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Mord ist Sport

(k)ein Fall für Heiji Hattori
von

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Erste Spuren

Es dauerte eine Weile, ehe die drei Jugendlichen endlich das etwas außerhalb liegende Anwesen der Familie Tanegawa erreicht und umrundet hatten, um an den Ort zu gelangen, an dem sich das Drama zugetragen hatte. Beim Anblick des Wäldchens, in das an einer Seite eine saubere Schneise geschlagen worden war, wirkten sowohl Heiji als auch Kazuha verwundert, schließlich entsprach dies so gar nicht den üblichen Übungsplätzen für das Bogenschießen. Auf die erstaunt gestellte Frage Kazuhas, erklärte Kyūji mit einem bestätigenden Nicken: „Tanegawa übt hier regelmäßig. Den Schießstand hat ihr Vater für sie herrichten lassen. Sie ist der Überzeugung, wenn es ihr gelingt unter diesen erschwerten Bedingungen das Ziel zu treffen, sind die Herausforderungen bei den Wettkämpfen leichter zu bewältigen und die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen größer.“
 

Noch während Inao sprach, hatte Heiji bereits begonnen sich prüfend umzusehen und in gerader Linie zu der Schneise im Boden in regelmäßigen Abständen hölzerne Markierungen entdeckt, die jeweils als Entfernungsangaben zur Zielscheibe dienten. Auch die Stelle für die Zielscheibe war mit einer Markierung versehen, in diesem Moment war dieser Platz jedoch vollkommen leer, offenbar wurden die Scheiben nur während der Schießübungen aufgebaut und anschließend wieder fortgeräumt. Vielleicht hatte es auch nur jemand nach dem Unfall für angebracht gehalten, sie zu entfernen.
 

Nachdem sich der junge Detektiv einen ersten Eindruck über die Anlage verschafft hatte, lief er zu der Stelle, an der Tanegawas Bruder gestanden haben musste, als der Unfall passierte. Der Boden um den Baum war stark zertreten, während der Stamm des Baumes einige unnatürliche Vertiefungen aufwies, die wohl von den auftreffenden Pfeilen stammten.
 

„Wie groß ist der Bruder von Tanegawa?“, wollte Heiji von Inao wissen, während er mit leicht zusammengezogenen Brauen auf die Einschusslöcher der Pfeile starrte. Kyūji zuckte ein wenig ratlos mit den Schultern, bevor er zögernd erwiderte: „Vermutlich zwischen einem Meter vierzig und fünfundvierzig.“

„Hat sie diesen Apfelschuss vorher schon mal versucht?“ erkundigte sich Hattori als nächstes, während er schätzweise die Hand in der angegebenen Höhe an den Baumstamm legte.

„Wenn nicht, hätte sie ihn nicht ihrem Vater gezeigt“, erwiderte Inao überzeugt und erhielt von dem Detektiv einen Laut zerstreuter Zustimmung, während dessen Blick bereits suchend über den Boden streifte. „Was ist eigentlich aus dem Apfel geworden?“, erkundigte sich Heiji an niemand bestimmten gewandt und fügte erklärend hinzu: „Wenn Tanegawas Pfeil ihren Bruder in den Hals getroffen hat, müsste der Apfel heruntergefallen und zur Seite gerollt sein. Aber hier ist nirgends einer zu sehen.“ Bei diesen Worten hatten auch Kazuha und Kyūji begonnen sich suchend umzusehen, ob sie den Apfel nicht vielleicht doch entdecken konnten. Sie hatten jedoch ebenso wenig Erfolg wie Heiji, weshalb die Drei gründlicher zu suchen begannen, ohne jedoch auch nur die Spur eines Apfels finden zu können. Dafür entdeckten sie eine auffällig große Zahl von abgeknickten Zweigen an den umstehenden Sträuchern.
 

