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Ludwig - es geht weiter

von

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Der blaue Zwerg

Die Stadt war erfüllt von Musik und köstlichen Düften. Von den Dachgiebeln hingen Girlanden, die zu den Nächsten reichten. Lahmpingongs hingen von Laternen und Dächern und überall standen Blumenkästen mit in den schönsten Farben blühenden Pflanzen.

„Was ist denn hier los?“, Lui spähte durch das kleine Fenster hinaus, das zum Kutschbock wies.

„Ich weiß es nicht, aber wir sollten vorsichtig sein. Es sieht nach einem Fest aus, da könnte sich Lisette gut in der Menge verstecken.“, Will’s Hände zitterten und auf seiner Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen.

„Nun bleib erst mal ruhig.“, Dorothea, die neben ihm auf dem Bock saß, legte ihm eine Hand auf den Arm und wandte sich danach an Ludwig: „Lui, mein Schatz, ich werde mich mal umhören, damit du auch weißt, was hier los ist.“, ihre Stimme überschlug sich fast.

Lui verdrehte die Augen und lehnte sich in seinem Sitz zurück.
 

Sie stellten die Kutsche in der Nähe ab und Will beschaffte ihnen zwei Hotelzimmer. Als er wieder zum Prinzen zurückkehrte, traf auch die Hexe wieder ein. In zwei Tagen am Abend sollte ein Fest zu Ehren der Königin stattfinden, die am Morgen ihr erstes Kind zur Welt gebracht hatte. Hierbei handelte es sich um eine Tochter.

„Die ganze Stadt ist mit den Vorbereitungen hierfür beschäftigt.“, schloss sie ihren Bericht: „Aber ich weiß nicht, irgendetwas stimmt nicht. Es ist wie in deinem Reich, mein Schatz, als ich die Kristalle gefunden habe. Hier ist eine Macht am Werk, die ich nicht einordnen kann.“

„Das passiert ja ziemlich oft in letzter Zeit. Vor einigen Tagen die Sache mit diesem komischen Flur und nun das hier.“, warf Ludwig ihr vor: „Lässt du etwa nach?“

Sie sah ihn beleidigt an: „Nein, manchmal kann man eben nicht einfach erkennen, was los ist.“ Als ihre Katze mit den Fledermausflügeln wieder erschien, verschwand sie wütend.

„Das war nicht sehr Taktvoll, Prinz.“, warf Will wagemutig ein.

„Was weißt du schon davon.“, fuhr in Lui an: „Sorg lieber dafür, dass wir in das Schloss kommen. Vielleicht hat die Königin ja noch eine Schwester.“
 

„Ihr seid also zu Besuch in meinem Land um eine Gemahlin zu finden?“, fragte der König verwundert nach.

„Ja.“, Ludwig küsste die Hand der bezaubernden Königin und zog sich mit einem tiefgründigen Blick in ihre Augen wieder von ihr zurück. Sie errötete peinlich berührt und schenkte daraufhin ihrem Mann ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.

„Ich weiß nicht, wie wir Euch dabei helfen könnten.“, fuhr dieser unbeirrt fort und rieb sich nachdenklich das Kinn: „Zunächst bestehe ich natürlich darauf, dass Ihr in meinem Schloss nächtigt. Ich werde mit Eurer Zustimmung den sofortigen Umzug veranlassen, wenn Ihr gestattet.“

„Ich habe nichts dagegen einzuwenden.“, Lui lächelte freundlich und wandte sich wieder der Königin zu. Welche Körbchengröße sie wohl hatte?

„Mein treuer Diener Willhelm wird gerne dabei behilflich sein.“, fügte er noch an den König hinzu und wies mit der rechten Hand auf Will, der neben ihm stand: „Er wird die Arbeit mit fleißiger Hand erleichtern und dafür Sorge tragen, dass nichts und niemand vergessen wird.“

„Wie Ihr wünscht.“, willigte der König ein und wandte sich flüsternd an seine Gemahlin. Danach verabschiedete er sich von Ludwig und verschwand in das Zimmer neben an.

Sobald er aus dem Zimmer verschwunden war, sprang die Königin auf und lief auf Ludwig zu.

Er war völlig verblüfft. Eine solche Reaktion hatte er noch nie ausgelöst.

