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Really a game?

It's just a game - Fortsetzung
von

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Das Phantom der Nacht

3. Das Phantom der Nacht
 


 

Arus erster Gedanke, als er am nächsten Morgen von seinem Wecker aus dem Bett geworfen wurde, galt ausnahmsweise einmal nicht Blacky. Er hatte den Schwarzhaarigen sogar vorerst vergessen und machte sich nun, wenn auch recht verschlafen, an sein alltägliches Morgenritual. Sich die Augen reibend schlurfte er ins Bad, ließ das Decken- und Kissenchaos somit hinter sich und ging auf die Toilette, wusch sich Hände und Gesicht und kämmte sich die zerzausten blonden Haare, die ihm wild vom Kopf standen.
 

Wie gesteuert zog er sich seine Shorts auf, die kurz darauf im Wäschekorb verschwanden. Nackt wie er war ging er zurück ins Schlafzimmer – Chaos ignorierend – und zog sich Alltagskleider an, hieß: verwaschene Jeans, weißes Hemd und ein mit dunkelroten Rauten verzierter Pullunder. Als er in den großen Spiegel des Kleiderschrankes blickte, musste er abermals feststellen, wie sehr er diesen Stil doch liebte. Und ohne eingebildet zu sein, fand er zudem, dass dieser ihm durchaus stand. Die Armbanduhr wurde umgelegt, ehe Aru die Küche aufsuchte.
 

Auch wenn die gestrige Lasagne im Kühlschrank stand, roch es immer noch nach ihr. Aru verzog das Gesicht und öffnete schnell das Fenster. Es mochte zwar Lasagne, aber nicht am frühen Morgen. Er bekam generell morgens nichts, was mit Fleisch zu tun hatte, herunter. Zu gut erinnerte er sich noch, als er vor zwei Wochen bei Nik geschlafen hatte und dieser putzmunter in aller Herrgottsfrühe einen Hamburger vom vorigen Tag verdrückte. Aru war so übel davon geworden, dass er an dem Morgen nicht mehr auf Essen ansprechbar gewesen war. Es war vielleicht eine etwas komische Angewohnheit, aber jeder hatte eben so seine Macken.
 

Mit einem heißen Cappuccino in der Hand ging er durch die Wohnung, schnappte sich den Wohnungsschlüssel und verschwand ins Erdgeschoss, um dem Briefkasten seine Post und die Zeitung zu entnehmen. Auf dem Weg nach oben begegnete er der älteren Dame, die direkt unter ihm wohnte und wahrscheinlich ebenso vor hatte, sich ihre Post zu holen.
 

„Guten Morgen, Frau Lambing. Zu so früher Stunde sind Sie schon wach?!“ – es war immerhin erst acht Uhr und sie hätte ausschlafen können.

„Ach guten Morgen, mein Lieber“, lächelte sie ihm entgegen, „ich konnte nicht mehr schlafen und Sie müssen gleich zur Arbeit?“

Aru nickte. „Ja, eine neue Arbeitswoche beginnt“, seufzte er.

„Nun seien Sie nicht so wehleidig. Ich in Ihrem Alter…“, schweifte die Dame aus, wie es alle alten Menschen taten, die die Jugend tadeln wollten, doch unterbrach sie sich und zog leicht die Augenbrauen hoch. Das sonst schon faltige Gesicht wies nun tiefe Furchen auf, was Aru irgendwie amüsant fand.

„Sagen Sie mal, junger Herr. Was sind das für Flecken an Ihrem Hals?“ Die Furchen auf der Stirn verschwanden und neue an ihren Mundwinkeln tauchten auf, als Frau Lambing schmunzelte. Arus plötzlich rote Wangen, schienen ihre Vermutung zu bestätigen, denn sie tadelte erneut: „Die Jugend von heute… Aber tragen Sie lieber einen Schal, bevor Sie zur Arbeit fahren.“
 

Sie kicherte und auch wenn sie Aru in eine peinliche Situation gebracht hatte, er mochte sie. „Vielen Dank für den Tipp“, hüstelte Aru dezent und hätte fast etwas von seinem Cappuccino verschüttet. „Einen schönen Tag noch“, verabschiedete sich der Jüngere, um möglichst schnell wieder in seine Wohnung zu verschwinden, nicht dass sie noch darauf kam, weitere Frage zu stellen. Sie erwiderte und machte sich nun ihrerseits nach unten, um die Post zu holen.
 

