Zum Inhalt der Seite

Mord ist Sport

(k)ein Fall für Heiji Hattori
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Um Haaresbreite

Ein leichter Wind bewegte die Blätter der kleinen Waldung, die sich nahtlos an das Grundstück des Musikproduzenten Ichimaru Tanegawa anschloss, während die Sonne von einem leuchtend blauen Septemberhimmel herabstrahlte und die letzten, gut im Laub verborgenen Zikaden wärmte, denen offenbar niemand gesagt hatte, dass ihre Zeit längst vorüber war.
 

Etwas entfernt von dem Wäldchen, auf einer Linie mit einer sauber geschlagenen Schneise stand in diesem Moment, gekleidet in Hakama, Keiko-Gi und Obi, Momoko Tanegawa, sich vollkommen auf ihr Ziel konzentrierend, während der Wind mit ihren im Nacken zusammengebunden Haaren spielte und sie sowohl von ihrem Vater als auch von ihrem Bruder aufmerksam beobachtet wurde.
 

Mühelos hielt sie den asymmetrischen Bogen des Kyūdo im 6. Hassetsu, die Sehne mit Hilfe des Mitsugakes bis aufs Äußerste gespannt, sich Zeit lassend, alles andere als Pfeil, Bogen und Mato ausblendend.
 

Leise sirrte die Sehne, als sie durch das leichte Drehen der Hand, die sie bisher gehalten hatte, freigegeben wurde und sie im nach vorn Schnellen den schmalen Bambuspfeil beschleunigte der nur Sekunden später mit einem dumpfen Laut genau in der Mitte der Zielscheibe stecken blieb.
 

Kaum hatte der Pfeil sein Ziel erreicht, als Shinya – ohne auf die traditionelle Pfeilholbitte zu warten – auch schon loslief, um im nächsten Augenblick laut und stolz das Ergebnis zu verkünden, dass der Pfeil ins Schwarze getroffen hatte, bevor er diesen aus der Mato zog und wieder zurückgelaufen kam.
 

„Nicht schlecht, Momo“, stellte Ichimaru lächelnd fest, während er sich mit einer Hand nachdenklich seinen gepflegten, graumelierten Bart kraulte, „wenn du das Tempelschießen auch so hinbekommst, dürfte deiner Titelverteidigung Nichts im Weg stehen.“ Momoko lächelte ebenfalls, zufrieden mit dem erreichten Ergebnis und stolz auf die Anerkennung ihres Vaters, sich bei diesem dafür bedankend, bevor sie sich ihrem Bruder zuwandte, der wieder herangekommen war. Während sie von Shinya den Pfeil entgegennahm, fragte dieser aufgeregt: „Zeigen wir’s ihm jetzt?“

„Was wollt ihr mir zeigen?“, wollte Ichimaru neugierig wissen, erhielt als Antwort von seinem Sohn jedoch nur ein verschmitztes Grinsen und den begeisterten Satz: „Wart’s ab, du wirst Augen machen!“

„Und du bist sicher, dass du das machen willst?“, erkundigte sich Momoko gleichzeitig ernst bei ihrem Bruder und erntete darauf ein entschlossenes Nicken, während Shinya erklärte: „Klar. So oft, wie du geübt hast, kann’s gar nicht schief gehen.“ Kaum hatte er ausgesprochen, wandte sich der Junge ab, um weiteren Diskussionen vorzubeugen und befahl an seinen Vater gewandt über die Schulter: „Du musst raten, was wir darstellen!“, bevor er wieder zu der Stelle lief, wo die Mato stand. Während der Vater seinem Sohn noch überrascht und neugierig hintersah, stellte der Junge die Zielscheibe samt Halterung zur Seite, damit sie nicht im Weg war und sich selbst anschließend an den Stamm des Baumes, vor dem zuvor die Scheibe gestanden hatte.
 