Sie ergriff mit beiden Händen die seinen und sah ihn flehend an: „Ich bitte Euch, helft mir.“

„Wenn Ihr mir sagt weshalb und wie, werde ich keine Zeit scheuen.“

„Meine Tochter, meine Arme kleine Tochter. Ich gab einem Männlein mein Wort, sie ihm zu geben, wenn ich seinen Namen nicht errate. Bitte helft mir, ihn heraus zu finden.“

Lui runzelte die Stirn. Was sollte das denn?

„Ich werde Euch alles erklären, wenn Ihr mir nur helft.“, flehte sie weiter, als sie sein Zögern bemerkte: „Ich werde Euch alles erzählen und nichts auslassen, aber bitte rettet meine kleine Tochter. Sie kann doch nichts dafür.“

Sie brach in Tränen aus und Ludwig entzog ihr seine Hände, um sich in einen Sessel am Rande des Saales sinken zu lassen. Sie sank zu Boden wie ein Häuflein Elend.
 

Als sie sich wieder gefangen hatte, erklärte sie ihm, dass sie als Sängerin in einer Spielunke gearbeitet hatte, als sie auf den Prinzen gestoßen war. Sie hatten sich sofort ineinander verliebt und keinen Moment gezögert dieser Liebe ihren Ausdruck zu verleihen.

Doch als der Vater des Prinzen davon erfuhr, wollte er den Prinzen zu einer Zweckhochzeit zwingen, die dem Land wieder zum Wohlstand verhelfen sollte. Um den König Senior davon zu überzeugen, dass sie diesen Anforderungen entsprach, hatten sie sich dazu entschlossen zu behaupten, sie könne Stroh zu Gold spinnen.

Dabei hatten sie jedoch nicht mit dem Entschluss des Königs gerechnet, der einen Beweis von ihr verlangte. So wurde sie in eine kleine Kammer mit etwas Stroh gesperrt, in der sie es bis zum nächsten Morgen beweisen sollte.

„Ich war so verzweifelt.“, jammerte sie ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit vor: „Ich wusste nicht weiter und weinte bitterlich. Doch dann tauchte plötzlich dieser kleine blauer Kerl auf. Er hatte seine blaue Haut ungeschickt mit grün und braun geschminkt um die Farbe zu überdecken, aber ich konnte trotzdem erkennen, dass er blau war.“

Lui zog die Augenbrauen hoch und hörte ihr weiter zu.

„Ich musste anzügliche Bemerkungen über mich ergehen lassen, bevor er meine Kette als Bezahlung akzeptierte und das Stroh zu Gold spann.“

Ludwig konnte ihr das nicht wirklich glauben, schwieg aber, als sie fort fuhr: „Doch mein Schwiegervater hatte damit nicht genug. Das Gold reichte bei weitem nicht dazu aus, den Reichtum zu ersetzen, den mein Gemahl durch eine reiche Heirat bekommen hätte, also musste ich eine weitere Nacht in einem größeren Keller verbringen. Erst danach sollten wir heiraten.

Der Kerl tauchte wieder auf und nach dem er seine anzüglichen Bemerkungen hinter sich gebracht hatte, nahm er meinen Ring und spann das Stroh zu Gold und Edelsteinen.“

Danach hatten sie immer noch nicht geheiratet, denn ein Sturm hatte in der selben Nacht die nördlichen Felder zerstört und das Königreich in eine Not gestürzt. So hatte der König Senior seine Schwiegertochter erneut darum gebeten, Stroh zu Gold zu spinnen. Die Kammer war sehr viel größer gewesen, als alles, was sie zuvor vor sich gehabt hatte. Der König wollte schließlich sein Volk ernähren können.

„Der Kerl war wieder aufgetaucht und nachdem er seine üblichen Bemerkungen losgeworden war, musste ich ihm mein erstes Kind versprechen, weil ich nichts mehr zu geben hatte. Er machte sich an die Arbeit und ich wurde bewusstlos, weil er so nach Alkohol stank.“, schloss sie ihre Geschichte.

„Also müsst Ihr Eure Tochter diesem Fremden anvertrauen.“

„Er war nun schon zwei Mal da und stellte mir die Aufgabe seinen Namen zu erraten. Friedrich hat alles versucht ihn zu finden, aber er ist wie vom Erdboden verschluckt. Keiner hat ihn gefunden und ich muss ihm übermorgen seinen Namen nennen, sonst verlieren wir unsere Tochter.“

Lui verdaute fürs Erste diese Neuigkeit: „Was bekomme ich dafür?“

„Ich nenne Euch das nächste Königreich und sage Euch, wie Ihr an die Tochter des Königs heran kommen könnt und an die der anderen Königreiche, wenn Ihr mir nur helfen wollt.“

„Ich muss zunächst einmal auf Will warten. Ich wäre Euch sehr verbunden, wenn Ihr mir mein Zimmer zeigen würdet.“, sie erhoben sich wieder: „Ach ja, ich hätte da noch eine Frage. Was ist Eure Körbchengröße?“

Die Königin starrte ihn verblüfft an.
 