„Kazuha, was machst du denn da?!“, rief Heiji nach einer Weile irritiert und ungläubig zu seiner Freundin hinüber, die mehrere Meter links von der Stelle, an der Shinya gestanden hatte, das Gebüsch durchsuchte. „So weit kann der Apfel gar nicht gerollt sein, selbst wenn ihn jemand zur Seite getreten hat.“

„Weiß ich“, rief Kazuha zurück, ohne sich an der Zurechtweisung zu stören, sondern offenbar viel mehr der Ansicht, etwas Wichtiges entdeckt zu haben. „Seht euch das an, der Busch sieht aus, als wäre er ausgehöhlt worden!“ Neugierig kamen die beiden Jungen näher, um mit eigenen Augen zu sehen, was Kazuha meinte.
 

Es war fast unmöglich auf der Seite, die dem Schießstand zugekehrt war, irgendetwas zu erkennen, sah man von einigen weiteren Stellen ab, an denen ebenfalls wieder Blätter und Zweige fehlten oder abgeknickt waren. Erst wenn man um den ausladenden Strauch herumging, konnte man sehen, dass sich offensichtlich jemand die Mühe gemacht hatte, störende Äste zu entfernen und eine Art Eingang in das Innere der Lorbeerkirsche zu schaffen. Die Höhe des Eingangs und die Aushöhlung des Busches zwangen den Detektiv die weitere Inspektion in geduckter Haltung vorzunehmen.
 

Auch im Inneren war der weiche Boden mit herab gefallenen Blättern bedeckt, dennoch gab es Stellen, an denen die Erde sichtbar war. Einige dieser Stellen wiederum zeigten die schwachen, nachlässig verwischten Spuren von schmalen Rädern. Auch ein Teil der abgestorbenen, langsam vor sich hin rottenden Blätter sah aus, als wäre er erst vor kurzem bewegt worden. So als hätte sie jemand versucht lustlos und unachtsam zusammen zu kehren oder als wäre eine Decke darüber geschleift worden. Etwa in der Mitte der Lorbeerkirsche schienen die Blätter eine zeitlang durch Gewichte beschwert gewesen zu sein. Die trocken und spröde gewordenen, toten Blätter waren unter dieser Last teilweise zerbröselt, andere, die noch nicht ganz so lang herabgefallen waren und genug Leben in sich hatten, um nicht beim leichtesten Anlass zu zerfallen, waren stellenweise ein wenig tiefer in den Boden gedrückt, als die umliegenden Blätter. Vorsichtig schob Heiji einen Teil dieses Laubes beiseite, um herauszufinden, ob sich darunter noch interessante Spuren verbargen. Tatsächlich befanden sich unter dem Laub runde Vertiefungen, nicht sehr ausgeprägt und nicht sehr groß, aber doch ausreichend, um sie zu erkennen. Heiji hatte keine Ahnung, worum es sich bei dem Gegenstand handeln mochte, der hier offensichtlich gestanden hatte. Er konnte noch nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob dieser Gegenstand überhaupt etwas mit dem Unfall zu tun hatte oder es sich nur um zufälliges Zusammentreffen von zwei unterschiedlichen Ereignissen handelte. Dass es jemand für nötig hielt einen verhältnismäßig großen Gegenstand in einem Busch zu verstecken, war in jedem Fall merkwürdig.
 

Als der Schülerdetektiv seinen Blick vom Boden hob, bemerkte er, dass durch die im Buschwerk fehlenden Zweige und Blätter eine bemerkenswert runde Form besaßen und sich in direkter Linie zu dem Baum befanden, an dem tags zuvor Shinya gestanden hatte. Es konnte sicher nicht schaden, diese Tatsache im Hinterkopf zu behalten. Mit diesem Gedanken kroch Heiji schließlich wieder aus der Lorbeerkirsche heraus, sobald er sich sicher war, dass er nichts übersehen hatte.
 