Nachdem er einen Apfel aus der Bauchtasche seines Sweatshirts geholt hatte und auf seinem Kopf ausbalancierte, winkte er zu seiner Familie hinüber, als Zeichen, dass er soweit wäre. Sobald er sicher war, dass der Apfel blieb, wo er sollte, stand er still und kerzengerade da, darauf wartend, dass seine Schwester ihm die Frucht vom Kopf schoss.
 

Momoko hatte unterdessen in der Grundhaltung des Kyūdo geduldig auf das Zeichen ihres Bruders gewartet, hob nun den Bogen, bis ihre Hände sich auf gleicher Höhe mit ihrem Gesicht befanden und spannte den Bogen, bis ihre behandschuhte Zughand ihre Wange streifte. Wieder verharrte sie eine Weile in dieser Haltung, während ihr Vater in gespannter Erwartung und ein kleinwenig besorgt das Geschehen beobachtete. Wieder konzentrierte sich Momoko darauf ihre Schultern nicht zu verkrampfen, an nichts anderes zu denken, als die Sehne des Bogens, den eingelegten Pfeil und den Weg, den er zurückzulegen hatte, bevor er schließlich den Apfel treffen würde. Erst als sie vollkommen ruhig war; das Gefühl hatte, Pfeil und Ziel zugleich zu sein, ließ sie die Sehne losschnellen.
 

Im gleichen Augenblick erklang eine helle, etwas atemlose Frauenstimme, die sich von Haus der Tanegawas her näherte: „Da bist du ja, Liebling, hast du vergessen, dass wir mit Osaki-san und ihrem Agenten verabredet sind?“ Bereits bei den ersten Worten hatten sich Vater und Tochter in die Richtung gewandt, aus der die Stimme erklungen war und sahen nun der aparten, stilvoll gekleideten Frau entgegen, die ihnen entgegen kam. Allerdings erhielt Ichimaru keine Gelegenheit seiner Frau auf deren Frage zu antworten, denn bevor sie noch ganz herangekommen war, glitt ihr Blick neugierig hinüber zu Shinya. Innerhalb von Sekundenbruchteilen verwandelte sich ihr hübsches Gesicht in eine ungläubig starre Maske des Entsetzens, unwillkürlich die Hände vor den Mund schlagend, ohne jedoch einen Schrei des Grauens unterdrücken zu können.
 

Mit ruckartiger Hast wandten sich Momoko und ihr Vater bei dieser Reaktion ihre Köpfe in die gleiche Richtung und erstarrten für eine Weile vor fassungsloser Bestürzung. Der Anblick war schrecklich. Statt den Apfel auf Shinyas Kopf zu treffen, hatte der Pfeil seinen Hals durchbohrt und den Jungen offenbar gegen den Baum gepinnt, als wäre er ein Stück Papier. Für einen Moment herrschte absolutes Schweigen, nicht einmal die verspäteten Zikaden wagten einen Laut von sich zu geben und auch der Wind war verstummt, während über Shinyas blasse Haut dunkles Blut ran und vom Kragen seines Sweatshirts aufgesogen wurde.
 

Eine unerwartete, schwache Bewegung Shinyas, die mehr ein Zucken war, sorgte dafür, dass sowohl Ichimaru als auch seine Tochter aus ihrer Starre erwachten und zu dem Jungen rannten, um zu versuchen ihm irgendwie zu helfen. Unterdessen lief Miyuki auf den hastig, in heiserem Ton gebellten Befehl ihres Mannes hin zurück zum Haus, um einen Notarztwagen zu verständigen.
 

Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, ehe der Krankenwagen endlich eintraf und Shinya kurz darauf in das nächste Krankenhaus gebracht wurde, wo er umgehend operiert wurde.
 

