafür war sie normalerweise nicht der Typ.
 

„Hey, da ist ja meine Freundin!“, lallte mich jemand von der Seite an. Ich drehte mich erschrocken um, da ich nicht gemerkt hatte, wie jemand an mich heran getreten war. Ich schaute direkt in die unsteten Augen des langfingrigen Mistkerls von der Tanzfläche.

Na toll hinbekommen, der hatte mir gerade noch gefehlt, vor allem da er Sturz betrunken war. Es war noch ein zweiter Mann dabei, der versuchte seinen heftig schwankenden Kollegen aufrecht zu halten, jedoch ebenfalls nicht ganz nüchtern schien.

„Ja, ja, Phillip. Deine Freundin, klar“, murmelte der andere Mann und rollte mit den Augen, ließ dann aber doch einen Blick über meinen Körper gleiten.

„Sie hat mich einfach abblitzen lassen … kannst du dir das vorstellen?“, stammelte der Kerl weiter und ich schüttelte genervt und angewidert den Kopf, wollte an ihm vorbei gehen. Idioten einfach ignorieren, das half meistens.

Mit einer schnellen Bewegung, die ich ihm gar nicht mehr zugetraut hätte, griff der Kerl zu und hielt mein Handgelenk fest. Er brachte damit zwar sich und seinen Freund aus dem Gleichgewicht, doch der Griff lockerte sich nicht, als die beiden zwei taumelnde Schritte machen mussten, um nicht hinzufallen.

Weil ich ebenfalls keine Bekanntschaft mit dem harten Asphalt machen wollte, musste ich einen Schritt auf die beiden zu machen, denn es wurde unsanft an meiner rechten Hand gezogen. Bevor ich mich aber losreißen konnte oder der Betrunkene mir zu nahe treten konnte, fühlte ich eine Person hinter mir.
 

„Guten Abend, die Herren. Es tut mir sehr leid, aber dieses hübsche Mädchen ist mit mir unterwegs. Also, wenn Sie sie bitte loslassen würden?“, ertönte eine ernste, kühle Stimme hinter mir und irgendwie kam sie mir entfernt bekannt vor. Nun trat der Mann neben mich und erst auf den zweiten Blick erkannte ich den Besitzer des Nachtclubs.

Er trug mittlerweile über dem Hemd ein gut sitzendes Sakko und sein Blick war düster auf die beiden Betrunkenen gerichtet. Er machte gegen die zerzaust und leger gekleideten Männer einen seriösen Eindruck, auch wenn ich den Aufzug für Nachts auf der Straße doch ein wenig übertrieben fand. Ich nutzte die Ablenkung durch den Nachtclubbesitzer, um mit einem kräftigen Ruck meine Hand aus dem Griff des Kerls zu befreien.

Sofort trat ich ein paar Schritte zurück und zufällig oder nicht, er schob sich zwischen mich und die beiden Männer.

„Keinen Stress! Wir wollten uns nur mit deiner Freundin unterhalten. Sind schon weg, Alter“, meinte der weniger Betrunkene und wollte seinen völlig besoffenen Kumpel mit sich wegziehen, auch als er lauthals protestierte.

Doch dieser befreite sich aus dem Griff seines Freundes und ging mit einem Schrei irgendwo zwischen Lallen und Fluchen auf meinen Retter los. Mit scheinbarer Leichtigkeit wich der Mann aus, griff die Faust des Mannes und schubste ihn mit einer nachlässigen Bewegung auf den Boden.

„Sorgt dafür, dass er nach Hause kommt und stellt Euren Freund unter eine kalte Dusche“, schlug der Mann dem Kumpel des Grabschers vor und drehte den beiden anderen Männer in einer überheblichen Bewegung den Rücken zu. Dieser Kerl strotzte ja richtig vor Selbstsicherheit! Ekel erregend!

Na gut, nicht so sehr wie die beiden Betrunkenen, aber wenn Arroganz wehtun würde, würde der Mann sich vor Schmerzen auf dem Boden winden. Mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, schob der Nachtclubbesitzer meinen rechten Arm in seine Ellenbeuge und führte mich mit sanfter Gewalt von den beiden Männern fort.

Ich wollte meine Hand wegziehen, doch ließ mich der Mann nicht los, es schien fast so, als hätte er meine Bemühung gar nicht bemerkt. Und während die beiden Betrunkenen sich aufrappelten und in eine andere Richtung verschwanden, begann er ein Gespräch mit mir.