Er hatte sich kaum wieder gerade aufgerichtet, als er auch schon die erwartungsvollen Gesichter Kazuhas und Inaos zu sehen bekam, die neugierig darauf warteten zu erfahren, was er heraus gefunden hatte. Auf die knappe Erklärung Heijis, dass jemand eine Zeitlang einen größeren Gegenstand an dieser Stelle versteckt haben musste und es noch nicht allzu lang her sein konnte, dass dieser Gegenstand fortgebracht worden war, stellte Kazuha aufgeregt fest: „Dann hat Inao-kun wirklich Recht und es war gar kein Unfall?!“ Erhielt aber umgehend einen Dämpfer: „Aho. Das Ding kann aus sonst einem Grund hier gestanden haben. Und wenn der Pfeil, der den Jungen verletzt hat, von hier abgeschossen worden wäre, wäre durch den Winkel sofort klar gewesen, dass es nicht Tanegawa gewesen sein kann und damit auch kein Unfall“, belehrte Heiji sie in schulmeisterlicher Herablassung, während Kazuha enttäuscht leicht Kopf und Schultern hängen ließ. Sie schien inzwischen genauso wenig wie Inao daran zu glauben, dass es sich bei der Sache um einen Unfall handelte, obwohl Heiji schleierhaft war, warum. Er wusste nur, dass ihm diese spontane Vergemeinschaftung der Beiden kein bisschen behagte. Und so verzichtete er auch auf den Versuch Kazuha aufzumuntern, sondern warf ihr stattdessen nur einen scheelen Blick zu, bevor er an Kyūji gewandt sagte: „Ich denke, die Suche nach dem Apfel können wir vergessen. Aber ich würde gern mit Tanegawa reden. Weißt du, wo wir sie finden?“ Inao nickte nur zustimmend, drehte sich um und lief zielstrebig zur Vordertür des großen Hauses, davon überzeugt, dass ihm die anderen beiden folgen würden.
 

Es dauerte einen Moment, ehe die Tür des Hauses geöffnet wurde und gleich darauf ein älterer, distinguierter Mann in schwarzem Anzug im Türrahmen erschien, dessen Gesichtsausdruck äußerst herablassend wirkte. Umso überraschter waren Heiji und Kazuha als weder die Stimme noch die Worte des Mannes dessen Mimik entsprachen, sondern – trotz allen Bemühens um professionelle Sachlichkeit – gelinde Überraschung und warme Anteilnahme erahnen ließen. „Inao-san“, stellte der Mann statt einer Begrüßung fest, ohne den Eingang des Hauses frei zu geben. Der Pitcher nickte knapp zur Begrüßung und erwiderte dann: „Aoyama-san, ist Tanegawa da? Wir müssen mit ihr reden.“

„Ich fürchte, Sie kommen etwas ungünstig. Die Polizei ist gerade erst gegangen und Momoko-sama wollte zusammen mit Tanegawa-dono zu Shinya-sama fahren.“

„Es ist wichtig, dass wir mit Tanegawa reden. Ohne sie können wir nicht beweisen, dass jemand versucht ihr einen Mord anzuhängen“ erklärte Inao eindringlich. Überrascht hob der Butler die Brauen, während er den Jungen skeptisch musterte und erwiderte: „Soweit ich weiß, handelt es sich hier um einen Unfall, nicht um einen Mordanschlag.“

„Sie wissen genau, dass Tanegawa viel zu gut und sorgfältig ist, um so einen Fehler zu machen. Sobald die Polizei darauf aufmerksam wird, werden sie Momoko sehr schnell vorwerfen, sie hätte ihren Bruder absichtlich verletzt. Wir müssen verhindern, dass es so weit kommt.“
 

Aufmerksam hatte Aoyama Inao zugehört. Ebenso wie Kazuha, die mit auf dem Rücken verschränkten Händen, ein wenig vorgebeugt beschwörende Blicke in Richtung des Butlers sandte, als wollte sie ihn auf diese Weise dazu bewegen, ihnen Eintritt zu gewähren. Heiji unterdessen starrte in neugieriger Überraschung auf den Rücken des plötzlich so beredten Pitchers. Offenbar bekam der immer nur dann die Zähne auseinander, wenn er der Ansicht war, etwas Wichtiges zu sagen zu haben. Seine Bemerkung, dass Tanegawa ein solcher Fehler nicht passieren würde, war dabei ebenso interessant, wie die Tatsache, dass er anscheinend versehentlich den Vornamen des Mädchens benutzt hatte.
 