Der Aufenthalt im tristen Wartezimmer der Notaufnahme des Krankenhauses wurde zu einer weiteren nervenaufreibenden Prüfung für Momoko, Ichimaru und Miyuki, ehe endlich ein Arzt kam und der Familie mitteilte, dass Shinya vorerst zwar noch nicht gänzlich außer Gefahr sei, aber sich doch wenigstens in einem stabilen Zustand befand, der Hoffnung auf Genesung machte. Gerade als die Familie erleichtert aufatmete, erklärte der Arzt in strengem Tonfall, der keinerlei Absicht nachzugeben verriet: „Ich werde die Polizei über diesen Vorfall unterrichten. Dort wird man entscheiden, ob Sie mit Konsequenzen für Ihr verantwortungsloses Handeln zu rechnen haben.“ Die letzten Worte waren direkt an Momoko gerichtet, die noch immer die für das Kyūdo übliche Kleidung trug, lediglich den Schießhandschuh hatte sie ausgezogen, sodass der Arzt in ihr zu Recht die Verantwortliche für den Unfall vermutete.
 

„Das ist wirklich nicht nötig“, erklärte Ichimaru bestimmt als Antwort auf die Worte des Arztes, während er seiner Tochter schützend einen Arm um die Schultern legte, „es war ein schrecklicher Unfall, den wohl niemand mehr bedauert als wir. Es gibt keinen Grund, warum die Polizei sich mit dieser Sache beschäftigen müsste.“

„Liebling, ich fürchte, Ishida-sensei hat keine andere Wahl“, wandte seine Frau behutsam ein, während der Arzt zugleich bestätigte: „Es ist die übliche Vorgehensweise, ich werde nicht davon abweichen.“

„Stell dir vor, was die Presse berichten wird, wenn sie erfährt, dass wir gegen eine Routineuntersuchung der Polizei sind. Es sähe aus, als hätten wir etwas zu verbergen“, gab Miyuki mit unangenehm berührtem Gesichtsausdruck, sanft mahnend zu bedenken.
 

Mit fest aufeinander gepressten Lippen und missmutig gerunzelter Stirn hatte Ichimaru seiner Frau zugehört, während er seine Tochter unbewusst noch ein wenig enger an sich zog. Bevor er jedoch auf seiner Meinung beharren konnte, erklärte auch Momoko mit leiser Stimme und noch immer verstörtem Gesichtsausruck: „Sie hat Recht, Oto-san“, verstummte gleich darauf wieder, den Blick vom Gesicht ihres Vaters abwendend und den Kopf senkend, sodass sie nun auf ihre Hände starrte, als hätten sich diese vor ihre Augen in schreckliche Monster verwandelt. „Ich hätte beinahe Shinya umgebracht“, die Stimme des Mädchens war nur noch ein ton- und trostloses Flüstern, „wie soll… wie kann ich…“ Als ihre Stimme endgültig versagte und sie nur noch stumm die Tränen fortwischen konnte, die ihr begannen über die Wangen zu laufen, zog ihr Vater sie tröstend an seine Brust während er mit plötzlich wieder heiserer Stimme erwiderte: „Mich trifft genauso viel Schuld. Ich hätte gar nicht erst zulassen dürfen, dass ihr das tut.“ Momoko hätte ihrem Vater gern erklärt, dass er durchaus keine Schuld an der ganzen Sache hatte, schließlich war sie es gewesen, die den Pfeil abgeschossen hatte, in der Überzeugung das richtige Ziel zu treffen. Bruder und Vater hatten ihr vertraut und sie hatte beide zutiefst enttäuscht. Wenn jemand Schuld hatte, dann ausschließlich sie. Aber sie war noch immer nicht in der Lage zu reden und so schüttelte sie lediglich auf die Worte ihres Vaters den Kopf, bevor sie diesen wieder an dessen Schulter barg.
 

Noch immer tröstend seine Tochter festhaltend, erkundigte sich Tanegawa nach einem Moment des Schweigens, in dem er sich bemühte seine Fassung wieder zu erlangen, bei dem ruhig abwartenden Arzt, ob sie Shinya sehen dürften. Ishida nickte gnädig und forderte die Familie anschließend auf, ihm zu folgen. Sobald sie vor einem kleinen Zimmer angekommen waren, das ein Fenster zum Flur hin besaß, durch welches Shinya zu sehen war, der noch immer bewusstlos und an eine Vielzahl von Geräten angeschlossen in einem steril wirkenden Krankenbett lag, erklärte Ishida-sensei in knappen Worten, wie der Zwölfjährige in den nächsten Tagen weiter behandelt werden würde. Nachdem sich Miyuki bei ihm für seine Bemühungen bedankt hatte, nickte er lediglich zum Abschied und ließ die Familie allein.
 