„Also, du willst jetzt diesen Zwerg suchen?“, wiederholte Dorothea ungläubig und ließ sich in einen Stuhl fallen.

Lui würdigte sie keiner Antwort sondern wandte sich an Will, der einem Tablett in der Tür erstarrt war: „Kommst du jetzt? Der Tee wird kalt.“

Will zuckte zusammen und hatte es so eilig den Tee zu servieren, dass er über eine Teppichfalte stolperte und der Länge nach auf dem Boden aufschlug. Der Tee ergoss sich über den ganzen Boden und das Service ging zu Bruch.

„Stell dich doch nicht immer so ungeschickt an.“, erteilte ihm Lui eine Rüge: „Wenn du den Kerl heute Nacht mit mir suchen wirst, darfst du nicht auffallen.“

Will wurde kreidebleich, während Dorothea das Chaos mit einem Seufzen wieder in seinen ursprünglichen zustand versetzte: „Und du bist dir wirklich ganz sicher? Weißt du, ich kann dir dieses Mal nicht wieder so helfen, wie gegen Julius. Du weißt nicht, was es mit diesem Kerl auf sich hat.“

„Ich habe dich nicht darum gebeten, es wieder zu tun.“, giftete Lui und erhob sich. Er durchmaß den Raum mit wenigen Schritten und öffnete seinen Kleiderschrank. Er hatte genug von dem Anzug. Jetzt war ihm mehr nach einer zerfetzten Jeans und einem verblichenen weißen T-Shirt.
 

Erschöpft sank sie zu Boden. Sie war gerade noch entkommen. Sie konnte von Glück reden. Das gefiel ihr gar nicht. Sie hatte plötzlich Seife in den Augen gehabt und wäre fast abgestürzt. Diese blöde Kuh, warum konnte sie auch nicht aufpassen.

Wütend zog sie sich an dem Ast hoch, der sie vor einem völligen Absturz bewahrt hatte, damit sie sich unter einen Felsvorsprung retten konnte, bevor sie entdeckt wurde. Sie hinterließ kein Blut trotz der vielen kleinen Wunden, die sie kassiert hatte. Dafür musste sie wohl Gott danken.

Als sie keine Stimmen und Schritte mehr über sich vernehmen konnte, lugte sie vorsichtig unter dem Fels hervor. Sie waren weg, also konnte sie sich an den Aufstieg wagen.

Müde und erschöpft zog sie sich an der steilen Wand hinauf, bis sie die kleine Lichtung erreichte, von der sie zuvor gefallen war. Die Luft war rein.

Sie hievte sich über den Abhang und blieb am Boden liegen um zu verschnaufen. Was hatte sie sich nur mit diesem Bauern eingebrockt? Sie musste in Zukunft vorsichtiger sein, wenn sie Nahrung stehlen wollte. Das Gewehr hatte ihr zwar etwas Geld eingebracht, aber noch bei weitem nicht genug, dass es bis zu den letzten Wochen gereicht hätte.

Sie schaffte sich unter einen nahegelegenen Baum und blieb dort liegen. Vielleicht würden ihre Wunden ja wieder schnell verheilen.
 

„Bist du sicher, dass wir ihn hier finden können?“, Will schlug sich ungeschickt durch das Unterholz des Waldes, während er manchmal vergaß den Ästen auszuweichen, die Lui zur Seite gehalten hatte, damit er selbst vorbei konnte und die er sobald er vorbei war, wieder zurück schnarren ließ.

„Nerv mich nicht, Will. Sei lieber ruhig, schließlich könnte er dich hören.“

Will seufzte. Sie waren nun schon seit drei Stunden in diesem Wald unterwegs, während Wachen das ganze Land absuchten.

„Hast du das gehört?“, Lui blieb so abrupt stehen, dass Will fast in ihn hinein lief.

