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Seelentier~

>Gefunden und verloren<
von

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~~1. Kapitel~~ Seelentier ~~~
 

Leise knisterte das Laub unter den Füßen des leichten Mädchens, während sie den Waldweg geschmeidig entlang lief. Die Blätter, die noch nicht durch den Herbst herunter geregnet waren, raschelten in den Kronen ihrer Bäume, wurden von dem Wind gestreichelt, der friedlich wehte. Auch, als er durch die Haare des Mädchens strich, entlockte er ihr nur einen glücklichen Seufzer. Sie liebte ihn, den Wind, den Wald. Hier war sie sie selbst, musste nicht das Vorzeigetöchterchen spielen, musste nicht das Bild aufrecht erhalten, glücklich zu sein. Nein, hier war sie glücklich.
 


 

An einem Baum herunter rutschend, bemerkte das junge Mädchen nicht, wie sie beobachtet wurde, von etwas, das im Gebüsch lauerte. Eine uralte Macht, die sie ansah, vorsichtig, weiser geworden mit der Zeit. Bernsteinfarbene Augen liebkosten jede Bewegung des Mädchens, achteten dennoch darauf, dass sie nicht zu nahe kam. Das hier war sein Revier, sein Lebensraum, hier herrschte er, und er würde sich nicht verscheuchen lassen...
 

Dennoch, etwas mochte er an ihr, war es ihr Geruch? Oder ihr friedlicher Gesichtsausdruck? Eine harmonische, Kraft spendende Aura umgab sie, und er fühlte sich wie in Trance versetzt. Langsam setzte er sich in Bewegung, kraftvolle, anmutige Bewegungen. Er war eins mit der Umgebung, etwas, das die Menschen nie von sich behaupten konnten. Menschen fielen immer überall auf, und sicher niemals positiv. Wäre er ein Mensch, so würde er Lachen, doch zum Glück war er es nicht, er war das, was er war. Und das war auch gut so.
 


 

Das Mädchen schloss friedvoll die Augen, fühlte sich aufgehoben, verschmolz mit der Umgebung und ließ den Geist herum streifen. Sie dachte an nichts, lauschte nur dem Wind, den Geräuschen des Waldes. Sie bemerkte nicht, wie sich ihr etwas näherte, etwas, dessen Anwesenheit sie nicht spürte, noch nicht. Aber dennoch war er da, liebkoste sie weiter mit Blicken.
 


 

Er blieb etwas irritiert stehen, als er bemerkte, wie sie langsam einschlief. Ihre Atemzüge wurden gleichmäßig und ihre Hände glitten zur Seite. Wie leichtsinnig von ihr, ging ihm durch den Kopf. Denn schließlich war es nicht das sicherste im Wald zu schlafen, in dem es gefährliche Raubtiere gab. Solche, wie ihn zum Beispiel. Doch niemals würde er solch etwas machen, jemanden töten, der es nicht verdient hat. Niemanden, der so jung war, schon gar nicht, wenn diese Person sie war. Er näherte sich ihr weiter, wollte noch mehr von ihrem köstlichen Duft in sich aufnehmen, wollte mehr ihrer Energie spüren, doch wollte er sie auch nicht erschrecken.
 


 


 

Schlaftrunken bemerkte sie, wie sich ihr etwas näherte. Eine fremde, ihr nicht bekannte, machtvolle und dennoch vertraute Aura machte sich in ihrem Magen breit, war nicht zu überspüren. Vorsichtig schlug sie die Augen langsam auf, blinzelte verwirrt. Das Gefühl, das sich hatte in ihr breit gemacht hatte, ließ sie nicht im Stich, vor ihr stand etwas.
 

Den Atem anhaltend bemerkte er, dass sie wach geworden war, doch war zu einer Statue geworden, konnte nicht wegrennen. Was würde sie nun machen? Würde sie nach Hause rennen und allen Bescheid geben, dass es ihn hier gab? Das er hier existierte? Das er nicht nur ein Mythos war? Seine Muskeln spannten sich an. Nein das würde er nicht. Niemals, die Menschen hatten schon genug seiner Artgenossen verscheucht, gar getötet. Doch war ihm der Tod noch viel lieber, als gefangen genommen zu werden! Er war frei, war als freies Geschöpf auf die Welt gekommen, würde auch als ein Freies Geschöpf sterben.
 

Fasziniert begutachteten ihre dunklen, blauen Augen seine Bewegungen, wie er sich langsam zum Wegspringen bereit machte. Von seinem Gesicht, bis hinab zur Erde, auf der er stand, speicherte sie jede Einzelheit in ihrem Herzen ab, bevor sie weiter wanderte, mehr Fläche auf seinem durchtrainierten Körper liebkoste. Vorsichtig richtete sie sich unbemerkt nach vorne, streckte die Hand nach ihm aus, wollte ihm näher treten.
 


