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Drei Wörter

Kurzgeschichtensammlung der dieÄrzte
von

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Desaster

Desaster
 

Wörter: Apfelwein, Arschbombe, Bassbox (by Science)
 

Poolparty.
 

Allein das Wort beschert Farin Gänsehaut, Schweißausbrüche und eine temporale Sozialphobie. Und das hat nichts damit zu tun, dass er sich, nur mit Badehose und Sonnenbrille bekleidet, so wohl fühlt wie eine Henne in der Legebatterie. Ganz und gar nicht.
 

Es ist vielmehr die Angewohnheit solcher Partys, in einem kompletten Desaster zu enden, die ihn einen großen Bogen darum machen lässt, von der Idee, selber Gastgeber solch einer zu sein, ganz zu schweigen.
 

Leider jedoch hatte Farin, wie so oft in seinem Leben, nicht mit Bela gerechnet.
 

Als er nämlich am Telefon den Fehler beging, dem Drummer von seiner neuen Schwimmgelegenheit im Garten zu berichten, kam circa zwei Nanosekunden später das verhasste Wort von der anderen Seite der Leitung mit dem Zusatz: „Keine Widerworte!“
 

Und nun steht Farin hier auf seinem eignen Grundstück, ein wenig desorientiert, inmitten von gut drei Dutzend Leuten, von denen er die Hälfte noch nicht einmal mit Namen kennt. Bela B. sei dank.
 

Fast schon klammert er sich an seinem Eisteeglas mit Schirmchen, versucht verzweifelt im Menschenmeer nicht unterzugehen. Was zwar bei seiner stattlichen Größe nicht so schnell der Fall sein dürfte, aber doch schon häufig genug vor kam.
 

Aus der Bassbox rechts neben ihm dröhnt so dumpfe Musik, das man diese wahrscheinlich noch fünf Kilometer weiter als Erdbeben orten könnte, während sein heißgeliebter Pool mit Arschbomben der unterschiedlichsten Stilrichtungen entweiht wird.
 

Mit einer Mischung aus Frustration und Resignation schüttet Farin seinen Eistee auf ex hinunter, schleicht auch gleich zur improvisierten Bar um sich Nachschub zu besorgen. Wenn er schon leiden muss, kann er sich auch gleich mit Nicht- Alkohol betrinken. Wahllose eine Flasche Apfelsaft greifend, lässt er seinen Blick über die illustre Runde gleiten und findet, obwohl er ihn eigentlich gar nicht gesucht hat, auf Anhieb Bela.
 

Der hat eine wahre Traube an Leuten um sich versammelt, fühlt sich anscheinend, ganz im Gegensatz zu Farin, pudelwohl. Was auch nicht schwer ist, sind solche Festlichkeit doch viel eher auf den Älteren zugeschnitten, als auf ihn. Trinken, Grölen, Trinken und nebenbei ein wenig mit Wasser rumpanschen. Ein Paradies für Schlagzeuger eben.
 

Obwohl, sinniert Farin, während er einen weiteren kräftigen Schluck aus seiner Flasche nimmt, Bela allein darauf zu reduzieren wäre nun auch wieder mehr als ungerecht.
 

Seit der Geburt seines kleinen Sohnes hatte sich der Ältere nämlich gewandelt. Zwar nicht um hundertachtzig Grad, doch auf eine Weise, die schon auffällt. Das fängt beim Verantwortungsbewusstsein an und hört bei der allgemeinen Gesundheit auf. Kurzum, dass Vatersein tut Bela einfach gut. Vielleicht, so überlegt Farin, während er ein paar Mal blinzeln muss, um seine Sicht zu schärfen, sollte er sich auch so einen kleinen Quälgeist anschaffen. Wobei das für ihn dann wohl doch mehr Fluch als Segen wäre. Bei seiner Lebensweise.
 

Irgendwie wacklig auf den Beinen, vielleicht steht er doch etwas ZU lange in der pralle Sonne, sucht sie Farin seinen Weg durch eine schnatternde Meute, zu seiner Hollywoodschaukel, die etwas abseits und verwaist im Garten liegt. Wie der alte Mann, der er nun mal schon ist, lässt er sich auf die weichen Polster fallen, schließt für einen Moment die Augen und bemerkt nicht, wie er einschläft.
 