Nachdem er seine Wohnung wieder betreten hatte, stellte er die Tasse auf den Küchentisch und lehnte sich erst einmal an die Arbeitsplatte. Das war nun schon der zweite Hinweis bezüglich seiner Knutschflecke, also sollte er sich heute wirklich irgendetwas um den Hals binden. Viel schlimmer war jedoch, dass er nun doch wieder an den Unbekannten erinnert wurde. Aru seufzte genervt und beschloss schließlich, seine Gedanken für Blacky vorerst hinter verschlossener Tür zu behalten. Er sollte realistisch sein und wenn er dies war, musste er sich eingestehen, dass er momentan eh nichts machen konnte.
 

Also beschäftigte er sich wieder ganz und gar mit seinem Morgenritual. Da er noch immer keine Brötchen da hatte, musste wieder das Toast herhalten, welches letztendlich wieder mit Erdbeermarmelade bestrichen wurde. Nachdem er das erste verdrückt hatte, öffnete er die Post. Zwei Briefe waren es dieses Mal. Einer von der Versicherung, die wieder Geld von ihm sehen wollte und einer von seinen Freunden, die ihm nochmals eine Einladung zu ihrer Hochzeit geschickt hatten. Aru sah sich erstaunt die Karte in seinen Händen an, schaute auf zur Pinnwand, an der genau die gleiche hing. Das bald verheiratete Paar schien wohl nicht mehr mit seinen ganzen Planungen klarzukommen. Sie taten Aru irgendwie Leid, aber andererseits wollten sie es genau so und da beide manchmal etwas unorganisiert waren, waren sie selber Schuld.
 

Aru stand auf und heftete die Einladung direkt neben die andere. Knapp eine Woche, genau gesagt diesen Sonntag, würde es endlich so weit sein. Der Blonde lächelte und machte sich an sein zweites Toast. Er hatte dem Paar versprechen müssen, die Fotos und Filme von der Trauung zu machen, die beiden hatten sogar darauf bestanden, auch wenn es wohl professionellere Leute dafür gab. Doch da er sie nicht enttäuschen wollte, war er auf ihre Bitte eingegangen.
 

Nachdem Aru sein Frühstück beendet hatte, putzte er sich die Zähne, rasierte sich die nicht sichtbaren Bartstoppeln und brachte seine widerspenstigen Haare mit etwas Gel in Form. Dann startete die Suche nach einem passenden Schal – zum Glück hatte er wie immer genügend Zeit eingeplant. Als er nach zehn Minuten dann endlich ein schwarzes Tuch gefunden hatte und dieses nun um seinen Hals lag, musste er feststellen wie spießig er aussah. Gar nicht gut. Also Pullunder aus, Hemd aus, schwarzes Hemd an. Schon besser.
 

Aru lugte hinab auf seine Armbanduhr, er hatte noch etwas Zeit und beschloss, sich noch an den Computer im Wohnzimmer zu setzen und die Mails zu checken. Aru wurde enttäuscht, denn die einzigen Mails, die er bekommen hatte, waren Werbungen für Potenzmittel oder Partnervermittlungen. Aru war an beidem nicht unbedingt interessiert. Er war weder impotent, noch wollte er dringend einen Partner, Blacky geisterte ja immer noch in seinem Kopf herum und trieb dort sein Unwesen.
 

~*~*~*~*~*~
 

Pünktlich um halb zehn schloss Aru den Laden auf, ließ das „geschlossen“-Schild jedoch, wo es war, denn offiziell öffnete er erst um zehn. Nachdem er den Wirrwarr auf dem Schreibtisch etwas geordnet hatte, machte er sich an die Geschäftpost, die er vorhin mit hereingebracht hatte. Sie war schnell durchgelesen, also widmete sich Aru der nächsten Aufgabe. Wieder schaltete der Blonde einen Computer an. Er hatte noch einige Bilder zu bearbeiten, bevor die ersten Kunden eintrudeln würden.
 

Der Tag verlief ziemlich schleppend. Es war Montag und die Kundschaft hatte wohl noch die Strapazen des Wochenendes hinter sich zu bringen. Viel zu tun gab es jedenfalls nicht, somit vertiefte sich Aru die meiste Zeit in seiner Fachzeitschrift, nur dass er dieses Mal die Aktkunst Aktkunst bleiben ließ und seiner Fantasie keine freie Hand ließ.
 