 

Überrascht über soviel Glanz in ihren Augen, wurde er ganz unkonzentriert. Er wusste nicht, was sie so an ihm faszinierte, doch wusste er, dass sie ein Mensch war. Einer von denen, die vor nichts zurück schreckten. Die nicht darauf achteten, wie sie anderen Geschöpfen Schmerzen zufügten. Ein tiefes, warnendes Knurren kam aus seiner Kehle, als sie ihre Hand zu nahe an ihn brachte, doch machte er keine Anstalten sie anzugreifen.
 


 


 

Das Mädchen zögerte einen Augenblick, ehe sie leicht lächelte. „Du musst dich nicht vor mir fürchten, ich bin nicht so, wie du denkst“, flüsterte sie beruhigend in einer samtweichen Stimme, wie sie niemandem sonst gehören konnte. Doch um ihn einen Moment seine Ruhe zu lassen, zog sie die Hand zurück und setzte sich aufrecht hin.
 


 


 

Seine Ohren zuckten, als er ihre liebliche Stimme vernahm und tatsächlich verebbte das Knurren.
 


 

Ein Grinsen legte sich auf ihr ebenmäßiges Gesicht, ehe sie sich ihm langsam, liebevoll summend näherte. Dieses Mal war kein Knurren zu vernehmen, er hielt still. Konnte sich nicht von der Stelle rühren, lauschte nur den wohligen Tönen, die seine Ohren vernahmen.
 


 

Es vergingen wenige Sekunden, ehe sie mit ihren langen, warmen Fingern durch sein schwarzes, weiches Fell strich. Beide schlossen die Augen, genossen diesen Moment, verinnerlichten ihn, bereit, ihn niemals zu vergessen. Sie verstummte, als sie beide Arme um ihn legte und ihn fest in die Arme schloss. Ein Wolf, ja, er war ein Wolf. Ein Tier, aber ein anmutiges, edles, mutiges Tier. Wild, ungezähmt, und dennoch friedvoller als der Mensch.
 


 


 

Mensch? Ging ihm durch den Kopf, ehe er ermüdet die Augen öffnete. Ja, sie war ein Mensch, doch war sie ein Mensch, der nicht wie die Anderen war. „Ich hab sehr lange auf dich gewartet“, flüsterte er in einem leicht traurigen Ton, den er nicht verbergen konnte.
 

Sie löste sich von ihm und sah ihm lange, vertrauensvoll in die bernsteinfarbenen Augen. „Ich weiß“, hauchte sie, doch ihre Augen strahlten. Er war ihr Seelenverwandter, ein Teil von ihr, so wie sie ein Teil von ihm war.
 


 

Der nachtschwarze Wolf legte den Kopf schief. „Du wusstest von meiner Existenz?“, fragte er, ein wenig naiv. Brachte sie zum Lächeln. „Natürlich… Ich… Ich habe es gespürt, ich wusste, dass es etwas gibt, das mir fehlt… Ich wusste nur nicht was… Doch jetzt weiß ich es… Was mir fehlte, war ein Teil von mir selbst, ein Teil meiner Seele, was mir fehlte, das bist du!“ In ihren Augen schimmerten Tränen. Sie hatte ihn gefunden, endlich.
 


 

„Nimm mich mit dir“, flüsterte sie, doch er schüttelte nur den Kopf. „Ich bin ein Wolf… Du bist ein Mensch, das geht nicht, Felicia“ Seine Stimme zitterte, doch würde er nicht nachgeben. Auch er wollte sich nicht von ihr trennen, denn gehörten sie eigentlich zusammen. Sogar ihren Namen kannte er, ohne sie jemals zuvor gesehen zu haben. „Es gibt nichts, was mich hier zurück halten würde… Wirklich“, murmelte sie leicht enttäuscht. „Wir sind eins…“
 


 


 

Die Abenddämmerung brach ein, als sie noch immer nebeneinander saßen und nichts taten. Die rötlichen Sonnenstrahlen brachten ihre weiße Haut zum Glitzern, ein sanfter Wind wehte noch einmal an ihnen vorbei, ehe er sich aufrichtete. „Ich muss gehen!“, gab er von sich, doch wollte er sich am liebsten wieder neben sie setzen. Sie sah ihn schmerzvoll an. „Lass mich nicht zurück…“, flüsterte sie, doch er wandte sich nur um. „Wann immer du meine Hilfe brauchst, rufe mich… Wir werden schon zusammen finden“, murmelte er, dann rannte er in Kraftvollen Bewegungen los. Geschmeidig wie Wasser, Gefährlich wie Feuer und Anmutig wie ein Wolf nur sein konnte, ließ er sie zurück. Allein.
 


 

Written by LiLSis.



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