*
 

Ein sanfter, kurzer Druck auf seinen Lippen und ein kühles Tuch auf seiner Stirn, mehr braucht es nicht, um Farins Lider flattern zu lassen, soweit wach zu werden um in das breit grinsende Gesicht Belas zu blicken.
 

„Hey…“ Selbst in Farins eignen Ohren klingt seine Stimme ungewohnt kratzig und war er vorhin noch an der Überlegung eines Sonnenstichs, so besitzt er jetzt die Gewissheit. Ist seine Wahrnehmung doch eigenartig stumpf, die Umgebung fast wie im Traum. Farins einziger Bezug zu Realität ist die unerwartet sanfte Hand des Älteren, die durch sein Haar streicht, zärtlichen mit einigen Strähnen spielt.
 

„… was? Wie spät? Warum?“
 

„Es ist schon nach zwölf…“, erst jetzt bemerkt der Blonde, dass es stockfinster um sie herum ist, die einzige Lichtquelle eine flackernde Fackel, die im Boden steckt. „Die meisten sind schon heim, der Rest hat sich in deinem Haus verteilt.“ Dann ein Lachen, was er von Bela so noch nie gehört hat. So tief und irgendwie… Jedenfalls stellt es Farins Nackenhaare auf, lässt ihn trotz der Sommerschwüle zittern.
 

„Weißt du, Jan, fast bin ich versucht, die Story an die Bild zu verkaufen: Farin Urlaubs erster Alkoholexzess. Wie der Gitarrist der die Ärzte Apfelsaft mit Apfelwein verwechselte…“ Farin kann den Worten kaum folgen, hebt nur aus Reflex eine Augenbraue. Er bemerkt nicht, wie nah Bela seinem Gesicht ist, er sich wie nebenbei in dem Nachtgrün verliert, das ihm beinah schon hypnotisierend entgegenschlägt.
 

„Aber das wäre ziemlich dumm, würde sich das doch nicht mit meinem Plan decken…“
 

Zu spät realisiert er die geschickten Finger, die am Bund seiner Badehosen spielen, der Mund, der sich aus sanften Bissen und Küssen einen Weg bis zu seinem Ohr bahnt. Selbst wenn Farin es gewollt hätte, sein Körper hätte keine der motorisch notwendigen Aktionen ausführen können, die es gebraucht hätte, denn Kleineren von sich zu stoßen. Und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich seinem Schicksal zu ergeben, harrend der Dinge, die da kommen, ein Zuschauer seines eigenen Lebens. Oder besser gesagt seiner eigenen Peepshow. Denn der Hauch, der eigentlich eine Frage sein soll, ist ihm selbst jetzt peinlich, färbt sein Gesicht in einem gesunden Rot.
 

„Plan?“
 

Ein Wispern, mehr Berührung als Ton.
 

„Ja… mein ganz perfider Plan, dich jetzt, so wunderbar hilf- und wehrlos wie du bist, zu verführen, in der Hoffnung, dass du Morgen alles unter einem riesigen Kater vergessen oder als Rauschtraum abtun wirst“
 

„Aber… du… das geht nicht… du-“
 

Weiter kommt Farin nicht bricht er doch mit einem lauten Stöhnen ab, als suchende Finger endlich ihr Ziel in südlicheren Gegenden seines Körpers gefunden haben. Der letzte Gedanke, den er hat, bevor Bela auch noch die letzten Regionen seines Gehirns ausschaltet, ist: Poolpartys enden IMMER in einem Desaster.

Judaskuss

Judaskuss
 

Wörter: Konfession, Spitzel, Wissenschaft (by Science)
 

Tourbusfahrten sind etwas Tolles. Vor allen Dingen im Nightliner. Unbemerkt von A nach B kutschiert werden, während im Businneren die absolute Anarchie herrscht, jegliche Legislative außer Kraft tritt, einzig die Gesetzmäßigkeiten des Chaos gelten. Ja, Tourbusfahrten sind etwas wirklich Tolles.
 