Da das Wetter die Sonne wiedergefunden hatte und es nicht mehr so kühl wie gestern war, verbrachte Aru seine Mittagspause draußen und schlenderte etwas durch die Innenstadt. In einem Schnellrestaurant, einem Asiaten, welchen er mit Nik oft besuchte, aß er zu Mittag und beobachtete die vorbeigehenden Menschen durch die riesigen Fenster an der Vorderfront. Sie liefen gehetzt an ihm vorbei, beachteten ihn gar nicht, sondern waren in Gedanken. Umso besser für Aru, dass es nicht auffiel, wie sehr er einige von ihnen anstarrte. So zum Beispiel starrte er einen jungen Mann an, der gelassen die Straße entlangging. Er hatte schwarze Haare, ein recht hübsches Gesicht für einen Mann und war schlank gebaut.
 

Aru vergaß für einen kurzen Moment zu atmen, als dieser Mann auch noch die Straße überquerte, direkt auf das Schnellrestaurant zusteuerte, in dem Aru wohl bemerkt saß und es sogar betrat. Vielleicht war es Einbildung, doch immerhin konnte es möglich sein, dass gerade wirklich Blacky an seinem Tisch vorbeiging und ihn mit einem kurzen Blick bedachte. Die Anspannung fiel jedoch alsbald von ihm ab. Denn in dem Blick hatte er die Desinteresse des Mannes erkannt, außerdem blieb das wohlige Kribbeln in seinem Inneren aus, welches es jedes Mal verspürt hatte, wenn Blacky ihm in die Augen gesehen hatte. Fehlanzeige also.
 

Mit seinen Stäbchen rührte er immer wieder durch die gebratenen Nudeln und warf ihnen böse Blicke zu, so als wenn sie Schuld an der Tatsache waren, dass wirklich jeder junge Schwarzhaarige, der gut gebaut war, Blacky hätte sein können. Vielleicht war er ihm sogar längst über den Weg gelaufen und Aru hatte ihn nicht bemerkt, Blacky sich nicht zu erkennen gegeben. Und vielleicht war Blacky auch gar nicht so hübsch, wie er sich ihn vorstellte. Vielleicht war er vollkommen hässlich, hatte lauter Pickel im Gesicht, Augenbrauen die in der Mitte zusammengewachsen waren und eine Schweinsnase.
 

Aru verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf, damit die Vorstellung daraus verschwand. Aber woher sollte er schon wissen, wie Blacky aussah, schließlich war dessen Gesicht mit der schwarzen Maske bedeckt oder aber es war zu dunkel gewesen, um überhaupt etwas zu erkennen. Dafür aber hatte Aru sein Gesicht ertastet, ganz zärtlich und Blacky hatte gelacht. Aru dachte wehleidig an dieses Lachen zurück, es war so ehrlich und schön gewesen. So ehrlich, dass Aru nie im Leben damit gerechnet hätte, dass der Unbekannte ihn am nächsten Morgen eiskalt abblitzen ließ.
 

Langsam aß Aru seine Nudeln auf, nun die Erinnerung reicher, dass Blacky ja gar nicht hässlich sein konnte. Pickel, Buschaugenbrauen oder eine Schweinsnase hatte er nicht gefühlt. Blacky hatte stattdessen wunderschöne, weiche Lippen gehabt, die so berauschend küssen konnten, strahlende Augen, auch wenn Aru noch immer nicht sagen konnte, welche Augenfarbe der Schwarzhaarige besaß und eine ebene Haut, mit Ausnahme der feinen Stoppeln am Kinn. Sie hatten Aru jedoch in keinster Weise gestört, zwischenzeitig hatten sie sogar angenehm gekitzelt.
 

Nachdem Aru aufgegessen und bezahlt hatte, war seine Mittagspause auch schon wieder fast um, also machte er sich auf den Weg zurück zum Laden. Und so sehr er sich auch bemühte, er hielt immer wieder Ausschau nach jungen, schwarzhaarigen Männern, die ihn vielleicht mit versteckter oder gar offensichtlicher Neugierde anschauten. Sobald dies aber der Fall war, waren die Männer wirklich total hässlich (Pickel, Schweinsnase, etc.), zu klein oder zu groß oder hatten einfach nicht die auf Aru entsprechende Wirkung. Dennoch wurde er bei jedem Mann nervöser. Vielleicht war Blacky doch unter ihnen. Am schrecklichsten war letztendlich sich einzugestehen, dass er wirklich nach dem Unbekannten suchte. Was er gemacht hätte, wenn Blacky plötzlich wirklich vor ihm stehen würde, wusste er nicht. Er hätte wahrscheinlich einfach spontan und instinktiv gehandelt.
 