Inzwischen hatte sich Aoyama entschieden den Eingang des Hauses frei zu geben, während er gleichzeitig erklärte: „Sie finden Momoko-sama in ihrem Zimmer.“ Erleichtert atmet Inao auf, mit einem Nicken die Information zur Kenntnis nehmend und sich knapp bedankend, während er bereits das Haus betrat und die Schuhe abstreifte. Kurz darauf lief er zusammen mit Kazuha und Heiji beinahe lautlos über die dunklen, matt glänzenden Holzdielen.
 

Lässig die Hände in die Taschen seiner Jacke gestopft, sich interessiert umsehend, stellte Heiji scheinbar beiläufig an den älteren Jungen gewandt fest: „Sieht so aus, als würdest du es doch für möglich halten, dass Tanegawa ihren Bruder umbringen wollte.“ Mit einem abschätzenden Blick sah Kyūji über die Schulter zu dem Detektiv und konterte abweisend: „Dann hätte ich dich nicht gebeten den Fall aufzuklären.“ Heiji lächelte ein wenig hinterhältig, während er seinen Kontrahenten direkt ansah. „Oder du hättest mich genau deshalb angeheuert, damit ich dafür sorge, dass kein Verdacht auf dich und deine Freundin fällt.“
 

Der Pitcher blieb eine Antwort darauf schuldig. Stattdessen hielt er vor einer papierbespannten Schiebetür und beugte sich vor, um diese aufzuziehen. Im gleichen Moment jedoch wurde die Tür unerwartet von Innen aufgeschoben und ein verhältnismäßig großes Mädchen mit dunklen, im Nacken zu einem unordentlichen Knoten zusammengefassten Haaren, wollte das Zimmer verlassen, hielt jedoch abrupt in der Bewegung inne, als sie sich so plötzlich dem Baseballspieler gegenüber sah. „Inao-kun“, es klang wiederum mehr nach einer überraschten Feststellung als nach einer Begrüßung, während das Mädchen ihn unverwandt ansah und offenbar auf eine Reaktion wartete.
 

Kyūji hatte unwillkürlich das Gesicht verzogen als er so plötzlich nur noch eine Basecapschirmlänge von Momokos Gesicht entfernt war, als wollte er auf diese Weise einen Zusammenstoß verhindern. Statt sich jedoch sofort wieder aufzurichten und eine Erklärung für seinen Besuch und seine Begleiter zu geben, verharrte er wie versteinert in leicht vorgebeugter Haltung und brachte keinen Ton heraus. Er musste feststellen, dass es äußerst gefährlich sein konnte in dunkelbraune Augen zu sehen, in denen man ertrank, ohne auch nur den leisesten Wunsch zu verspüren, gerettet werden zu wollen. Aber so angenehm diese Gefühl auch war, deswegen war er nicht hergekommen. ‚Konzentrier dich!’, befahl sich Kyūji selbst, ohne zu bemerken, dass Kazuha neugierig zwischen ihm und Momoko hin und her sah, ein wissendes Lächeln auf den Lippen. Heijis Gesicht unterdessen drückte sehr deutlich aus, was er in diesem Augenblick dachte: ‚Aho!’ Das Einzige, was unklar blieb, war die Frage, ob sich das auf den Jungen bezog, der so offensichtlich verliebt war, oder das Mädchen, das offenbar keine Ahnung von den Gefühlen ihres Mitschülers hatte.
 