Vorausgesetzt, man heißt nicht Bela B. und ist neben Lord Helmchen und Farin Urlaub die einzig wachende Person.
 

Denn in diesem Fall wäre jedes Altersheim ein richtiger Vergnügungstempel. Tablettenroulette, Rollstuhlrennen, Bettpfanne-wechsel-dich. Wer hat noch nicht, wer will noch mal?
 

Aber Bela ist ja nichts so. Und weil er ein Mensch ist, der lieber gibt, vor allen Dingen anderen Leuten Chancen, wechselt er von seinem gemütlichen Platz im hinteren Teil des Busses nach vorne, zu Farin. Bietet diesem so die Gelegenheit, unter Beweis zu stellen, dass er nicht nur Spaßbremse ist. Vielleicht sogar noch ein klein wenig von dem Punkrocker von früher in ihm steckt.
 

„Hey!“
 

Beherzt lässt sich der Drummer neben Farin plumpsen, wirbelt so ein feine Wolke Staubes aus den Polstern auf. Ein brummiges „Hmm…“ begleitet von dem Unblättern in seinem Magazin ist alles was Bela als Antwort bekommt.
 

„Interessant?“ Noch ein Brummen. Dieses Mal tiefer. Sowohl Bela als auch Farin wissen, das dies, sollte der Blonde nicht bald reagieren, der Anfang des wirklich nervigen „Wie- lange- kann- ich- Farin- Urlaub- sticheln- ohne- eine- gewischt- zu- bekommen- Spiels“ wird. Eine Option, die beiden nicht wirklich zusagt.
 

„Bevor du weiter fragst: es ist das Sciencemagazin. Schwerpunkt Religionswissenschaften.“
 

Belas Nase rümpft sich von ganz allein.
 

„Seit wann interessierst du dich denn für Religion?“
 

„War nichts anderes da.“
 

Stille. Eine Minute. Zwei Minuten. Irgendwo tickt ein Wecker ziemlich laut, Bela bemerkt ihn erst jetzt. Ungeduldig fängt er an, hin und herzurutschen, schlimmer als jedes ADS- Kind. Nach einer gefühlten Ewigkeit, manche würden es auch fünf Minuten nennen, zeigt Farin endlich Erbarmen. Oder zumindest etwas Artverwandtes. Hatte Bela doch eigentlich etwas andere im Sinn gehabt, als tiefschürfende Gespräche über irgendwelche Konfessionen.
 

„Es dreht sich um das sogenannte Judas Evangelium. Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, dass die ganze Kreuzigungsgeschichte anscheinend von Jesus geplant wurde und Judas gar kein Spitzel, sondern Doppelagent war. Salopp ausgedrückt. Es soll angeblich auch eine richtige Anhängerschar von Judas gegeben haben… also ähnlich wie bei den anderen Aposteln… doch wurde seine Auslegung der Bibel von denen der Anderen über die Jahrhundert weg verdrängt bis sie ganz ins Vergessen geriet, bzw. vom Vatikan unter Verschluss gehalten wurde.“
 

„Aha“
 

Erst jetzt fällt Bela auf was für eine schönere Musterung der Teppich hat. Er fragt sich, ob jeder Nighterliner so gut ausgelegt ist oder das extra für die Ärzte gemacht wurde. Doch Farin bemerkt davon so ziemlich gar nichts, hat er sich doch gerade so schön eingeredet und textet den Drummer nun wie ein gottverdammter Wasserfall zu. Das hat er nun von seinem Gutmenschentum, Farin als Unterhalter noch mal eine Chance zu geben.
 

„Guck mal, das ist was für dich. Manche Experten vertreten sogar die Meinung, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Judas und Jesus weit über normale Verhältnisse hinausging. Also ich finde, dass das der Bezeichnung Judas Kuss eine ganz neue Bedeutung gibt.“
 

Bei dem letzten Satz aufhorchend, benutzt Bela Farins Unachtsamkeit, entreißt ihm mit einer Bewegung die Zeitung und schwingt sich galant auf seinen Schoß.
 