~*~*~*~*~*~
 

Die folgende Woche verlief dann jedoch stressiger, als Aru angenommen hatte. Die Aufträge rieselten nur so zur Tür herein, er hatte viel zu tun und versank vollkommen in seiner Arbeit. Ganz praktisch, wenn Aru im Gegenzug zur vielen Arbeiten, kaum Zeit geschenkt bekam, um weiter unsinnige Gedanken an den Unbekannten zu verschwenden. Er war nicht mehr so angespannt, wie er es die ersten zwei Tage nach der Party gewesen war. Nur abends wenn er endlich vollkommen ruhig im Bett lag und eigentlich schlafen wollte, kamen oft die Bilder jener Nacht hoch, an die er eigentlich nicht denken wollte. Am Dienstagabend war es dann sogar soweit gekommen, dass er sich wieder selbstbefriedigt hatte, während er den maskierten Blacky vor sich sah. Und auch seine Träume blieben von dem Unbekannten nicht verschont. Doch sobald er wieder auf der Arbeit war, vergaß er die Träume und blühte geradezu auf und freute sich auf das Wochenende und mit ihm auf die Hochzeit, die immer näher rückten.
 

Je länger die Woche und die Ablenkung wurden, umso mehr begann Aru mit dem Thema Blacky abzuschließen. Es war eine einmalige Sache gewesen. Blacky würde ihn kein zweites Mal aufsuchen und erneut auf eine der Partys zu gehen, kam für Aru nicht in Frage. Also musste er es hinnehmen, wie es war und sich vielleicht einfach einen anderen netten Kerl suchen, doch vorerst würde er es so belassen, wie es war. Und wahrscheinlich hätte er das auch, wenn er nicht am Freitag, als er von der Arbeit wiedergekommen war, die Karte in seinem Briefkarten entdeckte, die alle Vorsätze wieder über den Haufen warf.
 

~*~*~*~*~*~
 

Nicht nur Aru brachte die Woche erfolgreich hinter sich, auch dessen Verführer ging es mehr oder weniger nicht anders. Mr. Jackfield sah anscheinend gar nicht ein, wieso er seinen Lieblingsmitarbeiter (ob er dies wirklich war, bezweifelte der Schwarzhaarige irgendwie) vor Arbeit schonen sollte. Doch obwohl er letztendlich nur so in Zahlen und Zinsen steckte, erwischte er sich immer wieder dabei, wie seine Gedanken zu dem blonden, jungen Mann schweiften, der das letzte Wochenende die Ehre gehabt hatte, von ihm entjungfert zu werden.
 

Schlimmer wurde es, als er Aru am Mittwoch in der Stadt getroffen hatte. Es war reiner Zufall gewesen, beide waren anscheinend bei ihrer Mittagspause. Sie gingen auf zwei verschiedenen Straßenseiten und in entgegensetzte Richtungen. Der Schwarzhaarige hatte sich kurz über die Lippen geleckt, als er den schlanken Körper und das feine Gesicht sah, welche nicht einmal zehn Meter von ihm entfernt waren. Und kurz glaubte er sogar, Aru hätte ihn gesehen und auch erkannt, denn dessen Augen huschten nur so an den Menschen vorbei, so als wäre es auf der Suche nach etwas oder jemanden. Kurz streifte ihn der suchende Blick, doch er drehte sich anscheinend rechtzeitig ab, um das Gesicht zu verbergen. Der Schwarzhaarige wollte nicht erkannt werden, zumindest nicht hier und jetzt.
 

Als der Blonde aus seinem Sichtfeld verschwunden war, entspannte er sich wieder etwas und ging zurück zur Bank, die – wie sollte es auch anders sein – weitere Aufgaben für ihn bereit hielt. Auf dem Weg machte sich der Beschluss in ihm breit, dass Aru nicht nach irgendwem gesucht hatte, er hatte nach ihm, dem Unbekannten gesucht. Aru hatte ihn also doch nicht so schnell vergessen, er hatte es auch nicht anders erwartet, bei der Reaktion, die Aru an den Morgen gelegt hatte, als er maskiert einfach verschwunden war. Noch immer konnte er über das aufgebrachte Gesicht Arus schmunzeln. Umso mehr freute es ihn nun, dass er gesucht wurde.
 