„Nein.“

„Lass uns weiter gehen.“, schloss Lui nach einem Augenblick. Sie wanderten weiter, nun durch lichteres Gelände, bis Lui plötzlich wieder stehen blieb: „Siehst du das Licht dort vorne?“

Will spähte an ihm vorbei: „Das da vorn?“

„Ja.“, Lui wanderte ungebremst darauf zu und bog kurz davor ins Gebüsch ab, damit man ihn nicht sah. Will folgte ihm stolpernd und hatte Mühe mit ihm Schritt zu halten.

Das Licht stammte von einem Lagerfeuer, dass auf einer kleinen Lichtung entzündet worden war. Die Lichtung grenzte an eine Felswand, die das Licht widerspiegelte.

„Wo ist er?“, flüsterte Will dem Prinzen zu.

„Ssht.“, würgte dieser ihn ab.

„Aber wo kann er denn sein?“

„Wenn du so laut bist, wird er niemals herauskommen, egal auf wen ihr wartet.“, erklang eine gelangweilte geschwächte Stimme hinter ihnen.

Erschrocken fuhren sie zu dieser herum und erblickten Lisette. Will sprang sogleich auf sie zu, um sich ihre Wunden zu betrachten, während Ludwig sie nur anstarrte. Welche war das nun?

Sie deutete seinen Blick falsch, als sie zu ihm aufsah: „Du brauchst gar nicht so zu gucken. Ich freu mich auch.“, ihre Stimme triefte nur so vor Sarkasmus.

„Du kannst nur Lisette sein.“, rutschte Lui ungehalten heraus.

Lisette wandte sich an Will, den sie während des ganzen Gesprächs ungehalten abwehrte: „Was ist mit? Hat er sein Gedächtnis verloren?“

„Nein, das hat er nicht. Lass mich deine Wunden sehen.“

„Schade, dann hätte ich ihn leichter töten können.“, sie ignorierte Will absichtlich und wandte sich wieder an Ludwig: „Was macht ihr hier?“

„Wie ist das passiert?“, entgegnete Lui und dachte an die anderen Lisettes zurück, die sich schon durch kleine Änderungen der Kleidung sofort den Anderen angepasst hatten. Waren sie nun auch verletzt?

„Das geht dich nichts an.“, sie zog hämisch einen Mundwinkel hoch: „Euer kleiner Freund ist da.“

Lui fuhr herum und blickte durch die Büsche hindurch. Hinter dem großen Feuer war ein kleiner blauer Kerl hervorgetreten, der sich die Kleider vom Leib zog und um das Feuer tanzte.

Er sang: „Heute tanz’ ich, morgen töt’ ich und übermorgen hol’ ich der Königin ihr Kind. Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß’!“

Lui konnte nicht an sich halten. Er stapfte aus dem Gebüsch und stand vor ihm auf der Lichtung.

„Rumpelstilzchen?“, platze es aus ihm heraus: „Wie blöd ist denn der Name? Überhaupt nicht bedrohlich, so machst du doch gar keinen Eindruck.“

„Ich wette, er hat noch niemanden getötet.“, stakste Lisette hinter dem Prinzen aus dem Gebüsch, gefolgt von Will, der besorgt um sie herum lief und sie bat, wieder zurück zu gehen.

„Was soll das? Was macht ihr hier?“, schrie der kleine blaue Zwerg und bedeckte beschämt seine Kronjuwelen mit den Händen.

„Und dann noch diese Farbe.“, fuhr Lui fort.

„Ich glaube, ich habe schon von ihm gehört.“, stimmte Lisette ein. Bei ihren Worten gewann der Zwerg wieder an Selbstbewusstsein, bis sie fortfuhr: „Er ist der Knilch, der schon oft versucht hat, Kinder zu entführen und es letztlich doch nie geschafft hat. Er wird in der Unterwelt ausgelacht.“

Der Zwerg wurde rot und krächzte: „Was wollt ihr?“

„Hm.“, überlegte Lui: „Wie wäre es, wenn du mit deiner Gabe Geld machst, statt Kinder von Familien zu erpressen? Du könntest auch von der Klippe da oben springen, was mir persönlich besser gefallen würde.“

„Ja, ich glaube, das würde mir auch besser gefallen.“, stimmte Lisette zu und legte den Kopf schräg: „Aber das bringt ihn nicht um. Ich spreche aus Erfahrung.“

Der Zwerg suchte verzweifelt seine Sachen zusammen und krächzte verzweifelt beim Anziehen, dass er keine Chance hätte, denn wer würde schon die Dienste eines blauen Zwergs in Anspruch nehmen.

„Und warum hat das mit dem Erpressen nicht geklappt?“, hakte Lisette nach.