„Also vom Kuss. Vom Kuss versteh ich was.“
 

Er wartet noch nicht mal den geschockten Blick des Blonden ab, sondern presst gleich seine Lippe auf die des Anderen. Fühlt den kleinen Riss an der Oberlippe, schmeckt den Pfefferminztee. Als die Starre einer zögerlichen Erwiderung weicht, kann Bela nichts anderes als grinsen.
 

Vielleicht wird das ja doch besser als Altersheim. Wer hat noch nicht, wer will noch mal?

Urlaub

Urlaub
 

Wörter: Ausflug, Jugendherberge, Palmengarten (by Fanes)
 

Urlaub mit Jan Vetter ist immer ein Erlebnis.
 

Und wenn dieses Erlebnis allein darin besteht, in einer Jugendherberge zu übernachten, die noch nicht mal Belas hygienischen Ansprüchen standhält. Welche bekanntlich nicht gerade hoch sind. Aber in der Gemeinschaftsdusche von einem ganzen Schwarm Silberfische empfangen zu werden, das ist selbst bei ihm hart an der Grenze. Vom Anblick des Klos ganz zu schweigen.
 

Doch was tut man nicht alles, um einen gewissen blonden Riesen glücklich zu sehen. Da schluckt man selbst die schlimmsten Dinge, teilt sich mit einer halben Schulklasse ein Achtbettzimmer. Stockbetten, wohlgemerkt.
 

Leise seufzend, wobei Bela sich ohnehin fragt, wie man bei der Geräuschkulisse ein Auge zu machen kann, dreht er sich in seiner Koje, stößt auch prompt mit dem Kopf gegen den Lattenrost über ihm.
 

Abenteuer erleben, hatte Jan gesagt. Freiheit genießen. Länder entdecken. Es waren die üblichen Sprüche, mit denen er Bela einlullte, mit dem Ergebnis, dass der Drummer nun hier liegt, eine Sardine in der Dose.
 

Er lernt es aber auch nie.
 

Noch einmal abgrundtief seufzend (ihm egal ob der Knirps über ihn anfängt zu meckern) drückt sich Bela tiefer in die Matratze, oder eher Sprungfeder, als eine Bewegung im Augenwinkel seine Aufmerksamkeit weckt.
 

Die 1,94 Meter große Gestalt mit dem im Mondlicht geradezu leuchtendem Blondschopf, welche sich gerade, mehr oder weniger leise, aus seinem Bett schleicht, gehört mit Sicherheit keinem der Achtklässler. Mit einer gesunden Wut im Bauch, beobachtet Bela, wie sich Jan durch den schmalen Gang zwischen den Betten Richtung Ausgang schlängelt.
 

Erst schleift er Bela Irgendwo ins Nirgendwo, mutet ihm diese Bruchbude von Jugendherberge zu und nun will er sich klammheimlich aus dem Staub machen? Ihn einfach hier sitzen lassen?
 

Das konnte der werte Herr Vetter aber schön vergessen. Ein Bela B. lässt sich nicht einfach so abschieben!
 

Ein, zwei Sekunden wartend, folgt der Drummer dem Jüngeren auf leisen Sohlen, gar nicht beachtend, das er nur eine Boxershorts mit Kermitaufdruck anhat. Ist der Jagdinstinkt erst mal erwacht, wird alles andere zur Nebensache. So auch die kalten Fließen unter Belas nackten Füßen und das sportliche Tempo, welches er halten muss, um Jan nicht aus den Augen zu verlieren. Sollte Bela krank werden dank diesem kleinen nächtlichen Ausflug (was für den Älteren felsenfest klar steht), wird sich der Blonde ein Donnerwetter vom feinsten anhören dürfen. Liegt die Schuldfrage zumindest für ihn doch klar.
 

Gerade noch so die offene Haustür erwischend, hechtet Bela über die Schwelle, verliert für einen winzigen Augenblick die Orientierung in der absoluten Finsternis, die ihm auf dem Hof der Herberge entgegenschlägt. Beschien bis eben noch der Mond die ganze Szenerie in einem unwirklich silbrigem Licht, so versteckt sich der zu großgeratene Lampion nun hinter ein Dutzend schwarzer Wolken, lässt Bela im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln tappen.
 