Die nächsten Tage hielt er sich aus der Innenstadt fern, zumindest zu der Zeit, in der Aru allen Anscheins nach seine Mittagspause hielt. Er wollte sich noch nicht zu erkennen geben, doch er hatte beschlossen, Aru nicht mehr lange warten zu lassen, denn dass Aru an mehr interessiert war, hatte der Ältere schon am Sonntag gemerkt.
 

Am Freitag dann machte er eher Feierabend als sonst und da er wusste, dass Aru mindestens noch eine Stunde in seinem Laden fest hängen würde, war sein Plan nicht gefährdet. Aru war ihm schon früher aufgefallen, er hatte ihn dann und wann beobachtet, wenn sich die Gelegenheit ergab und er nichts Besseres zu tun gehabt hatte. Und irgendwann wusste er, wann Aru seine Arbeit antrat, wann er seine Mittagspause hielt und wann er wieder nach Hause fuhr. Und seit Neustem wusste er sogar, wo sich dieses Zuhause befand.
 

Dies machte er sich also zu Nutze und brachte Aru eine Karte vorbei, die er ihm in den Briefkasten steckte. Nun lag es an Aru. Würde der Blonde auf seinen Vorschlag eingehen…?
 

~*~*~*~*~*~
 

Völlig entgeistert starrte Aru auf die Karte in seinen Händen, las immer und immer wieder die wenigen Worte, die mit einer spitzen Handschrift geschrieben worden waren. Sein Verstand wollte einfach nicht verstehen, was dort stand. Doch sein Herz hatte längst begriffen und schlug wild und vor allem aufgeregt in seiner Brust.
 

Nach dem zehnten Durchlesen brachte es Aru endlich hinter sich, auch in seine Wohnung zu gehen. Er war schlicht weg überfordert, eigentlich war er doch gerade dabei gewesen, Blacky abzuschreiben und sich nicht länger mit ihm zu befassen und nun kam einfach eine mehr als eindeutige Karte von ihm hereingeschneit. Aru sah die einzige Möglichkeit der Hilfe, das Telefon zu holen und Nik anzurufen. Vielleicht konnte er ihm ja helfen.
 

„Nik…? Ich… ich hab vorhin eine Postkarte in meinem Briefkasten gefunden.“

Kurze Stille. Dann: „Ja und?“

„Sie ist von Blacky.“

Wieder Stille. „Oh“, kam dann der geistreiche Kommentar. „Und? Was schreibt er?“

Aru zögerte, dann las er monoton die Worte der vor ihm liegenden Karte vor.
 

Lust auf ein weiteres Spiel?

Dann treffe mich heute Abend um 21:00 Uhr!

Dein Verführer
 

Nik konnte sich ein leises Kichern nicht verkneifen. „Tja, ich würde sagen, das ist mehr als eindeutig… bis auf die Tatsache, wo du ihn treffen sollst.“

Aru wusste nicht, ob er Niks Begeisterung teilen sollte, aber immerhin wusste er eine Antwort auf das Problem. „Ich glaube ich weiß es. Es ist ja eine Postkarte. Sie zeigt den Stadtpark, genauer gesagt die große Trauerweide.“

„Es wird immer mysteriöser“, witzelte Nik, da der Unbekannte nun wohl auch seinen Spaß beim Rätselgeben hatte. Als Aru schnaufte, verstummte sein bester Freund wieder und wurde fürsorglicher. „Wirst du hingehen?“, fragte er sanft.

„Ich weiß es nicht.“ Aru klang verbittert, denn es wusste es wirklich nicht. „Deswegen rufe ich ja eigentlich an. Weißt du, ich hatte es die Woche mehr oder weniger geschafft, ihn einfach zu vergessen und nun das… Ich weiß nicht, was ich tun soll.“ Nik und Aru seufzten synchron in ihr jeweils eigenes Telefon.
 