Unterdessen war Momoko zu der Ansicht gekommen, dass sie vorerst keine Erklärung von Inao erhalten würde und hatte ihre Aufmerksamkeit deshalb dessen beiden Begleitern zugewandt. Beim Anblick des Schülerdetektivs nahm ihr Gesicht einen überraschten Ausdruck an. „Hattori-san.“ Nun wirkten auch Heiji und Kazuha verwundert. Der Gesichtsausdruck des Detektivs wechselte jedoch schnell zu einer recht selbstzufrieden Mimik, angesichts seiner offensichtlichen Bekanntheit. Kazuha hingegen fragte noch immer verwundert: „Du kennst ihn?“ Der Selbstzufriedenheit Heijis mit ihrem ungläubigen Staunen einen harten Dämpfer versetzend. „Natürlich kennt sie mich! Immerhin bin ich der beste Detektiv Osakas“ grummelte er halblaut seiner Freundin zu, die ihm darauf nur einen scheelen Seitenblick zuwarf, während zugleich Momoko erklärte: „Mein Bruder ist ein richtiger Fan von Hattori-san. Er sammelt so ziemlich alles, was sich irgendwie auftreiben lässt und erzählt uns dann wie es Hattori-san gelungen ist, die jeweiligen Fälle zu lösen.“ Heiji schien nicht recht zu wissen, was er von dieser Erklärung halten sollte, während Kazuha sich auf die Lippen biss, um ihr Grinsen zu verbergen und Momoko mit einer auffordernden Bewegung zur Seite trat, die Besucher in ihr Zimmer bittend.
 

Inzwischen war es auch Inao gelungen, sich aus seiner Starre zu befreien, sodass er endlich in der Lage war zu erklären, warum der Detektiv und dessen Freundin gekommen waren. In verblüfftem Schweigen hörte sich Momoko zunächst Kyūjis Begründung an, schüttelte dann den Kopf und erklärte schließlich überzeugt: „Aber es war meine Schuld. Selbst die Polizei ist dieser Ansicht.“

„Die Polizei hat auch nicht immer Recht“ konterte Heiji bestimmt, während er sich zusammen mit Kazuha Momoko und Inao gegenüber an dem im Zimmer befindlichen, niedrigen Tisch niederließ und anschließend Momoko aufforderte, genau zu erzählen, was am Tag zuvor geschehen war. Für einen Moment zögerte das Mädchen, als überlege sie, ob es nicht vernünftiger wäre, das Ganze auf sich beruhen zu lassen. Kam der Aufforderung des Detektivs schließlich doch nach und bemühte sich, so sachlich und gefasst wie möglich zu berichten, woran sie sich erinnerte.
 

„Inao ist der Meinung, jemand würde versuchen dir etwas anzuhängen, um zu verhindern, dass du weiter an Wettbewerben teilnimmst.“ Momoko wirkte bei diesen mit sachlicher Ruhe vorgebrachten Worten Heijis eher ungläubig als entsetzt, während der Detektiv wissen wollte: „Fällt dir jemand ein, auf den das zutreffen könnte?“

„Nein, niemand“, die Antwort kam schnell und bestimmt, begleitet von einem bekräftigenden Kopfschütteln.

„Was ist mit Rei Yoshikuni? Sie wird mit Sicherheit nicht enttäuscht darüber sein, wenn du ihrem Sieg nicht weiter im Weg stehst“, gab Kyūji zu bedenken.

„Sie ist ehrgeizig“, stimmte Momoko ehrlich zu, „aber sie würde niemals versuchen mit solchen Mitteln zu gewinnen. Weil sie so nie sicher wäre, dass sie tatsächlich besser ist als ich. Wenn sie mich besiegt, dann so, dass es keinen Zweifel an ihrer Überlegenheit gibt.“

„Wir werden trotzdem mit ihr reden“, entschied Heiji kurzerhand, der Diskussion so ein Ende bereitend. Erstaunt sahen die anderen Drei ihn an.

„Dann bist du inzwischen auch überzeugt, dass es kein Unfall war?“, fragte Kazuha aufgeregt, erfreut darüber, dass sie in diesem Fall mit ihrer Intuition tatsächlich Recht behalten hatte.