„Weil die immer meinen Namen rausbekommen haben.“, Rumpelstilzchen war niedergeschlagen und sank auf den Boden zurück: „Außerdem musste ich versprechen, dass ich diese Gabe nur für Böses verwende.“

„Bist du deshalb auch so blau?“, Lui lief um ihn herum und betrachtete sich die Farbe.

„Ja.“, antwortete der Zwerg gereizt.

„Nun gut, um deinen Ruf zu wahren, gehst du morgen zur Königin und machst, was du immer machst. Aber hole dir nicht das Kind!“, kommandierte ihn Lui: „Was du danach machst, ist mir egal, aber ich muss meine Belohnung bekommen.“

Er wandte sich ab und verließ den Zwerg. Als Will ihm nicht folgte wandte er sich erneut um: „Was ist?“

Will deutete auf Lisette: „Wir können sie doch nicht einfach hier lassen.“

„Warum nicht?“, vielen die anderen Beiden ein.

„Weil sie verletzt ist.“, Will ignorierte Lisette und wandte sich weiterhin an Lui.

Der zeigte anklagend mit dem Finger auf sie: „Du hast doch selbst gehört. Sie will gar nicht mit.“

Will zerrte weiter an ihrem Arm und sah Lui flehend an, während Lisette stöhnte und die Augen verdrehte. Was sollte das nur?

„Du könntest heraus finden, was es mit ihr auf sich hat, wenn du sie mitnimmst.“, erklang Dorotheas Stimme in Luis Unterbewusstsein.
 

„Ich versteh wirklich nicht, was das hier soll.“, Lisette klang nicht sonderlich begeistert. Sie saß verpackt und verschnürt auf einem Stuhl fest, während Will nach ihren Wunden sah.

„Wie ist das möglich?“, wiederholte er die gleiche Phrase zum dritten Mal: „Du hattest doch so viele Wunden.“

„Du hast ja lange genug gebraucht mich hier her zu schaffen.“

„So lange war es gar nicht.“

„Ach nein?“, erklangen Lui und Lisette im Chor und starrten sich an. Das war nicht sonderlich gut. Sie schwiegen sich an und sahen dann in verschiedene Richtungen.

„Ich bin nur noch hier, damit ich ihn gleich umlegen kann, das ist dir ja wohl hoffentlich klar, Willhelm!“, stellte sie besonders unfreundlich fest.

Lui schnaufte verächtlich und wandte sich ab.

„Was nun?“, flüsterte ihm Dorothea zu: „Wie willst du es nun rausbekommen?“

Lui sah ihr ins Gesicht und wandte sich dann wieder von ihr ab.

In diesem Moment betrat ein Diener der Königin den Raum und bat Lui die Königin in Empfang zu nehmen.

„Was denn? Du bist schon so weit gesunken, dass du dich jetzt an verheirateten Frauen vergreifst die obendrein noch Kinder haben?“, verhöhnte ihn Lisette.

„Du verstehst wirklich gar nichts.“, antwortete er ihr.
 

„Ich hoffe, ich störe Euch nicht, Prinz Ludwig.“, begrüßte ihn die Königin, nachdem die Diener die Tür in ihrem Rücken geschlossen hatten.

„Setzt Euch ruhig.“, Lui saß in einem hohen Lehnstuhl in einer Ecke. Der Anzug, den er trug konnte man kaum als solchen bezeichnen, denn er gab sehr tiefe einblicke frei.

„Habt Ihr etwas herausgefunden?“, sie ließ sich auf einen Stuhl sinken und sah ihn hoffnungsvoll an.

„Was soll das denn?“, erklang Lisettes Stimme verächtlich: „Sag bloß du hast angefangen zu arbeiten.“

Die Königin blickte überrascht zu ihr hinüber und runzelte die Stirn: „Wer ist das?“

„Niemand.“, wandte Will schnell ein und stellte sich vor Lisette: „Es ist nur eine Freundin, eure Hoheit.“, er verneigte sich vor ihr.

„Ich habe in der Tat etwas herausgefunden.“, fuhr Lui unbeirrt fort, was die Aufmerksamkeit der Königin wieder auf ihn lenkte: „Sein Name ist Rumpelstilzchen.“

Die Königin faltete dankbar die Hände und brach in Tränen aus: „Ich danke Euch so sehr. Vielen, vielen Dank Prinz Ludwig.“

„Denkt an euer Versprechen.“

„Natürlich.“

„Hätte ich mir ja denken können, dass du nichts um sonst machst.“, erklang Lisettes verächtliche Stimme erneut hinter Wills Rücken. Dieser fuhr erschrocken zu ihr herum und gab somit wieder den Blick der Königin frei.