„Aru, das Einzige, was ich dir sagen kann, ist: Hör auf dein Herz. Wenn du ihn unbedingt wiedersehen musst, dann triff dich mit ihm. Aber behalte im Hinterkopf, dass er dich jederzeit wieder verletzen und verschwinden kann.“ Nik gefiel es zwar nicht, dass sein Freund sich so zu einem Fremden hingezogen fühlte, aber wenn es das war, was er wollte, dann würde er es akzeptieren und seinen Freund unterstützen. Dafür waren Freunde schließlich da. „Denk noch mal darüber nach. Eineinhalb Stunden hast du ja noch.“ Wieder der amüsierte Ton, denn lange Zeit blieb Aru wirklich nicht. Vielleicht hatte Blacky auf eine Kurzschlussreaktion Arus spekulieret. Kurz darauf legten sie auf, Nik wollte ihm Zeit zum Nachdenken geben.
 

Was Nik nicht wusste, er hatte sogar Recht mit der Vermutung gehabt. Der Schwarzhaarige konnte nicht wirklich sicher sein, dass Aru noch an ihn dachte, sich nach ihm sehnte und sogar nach ihm suchte. Hätte er ihm noch ein, zwei Tage oder gar eine Woche Zeit gegeben, sich zu überlegen, ob er auf ein Treffen eingehen sollte, hätte er vielleicht verspielt. Nachher hätte Aru sich nicht getraut, da er die Zeit hatte Vor- und Nachteile abzuwiegen. Der Ältere selbst hätte nicht gewusst, ob er einem Treffen allein mit einem Unbekannten zugestimmt hätte.
 

Aru wusste es leider auch nicht. Niks Ratschläge hatten ihm kaum weitergeholfen, er hätte sich eine klare Antwort gewünscht, wusste aber gleichzeitig, dass Nik ihm seine Entscheidung nicht abnehmen konnte. Einfach war sie auf jeden Fall nicht. Einerseits hatte Aru sich damit abgefunden, Blacky abzuschreiben und es bei einem One-Night-Stand zu belassen. Vor Allem wollte er nicht wieder verletzt werden. Sein Hirn sagte ihm, dass es falsch wäre, sich nun wieder auf den Unbekannten einzulassen, doch sein Herz schrie geradezu gegen den Verstand. Er sehnte sich so nach den zärtlichen Berührungen des fremden Mannes. Er war verletzt worden, ja, aber sein Körper hatte sich so wohl und gut gefühlt, wie noch nie. Und dieses Gefühl wollte er wieder spüren.
 

Herz und Verstand protestierten noch immer miteinander, als Aru das Chaos in seinem Inneren nicht mehr aushielt und unter die Dusche flüchtete. Das heiße Wasser half ihm, sich wenigstens ein bisschen zu entspannen und für einen kurzen Moment die Gedanken auf Autopilot zu schalten. Nach dem Duschen zog er sich etwas Frisches an – seine verwaschene Lieblingsjeans, ein schlichtes schwarzes T-Shirt und darüber einen schwarzen Pullover. Dann setzte er sich im Wohnzimmer auf das breite Sofa und starrte an die gegenüberliegende Wand mit der großen Uhr. Es war still in der Wohnung, nur das Ticken der stetig voranschreitenden Zeit war zu hören. Aru verfolgte still den Sekundenzeiger und mit ihm den Zeiger der Minuten.
 

20:24 Uhr…
 

20:32 Uhr…
 

20:39 Uhr…
 

20:46 Uhr…
 

20:57 Uhr…
 

Aru sprang plötzlich auf. Er hielt es nicht mehr aus, schnappte sich gerade noch seinen Schlüssel, welcher ebenso schnell in seine Hosentasche verschwand und stürmte nach unten. Nicht einmal sein Handy hatte er mitgenommen, als er auch schon auf der Straße stand und Richtung Park rannte. Er wusste, er tat das Falsche und er wusste, er tat genau das Richtige. Doch um herauszufinden, ob es falsch oder richtig war, musste er einfach nur rennen. Hinein ins Glück oder auch hinein ins Verderben…
 

Er kam natürlich zu spät, es waren vielleicht acht Minuten. Der Park war riesig, doch es gab nur eine Trauerweide in ihm, also war der Treffpunkt eindeutig. Es war dunkel, nur hier und da beschien eine Laterne den Kiesweg mit ihrem diffusen Licht. Das Geräusch, das seine Schuhe auf dem Kies machten, kam ihm seltsam bekannt, nur kam er im ersten Moment nicht darauf, woran es ihn erinnerte.
 