Allein seinem noch nicht ganz zerstörtem Drummergehör (von wegen Tinnitus!) verdankt er es, dass er Jan nicht ganz verliert, intuitiv den linken Trampelpfad nimmt, der vom Hauptweg wegführt. Über manchen Stock und Stein stolpernd, selbst eine riesige Schlammpfütze wird laut fluchend nicht ausgelassen, findet Bela sich eine halbe Ewigkeit später vor einem meterhohen Zaun wieder. Der rechts und links in die Unendlichkeit zu gehen scheint.
 

Im ersten Moment kann der Drummer nichts anderes als den Kopf schütteln. Wobei er selbst sich nicht sicher ist, ob das nun dem offensichtlichen Wahnsinn dieser Situation gilt. Oder doch eher der Tatsache, dass er wirklich überlegt, Jan über die hohen Holzlatten zu folgen.
 

Mit einem abgrundtiefen Seufzen, der wahrscheinlich nur von Herr Fuchs und Frau Elster gehört wird, wenn überhaupt, tritt Bela ein paar Schritte zurück.
 

Eine Wahl hat er schließlich nicht wirklich, und wenn er es bisher geschafft hat, wird er sich den Triumph, Jan zu stellen, nun auch nicht mehr nehmen lassen. Besitzt doch selbst Bela so etwas wie Stolz. Und davon nicht gerade wenig. Zumindest in machen Punkten.
 

Mit einem ordentlichen Sprint Anlauf nehmend, schafft Bela es sogar beim ersten Versuch über den Zaun, muss lediglich ein paar Schrammen an Bauch und Knie für diese akrobatische Einlage zahlen. Auf der anderen Seite langsam seine Umgebung erfassend (so gut wie das nachts und ohne Taschenlampe nun mal möglich ist), fragt er sich kurzeitig, ob er wirklich noch irgendwo im Nirgendwo steckt und nicht wie Alice in eine andere, fremde Wunderwelt gefallen ist.
 

Steht er doch mitten in einem Palmengarten, auf Sandfußboden, umgeben von Bäumen, so hoch, dass er sich ernstlich überlegt, vielleicht nachtblind zu sein, dass sie ihm nicht schon früher aufgefallen sind.
 

Kurzzeitig den eigentlichen Grund seines Hierseins vergessend, genießt Bela einfach nur den Moment. Der laue Sommerwind, den Sand zwischen seinen Zehen, das sanfte Rauschen der Blätter, viele Meter über ihm- fast hat es wirklich was von Urlaub.
 

„Gefällt’ s dir?“
 

Bela müsste erschrocken sein. Ist er aber nicht. Er müsste zu Jan rum wirbeln, wütend, sauer, enttäuscht, dass diese Reise so grottig ist, sie hier beide halbnackt rumstehen, fern von ihren Sachen und Papieren. Tut er aber nicht.
 

Das Einzige, was Bela macht, ist, seine Nase weiter in den Wind zu halten, die kühle Brise begrüßend, die über seine erhitzte Haut streift.
 

„Du bist dir schon im Klaren, dass wir hier Hausfriedensbruch begehen?“
 

Es gibt nichts, was sie beide weniger interessieren könnte. Leise Schritte hinter Belas Rücken, die nur wenige Zentimeter vor (oder hinter?) ihm stoppen. Dann ein leises Wispern. So gar nicht für Herr Fuchs und Frau Elster bestimmt, sondern allein für Bela.
 

„Ich… es tut mir leid. Ich weiß, dass du dir die Reise, den ganzen Urlaub, anders vorgestellt hast.“
 

Der Hauch einer Berührung an seiner Schulter. Vielleicht ist es nur eine Einbildung. Bela geht es dennoch nah. Irgendwo. Er kann es nicht ganz bestimmen. Trotzdem begrüßt er den Geistesblitz, der ihn streift. Sein Bewusstsein für Herzschläge taghell erleuchtet.
 