„Möglich, warten wir’s ab“, erwiderte Heiji jedoch nur ausweichend, nicht bereit Zugeständnisse zu machen. Wieder an Momoko gewandt, fragte er anschließend: „Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, deinen Bruder als Zielscheibe zu benutzen?“
 

Momoko wurde bei dieser Wortwahl merklich blasser, während sie ihre Hände ineinander krampfte, als versuche sie auf diese Weise Halt zu finden. Auch Kyūji verspannte sich sichtlich und schien allmählich ernsthaft zu bereuen den Schülerdetektiv überhaupt um Hilfe gebeten zu haben. Unterdessen zischte Kazuha ihrem Freund empört zu: „Heiji, hör endlich auf damit!“

Verständnislos starrte Heiji seine Freundin an. Was passte ihr denn jetzt schon wieder nicht? Er hatte doch gar nichts gemacht.

„Du benimmst dich wie ein Trampel!“ Stellte Kazuha noch immer in wütendem Flüsterton fest.

Verärgert runzelte der Detektiv die Stirn. Kazuha musste auch immer meckern. Was hatte er denn schon Schreckliches gesagt?!

Im nächsten Moment räusperte er sich plötzlich verlegen und bemühte sich den Schirm seines Basecaps tiefer herabzuziehen.

Bevor er jedoch dazu kam irgendetwas zu murmeln, das als Entschuldigung hätte durchgehen können, begann Momoko mit leiser Stimme zu erzählen: „Ich hatte vor einer Weile Wilhelm Tell gelesen und wollte ausprobieren, ob der Apfelschuss auch mit einem japanischen Bogen an Stelle einer Armbrust gelingen würde. Das heißt, ob es mir gelingen würde, einen Apfel zu treffen. Deshalb habe ich mit der Hilfe von Aoyama-san und Shinya eine Strohpuppe angefertigt und mit ihr den Schuss geübt. Shinya hat mir hin und wieder zugesehen und schließlich vorgeschlagen, dass er den Platz der Puppe einnehmen könnte. Wir haben erst mit dem Makiwara-Abstand begonnen und den dann nach und nach vergrößert.“

„Habt ihr heimlich geübt oder konnte euch jeder dabei beobachten?“

„Wir haben erst auf dem normalen Schießstand geübt, der ist direkt hinter dem Haus, im Garten, später dann im Wäldchen. Zusehen hätte uns sicher jeder können. – Einmal war Miyuki mit ihrem Tennislehrer da. Sie meinte, dass Vater sicher begeistert wäre, wenn wir ihn damit überraschen würden.“
 

Momoko hatte kaum ausgesprochen, als durch die geschlossene Tür die Stimme des Butlers zu hören war: „Momoko-sama, Tanegawa-dono würde gern aufbrechen.“

„Danke, Aoyama-san, ich komme sofort.“ Noch während sie sprach erhob sich Momoko bereits anmutig und ging zur Tür, diese im nächsten Moment öffnend. Vor der Tür stand noch immer wartend Aoyama, der sich auf den fragenden Blick des Mädchens hin erklärte: „Verzeihen Sie den unpassenden Moment, Momoko-sama, aber die Köchin fragte mich eben wegen des für morgen geplanten Essens.“ Für einen Moment stutzte das Mädchen, als wüsste sie nicht wovon der Butler sprach, dann jedoch entschied sie: „Ich glaube nicht, dass einem von uns zum Feiern zumute ist. Wären Sie so freundlich den Gästen abzusagen und die Köchin entsprechend zu informieren?“

„Natürlich“, bestätigte Aoyama höflich und verneigte sich leicht, bevor er hinzufügte: „Es haben sich einige Journalisten gemeldet, die wissen wollten, ob Sie zu einem Interview bereit wären, um Einzelheiten des Unfalls zu erzählen und Ihre Version des Geschehens darzulegen. Ich habe mir erlaubt zu sagen, dass Sie nicht zur Verfügung ständen.“ Mit einer Mischung aus Unwillen und Besorgnis hatte Momoko den Worten des Butlers gelauscht und wirkte erleichtert, als sie hörte, dass Aoyama die Anfragen sämtlich bereits abgeschmettert hatte, ohne dass sie noch einmal mit den Reportern zu reden brauchte. Nachdem sie sich bei Aoyama bedankt hatte, zog sich dieser zurück, um die Köchin zu benachrichtigen.
 