Als Aru den dunklen, riesigen Baum mit seinen langen Armen erreichte, konnte er keine andere Person entdecken. Seine Augen hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt, doch das Einzige, was er entdecken konnte, war die Bank, die direkt unter der Weide stand, weitere Bänke am Weg, ebenso wie Mülleimer. Bäume, Beete, Wege. Alles was in einen Park gehörte, nur keinen Blacky. Der Blonde ließ seufzend die Schultern hängen, konnte nicht verbergen, wie enttäuscht er darüber war, dass er wohl doch zu spät war, insofern der Unbekannte wirklich hier gewesen war und sich nicht nur einen Spaß mit ihm erlaubt hatte. Aru war sauer auf sich selbst. Jetzt wo er sich entschlossen hatte, wenigstens einen weiteren Schritt zu riskieren, hatte er verspielt. Er hob die Hände und fuhr sich durch die mittlerweile trockenen Haare, als sich genau in dem Moment plötzlich zwei andere Hände an seine Hüften legten und ihn näher zogen. Aru hisste erschrocken auf, stand kurz vor einem Herzinfarkt.
 

„Du hast mich warten lassen“, vernahm er die zärtliche, tiefe und vor allem bekannte Stimme direkt an seinem Ohr. Aru beruhigte sich wieder und bekam eine leichte Gänsehaut. Er antwortete nicht, sah aus Trotz auch nicht ein, sich zu entschuldigen. Blacky hatte es auch nicht getan, als er verschwunden war. Plötzlich kam wieder die Wut in ihm hoch. Als der Unbekannte jedoch seine Arme richtiggehend um seinen Körper schlang, war alle Wut verraucht und Aru lehnte sich vertrauensvoll an die starke Brust hinter sich. Er schloss für einen kurzen Moment die Augen und genoss jeden Augenblick dieser innigen Umarmung.
 

Blacky löste diese Arus Meinung nach viel zu schnell, doch wollte dieser Aru endlich zu sich umdrehen, um ihm in die Augen zu sehen. Arus Herzrasen nahm zu, als ihm bewusst wurde, was Blacky vorhatte. Obwohl es dunkel war, konnte Aru noch einiges erkennen und so würde er auch endlich das Gesicht des Unbekannten sehen.
 

Sobald er sich umgedreht hatte, sah Blacky sich einem enttäuschten Gesicht gegenüber. Aru hingegen starrte geradezu fassungslos sein Gegenüber an. Blacky trug seine Maske. Schwarz mit weißen Perlen und einer weißen Feder an der Seite. „Du spielst mit unfairen Spielregeln“, gab Aru missmutig von sich, tat jedoch weder etwas, um sich von der Umarmung zu befreien, noch um dem Unbekannten die Maske zu entreißen.
 

„Ich weiß“, lächelte der Schwarzhaarige sanft, sodass Aru schon wieder ganz schwach von diesem Anblick wurde. „An meine Regeln wirst du dich gewöhnen müssen.“ Dann senkte er sich zu dem Blonden herab. Seine Lippen suchten die Arus, fanden sie und zogen sie in einen zärtlich Kuss, der schon bald umschwang und von so viel mehr versprach…
 


 

3. Das Phantom der Nacht - Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Yvaine
2009-11-24T20:16:24+00:00 24.11.2009 21:16
Aaaaahhhhh kreisch!!!!!

Warum musstest du dir ausgerechnet diese Stelle zum aufhören raussuchen *heul*...wie gemein^^

Mir gefällt total wie du den Inhalt der Story ausbaust, authentisch und mit viel Gefühl. Mit jedem neuen Kapitel schürst du meine Neugier und Ungeduld auf eine Fortsetzung....bitte, bitte, bitte schreib weiter!

Lg

Von:  Adisa
2009-11-09T12:42:46+00:00 09.11.2009 13:42
Hach, so muss es sein! *verträumt*...
Also erst einmal find ich deinen Schreibstil klasse. Sogar noch vor der Story, die ich auch supi finde, denn ich finde, dass sich mit einem guten Schreibstil jeder Storyline eine schöne Atmosphäre abgewinnen lässt.
Was mir vor allem gefällt ist, dass du nicht abschweifst. Z.B. als Aru die alte Frau auf der Treppe getroffen hat, da sprach er mit ihr und schon verschwand sie, um sich ihre Zeitung zu holen. Fertig. ^_^
Von:  Bloody-259
2009-11-02T21:50:13+00:00 02.11.2009 22:50
wow ich muss scho sagen einfach geil die story habe richtiges kribbeln im bauch XD bei den was du schreibst es ist einfach romantisch ich liebe es ;D mach schnell weiter *gespant bin*


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