Ein Sprung ins kaltes Wasser… oder eher auf kalte Gitarristen. Was hat er schon zu verlieren? Höchstens die Erinnerung an eine lausige Herbergsnacht. Bela kann nur gewinnen.
 

So lässt er sich kurzerhand nach hinten fallen, dass erschrockene „Humpf“ von Jan nicht weiter beachtend, gibt sich der Schwerkraft hin um ziemlich sanft auf seinem Gitarristen zu landen. Das Lächeln auf Belas Lippen bleibt ungesehen, während er sich zufrieden auf den Größeren einrollt, nicht gewillt, die nächsten paar Stunden seinen Platz zu verlassen.
 

Als irgendwann zögerliche Hände seine Schulter umfassen, ihn sanft halten, verliert sich Bela in Überlegungen, ob er diese Nacht wirklich so unschuldig enden lassen soll. Aber das hat Zeit.
 

Eins ist jedenfalls klar.
 

Urlaub mit Jan Vetter ist wirklich immer ein Erlebnis.

Beachparty

Beachparty
 

Wörter: Luftmatratze, Orangensaft, Spagetti (by Hummi)
 

Es ist eine Herausforderung. Geistig. Motorisch. Ein wenig auch auf emotionaler Ebene.
 

Angestrengt starrt Farin auf die schweren Einkaufstüten, in seinen Händen, deren Plastikträger langsam, aber sicher, die Blutzufuhr in sämtlichen seiner Finger abschnüren (Gitarristenkarriere ade!) und überlegt angestrengt, wie er es bewerkstelligen kann, die Tür zu ihrer WG aufzuschließen oder wahlweise endlich Bela dazu bewegen, seinen faulen Arsch in die Gänge zu setzen und ihm zu öffnen.
 

Dank der patentierten Farin Urlaub Packtechnik würde nämlich jedes Absetzen der schweren Last in einer mittleren Katastrophe enden (sprich sämtliche Lebensmittel würden ihrem PVC- Gefängnis entfliehen) bzw. bräuchte er fast schon schlangenmenschliche Fähigkeiten um den Schlüsseln, der natürlich ganz unten in der schwerster der drei Tüten liegt, zu erhaschen.
 

So in eine wirklich moralisch und ethischen Zwickmühle versetzt, tut Farin Urlaub das, was Farin Urlaub (neben Popsongs schreiben und in den Urlauben fahren) am besten kann.
 

Er schreit.
 

„FELSE! WENN DU NICHT SOFORT DIE TÜR ÖFFNEST, DANN SCHWÖRE ICH BEIM GEISTE DARWINS, DIE BILDER VON DER PARTY NEULICH MIT DIR UND DEINEM WIRKLICH EINSAMEN KLEINEN WÜRSTCHEN ZU VERVIELFÄLTIGEN UND IN DER GANZEN NACHBARSCHAFT ZU VERTEILEN!“
 

Eine Sekunde vergeht. Zwei Sekunden. Nichts passiert. Farin ist noch nie ein sonderlich geduldiger Mensch gewesen. So rückt er ein wenig nach rechts, dorthin wo er Belas Zimmer vermutet und fängt an, schön abwechselnd mit links und rechts, gegen die marode Steinwand zu treten. Ein herrliches Work-Out (jahaaa früh übt sich wer mal ein herzensbrechender Schönling werden will) und Krach sondergleichen.
 

„FELSE! FELSE! FELSE! FELSE!”
 

Es ist ein brüllender Singsang. Farin bemerkt nicht mal, wie er in irgendeine ihrer Melodien verfällt. Mit gutem Willen könnte man ZuSpät heraus hören. Mit sehr viel gutem Willen. Die Zeit dehnt sich ins Endlose, die ersten Nachbarn strecken schon ihre Köpfe heraus, kurz davor, kreischend daran zu erinnern, doch bitte an die Mitmenschen zu denken, die ihre Ruhe haben wollen. Schließlich sind sie nicht so ein asoziales Pack, da arbeitend und von daher an normale Bettzeiten gewohnt. Doch ehe es dazu kommen kann, öffnet sich endlich die Tür einen Spaltbreit.
 