„Wer ist das? Sie kommt mir bekannt vor.“, durch den Schreck, den Lisettes Worte bei der feinfühligen Königin ausgelöst hatten, hatte diese sich wieder gefasst: „Sie erinnert mich an irgendwen.“

„Das ist...“, Will wusste nicht weiter: „Das ist, ähm...also, das ist...“

„Hör auf zu stammeln, Will.“, schalt ihn Lui, der Lunte gerochen hatte: „Das ist Lisette, Mylady.“

„Wie alt seid Ihr, Lisette?“, wandte sie sich an Rotkäppchen.

„Warum interessiert Euch das?“, entgegnete diese nur schnippisch.

„Könnt Ihr mit Waffen umgehen?“, überging die Königin die Frage.

„Warum sollte ich Euch antworten?“, Lisettes Stimme war weicher geworden, aber ihre Worte waren noch genauso verletzend.

Lui hatte den Wandel in ihrer Stimme bemerkt und wandte sich Dorothea zu, die ihn wissend anblickte. Sie zog eine Augenbraue hoch und nickte vielsagend.

„Eure Hoheit, an wen erinnert sie Euch denn?“, wandte Lui ein und ließ Lisette nicht aus den Augen.

Als sie seinem Blick begegnete, wandelte sich ihr Wesen: „Was soll das hier? Bin ich eine Art Versuchskaninchen für verlorene Erinnerungen?“, sie erhob sich und griff nach ihrem Mantel.

„Wie ist es möglich, dass deine Wunden schon wieder verheilt sind?“, fragte Will sie verwundert.

„Unsinn. Ich bin nur nicht so empfindlich wie du, Will.“, schimpfte sie ihn aus.

Die Königin ließ sie nicht aus den Augen: „Du erinnerst mich an irgendwen.“

„Das habt Ihr bereits gesagt.“, entgegnete Lisette unhöflich ohne sie anzusehen und machte sich auf den Weg zum nächsten Fenster.

„Sie erinnert Euch bestimmt nur an Rotkäppchen.“, warf Dorothea ein und machte es sich wieder auf der Couch bequem.

„Wer soll das sein?“, fragte die Königin unwirsch.

„Das ist nicht so wichtig.“, wandte Lui ein, bevor er sich wieder mit Lisette beschäftigte: „Setz dich wieder hin, ich muss noch mit dir reden.“

„Warum sollte ich das tun?“, sie drehte sich verachtend zu ihm um.

„Weil etwas Geld für dich rausspringen könnte.“, entgegnete Lui genauso unfreundlich, dann wandte er sich wieder der Königin zu: „Was ist nun mit Eurem Versprechen?“

„Ich muss doch erst einmal wissen, ob es stimmt, das werdet Ihr doch sicher verstehen?“

„Natürlich, warum auch nicht.“, Lui grinste breit: „Deshalb kommt er auch schon morgen Abend.“

Die Königin starrte ihn an: „Ihr habt mit ihm gesprochen?“

Ludwigs Lächeln wurde noch breiter.
 

„Was willst du von mir?“, Lisette saß mit beleidigt verschränkten Armen in einem Lehnstuhl in der Ecke, als die Königin die Tür hinter sich schloss: „Und du solltest in deinem eigenen Interesse hoffen, dass es wichtig ist.“

„Warum? Bringst du mich um, wenn es nicht so ist?“, er kam auf sie zu und sah sie verachtend an.

„Was willst du?“, wiederholte sie wütend die Frage und ihre Augenbrauen sanken um einiges tiefer.

Er ließ sich gemächlich in einem Stuhl ihr gegenüber nieder und schlug langsam die Beine übereinander. Dabei betrachtete er sie eingehend: „Erinnerst du dich noch an den Tag, an dem du deine Eltern getötet hast?“

Lisette zog eine Augenbraue hoch: „Worum geht’s, Lui? Komm auf den Punkt.“

„Ich will von dir wissen, was genau passiert ist.“, schloss er: „Das ist alles.“

„Und warum interessiert dich das plötzlich so sehr?“, sie sah ihn ungläubig an: „Du führst irgendwas im Schilde, das steht fest.“

„Antworte einfach.“, er wurde ungeduldig.