„So, meine Liebe. Wäre es nicht an der Zeit, mir Ihren Namen zu nennen? Ach, wie unhöflich, ich habe mich selbst gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Christopher von Deuten“, erklärte der Nachtclubbesitzer und ich rollte mit den Augen. Meine Güte, ein `von’! Kein Wunder, dass die Arroganz ihn förmlich wie ein Dunstschleier umgab. Ob er den Titel wohl gekauft hatte? Doch das konnte warten, auch wenn ich den Typen nicht gerade mochte, fühlte ich mich in seiner Nähe doch ein bisschen sicherer, als alleine auf der dunklen Straße.
 

„Melanie. Melanie Hoffmann. Und Sie können mich jetzt loslassen, die Kerle sind weg“, erklärte ich höflich, schließlich hatten mir meine Eltern so etwas wie Anstand beigebracht. Tatsächlich lockerte er auch prompt seinen Griff um meinen Arm und ich zog aufatmend meine Hand aus seiner Ellenbeuge. Auch wenn ich es nicht gewusst hatte, war ich doch etwas beunruhigt gewesen.

„Sehr erfreut“, erwiderte der Mann und deutete eine Verbeugung an. Was für ein blasierter Kerl! Trotzdem musste ich über die Geste grinsen. Irgendwo tief in mir musste ich zugeben, dass es mir gut tat, so behandelt zu werden. Es war wie ein Aufputscht für mein Ego, nach all dem, was Marc mir angetan hatte, dass so ein gut aussehender Mann mit mir scherzte.

Doch dann schalt ich mich für meine Dummheit, schließlich war dieser Christopher von Deuten ein völlig Fremder. Noch dazu, war ihm durch die Arbeit in seinem Nachtclub bestimmt das charmante Gespräch mit Frauen so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass man die Hälfte von dem Zeug nicht glauben durfte.

Oh nein, ich würde mich nicht wieder auf einen charmanten, gut aussehenden Mann einlassen, nur damit er mir wieder das Herz brach. In meinem Herzen herrschte gerade sowieso eine Eiswüste, da war kein Platz für jemanden.

„Ist alles in Ordnung, Melanie?“, fragte mich Christopher von Deuten und ignorierte gekonnt meinen Nachnamen. Wenn ich ehrlich war, hörte sich das sogar ein wenig besorgt an, doch ich war gerade nicht ehrlich zu mir selbst.

„Ja, alles bestens“, wiegelte ich ab und winkte gleichzeitig nach einem gerade vorbei fahrenden Taxi. Tatsächlich hielt der Wagen an, Glück musste der Mensch haben!

„Danke, dass Sie mich eben verteidigt haben. War nett Sie kennen gelernt zu haben und auf Wiedersehen“, verabschiedete ich mich in Rekordzeit. Normalerweise gönnte ich mir kein Taxi, aber heute Nacht hatte ich doch etwas Bedenken alleine nach Hause zu laufen. Erst diese beiden Betrunkenen, dann der aufdringliche von Deuten, da wurde man als Frau gleich etwas vorsichtiger.

„Ja, auf Wiedersehen, Melanie“, antwortete Christopher von Deuten und so wie er es klingen ließ, meinte er das nicht nur als Floskel. Unheimlich der Kerl. Gut, dass ich ihm nicht gesagt hatte, wo ich wohnte. Ich würde einfach diesen Aufreißerladen nicht mehr betreten, zumindest nicht in den nächsten Wochen. Bis dahin hatte der Mann mich vergessen und ich konnte wieder ungefährdet in dem Schuppen tanzen gehen.

Ich hoffte nur, dass Jessica nicht so bald wieder dort hin wollte.

Nachdenklich stieg ich in mein Taxi, schloss die Tür und nannte dem gutmütig aussehenden Fahrer meine Adresse. Bewusst schaute ich nicht aus dem Fenster, bevor der Wagen los fuhr. Erst als wir ein paar Meter weit waren, drehte ich mich um und tatsächlich starrte mir der Nachtclubbesitzer hinterher.

Auf seinem Gesicht lag wieder ein arrogantes Lächeln, als würde er meinen, dass ich schon noch angekrochen kommen würde. Tja, falsche Frau zum falschen Zeitpunkt. Ich hoffte nur, dass diese Erfahrung sein gewaltiges Ego nicht knicken würde.

Belustigt lächelnd drehte ich mich wieder um und schaute nach vorne. Also meinem Selbstwertgefühl tat diese Nacht unwahrscheinlich gut und mit einem Mal schien die morgige Aufgabe, Marks Sachen zu entsorgen, gar nicht mehr so unmachbar zu sein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dragonaura
2009-07-23T18:02:52+00:00 23.07.2009 20:02
Wow, super geschrieben!
Ich konnte mir alles richtig vorstellen, besonders die einzelnen Personen. Ich bin echt gespannt, wie es weiter geht, mit Melanie und dem Barbesitzer. ^^


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