Sieht er sich mit Katzenaugen konfrontiert, die ihm mürrisch und vor allen Dingen müde entgegenblicken.
 

„Du bist echt scheiße, Farin.“
 

Gut gelaunt schlängelt sich der Angesprochene durch die Tür, lädt seinen sämtlichen Einkauf auf Bela ab, der gar nicht so schnell gucken kann wie er die Tüten in der Hand hat. „Ich weiß.“ Und verschwindet breit grinsend in seinem Zimmer.
 

*
 

„FARIN!?“
 

Warum sich die Mühe machen, ihren ein Quadratmeter Flur zu durchqueren, wenn man doch schreien kann? Müde robbt Farin bis zum Ende seines Bettes, die Bettdecke immer noch über den Kopf.
 

„WAS?“
 

„KANN ES SEIN, DASS DU DIE SPAGHETTI VERGESSEN HAST?“
 

Eine kurze Pause. Farin denkt nach. Ernsthaft.
 

„MÖGLICH.“
 

Stille. Der Gitarrist ist kurz darauf, wieder einzuschlafen, von fluffigen Schäfchen und kleinen Blumen zu träumen, als ein „UND NUN?“, ihn aus den schönsten Träumen reißt.
 

Frustriert, da er das mit dem Schlafen wohl nun wirklich vergessen kann, schüttelt Farin die Bettdecke von sich, setzt sich auf. Auf die Idee, einfach zu Bela zu gehen, eine Konversation in halbwegs vernünftiger Lautstärke zu führen, kommt er nicht. Selbst wenn. Immerhin hätte Bela einen genauso weiten Weg, wenn es denn einen von ihnen beiden tatsächlich stören würde.
 

„PLANÄNDERUNG?“
 

„DANN BIST ABER DIESES MAL DU DRAN!“
 

Grummelnd brüllt Farin ein letztes „OKAY!“ Richtung Bela. Das ist so klar, dass mal wieder alles an ihm hängen bleibt.
 

*

Belas Augenbraue zuckt. Und während seine Synapsen versuchen, die Eindrücke, schnellst möglich zu seinem Gehirn zum verarbeiten überzuleiten, fragt er sich, wie das ganze so ausarten konnte.
 

Als Farin, vor circa einem Jahr mit der Idee eines regelmäßigen Freundschaftstages kam, hatte sich Bela dabei noch nicht wirklich viel gedacht. Zwar ging im der Sinn, solch eines festgelegten Datums bei zwei Personen, die sich eigentlich tägliche sahen, ein wenig ab, aber solang es den großen Blonden glücklich machte.
 

Was aber ziemlich harmlos mit Kinoabenden oder kleinen Kneipentouren (vorzugsweise in Bars die auch Milch ausschenkten) anfing, endete irgendwann in absolut durchgestylten Themenabenden, von Pyjamaparty- über Griechisch- bis ihn zu Horrornacht.
 

Und Bela weiß beim besten Willen nicht, wie das passieren konnte. Oder weshalb er es immer noch mitmacht.
 

Genauso wenig weiß er, ob er nun lachen oder schreien soll, bei dem Anblick eines halbnackten Farin Urlaubs, der auf einer quietschgelben Luftmatratze liegt, unter der einzigen Pflanze in der ganzen Wohnung, die, oh wie passend, eine Palme ist. Umgeben von Pudersand, von dem sich Bela ernsthaft fragt, ob Farin ihn wirklich vom Spielplatz drei Hausnummern weiter geklaut hat.
 

Belas Augenbraue zuckt.
 

Noch mehr als er das Longdrinkglas mit Schirmchen sieht (100% Orangensaft), die kleinen Käsespieße auf der schon angelaufenen, silbernen Platte.
 

„Auch ’nen Schluck?“
 

Und auch wenn Bela bis vor ein paar Sekunden am liebsten, hysterisch kreischend wie ein altes Waschweib, das Haus verlassen hätte, wahlweise Farin in die nächst beste Psychiatrie einweisend, so zuckt er am Ende doch nur kurz mit den Schultern. Lässt sich zu Farin auf den Boden fallen, lehnt sie gemütlich an ihn und schnappt sich einen Käsespieß.
 