Sie grinste breit: „Nur gegen die richtige Bezahlung.“

„Woher soll ich wissen, dass du nicht lügst?“

„Das ist dein Risiko. Geht mich nichts an.“, sie zog beide Augenbrauen hoch und lächelte fast.

„Was willst du?“, fragte er schließlich, nachdem er seinen Zorn hinuntergeschluckt hatte.

„Mein Preis besteht aus zwei Dingen.“, sie legte eine Pause ein, um ihm die Gelegenheit für einen Einwand zu geben. Er reagierte nicht, also fuhr sie fort: „Erstens möchte ich wissen, wozu du es wissen willst und das wirst du mir sagen müssen, bevor ich dir etwas erzähle.“

Er biss sich auf die Lippe und sein Blick verfinsterte sich, aber er beschwerte sich nicht.

„Und zweitens könnte ich etwas Kleingeld gebrauchen.“

„Und wieder sage ich: woher soll ich wissen, dass du mir die Wahrheit sagst?“

„Das kannst du nicht wissen.“

„Warum sollte ich für etwas bezahlen, für das ich keine Garantie habe?“

„Nun gut. Ich sage dir die Wahrheit, wenn du sie mir sagst.“, sie beugte sich etwas vor und stützte ihre Unterarme auf den Armlehnen ab.

„Warum sollte ich dir überhaupt etwas erzählen?“, Lui ließ sie nicht aus den Augen.

„Weil das die Vorraussetzung dafür ist, dass ich überhaupt etwas sage.“, sie lehnte sich wieder zurück.

„Du brauchst doch das Geld. Ich hab das nicht nötig.“, er bemerkte jede ihrer Bewegungen.

„So dringend brauch ich das auch nicht. Wäre nicht das erste Mal, dass ich ohne auskommen muss. Aber du willst die Infos von mir.“, grien umspielte ihre Züge.

Sie war eine gute Verhändlerin und sie hatte ihn am Harken, das wusste sie. Lui lächelte.

„Ich möchte es wissen, weil es mich interessiert.“

„Wenn du denkst, dass du dich so leicht aus der Affäre ziehen kannst, hast du dich geschnitten.“, sie erhob sich und wandte sich zum gehen.

„Na gut, ich sag’s dir ja.“, er knirschte fast mit den Zähnen. Sie wandte sich mit dem Blick eines Siegers zu ihm um.

„Es ist wegen Will.“

„Was soll mit ihm sein?“, sie glaubte ihm nicht. Er musste sich bemühen, sonst klappte es nicht: „Er denkt oft an damals zurück und nervt mich zu Tode.“

„Offenbar ja leider nicht.“

„Sehr lustig. Ich möchte ihm einfach nur was an den Kopf werfen können.“

„Da wirst du bei mir nichts finden.“, sie wandte sich wieder ab, ging auf die Tür zu, hörte etwas und ging zum nächsten Fenster. Dann drehte sie sich wieder zu ihm um, bevor sie verschwand: „Ich mach dir einen Vorschlag. Wenn du die Wahrheit sagen möchtest, dann kommen wir noch mal auf den Deal zu sprechen. Bis dahin hab ich dich vielleicht noch nicht getötet.“

Lui bleib allein zurück. Verdammte Kuh!
 

Der nächste Abend kam wie im Flug und Ludwig und Will fanden sich mit Dorothea und dem königlichen Ehepaar im Thronsaal ein, um den blauen Zwerg in Empfang zu nehmen.

Das Ehepaar wirkte sehr angespannt und Will war etwas nervös. Es war nicht ungefährlich, in dieser Situation, schließlich konnte der Zwerg sich ja um entscheiden oder er benannte sich um und dann standen sie dem Henker gegenüber.

Ludwig schien das nicht im geringsten zu interessieren. Er saß in seiner Ecke auf einem Stuhl, die Beine überschlagen und betrachtete seine Fingernägel. Dorothea saß neben ihm, ihre Katze auf dem Schoß und wickelte gelangweilt ihre Haare um den rechten Zeigefinger.

Will dagegen saß nervös auf seinem Stuhl und spielte mit seinen Fingern, bis einer von ihnen Knackte und er aufhörte.