Unterdessen lief Momoko zusammen mit ihren Gästen zum Eingansbereich des Hauses, wo bereits Ichimaru Tanegawa auf sie wartete. Nachdem dieser Inao begrüßt hatte, erkundigte er sich, ob es sich bei Kazuha und Heiji ebenfalls um Freunde seiner Tochter handelte.

„Das sind Kazuha Toyama und Heiji Hattori, Otosan“, stellte Momoko die Beiden vor, „sie wollen herausfinden, ob jemand anderes an Shinyas Verletzung schuld ist.“ Ichimaru hob bei diesen Worten skeptisch die Brauen und wiederholte fragend: „Jemand anderes? Wie sollte das gehen?“ Seine Tochter hob drauf nur in einer ratlosen Geste die Hände, während sie zugab: „Ich weiß es nicht.“

„Eigentlich hat mich Inao gebeten zu beweisen, dass es kein Unfall war“, mischte sich Heiji in diesem Moment gelassen ein, ohne zu merken dass der hinter ihm stehende Pitcher ihn bei diesen Worten versuchte mit Blicken zu erdolchen. Bedauerlicherweise verspürte das Opfer noch nicht einmal ein unangenehmes Stechen im Rücken.
 

Zur gleichen Zeit erkundigte sich Ichimaru ungehalten: „Wer glaubst du, wer du bist, dass du einfach so meine Tochter beschuldigst?!“

„Ich bin Detektiv, Tanegawa-san“, Heiji klang milde, als spräche er mit einem aufgebrachten Kind, nicht mit einem ausgewachsenen Mann, was Ichimaru nur noch mehr erzürnte. „Und noch beschuldige ich niemanden, ich sammle lediglich Fakten.“

Verärgert presste Ichimaru die Lippen zusammen, während er den selbstbewussten Oberschüler vor sich mit gerunzelten Brauen durchdringend anstarrte. Offenbar schien er jedoch einiges Vertrauen in das Urteilsvermögen oder den Instikt Kyūjis zu haben, vielleicht war es auch nur die vage Hoffnung, dass sich doch noch irgendwie die Unschuld seiner Tochter beweisen ließ. Denn statt den dreisten Oberschüler einfach zum Teufel zu schicken, erklärte er lediglich in drohendem Tonfall: „Wenn du zu unverschämt wirst, wende ich mich an deinen Vater. - Momoko, wir gehen.“ Noch während Momoko der Aufforderung ihres Vaters mit einem gehorsamen „Ja“ nachkam und hastig in Schuhe und Jacke schlüpfte, erkundigte sich Heiji an Ichimaru gewandt: „Können Sie mir sagen, was gestern passiert ist?“ Momoko sah bei dieser Frage überrascht auf, immerhin hatte sie ja bereits eben erst erzählt was vorgefallen war. Sie schwieg jedoch, da sie annahm, Heiji würde so eine Frage nicht grundlos stellen. Ihr Vater hatte unterdessen missmutig den Schülerdetektiv angestarrt und geschwiegen. Schließlich brummte er jedoch mit widerwilliger Anerkennung: „Du gibst wohl nicht so leicht auf, was? – Schön, ich werde dir im Auto erzählen, woran ich mich erinnere. Aoyama kann euch Drei anschließend nach Hause fahren.“ Damit wandte der Musikproduzent sich ab und verließ ohne ein weiteres Wort das Haus, gefolgt von den vier Jugendlichen.
 