Dann eben Beachparty.
 

Italienisch kann er sowieso nicht leiden.



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Kommentare zu dieser Fanfic (17)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Mebell
2009-08-08T13:17:48+00:00 08.08.2009 15:17
*Dem Zaunpfahl mit dem schlechten Wortwitz hinterherlatsch*

Ist das herrlich! Ich liebe, liebe die Vorstellung dieser Chaotenweg Bela/Farin. Und ich finde diese Art der Unterhaltung sehr symphatisch :D Mach ich auch gerne. Wozu auch bewegen?
Unglaublich toll umgesetzt! Und wie Bela dann resigniert und einfach alles akzeptiert wie es ist... Göttlich. Das ist auch irgendwie eine zuckersüße (Verzeih mir das Wort, mir fällt kein besseres ein :D) Vorstellung.
Liebe,Frieden und dieses Mal ein paar Belas (Sammel sie alle..oder so. ähäm :D)
Von:  YouKnowNothing
2009-08-05T18:18:23+00:00 05.08.2009 20:18
...
jetzt hast du mich wieder auf blöde ideen gebracht! *lacht*
der "freundschaftstag" gefällt mir nämlich sehr gut sowas will ich auch haben XD

Aber, davon mal agsehen gefällt mir das wieder alles sehr gut ^^ vorallem is das so gut vorstellbar wie die da durch die wohnung brüllen... X3~
herrlich!!

LG S-M
Von:  Toozmar
2009-08-04T19:14:47+00:00 04.08.2009 21:14
schon wieder ne super Story.
und mal wieder komm ich ins träumen. So ein halbnackter Farin... hmmm... lecka... und käsespiese... auch lecka ^^
Von:  Toozmar
2009-08-03T19:44:00+00:00 03.08.2009 21:44
ach mensch, da komm ich schon wieder ins träumen... Urlaub ... ^^
ich glaube inzwischen du kannst nur tolle Stories schreiben. Die ist auch einfach schön und bis morgen überleg ich mir 3 Wörter ^^
Von:  Toozmar
2009-08-03T19:36:22+00:00 03.08.2009 21:36
noch ne tolle Story...
woher nimmst du die Ideen dafür und warum fällt dir immer so nen tolles Ende ein?
Mensch, ich bin neidisch ^^
aber die ist auch toll und ich werde dir bestimmt bald ne ENS schreiben ^^
Von:  Toozmar
2009-08-03T19:29:44+00:00 03.08.2009 21:29
also bei den 3 Wörtern hätt ich nie so ne geile Story erwartet.
Und mal wieder ein "böser" Bela. Gefällt mir richtig gut ^^
Von:  YouKnowNothing
2009-07-29T15:47:21+00:00 29.07.2009 17:47
<3 <3 <3

wunderschön, schon wieder so ein schönes Happy End! Ich liebe Kitsch, Romantik und Happy Ends, auch wenn sie manchmal unlogisch sind... X3~
Aber du machst das ja immer so schön, dass es einfach nur super ist!
wunderschön!

LG SM
Von: abgemeldet
2009-07-29T12:03:02+00:00 29.07.2009 14:03
*lächel*

Was für eine heillos schön-romantisch-kitschige Story!!!
Ich kann gar nicht genug von deinen Geschichten bekommen!
Von: abgemeldet
2009-07-29T11:57:34+00:00 29.07.2009 13:57
Süüüüüüüüüüß!

Aber wo nimmst du immer dein Wissen her? In deinen Texten steht immer so viel Interessantes - wie hier mit Judas... Nicht nur unterhaltsam, sondern auch noch bildend *begeistert*
Von: abgemeldet
2009-07-29T11:53:35+00:00 29.07.2009 13:53
*sabber*

Ich muss sagen... Die Idee mit dem Apfelwein... Die Spannung, die du da aufbaust... HERRLICH! Mir wurde beim Lesen ganz anders...
Haaach, in der Situation würd ich meinem blonden Riesen auch gerne mal begegnen... *seufz*


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