Es klopfte an der Tür zum Saal und als niemand reagierte, trat der Zwerg herein: „Nun Majestät, habt ihr meinen Namen herausgefunden?“

Der König legte seiner Gattin beruhigend eine Hand auf den linken Arm und sah sie aufmunternd an. Dadurch gestärkt antwortete sie ihm: „Dein Name ist Rumpelstilzchen.“

Er sah sie verblüfft an. Seine Augen wurden weit und gerade, als er mit dem Fuß ausholen wollte, um in die Erde zu stampfen, erstarrte er inmitten der Bewegung.

Grund hierfür war das kleine Räuspern, mit dem Lui auf sich aufmerksam machte. Als Rumpelstilzchen ihn sah, wurde das Blau seiner Haut um einige Nuancen heller und er setzte den Fuß wieder auf dem Boden ab.

„Haben wir nicht etwas vergessen?“, Lui stand auf und kam auf ihn zu.

„Was wollt ihr denn vergessen haben?“, Rumpelstilzchen befürchtete augenblicklich eine Falle und sah sich argwöhnisch nach der Königin um, die noch weniger verstand, als er.

„Wenn du jetzt auf den Boden trittst, dann wirst du dich so sehr verletzten, du kleiner Idiot, dass du mir nicht mehr von Nutzen sein kannst.“, gab Lui von sich: „Wie sollen wir denn dann an Geld kommen?“

„Ach ja, meine Gabe.“, viel es Rumpelstilzchen wieder ein: „Aber das hast du doch schon genug, du zotteliger Affe.“

Lui schenkte ihm einen destruktiven Blick: „Eure Hoheiten, Ihr könntet ihn doch einstellen. Zunächst als Babysitter, wenn Euch das kleine Balk auf die Nerven geht und später als Rettungsanker, wenn das Geld mal wieder knapp wird.“

Der König senkte seinen Blick. Er fühlte sich ertappt: „Woher wusstet Ihr, Prinz, dass es schlecht um unsere Finanzen steht?“

„Ihr wart nie zugegen, wenn ich mich mit Eurer Gattin unterhielt und dank Will weiß ich, dass es in dieser Stadt schlecht um die Brotpreise steht.“

Die Königin sah ihren Gemahl von der Seite an: „Schon wieder?“

Der König nickte beflissen.

„Ich stelle dich ein, wenn du möchtest. Aber keine Erpressungen mehr und es wird auch niemand mehr von dir entführt!“

Rumpelstilzchen sah zunächst zu Lui und dann zu der Königin, bevor er nickte.
 

„Was ist nun mit Eurem Versprechen, Königin?“, Lui lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück und betrachtete sich erneut seine Fingernägel.

„Ihr habt nicht nur meine Tochter, sondern mein ganzes Reich gerettet.“, leitete sie ihre Antwort ein: „So werde ich Euch nicht nur sagen, wo ihr die nächste ledige Prinzessin finden könnt, sondern auch noch, woher ich die junge Dame von gestern Abend kenne.“

„Als Dame würde ich sie wohl kaum bezeichnen.“

Die Königin schenkte ihm einen überraschten Blick und überging seinen Einwand: „Die junge Dame kenne ich von einem Gemälde, dass ich vor langer Zeit im Arbeitszimmer meines Schwiegervaters gesehen habe. Es zeigte seine beste Freundin mit ihrer Familie. Dabei war auch eine Tochter. Sie war etwa sechs Monate alt, als das Gemälde gemalt wurde, zumindest wirkte es so. Sie befanden sich in ihrem Königreich. Eure Freundin sah der Königin sehr ähnlich.“

Lui sah sie ernst an: „Wo ist denn dieses Königreich?“

„Es liegt westlich von hier an der Meeresgrenze. Aber es ist verkommen. Die Tochter wurde, soweit ich davon weiß, entführt, als sie gerade mal fünf Jahre alt war.“

„Wie komme ich dorthin?“, Lui lehnte sich vor, sodass er sich mit den Unterarmen auf seine Knie stützen konnte. Seine Augen lagen im Schatten seiner Haare, weshalb die Königin nicht erkennen konnte, was er dachte.

„Es ist ein langer Weg dorthin. Er wird Euch durch mindestens drei andere Königreiche führen, von denen ich weiß, dass sie noch dazwischen liegen.“, sie schenkte ihm einen besorgten Blick: „Es ist wirklich entsetzlich weit und ich kann Euch nicht garantieren, dass Ihr dort noch jemanden finden werdet, der lebt.“

„Das ist schon okay.“, Lui lehnte sich wieder zurück: „Lasst das ganz meine Sorge sein. Was ist nun mit der anderen Sache?“

„Die Königreiche liegen auf dem Weg.“



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