Schweigend stand die kleine Familie vor dem Glasfenster und starrte auf den blassen, leblos wirkenden Jungen. Momoko noch immer an die Seite ihres Vaters gelehnt, Miyuki in kurzem Abstand auf der anderen Seite Ichimarus. In einer stummen Geste griff dieser nach der Hand seiner Frau und drückte sie tröstend und dankbar, sie nicht wieder loslassend, während er noch immer seinen Sohn betrachtete und still darum betete, dass es diesem bald wieder besser ginge.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Teilchenzoo
2011-02-21T14:58:09+00:00 21.02.2011 15:58
Sehr eindringlich geschrieben.
Und ein sehr interessanter Beginn. Wie daraus ein Krimi wird? Ich bin gespannt, auch, wenn ich eine leise Vermutung habe.
Und darum lese ich besseer gleich weiter^^.

Lg neko
Von:  IchBinLiebe
2009-10-14T16:44:01+00:00 14.10.2009 18:44
Hallo,

Das Anfangskapitel ist weitestgehend sehr schön beschrieben und veranschaulicht. Ich finde es wirkt autentisch.
Ich finde deinen Anfangsabsatz sehr gelungen und mich würde es jetzt keineswegs stören. Ich habe nur einmal in einem Ratgebe für das Schreiben gelesen, dass man nicht mit einer Wetterbeschreibung anfangen sollte, da es zu oft verwendet werden würde. Also nur so generell. Hier fand ich es vollkommen angebracht, zumal man du ja erst einmal einleiten wolltest. In Ort und Personen. Du hast nicht groß und bereit erklärt, wer wer ist. Das hat mir gefallen. Denoch war es auch nicht zu überstürzt. Also alles in allem ein sehr schöner Anfang.
Ich hab nur Heiji etwas vermisst, aber er wird wohl gleich aufkeutzen.
Allerdings fand ich es nicht so gut, dass du den Unfallhergang beschrieben hast. Ich nehme mal an, dass er nicht zu viel vor weg nimmt. Ich persönlich mag es nicht, wenn ich schon vor den "Ermittlern" dabei bin.

Rechtschreibung sah, glaube ich (da bin ich selbst nciht gut drin), sehr gut aus. Mir ist aufgefallen, dass du viel mit mähreren Kommas in einem Satz arbeitest. Nur wieder allgemein betrachtet. Manche, die schachtelsätze nicht so mögen, wären vielleicht mit kürzeren Sätzen glücklicher? Was mich betrifft: Mir egal. Ich selbst mache auch immer Schachtelsätze.
Du hast bei der wörtlichen Rede ein paar mal die Punkte vergessen.
Der name Ischda- erinnert mich sehr an Bleach XD
Allerdings eine kritik hätte ich: die Zikarden hätten auch nach dem Unfall weiter gemacht genaso wie der Wind XD Die hätte das nicht interessiert, ob es den Menschen schlecht geht oder nicht.
Von:  Hotepneith
2009-10-13T20:05:38+00:00 13.10.2009 22:05
Ein interessanter Beginn.

Ein zwölfjähriges Mädchen als Mörderin? Ein bedauernswerter Unfall - bei einer offenkundigen Meisterschützin? Niemadn ist unfehlbar, ja, aber die Geschwiser scheinen das ja auch geübt zu haben.
Nun, ich bin neugierig, wie der junge detektiv vorgeht...zumal du ja Hattori und nciht Kudo als Ermittler auftauchen lässt.


bye

hotep

P.S.
Hattest du mir nicht versprochen, mir was von neuen stories zu erzählen?


Zurück