Auf dem Weg ins Krankenhaus, im Fond des luxuriösen Wagens sitzend, die Arme vor der Brust verschränkt, beantwortete Ichimaru schließlich die Frage des Schülerdetektivs. „Am Anfang war alles wie immer. Als ich zum Schießstand gekommen bin, haben mich die Beiden schon erwartet. Erst hat Momo aus unterschiedlichen Entfernungen auf die Mato geschossen und Shinya hat ihr die Pfeile wiedergeholt. Schließlich meinte er, dass sie mir etwas zeigen wollten und dass ich raten müsste, was sie darstellten. Dann hat er sich dort hingestellt, wo vorher die Zielscheibe aufgebaut war und sich einen Apfel auf den Kopf gesetzt. Als er soweit war, hat Momo einen Pfeil eingelegt, gezielt und geschossen. - Ich war mir so sicher, dass sie treffen würde. – Dann kam meine Frau, um mich an eine Verabredung zu erinnern… Sie hat als Erste gesehen, was passiert war.“ Für einen Augenblick herrschte bedrücktes Schweigen im Fond der Limousine, untermalt von dem leisen Surren des Motors. Nachdenklich stellte der Musikproduzent schließlich fest: „Seltsam, kurz bevor Miyuki aufschrie, war da ein Geräusch. Vorhin habe ich gar nicht mehr daran gedacht… Aber im Nachhinein wirkt es fast, als wäre es eine Warnung gewesen. Als hätte Pandora in diesem Moment ihre Büchse geöffnet.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Teilchenzoo
2011-02-21T15:34:17+00:00 21.02.2011 16:34
Also konnte jeder die Übungen beobachten und sich seinen Teil dazu denken.
Eine Armbrust hat eine ziemliche Durchschlagskraft und könnte ferngesteuert werden ... war das das schwere Gerät? Nur der Schusswinkel stört mich ...
Und wo ist der Apfel? Ich glaube nicht, dass ihn einfach irgendein Tier weggeschleppt hat. Wohl eher der Täter, als Trophäe ... oder um Beweise verschwinden zu lassen, wie den, dass Momoko doch den Apfel und nicht den Bruder getroffen hat. Hat sich eigentlich mal jemand die Mühe gemacht, den Pfeil genau zu untersuchen? Fingerabdrücke? Der Handschuh bedeckt ja nicht die Finderspitzen, oder?

Hm.

Lg neko

Von:  IchBinLiebe
2009-10-30T19:59:45+00:00 30.10.2009 20:59
Sehr gelungenes Kapitel. Tolle Beschreibungen und tolle Wortwahl bzw. Satzkontsruktionen. ich schmunzelte mehrmals. Wirklich interessant das mit dem Busch. Muss man erst mal daruf kommen und Heiji war sowieso klasse!

Ich freu mich, wenn es weiter geht.
Von:  Hotepneith
2009-10-30T12:58:35+00:00 30.10.2009 13:58
Hm, macl nachdenken. Jeder konnte den Schiessübunen zusehen, schon gleich, als sie damit begannen. Dann hat jemadn an der nahe der Stelle, an der die Geschwister zuletzt immer den Apfelschuss übten, sich die Mühe gemacht, sorgfältig einen Busch auszuhöhlen und ein Loch hineinzuschneiden, as direkt auf den Ort zeigt, wo das Ziel stand bzw. später der "Tellsohn" stehen sollte. Drei Löcher im Boden, auf denen etwas Schweres gestanden hat - etwas mit drei Beinen steht sehr stabil un das war wohl auch beabsichtigt. Ein Gerät zum genauen Zielen? Womöglich mit einer Armbrust oder etwas ähnlichem darauf, um einen Pfeilschuss gut zu imitieren? Nur eine Fotokamera?
Denn natürlich wäre es möglich, dass es Zufall war, dass sich nur ein neuieriger Reporter anschleichen wollte, aber ein Unfall und ein Zufall am gleichen Tag, am gleichen Ort wäre doch ein wenig fiel.

Mal sehen, was Heiji nun herausbringt.

bye

hotep


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